VwGH vom 18.12.2017, Ro 2016/15/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100185/2009, betreffend Umsatzsteuer 2007, 2008, 2009 und 2010 (mitbeteiligte Partei: r GmbH in L, vertreten durch die LeitnerLeitner Steuerberatung GmbH in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei habe in den Streitjahren - so das Bundesfinanzgericht - über Telefon Personen zur Teilnahme an "Lotto 6 aus 45" und "Euromillionen" in Form von Tippgemeinschaften eingeladen. In einem Willkommensschreiben habe sie den Mitspielern die Größe der Tippgemeinschaft (Spieler mit 98 weiteren Mitspielern), die Anzahl der Tipps bzw. der komplett ausgefüllten Lottoscheine und der Joker pro Ziehung, die Anzahl der Ziehungen, an denen pro Woche teilgenommen werde, das pro Monat zu leistende Entgelt und den Spielbeginn für den betreffenden Mitspieler mitgeteilt. Die nicht für die Tipps zu verwendenden Beträge habe sie als "Verwaltungsgebühr" einbehalten, wobei diese bis zu zwei Drittel der von den Mitspielern zu leistenden Beträge ausgemacht habe. Die auf die Tipps entfallenden Beträge habe die Mitbeteiligte als durchlaufende Posten angesehen und nur die restlichen Beträge als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt für die an die Mitspieler erbrachten Leistungen beurteilt.
2 Anlässlich einer Umsatzsteuerprüfung verneinte das Finanzamt das Vorliegen von durchlaufenden Posten und zog als Bemessungsgrundlage für die an die Mitspieler erbrachten Leistungen alle von diesen zu zahlenden Beträge heran.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die mit Berufung bekämpften Bescheide ab, teilte die vereinnahmten Beträge in durchlaufende Posten darstellende Spieleinsätze und in dem Normalsteuersatz unterliegende Verwaltungsleistungen auf und schied die durchlaufenden Posten aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer aus. Begründend führte es aus, gemäß § 4 Abs. 3 UStG 1994 gehörten Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahme und verausgebe, nicht zum Entgelt (durchlaufende Posten).
4 Aus der Sicht der Spieler habe die Mitbeteiligte die auf die Spieleinsätze entfallenden Beträge im Namen und für Rechnung der Lottogesellschaft vereinnahmt und im Namen der Spieler und für deren Rechnung verausgabt. Ab 2007 sei eine Aufschlüsselung via Internetseite der Mitbeteiligten erfolgt, auf die die Kunden ausdrücklich hingewiesen worden seien und derzufolge ihnen die jeweiligen Spieleinsätze bekannt gewesen seien. Zudem sei die Mitbeteiligte bei Ausfall von Spieleinsätzen selbst als Spielerin aufgetreten, womit auch diesfalls keine Änderung der den (anderen) Spielern mitgeteilten Informationen (Anzahl der Tipps, gesamter Spieleinsatz und Spieleinsatz je Spieler) erforderlich gewesen sei und keine Änderung der Kostenaufteilung stattgefunden habe. Schließlich habe die Mitbeteiligte den Spielern auch mitgeteilt, an wievielen Ziehungen teilgenommen werde. Wenn also nur an 4 bzw. 8 Ziehungen teilgenommen worden sei, obwohl 5 bzw. 9 Ziehungen pro Monat erfolgt seien, sei dies für die Spieler ersichtlich gewesen. Die Spieleinsätze seien somit offengelegt gewesen.
5 Aus der Sicht der Lottogesellschaft sei zu prüfen, wie die Mitbeteiligte ihr gegenüber (vertreten durch die Trafikanten) aufgetreten sei. Die Teilnahmebedingungen ließen darauf keinen direkten Schluss zu, weil diese der Lottogesellschaft nicht bekannt seien bzw. für sie nicht gälten. Die Rechnungen der Mitbeteiligten betreffend "Vermittlung von Lottospielern" ließen darauf schließen, dass die Mitbeteiligte gegenüber den Trafikanten (Annahmestellen der Lottogesellschaft) im Namen der Spielgemeinschaften aufgetreten sei. Dagegen sprächen zwar die Abrechnungen der Lottoscheine insofern, als diese "An (die Mitbeteiligte) als Treuhänder" gelegt seien, und zwar auch noch für Zeiträume nach Oktober 2006. Andererseits deuteten die Angaben der jeweiligen Gemeinschaftsnummern darauf hin, dass die Mitbeteiligte doch im Namen der Spielgemeinschaften aufgetreten sei.
