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VwGH 19.05.2015, Ra 2015/16/0009

VwGH 19.05.2015, Ra 2015/16/0009

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
12010E267 AEUV Art267;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Abschn17 Anm2 litij idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Abschn17 Anm3 idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap87 idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap93 Anm1 litc idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap93 idF 32013R1001;
31992R2913 ZK 1992 Art12 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art20;
62013CJ0547 Oliver Medical VORAB;
VwGG §38b;
ZollRDG 1994 §74 Abs1;
RS 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst die Ausnahme der Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I Teil II der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom , in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom , ABlEU Nr. L 290 vom ) mit dem Wortlaut "Panzerwagen - andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Pos. 8710)" auch "Teile davon" ?

2. Ist die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen, dass eine "Waffenstation (Panzerturm)", welche auf Panzerwagen oder "mobilen Seetransportsystemen" oder auch in stationären Anlagen verwendet werden kann, deshalb als Teil eines Panzerwagens in die Position 8710 einzureihen, weil diese Waffenstation vom Hersteller von Panzerwagen für die Erzeugung oder den Zusammenbau von Panzerwagen eingeführt und tatsächlich für diesen Zweck verwendet wird ?
Normen
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Abschn17 Anm2 litij idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Abschn17 Anm3 idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap87 idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap93 Anm1 litc idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap93 idF 32013R1001;
62015CJ0262 GD European Land Systems / Steyr VORAB;
RS 1
Da das in Rede stehende Turmsystem auch auf das Dach mobiler See- und Lufttransportsysteme drehbar gelagert montiert oder in stationären Anlagen verwendet werden kann, sind Waren wie der in Rede stehende Panzerturm nicht als Teile anzusehen, die "ausschließlich" für Panzerwagen bestimmt sind (vgl. auch das , Rn 36). Im vorliegenden Revisionsfall hat die Revisionswerberin nach ihren Angaben diese Ware aus einem Drittland zugekauft und ins Zollgebiet eingeführt, um sie in Österreich in einen (von der Revisionswerberin offenbar erzeugten) Radpanzer ein- oder auf diesen aufzubauen. Dabei handelt es sich nach den Angaben der Revisionswerberin um keinen Einzelvorgang, sondern um den Teil der Produktion von zumindest insgesamt 68 Radpanzern, wozu insgesamt 68 solcher Waffenstationen (Panzertürme) eingeführt worden seien. Dergestalt liegt die subjektive Bestimmung der konkreten Ware zur weiteren Verwendung durch den Empfänger der Ware im Zollgebiet, durch die Revisionswerberin, vor. Das Bundesfinanzgericht hat sich ersichtlich darauf gestützt, dass die konkrete Ware nach der erfolgten Einfuhr auch diesem Verwendungszweck entsprechend tatsächlich "auf einen Panzer aufgesetzt" wurde. Dies genügt allerdings noch nicht der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der KN. Vielmehr ist zu prüfen, ob dieses Turmsystem nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften "hauptsächlich" für einen Panzerwagen bestimmt ist (vgl. das erwähnte Rn 37).

Entscheidungstext

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* EU-Register: EU 2015/0002

* EuGH-Zahl: C-262/15

* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im

fortgesetzten Verfahren:

Ra 2015/16/0009 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, in der Revisionssache der G in W, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, und die SchneideR'S Rechtsanwalts-KG in 1170 Wien, Hormayrgasse 7A Top 18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7200065/2014, betreffend Zoll, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst die Ausnahme der Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I Teil II der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom , in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom , ABlEU Nr. L 290 vom ) mit dem Wortlaut "Panzerwagen - andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Pos. 8710)" auch "Teile davon" ?

2. Ist die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen, dass eine "Waffenstation (Panzerturm)", welche auf Panzerwagen oder "mobilen Seetransportsystemen" oder auch in stationären Anlagen verwendet werden kann, deshalb als Teil eines Panzerwagens in die Position 8710 einzureihen, weil diese Waffenstation vom Hersteller von Panzerwagen für die Erzeugung oder den Zusammenbau von Panzerwagen eingeführt und tatsächlich für diesen Zweck verwendet wird ?

Begründung

Sachverhalt:

Die Revisionswerberin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), welche nach ihren eigenen Angaben Teil eines weltweit tätigen Rüstungskonzerns ist und unter anderem die Erzeugung von Panzern als Unternehmensgegenstand hat, meldete am durch ihren direkten Vertreter, eine Spedition, beim Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien eine Ware mit der Bezeichnung "Waffenstation MGTS (Multi Gun Turret System)" zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an.

Auf Grund einer äußeren Zollbeschau hielt das Zollamt fest:

"lt. Rechnung handelt es sich um einen Panzerturm der bereits als erkennbarer Teil ausschließlich oder hauptsächlich in Panzerkampfwagen eingebaut wird".

Das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien überließ die Ware in den zollrechtlich freien Verkehr und teilte der Revisionswerberin sodann die buchmäßige Erfassung der auf diese Ware entfallenen Einfuhrabgaben unter Anwendung der Warennummer 8710 0000 und eines Abgabensatzes von 1,7 % mit.

