VwGH vom 18.12.2019, Ro 2016/15/0041
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100360/2013, betreffend Energieabgabenvergütung für 2011 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in W, vertreten durch die Prodinger & Partner Wirtschaftstreuhand- Steuerberatungs GmbH & Co KG in 5700 Zell am See, Professor-Ferry-Porschestraße 28), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1Mit Eingabe vom beantragte die Mitbeteiligte, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Hotel führt, die Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011.
2Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Begründend wurde - in der verwiesenen Niederschrift über eine Nachschau vom - ausgeführt, mit Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sei in den § 2 und 3 Energieabgabenvergütungsgesetz (EAVG) eine Einschränkung vorgesehen worden, nach der für Antragszeiträume nach dem eine Energieabgabenvergütung nur für Betriebe zulässig sei, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe. Für „Dienstleistungsbetriebe“ sei die Energieabgabenvergütung für Zeiträume nach dem somit ausgeschlossen.
3Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
4Mit Bescheid vom wies der unabhängige Finanzsenat die Berufung als unbegründet ab.
5Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 494/12, unter Verweis auf sein Erkenntnis vom , B 321/12, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
6Mit Erkenntnis vom , 2013/15/0053, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Unter Verweis auf die Erkenntnisse vom , 2012/17/0175, und vom , 2012/17/0469, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die Mitbeteiligte sei durch die Versagung der Energieabgabenvergütung für den Zeitraum Februar bis Dezember 2011 nicht in ihren Rechten verletzt. Der unabhängige Finanzsenat habe die Rechtslage aber insofern verkannt, als dieser für den Monat Jänner 2011 das Bestehen eines Anspruches auf Energieabgabenvergütung versagt hat.
7Das an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates getretene Bundesfinanzgericht legte mit Beschluss vom dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV Fragen zur Vorabentscheidung vor.
8Mit Urteil vom , Dilly’s Wellnesshotel, C-493/14, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Union zu Recht, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) sei dahin auszulegen, dass das Fehlen eines ausdrücklichen Verweises auf diese Verordnung unter Angabe des Titels sowie eines ausdrücklichen Verweises auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union in einer Beihilferegelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Annahme entgegenstehe, dass diese Regelung gemäß Art. 25 Abs. 1 dieser Verordnung die Voraussetzungen für eine Freistellung von der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht erfülle.
9Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und setzte die Energieabgabenvergütung für 2011 antragsgemäß fest. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
10Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Regelung der § 2, 3 und 4 Abs. 7 EAVG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 stelle auf ein Anmeldeverfahren ab; ein Bezug auf ein Verfahren nach der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung EG Nr. 800/2008; AGVO) sei erst nachträglich angedacht worden. Das Gesetz enthalte keinen Hinweis auf die AGVO und erfülle auch nicht dessen essentielle Voraussetzungen. Der Wortlaut des Gesetzes („genehmigt“, „nicht genehmigt“) verweise auf das Anmeldeverfahren. Eine derartige „Genehmigung“ der EU-Kommission liege aber nicht vor; die für Dienstleistungsbetriebe geltende Einschränkung sei daher mangels Genehmigung nicht in Kraft getreten. Auch wenn § 4 Abs. 7 EAVG nicht auf ein Anmeldeverfahren bezogen wäre, ergäbe sich kein Inkrafttreten der Neuregelung für 2011. Es lägen zwingende Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vor, sodass eine Freistellung von der Anmeldepflicht nicht erfolgt sei. Es sei daher die Energieabgabenvergütung für 2011 der Mitbeteiligten zur Gänze - nicht nur für den Monat Januar 2011 - zuzuerkennen.
11Die Revision sei zulässig, weil die Auslegung von § 4 Abs. 7 EAVG ungeklärt sei und zur Frage, ob angesichts der EuGH-Entscheidung C-493/14 das Durchführungsverbot greife und die Regelung noch nicht in Kraft getreten sei, Rechtsprechung fehle.
12Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Das Finanzamt verweist auf die Bindungswirkung (§ 63 Abs. 1 VwGG) des Erkenntnisses vom , 2013/15/0053. Es sei dem Bundesfinanzgericht zwar zuzustimmen, dass ein EuGH-Urteil die Bindungswirkung nationaler Höchstgerichte durchbrechen könne, es komme aber darauf an, ob die vom EuGH entschiedene Auslegungsfrage überhaupt von Einfluss auf die auf nationaler Ebene zu entscheidende oder bereits entschiedene Rechtsfrage sein könne. Dies sei aber nicht der Fall, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , 2012/17/0469, ausgesprochen habe. Demnach komme es für das Inkrafttreten der Regelung nicht darauf an, dass alle Bedingungen für die Anwendung der AGVO erfüllt seien. Auch ungeachtet der bestehenden Bindungswirkung an die im Erkenntnis 2013/15/0053 geäußerte Rechtsansicht überzeugten die Ausführungen des Bundesfinanzgerichts nicht. Dem Urteil des EuGH sei nicht zu entnehmen, dass eine Gewährung von Energieabgabenvergütungen an Produktionsbetriebe grundsätzlich eine unzulässige Beihilfe darstellen würde. Hätte der österreichische Gesetzgeber sämtliche Voraussetzungen der AGVO erfüllt und der EuGH somit die Vorlagefrage dahin beantwortet, dass die Beihilfemaßnahme von der Freistellung erfasst sei, hätte dies nichts an der in der Inkrafttretensbestimmung formulierten Bedingung geändert.
13Die mitbeteiligte Partei und der Bundesminister für Finanzen haben Revisionsbeantwortungen und weitere Schriftsätze eingebracht.
14Mit Beschluss vom legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
„1. Ist eine Änderung einer genehmigten Beihilferegelung, mit der ein Mitgliedstaat auf die weitere Nutzung der Beihilfegenehmigung für eine bestimmte (trennbare) Gruppe von Beihilfeempfängern verzichtet und damit das Beihilfevolumen für eine bestehende Beihilfe lediglich reduziert, in einem Fall wie dem vorliegenden eine nach Art. 108 Abs. 3 AEUV (grundsätzlich) anmeldepflichtige Umgestaltung einer Beihilferegelung?
2. Kann das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV im Falle eines Formfehlers im Rahmen der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) zur Unanwendbarkeit einer Einschränkung einer genehmigten Beihilfenregelung führen, sodass der Mitgliedstaat im Ergebnis durch das Durchführungsverbot zur Zahlung einer Beihilfe an bestimmte Beihilfeempfänger verpflichtet wird (‚Durchführungsgebot‘)?
3a. Erfüllt eine Regelung über die Vergütung von Energieabgaben wie die hier vorliegende, bei welcher der Vergütungsbetrag der Energieabgaben im Gesetz eindeutig durch eine Berechnungsformel festgelegt ist, die Voraussetzungen der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union?
3b. Bewirkt Art. 58 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 für den Zeitraum ab Jänner 2011 die Freistellung dieser Regelung über die Vergütung von Energieabgaben?“
15In ihrer schriftlichen Erklärung zum Vorabentscheidungsersuchen teilte die Europäische Kommission dem Gerichtshof der Europäischen Union mit, die Kommission teile die Ansicht des vorlegenden Gerichts, dass die Energieabgabenvergütungsregelung (in der Fassung der Neuregelung) die Erfordernisse des Kapitels I der AGVO 2014 erfülle (Rz 52). Auch erfülle die Energieabgabenvergütung in dieser Fassung die Voraussetzungen des Art. 44 AGVO 2014 und gelte ab Inkrafttreten dieser Verordnung (ab ) als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht freigestellt (Rz 61). Aufgrund der Rn. 52 bis 54 des Vorlagebeschlusses gehe die Kommission auch davon aus, dass die an die Produktionsbetriebe ab Februar 2011 ausgezahlten Energieabgabevergütungen sämtliche Voraussetzungen der AGVO 2014 außer Art. 9 erfüllten. Somit seien gemäß Art. 58 Abs. 1 AGVO 2014 auch die Zahlungen für den Zeitraum Jänner/Februar 2011 bis von der AGVO 2014 erfasst und das Unionsrecht verpflichte den nationalen Richter nicht, ihre Rückzahlung anzuordnen (Rz 64).
