VwGH vom 31.05.2017, Ro 2016/13/0016

VwGH vom 31.05.2017, Ro 2016/13/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des K in R (Schweiz), vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m. b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103063/2014, betreffend Umsatzsteuer Februar und März 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Strittig ist im vorliegenden Fall die Auslegung des Begriffes des Beginns der Errichtung des Gebäudes iSd § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994.

2 Der Revisionswerber erwarb mit Stiftungszuwendung vom die Liegenschaft X in Wien. Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein unter Denkmalschutz stehender "Stilaltbau". Das Gebäude war mehrere Jahre lang leer gestanden und ohne Generalsanierung nicht nutzbar.

3 Mit Bescheiden vom und vom bewilligte die Baubehörde auf der Liegenschaft Bauführungen (Abtragung des Dachstuhls und Errichtung eines fünften Hauptgeschoßes sowie eines Dachgeschoßes, beinhaltend insgesamt vier Wohneinheiten; Schaffung von Einlagerungsräumen im Kellergeschoß für die Beheizung mittels Fernwärme; Herstellung eines Schachts für einen Feuerwehraufzug; Änderung der Raumeinteilung und -widmung in sämtlichen Geschoßen; Herstellung von Installationsschächten; Herstellung eines Rückkühlers auf dem Dach; Zubau einer Glaskonstruktion).

4 Mit Schreiben vom bot die P GmbH Abbrucharbeiten an (u.a. Abbruch Wände und Fundamente, Abbruch Zwischenwände, Verputz abschlagen, Fußboden einschließlich Unterboden abbrechen, Beschüttung abräumen, Holztürstöcke und Zargen abbrechen, Demontage von Steckdosen, Schaltern und Steckern, Abbruch der Betonstiege und des Aufzugs, Schutzbeplankung des Hauptstiegenhauses, Schutz der Geländer und Handläufe). Mit Schreiben vom zeigte die P GmbH der Baupolizei als Datum des Baubeginns den an. Die Arbeiten wurden sodann im Zeitraum Juli und August 2012 ausgeführt; die P GmbH stellte für diese Arbeiten die Schlussrechnung vom aus.

5 Am 17./ schloss der Revisionswerber mit der H GmbH einen Generalunternehmervertrag betreffend Generalsanierung und Dachausbau der Liegenschaft. Die H GmbH führte ab Baumeisterarbeiten (Arbeiten im Keller und im Bereich des Aufzugsschachts, Mauer- und Versetzarbeiten, Haustechnikarbeiten etc.) durch.

6 Die Fertigstellung erfolgte im Jänner 2014, mit der Vermietung des Objekts wurde im Februar 2014 begonnen. Bereits am hatte der Revisionswerber über das 2. und 3. Obergeschoß einen Mietvertrag abgeschlossen; dieser Mieter nutzt die beiden Stockwerke für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze.

7 Der Revisionswerber optierte - aufgrund seiner Rechtsansicht, dass mit der "Errichtung des Gebäudes" vor dem begonnen worden sei - zur Steuerpflicht der Vermietung. Er machte den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten geltend.

8 Das Finanzamt setzte mit Bescheiden vom und vom die Umsatzsteuer für Februar 2014 bzw. März 2014 fest. Es verwies in der Begründung darauf, Umsatzsteuer und Vorsteuer für die unecht befreite Vermietung würden - unter Hinweis auf eine ausführliche Auskunft zu einer Anfrage vom - "vorläufig nicht gewährt". In dieser Auskunft hatte das Finanzamt ausgeführt, das fragliche Gebäude sei im 19. Jahrhundert errichtet worden. Mietverträge seien erst nach dem abgeschlossen worden. Die vor dem durchgeführten Arbeiten seien mit dem Abriss eines Altgebäudes zu vergleichen und stellten keinen Baubeginn iSd § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 dar. Der Revisionswerber könne daher nicht zur Steuerpflicht der Vermietung optieren.

9 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Beschwerden. 10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

11 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, zwischen den Parteien sei nicht strittig, dass auch in Bezug auf die Generalsanierung bzw. die Umbauarbeiten im bestehenden Gebäude die "Errichtung eines Gebäudes" iSd § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 erfolgt sei. Strittig sei aber, wann mit der Errichtung begonnen worden sei.