Gegen diese als Abgabenbescheid geltende Mitteilung erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom eine Beschwerde mit dem Antrag, die in Rede stehende Ware der Zolltarifnummer 9305 9100 zuzuordnen, den dafür zutreffenden Zollsatz von 0 % anzuwenden und daher den Zollbetrag mit 0 EUR festzusetzen. Bei der zur Verzollung angemeldeten Ware handle es sich um ein komplexes Waffensystem, wie aus einem beiliegenden Manual hervorgehe. Wohl diene das Waffensystem dem späteren Einbau in einen von der Revisionswerberin zu produzierenden Panzerwagen. Die Erläuterungen der Weltzollorganisation zur Position 9305 des Harmonisierten Systems (HS) würden Panzertürme ausdrücklich als Waffen anführen. Vom in Rede stehenden Waffensystem zu unterscheiden seien Panzertürme, die als Teil eines Panzers lediglich dem Schutz der Besatzung dienten, ohne jedoch Waffencharakter zu besitzen. Diese fielen auch nach Ansicht der Revisionswerberin unter die Position 8710. Wie sich aus dem vorgelegten Manual jedoch ergebe, sei die in Rede stehende Ware ein komplexes Waffensystem und keinesfalls ein bloßer Panzerturm als Zubehörteil wie ein Deckel oder eine Türe. Das in Rede stehende Waffensystem könne nicht nur auf Landfahrzeuge montiert, sondern ohne Veränderung auch auf Seeschiffe oder stationär in festen Anlagen eingebaut und verwendet werden. Das Waffensystem werde auch nicht gemeinsam mit einem Panzer gestellt, weil der Panzer nicht eingeführt, sondern im Zollgebiet erzeugt werde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien die Beschwerde als unbegründet ab. Dagegen brachte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht) ein.

Im weiteren Beschwerdeverfahren legte die Revisionswerberin eine verbindliche Zolltarifauskunft des Hauptzollamtes Hannover, Deutschland, vom vor. Es handle sich um die gleiche Ware wie die im vorliegenden Beschwerdeverfahren in Rede stehende, welche nach dieser verbindlichen Zolltarifauskunft in die Position 9305 Unterposition 9100 einzureihen sei. Diese verbindliche Zolltarifauskunft enthält folgende Warenbeschreibung:

"sog. Turmsystem

Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen handelt es sich um einen Verbund einzelner technischer Elemente, die in eine im Wesentlichen aus unedlem Metall bestehende turmähnliche Konstruktion integriert sind. Das Turmsystem stellt die Basis einer Waffenstation dar und ist im Wesentlichen mit den nachfolgend aufgeführten Subsystemen und Komponenten ausgestattet:

elektrische Antriebe, Kreisstabilisierung, optische und elektronisch arbeitende Sichtgeräte einschließlich Displays und Bediengeräte für das Einsatzpersonal (Richtschütze und Kommandant), ein Feuerleitsystem, mehrere Sensoren, Aufbewahrungsbehälter für Munition und Vorrichtungen für die Zuführung der Munition an die Waffen. Das System ist vorbereitet für den Einbau einer Maschinenkanone und eines Maschinengewehres (beide Kriegswaffen sind nicht Gegenstand dieser vZTA)."

Nach einem Verweis auf Abbildungen setzt sich die Warenbeschreibung fort:

"Durch das Zusammenwirken der genannten Subsysteme wird dem Einsatzpersonal die Bedienung der Bordkanone und des Maschinengewehrs und somit die zielgerichtete Abgabe von Schüssen ermöglicht. Das Turmsystem soll jeweils auf das Dach von mobilen See- und Landtransportsystemen, drehbar gelagert, montiert oder auch in stationären Anlagen verwendet werden."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Der vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskunft komme keine Rückwirkung zu. Das Bundesfinanzgericht beurteile den in Rede stehenden Panzerturm als Teil eines Panzerkampfwagens mit der Einreihung in die Position 8710. Es bezweifle nicht, dass ein solcher Panzerturm, wenn er isoliert zum Einsatz käme, als Kriegswaffe der Position 9301 anzusehen wäre. Würde man einen solchen Turm "auf ein Schiff aufsetzen" würde er unter die Position 8906 (Kriegsschiffe) einzureihen sein, würde man ihn verselbständigt als Waffe einsetzen, wäre er ins Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Revisionswerberin sieht die erwähnte verbindliche Zolltarifauskunft - auch ohne Bindungswirkung - als zutreffend an. Auch wenn die in Rede stehende Waffenstation (Panzerturm) ohne Kanone geliefert worden und insofern unvollständig sei, sei sie eindeutig für die Aufnahme einer Kanone bestimmt und schade das Fehlen der Kanone nicht für die Einreihung der Waffenstation in das Kapitel 93 als Waffe. Daher sehe die Revisionswerberin die Anmerkung 2 Buchstabe ij) zu Abschnitt XVII der Kombinierten Nomenklatur als einschlägig an, wonach die in Rede stehende Waffenstation (Panzerturm) als Waffe nicht als Teil eines in Position 8710 der Kombinierten Nomenklatur einzureihenden Panzerkampfwagens falle.