16Der Generalanwalt - der sich auf Ersuchen des Gerichtshofs auf die Prüfung der dritten Vorlagefrage beschränkte - führte in seinen Schlussanträgen vom , C-585/17, u.a. aus, die Auslegung von Art. 44 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 651/2014 werfe keine ernsthaften Zweifel auf (Rn. 73). Die Beihilfenregelung stehe insbesondere mit Art. 44 Abs. 2 AGVO 2014 im Einklang (Rn. 81).
17Der Gerichtshof der Europäischen Union erkannte mit Urteil vom , Dilly’s Wellnesshotel (II), C-585/17, für Recht:
„1. Art. 108 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, mit der eine Beihilferegelung geändert wird, indem der Kreis der Empfänger dieser Beihilfe verkleinert wird, grundsätzlich der in dieser Bestimmung vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegt.
2. Art. 58 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV ist dahin auszulegen, dass Beihilfen, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung auf der Grundlage einer Beihilferegelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden gewährt wurden, gemäß dieser Verordnung von der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht freigestellt werden können.
3. Art. 44 Abs. 3 der Verordnung Nr. 651/2014 ist dahin auszulegen, dass eine Beihilferegelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, für die der Betrag der Vergütung von Energieabgaben ausdrücklich in einer Berechnungsformel festgelegt ist, die in der nationalen Regelung, mit der diese Beihilferegelung eingeführt wird, vorgesehen ist, mit dieser Bestimmung vereinbar ist.“
18Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19Die Revision ist zulässig und begründet.
20§ 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz idF BGBl. I Nr. 92/2004 lautet:
„(1) Ein Anspruch auf Vergütung besteht für alle Betriebe, soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger liefern oder Wärme (Dampf oder Warmwasser) liefern, die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde.“
21Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz wie folgt geändert:
„(1) Ein Anspruch auf Vergütung besteht nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.“
22Weiters wurde dem § 4 Energieabgabenvergütungsgesetz folgender Absatz 7 angefügt:
„(7) Die § 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sind vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.“
23In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 10 und 141) wurde hiezu ausgeführt:
„Zu Art. 72 (Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes):
Die Energieabgabenvergütung war ursprünglich auf Produktionsbetriebe eingeschränkt. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil Adria-Wien-Pipeline betont, dass die Erweiterung der Anspruchsberechtigten auf alle Unternehmer dazu führen würde, dass die österreichische Energieabgabenvergütung eine allgemeine steuerliche Maßnahme und somit keine - genehmigungspflichtige - staatliche Beihilfe ist. In der Folge wurde die Zahl der Anspruchsberechtigten um die Dienstleistungsbetriebe erweitert. Nunmehr soll die Zahl der Anspruchsberechtigten wieder - nach Genehmigung durch die Europäische Kommission - auf Produktionsbetriebe zurückgeführt werden.
[...]
Zu Z 1 bis 3 (§ 2 Abs. 1, § 2 Abs. 3 und § 3 Z 1 EnAbgVG):
An Stelle der Verwendung der Energie für betriebliche Zwecke wird nunmehr die Verwendung für den Produktionsprozess eines Betriebes, dessen Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, verlangt, sodass alle Betriebe, deren Schwerpunkt in der Erbringung von Dienstleistungen besteht, keinen Anspruch auf Energieabgabenvergütung haben.
Zu Z 4 (§ 4 Abs. 7 EnAbgVG):
Voraussetzung für die Anwendung der geänderten Bestimmungen ist die Zustimmung der Europäischen Kommission. Die Änderung tritt für die Verwendung der Energie nach dem in Kraft. Anträge von Dienstleistungsbetrieben für Zeiträume nach dem sind daher nicht mehr zulässig. Wird die Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes von der Europäischen Kommission als erlaubte staatliche Beihilfe genehmigt, dann ist die gesetzlich vorgesehene Einschränkung auf Produktionsbetriebe mit anzuwenden, sodass ab diesem Zeitpunkt Dienstleistungsbetriebe für die Verwendung von Energie keinen Anspruch auf Energieabgabenvergütung haben. Sollte die Änderung von der Europäischen Kommission nicht genehmigt werden, so bleibt die bisherige Rechtslage unverändert und es haben sowohl Produktionsbetriebe als auch Dienstleistungsbetriebe Anspruch auf eine Energieabgabenvergütung.“
24Zunächst ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Vergütung von Energieabgaben nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2004 keine Bedenken im Hinblick auf das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV bestehen (vgl. , mwN; , 2012/17/0469; vgl. insbesondere die unbefristete Bestätigung durch die Entscheidung der Kommission vom , 2005/565/EG, ABl. 2005 L 190/13, Art. 3 und Rn. 72; diese Beurteilung blieb - worauf auch der EuGH in seinem Urteil [Rn. 52] verwiesen hat - im Vorabentscheidungsverfahren unbeanstandet).