6 Nach den Spielbedingungen der Lottogesellschaft sei die Teilnahme anonym und komme auf elektronischem Weg zustande. Entscheidend sei, wem die Quittung gehöre, die den Gewinnanspruch vermittle. Die Miteigentümer seien jedoch die Spieler und Kunden der Mitbeteiligten selbst. Daran ändere auch nichts, dass sich die Spieler untereinander nicht kennten. Unabhängig davon, wie die Mitbeteiligte gegenüber den Trafikanten tatsächlich aufgetreten sei, komme daher hinsichtlich der Spieleinsätze nur eine Beziehung zwischen der Lottogesellschaft und der jeweiligen Spielgemeinschaft zustande. Aufgrund der Anonymität bei den gegenständlichen Geschäften handle es sich um solche, die umsatzsteuerrechtlich dem zuzurechnen seien, "den sie angehen" (Hinweis auf ).
Laut Ruppe/Achatz (UStG4 § 4 Tz 129) sei dies jene Person, von der der Handelnde Vertretungsvollmacht habe. Die Spieler bzw. die Spielgemeinschaften hätten der Mitbeteiligten die Vollmacht eingeräumt, daher seien ihnen die Geschäfte zuzurechnen. Für das Vorliegen von durchlaufenden Posten sei daher nicht erforderlich, dass die Lottogesellschaft wisse, von wem die vereinnahmten Beträge stammten.
7 Im Erkenntnis vom , 2011/15/0053, habe der VwGH zwar ausgesprochen, dass der Annahme eines durchlaufenden Postens auch entgegenstehe, wenn kein einzelner Tipp oder Lottoschein (und damit Vertrag mit der Lottogesellschaft) direkt einem einzelnen Kunden zuordenbar sei. Warum aber nur mit einem einzelnen Spieler (also nicht mit einer Spielgemeinschaft) ein Vertrag zustande kommen könne, habe der VwGH weder ausgeführt noch sei dies - insbesondere im Hinblick auf die Anonymität der Spielteilnahme - zu erkennen. In der Praxis komme es häufig vor, dass mehrere Spieler gemeinsam (eine entsprechend höhere Anzahl an) Tipps abgäben, wobei außer Frage stehe, dass ein Spielvertrag zustande komme. Überdies sei zu berücksichtigen, dass nach dem System der Umsatzsteuer nur erbrachte Leistungen besteuert werden sollten. Hinsichtlich der Spieleinsätze erbringe die Mitbeteiligte jedoch keine Leistungen an ihre Kunden.
8 Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, "weil der gegenständlichen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt".
9 Gegen das Erkenntnis wendet sich die Amtsrevision des Finanzamts. Die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts, die auf die Spieleinsätze entfallenden Beträge seien durchlaufende Posten, da sie von der mitbeteiligten Partei im Namen und für Rechnung der Lottogesellschaft vereinnahmt und im Namen und für Rechnung der Spieler verausgabt worden seien, teile das Finanzamt nicht. Vielmehr seien die von den Mitspielern geleisteten Beträge vollumfänglich der Umsatzsteuer mit dem Normalsteuersatz zu unterwerfen.
10 Zur Zulässigkeit führt das Finanzamt aus, dem Revisionsfall liege die Rechtsfrage zugrunde, wie die von den Mitspielern an den Organisator einer Tippgemeinschaft bezahlten und vom Organisator als Wetteinsatz verwendeten Beträge zu beurteilen seien. Zu dieser Frage gebe es bereits eine höchstgerichtliche Judikatur (Hinweis auf und , 2011/15/0053). Die angefochtene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts stehe im Widerspruch zu dieser Judikatur.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13 Der Verwaltungsgerichthof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom , 2008/15/0272, sowie vom , 2011/15/0053, auf deren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu einer vergleichbaren Betätigung der Erstellung von Spielgemeinschaften für Zwecke des Lottospielens ausgesprochen, dass diese Betätigung eine einheitliche Leistung begründet, die über die schlichte Besorgung von Lotterieteilnahmen hinausgeht.