Unionsrecht:

Artikel 12 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) lautet:

"Artikel 12

(1) Auf schriftlichen Antrag erteilen die Zollbehörden nach Modalitäten, die im Wege des Ausschussverfahrens festgelegt werden, verbindliche Zolltarifauskünfte oder verbindliche Ursprungsauskünfte.

(2) Die verbindliche Zolltarifauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung bzw. der Feststellung des Ursprungs der Waren.

Die verbindliche Zolltarifauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden nur hinsichtlich der Waren, für welche die Zollförmlichkeiten nach dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung erfüllt werden.

Im Zusammenhang mit Ursprungsfragen ..."

Artikel 20 des Zollkodex lautet auszugsweise:

"Artikel 20

(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.

(2) ...

(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:

a)

die Kombinierte Nomenklatur;

b)

..."

Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom , in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom , ABlEU Nr. L 290 vom , enthält in ihrem Anhang I die Kombinierte Nomenklatur. Darin ist im Teil II (Zolltarif) der Abschnitt XVII Beförderungsmittel enthalten.

Die Anmerkungen 2 und 3 zum Abschnitt XVII des Zolltarifs lauten auszugsweise:

"2. Folgende Waren sind nicht als 'Teile' oder als 'Zubehör' einzureihen, auch wenn sie erkennbar für Waren des Abschnitts XVII bestimmt sind:

a) ...

...

ij) Waffen (Kapitel 93);

k) ...

...

3. 'Teile' und 'Zubehör' im Sinne der Kapitel 86 bis 88 sind nur Teile und Zubehör, die erkennbar oder ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kapitel 86, 87 oder 88 bestimmt sind. Teile und Zubehör, für die zwei oder mehr Positionen der Kapitel 86 bis 88 in Betracht kommen, sind der Position zuzuweisen, die dem Hauptverwendungszweck der Teile oder des Zubehörs entspricht."

Im Abschnitt XVII des Zolltarifs lautet im Kapitel 87 (Zugmaschinen, Kraftwagen, Krafträder, Fahrräder und andere nicht schienengebundene Landfahrzeuge, Teile davon und Zubehör) die Position 8710:

"Panzerkampfwagen und andere selbstfahrende gepanzerte Kampffahrzeuge, auch mit Waffen; Teile davon".

Für diese Position ist ein Zollsatz von 1,7 % vorgesehen.

Im Abschnitt XIX (Waffen und Munition; Teile davon und Zubehör) lautet im Kapitel 93 (Waffen und Munition; Teile davon und Zubehör) die Anmerkung 1 auszugsweise:

"1. Zu Kapitel 93 gehören nicht:

a) ...

...

c) Panzerwagen und andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Position 8710);

d) ..."

In Abschnitt XIX lauten im Kapitel 93 die Positionen 9301 und 9305:

"Position 9301:

'Kriegswaffen, ausgenommen Revolver, Pistolen und Waffen der Position 9307'.

Position 9305:

'Teile und Zubehör für Waren der Positionen 9301 bis 9304.'"

Zu der dafür vorgesehenen Unterposition 9305 9100 "andere:

von Kriegswaffen der Position 9301" ist die tarifmäßige Zollfreiheit vorgesehen.

Nationale (österreichische) Rechtsvorschriften:

Gemäß § 74 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) gilt die Mitteilung nach Art. 221 Abs. 1 des Zollkodex, die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung des einer entstandenen Zollschuld entsprechenden Abgabenbetrages, als Abgabenbescheid.

Ein solcher Abgabenbescheid kann gemäß § 243 der Bundesabgabenordnung (BAO) durch Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht - BFG) bekämpft werden.

Ein über eine solche Bescheidbeschwerde ergehendes Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes kann unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Art. 133 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) durch Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden.

Erläuterungen zu den Vorlagefragen:

Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass zufolge der Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 des Zollkodex die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte verbindliche Zolltarifauskunft im Revisionsfall keine Bindungswirkung entfaltet, weil der hier zu beurteilende Sachverhalt, die Erfüllung der Zollförmlichkeiten, am vor dem Erlassen der verbindlichen Zolltarifauskunft vom verwirklicht wurde.

Das vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes enthält keine ausdrückliche Feststellung, welche Beschaffenheit und Funktion die in Rede stehende Ware mit der Bezeichnung "Waffenstation" oder "Panzerturm" aufweist. Allerdings hat das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich angeführt, es hege keine Zweifel, dass der am zur Abfertigung gestellte Panzerturm eine solche Ware sei, wie sie von der erwähnten verbindlichen Zolltarifauskunft vom erfasst sei. Der Verwaltungsgerichtshof, der gemäß § 41 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes (VwGG) das angefochtene Erkenntnis auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen hat, geht daher davon aus, dass die in Rede stehende Ware von der Warenbeschreibung in der erwähnten verbindlichen Zolltarifauskunft getroffen wird.

Unstrittig ist, dass die in Rede stehende Ware nach der Einfuhr ins Zollgebiet auf ein Fahrzeug montiert wurde, das als Panzerkampfwagen oder als anderes selbstfahrendes gepanzertes Kampffahrzeug in die Position 8710 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen wäre.