25Zum Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe von der Energieabgabenvergütung mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/17/0175, VwSlg. 8740/F, ausgesprochen, dass die Neuregelung durch § 2 Abs. 1 EAVG nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn eine Genehmigung der Europäischen Kommission (in welcher Form immer) vorliegt. Die Neuregelung des § 2 EAVG sollte nur dann gelten, wenn ein „positiver Entscheid“ der Europäischen Kommission vorliegt; in Ermangelung eines solchen sollte die bisherige Regelung - also eine Energieabgabenvergütung auch für Dienstleistungsbetriebe - fortbestehen. Für den Monat Jänner 2011 liegt jedoch die vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten vorausgesetzte Genehmigung jedenfalls nicht vor.
26Im Erkenntnis vom , 2012/17/0469, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen:
„Aufgrund des Wortlauts des § 4 Abs. 7 EAVG und der wiedergegebenen Ausführungen in der Regierungsvorlage ist jedenfalls davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber die beihilfenrechtliche Problematik dieser Materie bewusst war. Der in § 4 Abs. 7 EAVG angeführte Vorbehalt ist dahingehend zu verstehen, dass es für das Inkrafttreten des § 2 nur auf das Vorliegen der ‚Genehmigung‘ ankommt. Da die bereits im Juli 2008 erlassene AGVO u. a. Umweltsteuerermäßigungen nach Maßgabe der Richtlinie 2003/96/EG allgemein im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und von der Anmeldepflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV freistellt (Art. 25 Abs. 1 AGVO), kann es dem Gesetzgeber nicht auf ein förmliches Anmeldeverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV angekommen sein. Vielmehr sollten alle im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt erforderlichen Schritte gesetzt werden, sodass die Kommission in die Lage versetzt werde, darauf entsprechend zu reagieren.
Die AGVO sieht ein besonderes Verfahren vor, nach dem Beihilferegelungen unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und von der Anmeldeverpflichtung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt werden. Dabei ist in Art. 9 der AGVO vorgesehen, dass der Mitgliedstaat der Kommission binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten einer Beihilferegelung eine Kurzbeschreibung der Beihilfemaßnahme übermittelt. Nach dieser Bestimmung bestätigt die Kommission den Eingang der Kurzmitteilung und veröffentlicht diese im Amtsblatt. Nach Art. 10 AGVO überprüft die Kommission regelmäßig die Beihilfemaßnahmen, von denen sie nach Art. 9 unterrichtet wurde. Die ErmächtigungsVO [Verordnung Nr. 994/98 des Rates vom über die Anwendung der Artikel 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen] sieht in ihrem Art. 3 Abs. 3 auch vor, dass im Falle von Zweifeln der Kommission die Mitgliedstaaten dieser alle Angaben mitteilen, die sie für die Beurteilung der Beihilfe mit der Gruppenfreistellungsverordnung für notwendig erachten.
Daraus ergibt sich aber, dass im Sinne des § 4 Abs. 7 EAVG in der Veröffentlichung einer Beihilfenregelung durch die Kommission eine Art der ‚Genehmigung durch die Europäische Kommission‘ erblickt werden kann.
[...]