12 Die P GmbH habe reine Abbrucharbeiten vorgenommen. So stelle auch die Absaugung der Bodenschüttung eine Abbruchmaßnahme dar; dies könne mit dem Aushub einer Baugrube nicht verglichen werden. Auch dass von der P GmbH in Wänden und Decken Schlitze angebracht worden seien, in welche im Zuge der späteren Bauausführung Stahlrahmen eingefügt worden seien, gehe nicht über bloße Abbruchmaßnahmen hinaus. Dass die Abbrucharbeiten Teil eines Gesamtkonzeptes gewesen seien, sei verständlich und werde wohl auf jede Abbruchmaßnahme, der eine Errichtung folge, zutreffen. Daran, dass diese Arbeiten der Errichtung vorgelagert seien, ändere dies aber nichts. Es komme auf den Zeitpunkt an, in dem "tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen" erfolgen; die Baubeginnanzeige sei demnach nicht entscheidend.

13 Die Arbeiten der P GmbH seien nicht darauf gerichtet gewesen, Neues zu schaffen. Sie seien abgeschlossen und abgerechnet worden, noch bevor der Revisionswerber die H GmbH als Generalunternehmer mit der Generalsanierung und dem Dachausbau beauftragt habe. Die Arbeiten der P GmbH seien von jenen der H GmbH sachlich und zeitlich klar getrennt gewesen. Tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen im Sinne der Schaffung von etwas Neuem seien erst nach dem erfolgt.

14 Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage diene die Übergangsvorschrift zur Vermeidung von Härten. Bereits in Errichtung befindliche Gebäude sollten von der Neuregelung ausgenommen werden, weil in diesen Fällen die Dispositionsmöglichkeit des Errichters eingeschränkt gewesen sei. Das Vorliegen einer Baubewilligung allein schließe die Anwendung der Neuregelung nicht aus. Die Übergangsvorschrift mute somit jenem, der vor dem bereits Pläne erstellt und eine Baubewilligung eingeholt, aber mit der Errichtung noch nicht begonnen habe, zu, neu zu disponieren bzw. umzuplanen. Nichts anderes gelte auch im vorliegenden Fall. Da der Revisionswerber mit der Ausführung von Generalsanierung und Dachausbau noch nicht vor dem begonnen habe, sei er in seiner Dispositionsmöglichkeit nicht eingeschränkt gewesen. Er habe ungeachtet der bereits vorgenommenen Abbrucharbeiten die Möglichkeit gehabt, bezüglich der Neugestaltung der Räumlichkeiten so umzudisponieren, dass er nicht auf eine Vermietung an einen unecht befreiten Leistungsempfänger angewiesen wäre. Der Zweck der Übergangsvorschrift zwinge daher nicht dazu, den Beginn der Errichtung bereits mit dem Beginn der Abbrucharbeiten anzunehmen.

15 Abbrucharbeiten, wie die hier von der P GmbH durchgeführten, bewirkten noch nicht den Beginn der Bauausführung. Da die tatsächlichen handwerklichen Baumaßnahmen zur Durchführung der bewilligten Bauführung, mit denen die H GmbH beauftragt gewesen sei, erst nach dem begonnen hätten, sei auf die ebenfalls erst nach dem begonnene Vermietung an einen Mieter, der die Räumlichkeiten unstrittig für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwende, bereits § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz UStG 1994 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 anzuwenden. Der Revisionswerber könne daher betreffend diese Vermietungsumsätze nicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 verzichten. Er sei daher auch nicht zum Abzug der auf die Errichtung entfallenden Vorsteuern berechtigt.

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht eingereicht.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei.

19 Nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 kann der Unternehmer u.a. einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln.

20 Mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012 wurde in § 6 Abs. 2 UStG 1994 ein Unterabsatz angefügt. Demnach ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung u.a. gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat diese Voraussetzung nachzuweisen.

21 Nach § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 ist § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 hinsichtlich § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem beginnen, sofern mit der Errichtung des Gebäudes durch den Unternehmer nicht bereits vor dem begonnen wurde. Als Beginn der Errichtung ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem bei vorliegender Baubewilligung mit der Bauausführung tatsächlich begonnen wird, also tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen erfolgen.

22 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage - wobei der zu § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 vorgeschlagene Gesetzestext noch keine Definition betreffend den Beginn der Errichtung des Gebäudes enthalten hatte - wurde hiezu ausgeführt (1680 BlgNR 24. GP 24), zur Vermeidung von Härten werde in § 28 Abs. 38 vorgesehen, dass bereits begonnene Miet- und Pachtverhältnisse (maßgeblich sei die tatsächliche Innutzungnahme) nicht unter die Neuregelung fielen. Überdies seien jene Fälle von der Neuregelung ausgenommen, in denen der Vermieter (Verpächter) das Gebäude selbst errichte und mit der Errichtung bereits vor dem - nach der damals vorgeschlagenen Regelung - begonnen worden sei. Als Beginn der Errichtung sei der Zeitpunkt zu verstehen, in dem bei vorliegender Baubewilligung mit der Bauausführung tatsächlich begonnen werde, also der Anfang der tatsächlichen handwerklichen Baumaßnahmen. Auch die Erteilung eines spezifischen Bauauftrags an den Bauunternehmer sei bei vorliegender Baubewilligung als Beginn der Errichtung anzusehen.