Die Revisionswerberin nimmt die Anmerkung 2 Buchstabe ij) zu Abschnitt XVII der Kombinierten Nomenklatur für sich in Anspruch, wonach Waffen des Kapitels 93 nicht als Teile einzureihen sind, und sieht den in Rede stehenden Panzerturm offenbar als Waffe oder als Teil einer Waffe, welcher in das Kapitel 93, in die Position 9305 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen sei.

Demgegenüber stützt sich das Bundesfinanzgericht auf die Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur, wonach Panzerwagen und andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Position 8710) nicht zu Kapitel 93 gehören, und sieht den in Rede stehenden Panzerturm als Teil eines Panzerwagens oder eines anderen gepanzerten Kampffahrzeuges.

Zur ersten Vorlagefrage:

Zunächst stellt sich die erste Vorlagefrage, ob der Ausschluss "Panzerwagen und andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Position 8710)" durch die Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur auch Teile davon umfasst, wie sie unter Position 8710 erwähnt werden. Während nämlich der vollständige Panzerwagen oder das vollständige andere gepanzerte Kampffahrzeug zweifelsfrei nicht unter Kapitel 93, sondern in die Position 8710 einzureihen ist, ist dies für Teile eines Panzers nicht mehr offenkundig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind die von der Kommission zur Kombinierten Nomenklatur (KN) und von der Weltzollorganisation (WZO) zum Harmonisierten System (HS) ausgearbeiteten Erläuterungen ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (vgl. etwa das , "Oliver Medical" SIA, Rn 46).

Gerade die Erläuterungen der WZO zum HS scheinen aber insoweit für den Revisionsfall widersprüchlich zu sein:

Einerseits erwähnen diese Erläuterungen zur Position 8710, dass zu den Teilen dieser Position "Aufbauten von gepanzerten Kampffahrzeugen und Teile davon (Panzertürme, gepanzerte Türen und Deckel usw.)" gehörten. Dies spräche dafür, dass ein Panzerturm - unter der Voraussetzung der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der KN -

als Teil des Panzerwagens oder des gepanzerten Kampffahrzeuges in die Position 8710 einzureihen wäre.

Andererseits sprechen die Erläuterungen zur Position 9305 (Teile und Zubehör für Waren der Positionen 9301 bis 9304) davon, dass zu dieser Position Teile und Zubehör gehörten, nämlich

"1. Teile von Kriegsgerät wie Rohre, ..., Panzertürme, ..., Maschinengewehre, Schnellfeuergewehre usw. ..." Dies spräche dafür, dass ein Panzerturm als Teil eines Panzerwagens nicht vom Ausschluss der Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 erfasst wäre, im Kapitel 93 bliebe und in die Position 9305 einzureihen wäre.

Zur letztgenannten Erläuterung der WZO fügen sich auch die Erläuterungen der Kommission (für den Revisionsfall maßgeblich in der Fassung ABlEU Nr. C137 vom ) zur Kombinierten Nomenklatur zu Unterposition 9305 9100, wonach hierher die in den Erläuterungen zu Position 9305 des HS Z 1 bis 7 genannten Teile - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - gehörten.

Umfasst die Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 auch Teile von Panzerwagen und anderen gepanzerten Kampffahrzeugen, so fallen solche Waren nach dieser Anmerkung nicht mehr in das Kapitel 93. Deshalb wären sie auch nicht von der Anmerkung 2 Buchstabe ij) zu Abschnitt XVII erfasst. Somit könnten sie unter die Position 8710 eingereiht werden.

Die Anmerkung 2 Buchstabe ij) des Abschnitts XVII würde dann nur Waffen erfassen, die nicht Teile von Panzerkampfwagen und anderen gepanzerten Kampffahrzeugen im Sinn der Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 sind. Das wären beispielsweise Waffen, etwa Maschinengewehre, die in andere Fahrzeuge als Panzerkampfwagen und gepanzerten Kampffahrzeugen, nämlich in ungepanzerte Fahrzeuge, eingebaut werden und nach Anmerkung 2 Buchstabe ij) der KN und im Kapitel 93 verblieben.

Zur zweiten Vorlagefrage:

Wird die erste Vorlagefrage mit ja beantwortet, stellt sich

die zweite Vorlagefrage.

Die zweite Vorlagefrage stellt sich aber auch dann, wenn die erste Vorlagefrage mit nein beantwortet wird und der Panzerturm nicht als Waffe im Sinne des Kapitels 93 einzureihen wäre, sondern in ein anderes Kapitel. Unter die Position 8710 der KN könnte der in Rede stehende Panzerturm nämlich auch dann eingereiht werden, wenn er auf Grund seiner Verwendbarkeit auf Panzer, auf Schiffen oder zum stationären Einbau nicht wegen der Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der KN, sondern deswegen nicht in das Kapitel 93 fällt, weil ein solcher Panzerturm, bei dem auch die vorgesehenen Waffen (Kanone, Bordmaschinengewehr) montiert sind, - im Gegensatz zur erwähnten verbindlichen Zolltarifauskunft - nicht als Waffe im Sinne des Kapitels 93 zu sehen wäre.

In diesen beiden Fällen wäre eine Einreihung in die Position 8710 der KN möglich.