Im Beschwerdefall wurde der Kommission eine Kurzbeschreibung der neuen Regelung der Energieabgabenrückvergütung übermittelt und diese im Amtsblatt der EU C 288/21 vom veröffentlicht. Damit ist aber davon auszugehen, dass der Genehmigungsvorbehalt des § 4 Abs. 7 EAVG erfüllt wurde. Da sich diese Genehmigung nur auf die mitgeteilte Laufzeit beziehen kann, wird durch letztere der zeitliche Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 EAVG idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 bestimmt. Daraus ergibt sich, dass die neue Regelung der Energieabgabenvergütung durch das Budgetbegleitgesetz 2011 ausschließlich für Vergütungsanträge, die Zeiträume zwischen dem und dem betreffen, zur Anwendung gelangt (vgl. diesbezüglich auch Art. 4 der ErmächtigungsVO sowie Art. 44 AGVO). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0175, ausgesprochen, dass für den Monat Jänner 2011 die vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten vorausgesetzte Genehmigung jedenfalls nicht vorliegt, sodass § 2 Abs. 1 EAVG idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 für diesen Kalendermonat nicht zur Anwendung gelangt.
Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, dass nicht alle Bedingungen für die Anwendung der AGVO erfüllt wären, so ist ihr zu entgegnen, dass es in Bezug auf das von Gesetzgeber vorgesehene Inkrafttreten der Novelle des EAVG durch das Budgetbegleitgesetz 2011 darauf nicht ankommt.“
27Im vorliegenden Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom , 2013/15/0053, den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats vom aufgehoben und begründend auf die beiden Erkenntnisse vom , 2012/17/0175, sowie vom , 2012/17/0469, verwiesen.
28Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
29Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG in der seit geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 33/2013) sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
30Die Bindungswirkung gemäß § 63 VwGG bezieht sich auch auf einen Übergangsfall im Sinne des Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG (vgl. ; , Ra 2015/09/0003). Der „betreffende Fall“ bzw. die „betreffende Rechtssache“ ist jene, die auch dem Erkenntnis vom , 2013/15/0053, zu Grunde gelegen ist.
31Bei der Erlassung der Folgeentscheidung ist das Verwaltungsgericht an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofs gebunden. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist an diese überbundene Rechtsauffassung in der Weise gebunden, dass er selbst durch einen verstärkten Senat nicht von ihr abgehen kann. Diese Bindung - sowohl des Verwaltungsgerichts als auch des Verwaltungsgerichtshofs - besteht aber nur im Rahmen der für die Aufhebung tragenden Gründe (vgl. z.B. ; , 2000/08/0218; , Ro 2016/06/0014).
32Tragender Grund für die Aufhebung der Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats durch den Verwaltungsgerichtshof war der Umstand, dass der unabhängige Finanzsenat (auch) für den Monat Jänner 2011 das Bestehen eines Anspruches auf Energieabgabenvergütung versagt hat. Die - auf das Erkenntnis vom , 2012/17/0469, gestützten - Darlegungen für die Monate Februar bis Dezember 2011 waren hingegen für die Aufhebung des Bescheides des unabhängigen Finanzsenats keineswegs tragend (sondern hätten für sich zur Bestätigung dieses Bescheides geführt). Damit bestand aber weder eine Bindung des Bundesfinanzgerichts iSd § 63 Abs. 1 VwGG betreffend diesen Zeitraum (Februar bis Dezember 2011) noch besteht eine solche des Verwaltungsgerichtshofs.
33Keine Bindung besteht überdies, wenn nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine abweichende Entscheidung des EuGH ergeht (vgl. ). Es ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, dass ein nationales Gericht nach einer nationalen Verfahrensvorschrift an die rechtliche Beurteilung eines übergeordneten nationalen Gerichts gebunden ist, wenn diese Beurteilung des übergeordneten Gerichts nicht dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union entspricht (vgl. Interedil, C-396/09, Rn. 39; , Naderhirn, C-581/14, Rn. 34).