14 Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2008/15/0272, bereits darauf hingewiesen, dass die Gewinnchance, die bei Beteiligung am Lotto mittels eines Tipps auf einem Lottoschein (Abschluss eines Spielvertrages mit der Lottogesellschaft) erworben wird, von anderer Art ist als jene, die sich für die Kunden einer Gesellschaft für Vermittlung und Vertrieb von Lottospielgemeinschaften durch Abschluss eines Vertrages mit ihr ergeben. Die Gesellschaft verschafft ihren Kunden nämlich immer bloß die Chance auf einen Bruchteil (ein Fünfundvierzigstel, ein Fünfundfünfzigstel bzw. ein Hundertstel) des Gewinnes eines Tipps und somit eine Gewinnchance anderer Art. Daran ändert nichts, dass den Kunden diese Bruchteil-Gewinnchance an einer Mehrheit von Einzeltipps zukommt. Den Kunden wird die Chance auf den Bruchteilsgewinn, den eine aus vielen Personen bestehende Spielgemeinschaft erspielt, verschafft. Schon aus diesem Grund steht fest, dass die Gesellschaft nicht das Ergebnis des jeweils mit der Lotteriengesellschaft abgeschlossenen Vertrages (nämlich die sich aus diesem Vertrag ergebende Gewinnchance) herausgibt, sondern einen Erfolg anderer Art verschafft. Die Gesellschaft handelt somit nicht als mittelbare Stellvertreterin, sie agiert solcherart nicht einmal "auf fremde Rechnung". Die erbrachte einheitliche Leistung an ihre Kunden ist von wesentlich anderer Art als die Leistung der Lottogesellschaft an Personen, die bei einer Lotto-Annahmestelle unter Verwendung eines Lottoscheines einen Vertrag schließen, was von vornherein der Annahme einer Besorgungsleistung entgegensteht.
15 Im Erkenntnis vom , 2011/15/0053, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nochmals darauf hingewiesen, dass eine Organisatorin von Tippgemeinschaften mit ihren Serviceleistungen - wie Organisation und Durchführung der Spielgemeinschaften und Erstellung von Zahlenreihen - nebst verschaffter Lottospielteilnahme eine einheitliche Leistung erbringt und die von ihr vereinnahmten Spieleinsätze nicht als durchlaufende Posten zu behandeln sind. Die Aufspaltung in mehrere selbständige Leistungen ist tatsächlich nicht möglich und wäre wirklichkeitsfremd. Die Serviceleistungen stellen somit nicht nur Nebenleistung zum vermittelten Lottospiel dar, sondern sind Teil einer einheitlichen (umsatzsteuerpflichtigen) Leistung.
16 Dies zeigt sich beispielsweise im Revisionsfall auch in der Art der vorgesehenen "Gewinneinlösung", die durch die zwingende Aufbewahrung der Spielquittungen bei einem Notar und Einschaltung der mitbeteiligten Partei bei Geltendmachung der Gewinnansprüche gegenüber der Lottogesellschaft der Sicherstellung der Ansprüche aller Spieler einer Spielgemeinschaft auf ihre Bruchteilsgewinne durch die mitbeteiligte Partei dient.
17 Zu einem Abgehen von seiner bisherigen Rechtsauffassung sieht sich der Verwaltungsgerichtshof durch den Revisionsfall nicht veranlasst.
18 Die vom Bundesfinanzgericht herausgestrichenen Besonderheiten der revisionsgegenständlichen Vertragsgestaltung - wie insbesondere die Offenlegung der Spieleinsätze durch entsprechende Informationen im Internet sowie die Bildung einer Miteigentumsgemeinschaft an der Quittung - stellen sich auch nicht als relevante Unterschiede auf der Tatsachenebene dar, die eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen. Dass die Mitbeteiligte in jeder Hinsicht außerhalb des Leistungsaustausches zu der Lottogesellschaft stünde und die Losankäufe keinen integrierenden Bestandteil ihrer (einheitlichen) Leistung darstellten (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4 § 4 Rz 129), war nämlich bei der festgestellten Sachlage auch im Revisionsfall nicht erweislich.
19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am