Die Einreihung als Teil in eine Position der Kapitel 86, 87 oder 88 der KN und damit die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Einreihung in die Position 8710 der KN hängt nach der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der KN davon ab, ob diese Ware erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kapitels 86, 87 oder 88 bestimmt ist.

Die verbindliche Zolltarifauskunft, auf deren Beschreibung das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis Bezug nimmt, spricht ausdrücklich davon, dass Waren wie der in Rede stehende Panzerturm oder die Waffenstation nicht nur auf Panzerfahrzeuge montiert werden können, sondern auch auf mobile Seetransportsysteme, aber auch in stationären Anlagen verwendet werden können.

Im vorliegenden Revisionsfall hat die Revisionswerberin nach ihren Angaben diese Ware aus einem Drittland zugekauft und ins Zollgebiet eingeführt, um sie in Österreich in einen (von der Revisionswerberin offenbar erzeugten) Radpanzer ein- oder auf diesen aufzubauen. Dabei handelt es sich nach den Angaben der Revisionswerberin um keinen Einzelvorgang, sondern um den Teil der Produktion von zumindest insgesamt 68 Radpanzern, wozu insgesamt 68 solcher Waffenstationen (Panzertürme) eingeführt wurden.

Damit stellt sich die Frage nach der Auslegung der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII, wonach Teil im Sinn des Kapitels 86 bis 88 (im Revisionsfall der Position 8710) nur jene Teile sind, die erkennbar oder ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kapitels 86, 87 oder 88 (im Revisionsfall der Position 8710) bestimmt sind.

Dazu ist die ständige Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, wonach das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. etwa das erwähnte , "Oliver Medical" SIA, Rn 45). Der EuGH hat auch ausgesprochen, dass schließlich der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein kann, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen muss (vgl. abermals das erwähnte Rn 47).

Es könnte nun der oben erwähnte Widerspruch der Erläuterungen der WZO zum HS damit ausgeräumt werden, dass die Erwähnung von Panzertürmen bei der Position 8710 jene Panzertürme erfasst, welche ausschließlich oder hauptsächlich auf Panzerwagen auf- oder in solche eingebaut werden können, während die Erwähnung von Panzertürmen bei der Position 9305 solche Panzertürme erfasst, welche nicht nur auf oder in Panzerwagen, sondern auch in Schiffen oder in stationären Anlagen eingebaut werden können.

Im vorliegenden Revisionsfall liegt nach dem Vorbringen der Revisionswerberin die subjektive Bestimmung der Ware zur weiteren Verwendung durch den Empfänger der Ware im Zollgebiet, durch die Revisionswerberin, vor. Das Bundesfinanzgericht hat sich ersichtlich darauf gestützt, dass die konkrete Ware nach der erfolgten Einfuhr auch diesem Verwendungszweck entsprechend tatsächlich "auf einen Panzer aufgesetzt" wurde.

Ob dies im Revisionsfall ausreicht, um der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI der KN zu entsprechen, erweckt beim Verwaltungsgerichtshof angesichts der zitierten Rechtsprechung des EuGH, wonach der Verwendungszweck der Ware innewohnen müsse, was anhand objektiver Merkmale und Eigenschaften der Ware zu beurteilen sei, Zweifel.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

Ra 2015/16/0009 E

* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im

fortgesetzten Verfahren:

Ra 2015/16/0009 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der GD GmbH in W, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, und die SchneideR'S Rechtsanwalts-KG in 1010 Wien, Ebendorferstraße 10/66, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7200065/2014, betreffend Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Revisionswerberin), welche nach ihren eigenen Angaben Teil eines weltweit tätigen Rüstungskonzerns ist und unter anderem die Erzeugung von Panzern als Unternehmensgegenstand hat, meldete am durch ihren direkten Vertreter, eine Spedition, beim Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien eine Ware mit der Bezeichnung "Waffenstation MGTS (Multi Gun Turret System) Typennummer ... Turm Nr. 68" zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an.

2 Auf Grund einer äußeren Zollbeschau hielt das Zollamt fest:

"lt. Rechnung handelt es sich um einen Panzerturm der bereits als erkennbarer Teil ausschließlich oder hauptsächlich in Panzerkampfwagen eingebaut wird".

3 Das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien überließ die Ware in den zollrechtlich freien Verkehr und teilte der Revisionswerberin sodann die buchmäßige Erfassung der auf diese unter die Unterposition 8710 00 00 der Kombinierten Nomenklatur eingereihte Ware entfallenen Einfuhrabgaben unter Anwendung eines Zollsatzes von 1,7 % mit.

4 Gegen diese als Abgabenbescheid geltende Mitteilung erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom eine Beschwerde mit der Begründung, die in Rede stehende Ware sei unter die Zolltarifnummer 9305 91 00 einzureihen und unterliege daher dem Zollsatz von 0 %, weshalb sie beantrage, den Zollbetrag mit 0 EUR festzusetzen.