34Der Verwaltungsgerichtshof ist bisher in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. ; , 2013/15/0085) davon ausgegangen, dass die durch das Budgetbegleitgesetz 2011 vorgenommene Neufassung des § 2 Abs. 1 EAVG (Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe) mit Februar 2011 in Kraft getreten ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
35Strittig ist - worauf auch im Erkenntnis 2012/17/0469 ausdrücklich verwiesen wurde - die Auslegung einer innerstaatlichen Norm, nämlich der Inkrafttretensbestimmung des § 4 Abs. 7 EAVG. Diese innerstaatliche Regelung knüpft freilich an eine unionsrechtliche Frage an (vgl. zu ähnlichen Konstellationen auch Lang, FJ 1998, 159 ff). Dem Gesetzgeber war die beihilfenrechtliche Problematik der Materie - im Hinblick auf die EuGH-Verfahren Adria-Wien Pipeline u.a., C-143/99, und Transalpine Ölleitung u.a., C-368/04 - bewusst. Die Neuregelung sollte vorbehaltlich einer „Genehmigung“ (so der Wortlaut in § 4 Abs. 7 EAVG) oder einer „Zustimmung“ bzw. „Genehmigung“ (so in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage) der Europäischen Kommission gelten; sollte diese die Änderung nicht „genehmigen“, sollte die bisherige Regelung - Energieabgabenvergütung auch für Dienstleistungsbetriebe - fortbestehen.
36Diese innerstaatliche Regelung erfolgte vor dem Hintergrund der Unionsrechtslage.
37Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind - soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist - staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
38Nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ist die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat. Nach Art. 108 Abs. 4 AEUV kann die Kommission Verordnungen zu den Arten von staatlichen Beihilfen erlassen, für die der Rat nach Art. 109 AEUV festgelegt hat, dass sie von dem Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen werden können.
39Gemäß Art. 109 AEUV kann der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Art. 107 und 108 AEUV erlassen und insbesondere die Bedingungen für die Anwendung des Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie diejenigen Arten von Beihilfen festlegen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind.
40Auf Art. 109 AEUV (bzw. der Vorgängerbestimmung Art. 94 Vertrag) beruhte u.a. die Verordnung Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (nunmehr ersetzt durch Verordnung EU 2015/1589 des Rates vom ). Diese Verordnung sah insbesondere nähere Regelungen über die Anmeldung neuer Beihilfen, die Prüfung der Anmeldung durch die Kommission und die Entscheidungen der Kommission vor. Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung teilten Mitgliedstaaten der Kommission ihre Vorhaben zur Gewährung neuer Beihilfen rechtzeitig mit, soweit Verordnungen nach Art. 94 des Vertrags (nunmehr Art. 109 AEUV) oder nach anderen einschlägigen Vertragsvorschriften nichts anderes vorsehen. Gelangte die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest (Art. 4 Abs. 2 der Verordnung). Unter näher genannten Voraussetzungen konnte die Kommission entscheiden, dass die Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist („Entscheidung, keine Einwände zu erheben“; Art. 4 Abs. 3 der Verordnung). Stellte die Kommission allerdings fest, dass die angemeldete Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe, so war ein Prüfverfahren zu eröffnen („Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens“; Art. 4 Abs. 4 der Verordnung). Diese Entscheidungen der Kommission hatten innerhalb bestimmter Fristen zu ergehen, widrigenfalls die Beihilfe als von der Kommission genehmigt galt (Art. 4 Abs. 6 der Verordnung). Als Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens konnte die Kommission allenfalls feststellen, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstelle (Art. 7 Abs. 2 der Verordnung); sie konnte feststellen, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei („Positiventscheidung“; Art. 7 Abs. 3 der Verordnung); sie konnte diese Positiventscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden (Art. 7 Abs. 4 der Verordnung); schließlich konnte sie entscheiden, dass die Beihilfe nicht eingeführt werden dürfe („Negativentscheidung“; Art. 7 Abs. 5 der Verordnung). Die Entscheidungen der Kommission können insbesondere mittels Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV) - unter bestimmten Voraussetzungen auch durch benachteiligte Konkurrenten des begünstigten Unternehmens - bekämpft werden (vgl. etwa Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV5, Art. 108 Rz 25 f).
41Gestützt auf Art. 94 des Vertrags hat der Rat weiters die Verordnung Nr. 994/98 vom erlassen. Nach Art. 1 dieser Verordnung kann die Kommission mittels Verordnungen erklären, dass näher genannte Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbaren sind und nicht der Anmeldungsverpflichtung nach (damals) Art. 93 Abs. 3 des Vertrags (nunmehr Art. 108 Abs. 3 AEUV) unterliegen.