23 Die Definition des Beginns der Errichtung wurde erst mit einem Abänderungsantrag im Rahmen der 148. Sitzung des Nationalrates vom eingefügt (vgl. hiezu auch 8685 BlgBR - Änderungen im Plenum NR - 13). In der Begründung des Abänderungsantrags (Protokoll dieser Sitzung, Seite 128) wurde ausgeführt, es erfolge eine gesetzliche Klarstellung, der Begriff "Beginn der Errichtung" eines Gebäudes werde abschließend definiert.

24 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass das Mietverhältnis unstrittig erst nach dem iSd § 28 Abs. 38 UStG 1994 begonnen hat. Weiters ist auch unstrittig, dass zum eine Baubewilligung im Sinne dieser Bestimmung vorgelegen hat. Schließlich ist zwischen den Parteien des Verfahrens unbestritten, dass Arbeiten zur Generalsanierung als solche zur "Errichtung eines Gebäudes" zu beurteilen sind, was im Übrigen auch der Verwaltungsmeinung entspricht (vgl. Rz 899c UStR: Entkernung unter Erhalt der Fassade oder der Außenwände).

25 Es ist demnach entscheidend, ob vor dem mit der Bauausführung tatsächlich begonnen wurde, also bei vorliegender Baubewilligung tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen erfolgten.

26 Zur damaligen Bestimmung des § 10a EStG 1988 (Investitionsfreibetrag) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, als Beginn einer tatsächlichen Bauausführung sei die erstmalige Durchführung von Arbeiten an der Baustelle anzusehen; es blieb dahingestellt, ob reine Abbrucharbeiten am Altbestand bereits zur tatsächlichen Bauausführung hinsichtlich der Bauarbeiten gehören oder ob sie ähnlich den Aufschließungsarbeiten noch nicht dazu zählen (vgl. das Erkenntnis vom , 2001/15/0219, mwN; vgl. auch die Erläuterungen des Initiativantrags zur Einfügung des § 10a EStG 1988 mit dem Bundesgesetz, BGBl. Nr. 253/1993, 486/A BlgNR 18. GP 5: Beginn der tatsächlichen Bauausführung sei "der erste Spatenstich, noch nicht die Planung").

27 § 28 Abs. 38 UStG 1994 knüpft den Beginn der Errichtung zum einen daran, dass eine Baubewilligung vorliegt, zum anderen daran, dass mit der Bauausführung tatsächlich begonnen wird. Es ist davon auszugehen, dass mit dieser Verknüpfung nur dann ein Beginn der Bauausführung vorliegt, wenn die tatsächliche Bauausführung der Durchführung der Baubewilligung dient.

28 Einer Baubewilligung bedürfen (jedenfalls im hier vorliegenden Fall eines Bauvorhabens nach der Bauordnung für Wien) neben Neubauten auch Um- und Zubauten. Gerade bei einer "Generalsanierung" wird es sich regelmäßig um einen derartigen Umbau handeln (vgl. § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien:

Änderungen des Gebäudes, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist). Im Rahmen eines derartigen - hier vorliegenden (vgl. die Ausführungen im Baubewilligungsbescheid: Änderung der Raumeinteilung in allen Geschoßen) - Bauvorhabens wird es regelmäßig erforderlich sein, zum Teil auch Abbrucharbeiten vorzunehmen (etwa Entfernen von Zwischenwänden, die der bewilligten Änderung der Raumeinteilung entgegenstehen). Jedenfalls derartige - im gegebenen Fall vorliegende - "Abbrucharbeiten" dienen der Errichtung des bewilligten Gebäudes.

29 Dass es sich bei derartigen "Abbrucharbeiten" ebenfalls um tatsächliche Baumaßnahmen handelt, ist nicht strittig. Der Begriff "handwerklich" ist offenkundig auch nicht in einem strikt gewerberechtlichen Sinn gemeint, würden doch ansonsten etwa Leistungen eines Baumeisters (vgl. § 94 Z 5 GewO 1994) ausgeschlossen sein. Entscheidend kann im gegebenen Zusammenhang nur sein, dass auf der Liegenschaft tatsächliche - nicht bloß planerische - Bauleistungen erbracht werden.

30 Die Errichtung des Gebäudes (iSd § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994) begann sohin im vorliegenden Fall bereits mit den Arbeiten der P GmbH, also vor dem .

31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

32 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am