5 Bei der zur Verzollung angemeldeten Ware handle es sich um ein komplexes Waffensystem, wie aus einem beiliegenden Manual hervorgehe. Wohl diene das Waffensystem dem späteren Einbau in einen von der Revisionswerberin zu produzierenden Panzerwagen. Die Erläuterungen der Weltzollorganisation zur Position 9305 des Harmonisierten Systems (HS) würden Panzertürme ausdrücklich als Waffen anführen. Vom in Rede stehenden Waffensystem zu unterscheiden seien Panzertürme, die als Teil eines Panzers lediglich dem Schutz der Besatzung dienten, ohne jedoch Waffencharakter zu besitzen. Diese fielen auch nach Ansicht der Revisionswerberin unter die Position 8710. Wie sich aus dem vorgelegten Manual jedoch ergebe, sei die in Rede stehende Ware ein komplexes Waffensystem und keinesfalls ein bloßer Panzerturm als Zubehörteil wie ein Deckel oder eine Türe. Das in Rede stehende Waffensystem könne nicht nur auf Landfahrzeuge montiert, sondern ohne Veränderung auch auf Seeschiffe oder stationär in festen Anlagen eingebaut und verwendet werden. Das Waffensystem werde auch nicht gemeinsam mit einem Panzer gestellt, weil der Panzer nicht eingeführt, sondern im Zollgebiet erzeugt werde.

6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien die Beschwerde als unbegründet ab.

7 Dagegen brachte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein, dem sie eine ihr erteilte verbindliche Zolltarifauskunft des Hauptzollamtes Hannover, Deutschland, vom über die Einreihung der dort beschriebenen Ware in die Unterposition 9305 91 00 der Kombinierten Nomenklatur anschloss.

8 Diese verbindliche Zolltarifauskunft enthält folgende

Warenbeschreibung:

"sog. Turmsystem

Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen handelt es sich um einen Verbund einzelner technischer Elemente, die in eine im Wesentlichen aus unedlem Metall bestehende turmähnliche Konstruktion integriert sind. Das Turmsystem stellt die Basis einer Waffenstation dar und ist im Wesentlichen mit den nachfolgend aufgeführten Subsystemen und Komponenten ausgestattet:

elektrische Antriebe, Kreisstabilisierung, optische und elektronisch arbeitende Sichtgeräte einschließlich Displays und Bediengeräte für das Einsatzpersonal (Richtschütze und Kommandant), ein Feuerleitsystem, mehrere Sensoren, Aufbewahrungsbehälter für Munition und Vorrichtungen für die Zuführung der Munition an die Waffen. Das System ist vorbereitet für den Einbau einer Maschinenkanone und eines Maschinengewehres (beide Kriegswaffen sind nicht Gegenstand dieser vZTA)."

Nach einem Verweis auf Abbildungen setzt sich die Warenbeschreibung fort:

"Durch das Zusammenwirken der genannten Subsysteme wird dem Einsatzpersonal die Bedienung der Bordkanone und des Maschinengewehrs und somit die zielgerichtete Abgabe von Schüssen ermöglicht. Das Turmsystem soll jeweils auf das Dach von mobilen See- und Landtransportsystemen, drehbar gelagert, montiert oder auch in stationären Anlagen verwendet werden."

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs.4 B-VG unzulässig sei. Das Bundesfinanzgericht habe keine Zweifel, dass der am zur Abfertigung gestellte Panzerturm eine solche Ware sei, wie sie von der verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) vom erfasst sei. Das ersehe man durch Vergleich des mitgelieferten User Manuals mit dem Antragstext und den Beilagen zur Erteilung der vZTA und der in Feld 7 der vZTA abgefassten Warenbeschreibung. Der vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskunft komme jedoch keine Rückwirkung zu.

10 Das Bundesfinanzgericht beurteile den in Rede stehenden Panzerturm als Teil eines Panzerkampfwagens mit der Einreihung in die Position 8710. Es bezweifle nicht, dass ein solcher Panzerturm, wenn er isoliert zum Einsatz käme, als Kriegswaffe der Position 9301 anzusehen wäre. Würde man einen solchen Turm "auf ein Schiff aufsetzen", würde er unter die Position 8906 (Kriegsschiffe) einzureihen sein, würde man ihn verselbständigt als Waffe einsetzen, wäre er ins Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen. Werde der Panzerturm jedoch - wie im Revisionsfall - auf einen Panzer aufgesetzt, tarifiere er ins Kapitel 87 der Kombinierten Nomenklatur.

11 Die dagegen erhobene Revision, welche ihre Zulässigkeit zusammengefasst darin sieht, dass die Tarifierungsfrage der Einreihung der gleichen Waffenstation als Teil eines Panzers oder als Waffe von einer Zollbehörde durch eine verbindliche Zolltarifauskunft (Art. 12 des Zollkodex) anders als durch das Bundesfinanzgericht und vom Verwaltungsgerichtshof überhaupt noch nicht beantwortet worden sei, legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12 Die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde (das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien) brachte - nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof - eine Revisionsbeantwortung ein.

13 Der Verwaltungsgerichtshof stellte dazu mit Beschluss vom , Ra 2015/16/0009-5 (EU 2015/0002-1), dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen:

1. Umfasst die Ausnahme der Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I Teil II der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom , in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom , ABlEU Nr. L 290 vom ) mit dem Wortlaut "Panzerwagen - andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Pos. 8710)" auch "Teile davon" ?