42Gestützt auf die zuletzt genannte Verordnung hat die Kommission insbesondre die Verordnung (EG) Nr. 800/2008 (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, AGVO) erlassen. Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung waren Beihilferegelungen, die alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen, im Sinne von Art. 87 Abs. 3 EG-Vertrag (nunmehr Art. 107 Abs. 3 AEUV) mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (nunmehr Art. 108 Abs. 3 AEUV) freigestellt, wenn alle Einzelbeihilfen auf der Grundlage solcher Regelungen ebenfalls alle Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen und die Regelungen einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung unter Angabe des Titels sowie einen ausdrücklichen Verweis auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten. Nach Artikel 9 der Verordnung übermittelt der Mitgliedstaat der Kommission binnen 20 Tagen ab Inkrafttreten einer Beihilferegelung, die nach dieser Verordnung freigestellt ist, eine Kurzbeschreibung der Beihilfemaßnahme. Die Kommission bestätigt den Eingang der Kurzbeschreibung unverzüglich und veröffentlich sodann die Kurzbeschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union und auf der Website der Kommission. Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung überprüft die Kommission regelmäßig die Beihilfemaßnahmen, von denen sie nach Art. 9 unterrichtet wurde. Nach Erwägungsgrund 7 dieser Verordnung sollten staatliche Beihilfen, die nicht unter diese Verordnung fallen, weiterhin der Anmeldepflicht unterliegen. Unbeschadet dieser Verordnung sollten die Mitgliedstaaten auch weiterhin die Möglichkeit haben, Beihilfen anzumelden, mit denen unter diese Verordnung fallende Ziele verfolgt würden.
43Diese Gruppenfreistellungsverordnung wurde mit durch die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 (AGVO 2014) abgelöst.
44Nach dem nunmehr vorliegenden Urteil des EuGH (C-585/17) steht fest, dass eine nationale Regelung, mit der eine Beihilferegelung geändert wird, indem der Kreis der Empfänger dieser Beihilfe verkleinert wird, grundsätzlich der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegt.
45Dem Mitgliedstaat, der eine Beihilferegelung neu einführt oder abändert, standen aber unterschiedliche Verfahrenswege zur Verfügung. Er konnte sich entweder auf die Gruppenfreistellungsverordnung stützen und dazu der Kommission eine Kurzbeschreibung übermitteln, die sodann von der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird; oder er konnte die Beihilfe entsprechend der Verordnung Nr. 659/1999 bei der Kommission anmelden, die über diese Anmeldung verschiedene Entscheidungen treffen konnte.
46Wenn in § 4 Abs. 7 EAVG (und in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hiezu) nur eine „Genehmigung“, „Zustimmung“ oder „Nicht-Genehmigung“ angeführt ist, so wird damit schon die Vielfalt der möglichen Entscheidungen der Kommission nach der Verordnung Nr. 659/1999 nicht abgebildet, die im Übrigen - entgegen der Annahme des Bundesfinanzgerichts - auch nicht (explizit) als „Genehmigung“ oder „Nicht-Genehmigung“ bezeichnet werden. Es muss angenommen werden, dass § 4 Abs. 7 EAVG somit nur eine typische Erledigungsart - und dies mit einer „untechnischen“ (nicht den normativen Bezeichnungen des Unionsrechts entsprechenden) Bezeichnung - hervorgehoben hat, ohne aber andere mögliche Erledigungsarten auszuschließen. Insbesondere kann nicht ernstlich bezweifelt werden, dass etwa eine Mitteilung der Kommission iSd Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstelle, den Eintritt der Bedingung darstellen sollte und damit das Inkrafttreten der geänderten Regelung bewirken sollte. Damit ist aber auch - entgegen den Darlegungen des Bundesfinanzgerichts - anzunehmen, dass ein Vorgehen im Sinne der Gruppenfreistellungsverordnung samt der dort geregelten Reaktion der Kommission den Eintritt der in § 4 Abs. 7 EAVG normierten Bedingung darstellen kann.
47Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Inkrafttretens der Regelung im Wege eines Freistellungsverfahrens nach der Gruppenfreistellungsverordnung hätte ausschließen wollen. Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts kann auch insbesondere nicht angenommen werden, dass dem Gesetzgeber diese Möglichkeit unbekannt gewesen wäre.
48Voraussetzung für das Inkrafttreten war eine „Genehmigung“ durch die Kommission. Wie bereits oben ausgeführt, bewirkte aber auch eine Entscheidung der Kommission nach Art. 7 der Verordnung Nr. 659/1999 keine (absolute) Rechtssicherheit, unterlag eine derartige Entscheidung doch einer allfälligen Bekämpfung mittels Nichtigkeitsklage (durch einen anderen Mitgliedstaat oder allenfalls auch durch benachteiligte Konkurrenten). Nach dem Wortlaut des Gesetzes trat die Neuregelung aber bereits mit der „Genehmigung“ ein; absolute Rechtssicherheit wurde damit vom Gesetzgeber nicht angestrebt, was im Hinblick auf möglicherweise langwierige Verfahren nach dieser Genehmigung wohl auch nicht sinnvoll erreichbar wäre, zumal eine Inkrafttretensbestimmung auch einen klaren Anknüpfungspunkt erfordert. Dafür, dass im Falle einer erfolgreichen Bekämpfung der „Genehmigung“ der Kommission die Einschränkung des Kreises der Empfänger der Beihilfe wieder außer Kraft treten oder sogar rückwirkend das Inkrafttreten dieser Einschränkung entfallen sollte, bestehen weder aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 7 EAVG noch aus den zitierten Erläuterungen der Regierungsvorlage Anhaltspunkte. Ein Freistellungsverfahren erzielt verglichen mit dem Anmeldeverfahren nur graduell eine geringere Rechtssicherheit; auch ein solches ist daher an sich als geeignet anzusehen, eine „Genehmigung“ iSd § 4 Abs. 7 EAVG zu erreichen.
49Nach der Inkrafttretensregelung des § 4 Abs. 7 EAVG reicht daher - aus der Sicht des nationalen Rechts - die in der AGVO 2008 vorgesehene Mitteilung an die Kommission samt der entsprechenden Veröffentlichung durch die Kommission. Daran ändert nichts, wenn die AGVO 2008 nicht vollständig erfüllt worden ist (vgl. neuerlich ).
50Der Verwaltungsgerichtshof hält daher die in der bisherigen, ständigen Rechtsprechung vertretene Rechtsansicht bezogen auf die innerstaatliche Vorschrift des § 4 Abs. 7 EAVG aufrecht, dass in der Veröffentlichung der Beihilferegelung durch die Kommission die „Genehmigung durch die Europäische Kommission“ im Sinne des § 4 Abs. 7 EAVG zu erblicken ist und daher die Regelung der EAVG-Novelle 2011 - aus der Sicht des nationalen Rechts - mit in Kraft getreten ist.
51Das angefochtene Erkenntnis begründet ergänzend, sollte die EAVG-Novelle 2011 gemäß § 4 Abs. 7 EAVG (aus innerstaatlicher Sicht) in Kraft getreten sein, ergäbe sich der Anspruch der Mitbeteiligten auf Vergütung aus dem Umstand, dass das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV der Anwendung der mit der EAVG-Novelle 2011 geregelten Einschränkung des Kreises der vergütungsberechtigten Unternehmen entgegen steht.
52Dem ist entgegen zu halten, dass nach dem Dilly`s Wellnesshotel (II), C-585/17, die Übergangsbestimmung des Art. 58 AGVO 2014 grundsätzlich die Gewährung von Beihilfen bei Verstoß gegen Veröffentlichungs- und Informationspflichten erlaubt.
53Aus dem unionsrechtlichen Durchführungsverbot lässt sich für die mitbeteiligte Partei allerdings von Vornherein nichts gewinnen, weil sie als Dienstleistungsbetrieb nicht mehr im Anwendungsbereich der (mit Inkrafttreten der genannten Novelle geänderten) österreichischen Energieabgabenvergütungsregelung steht und sich als Schuldnerin einer Abgabe nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in ihrem Abgabenverfahren nicht darauf berufen könnte, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen (vgl. , mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).
54Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2016150041.J00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.