2. Ist die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen, dass eine "Waffenstation (Panzerturm)", welche auf Panzerwagen oder "mobilen Seetransportsystemen" oder auch in stationären Anlagen verwendet werden kann, deshalb als Teil eines Panzerwagens in die Position 8710 einzureihen, weil diese Waffenstation vom Hersteller von Panzerwagen für die Erzeugung oder den Zusammenbau von Panzerwagen eingeführt und tatsächlich für diesen Zweck verwendet wird ?

14 Mit seinem Urteil vom in der Rs. C-262/15 erkannte der EuGH über dieses Vorabentscheidungsersuchen zu Recht:

"Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der sich aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom ergebenden Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Turmsystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das für die Erzeugung von Panzerwagen eingeführt und danach tatsächlich für diesen Zweck verwendet wurde, in die Position 8710 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist, wenn es ‚hauptsächlich' für einen Panzerwagen bestimmt ist, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der objektiven Merkmale und Eigenschaften dieses Turmsystems zu überprüfen hat, ohne dass dessen endgültige Verwendung im vorliegenden Fall für die Einreihung entscheidend wäre. Andernfalls ist das Turmsystem als Teil oder Zubehör von ‚Kriegswaffen' in die Unterposition 9305 91 00 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen."

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Artikel 12 Abs. 1 und 2 der im Revisionsfall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) lautet:

"Artikel 12

(1) Auf schriftlichen Antrag erteilen die Zollbehörden nach Modalitäten, die im Wege des Ausschussverfahrens festgelegt werden, verbindliche Zolltarifauskünfte oder verbindliche Ursprungsauskünfte.

(2) Die verbindliche Zolltarifauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung bzw. der Feststellung des Ursprungs der Waren.

Die verbindliche Zolltarifauskunft oder die verbindliche Ursprungsauskunft bindet die Zollbehörden nur hinsichtlich der Waren, für welche die Zollförmlichkeiten nach dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung erfüllt werden.

Im Zusammenhang mit Ursprungsfragen ..."

17 Artikel 20 des Zollkodex lautet auszugsweise:

"Artikel 20

(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.

(2) ...

(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:

a)

die Kombinierte Nomenklatur;

b)

..."

18 Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG Nr. L 256 vom , in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom , ABlEU Nr. L 290 vom , enthält in ihrem Anhang I die Kombinierte Nomenklatur. Darin ist im Teil II (Zolltarif) der Abschnitt XVII "Beförderungsmittel" enthalten.

19 Die Anmerkungen 2 und 3 zum Abschnitt XVII des Zolltarifs lauten auszugsweise:

"2. Folgende Waren sind nicht als ‚Teile' oder als ‚Zubehör' einzureihen, auch wenn sie erkennbar für Waren des Abschnitts XVII bestimmt sind:

a) ...

...

ij) Waffen (Kapitel 93);

k) ...

...

3. ‚Teile' und ‚Zubehör' im Sinne der Kapitel 86 bis 88 sind nur Teile und Zubehör, die erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kapitels 86, 87 oder 88 bestimmt sind. Teile und Zubehör, für die zwei oder mehr Positionen der Kapitel 86 bis 88 in Betracht kommen, sind der Position zuzuweisen, die dem Hauptverwendungszweck der Teile oder des Zubehörs entspricht."

20 Im Abschnitt XVII des Zolltarifs lautet im Kapitel 87 (Zugmaschinen, Kraftwagen, Krafträder, Fahrräder und andere nicht schienengebundene Landfahrzeuge, Teile davon und Zubehör) die Position 8710:

"Panzerkampfwagen und andere selbstfahrende gepanzerte Kampffahrzeuge, auch mit Waffen; Teile davon".

Für diese Position ist ein Zollsatz von 1,7 % vorgesehen. 21 Im Abschnitt XIX (Waffen und Munition; Teile davon und Zubehör) des Zolltarifs lautet im Kapitel 93 (Waffen und Munition; Teile davon und Zubehör) die Anmerkung 1 auszugsweise:

"1. Zu Kapitel 93 gehören nicht:

a) ...

...

c) Panzerwagen und andere gepanzerte Kampffahrzeuge (Position 8710);

d) ..."

In Abschnitt XIX lauten im Kapitel 93 die Positionen 9301 und 9305:

"Position 9301:

‚Kriegswaffen, ausgenommen Revolver, Pistolen und Waffen der Position 9307'.

Position 9305:

‚Teile und Zubehör für Waren der Positionen 9301 bis 9304.'"

Zu der dafür vorgesehenen Unterposition 9305 91 00 "andere:

von Kriegswaffen der Position 9301" ist die tarifmäßige Zollfreiheit vorgesehen.

22 Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass zufolge der Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 des Zollkodex die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte verbindliche Zolltarifauskunft im Revisionsfall keine Bindungswirkung entfaltet, weil der hier zu beurteilende Sachverhalt, die Erfüllung der Zollförmlichkeiten, am vor dem Erlassen der verbindlichen Zolltarifauskunft vom verwirklicht wurde.

23 Die Revisionswerberin sieht die erwähnte verbindliche Zolltarifauskunft - auch ohne Bindungswirkung - als zutreffend an. Auch wenn die in Rede stehende Waffenstation (Panzerturm) ohne Kanone geliefert worden und insofern unvollständig sei, sei sie eindeutig für die Aufnahme einer Kanone bestimmt und schade das Fehlen der Kanone nicht für die Einreihung der Waffenstation in das Kapitel 93 als Waffe. Daher sehe die Revisionswerberin die Anmerkung 2 Buchstabe ij) zu Abschnitt XVII der Kombinierten Nomenklatur als einschlägig an, wonach die in Rede stehende Waffenstation (Panzerturm) als Waffe nicht als Teil eines in Position 8710 der Kombinierten Nomenklatur einzureihenden Panzerkampfwagens falle.

24 Dem ist entgegen zu halten, dass die Anmerkung 1 Buchstabe c) zu Kapitel 93 der Kombinierten Nomenklatur (KN) auch Teile von Panzerwagen und anderen gepanzerten Kampffahrzeugen umfasst (vgl. das erwähnte Rn 31), weshalb solche Teile nach dieser Anmerkung nicht mehr als Waffen in das Kapitel 93 der KN fallen. Deshalb wären sie auch nicht durch die Anmerkung 2 Buchstabe ij) zu Abschnitt XVII der KN von der Einreihung unter das Kapitel 87 der KN ausgeschlossen und könnten sie unter die Position 8710 eingereiht werden.

25 Demnach ist zu prüfen, ob es sich bei dem in Rede stehenden Panzerturm um eine Ware handelt, die unter den Begriff der "Teile" iSd der Anmerkung 3 zum Abschnitt XVII der KN fällt.

26 Die Einreihung als Teil in eine Position der Kapitel 86, 87 oder 88 der KN und damit die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Einreihung in die Position 8710 der KN hängt nach der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der KN davon ab, ob diese Ware erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Waren des Kapitels 86, 87 oder 88 bestimmt ist.

27 Dazu ist die ständige Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, wonach das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. etwa das erwähnte Rn 29). Der EuGH hat auch ausgesprochen, dass schließlich der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein kann, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen muss (vgl. das , "Oliver Medical"SIA, Rn 47).

28 Das angefochtene Erkenntnis enthält keine ausdrückliche Feststellung, welche Beschaffenheit und Funktion die in Rede stehende Ware mit der Bezeichnung "Waffenstation" oder "Panzerturm" aufweise. Allerdings hat das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich angeführt, es hege keine Zweifel, dass der am zur Abfertigung gestellte Panzerturm eine solche Ware sei, wie sie von der erwähnten verbindlichen Zolltarifauskunft vom erfasst sei.

29 Der Verwaltungsgerichtshof, der gemäß § 41 VwGG das angefochtene Erkenntnis auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen hat, geht daher davon aus, dass die in Rede stehende Ware von der Warenbeschreibung in der erwähnten verbindlichen Zolltarifauskunft getroffen wird.

30 Da das in Rede stehende Turmsystem demnach auch auf das Dach mobiler See- und Lufttransportsysteme drehbar gelagert montiert oder in stationären Anlagen verwendet werden kann, sind Waren wie der in Rede stehende Panzerturm nicht als Teile anzusehen, die "ausschließlich" für Panzerwagen bestimmt sind (vgl. auch das erwähnte Rn 36).

31 Im vorliegenden Revisionsfall hat die Revisionswerberin nach ihren Angaben diese Ware aus einem Drittland zugekauft und ins Zollgebiet eingeführt, um sie in Österreich in einen (von der Revisionswerberin offenbar erzeugten) Radpanzer ein- oder auf diesen aufzubauen. Dabei handelt es sich nach den Angaben der Revisionswerberin um keinen Einzelvorgang, sondern um den Teil der Produktion von zumindest insgesamt 68 Radpanzern, wozu insgesamt 68 solcher Waffenstationen (Panzertürme) eingeführt worden seien.

32 Dergestalt liegt die subjektive Bestimmung der konkreten Ware zur weiteren Verwendung durch den Empfänger der Ware im Zollgebiet, durch die Revisionswerberin, vor.

33 Das Bundesfinanzgericht hat sich ersichtlich darauf gestützt, dass die konkrete Ware nach der erfolgten Einfuhr auch diesem Verwendungszweck entsprechend tatsächlich "auf einen Panzer aufgesetzt" wurde.

34 Dies genügt allerdings noch nicht der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVII der KN. Vielmehr ist zu prüfen, ob dieses Turmsystem nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften "hauptsächlich" für einen Panzerwagen bestimmt ist (vgl. das erwähnte Rn 37).

35 Dem angefochtenen Erkenntnis fehlen indes diesbezügliche Feststellungen, welche seinen Spruch tragen könnten.

36 Das angefochtene Erkenntnis war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

37 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
12010E267 AEUV Art267;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Abschn17 Anm2 litij idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Abschn17 Anm3 idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap87 idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap93 Anm1 litc idF 32013R1001;
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap93 idF 32013R1001;
31992R2913 ZK 1992 Art12 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art20;
62013CJ0547 Oliver Medical VORAB;
VwGG §38b;
ZollRDG 1994 §74 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015160009.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAE-94185