VwGH vom 29.05.2018, Ro 2016/06/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des O M in H, vertreten durch Mag. Gernot Strobl und Dr. Wolf Stumpp, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 46a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , LVwG- 3/315/6-2016, betreffend Untersagung der Verwendung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Hallein; weitere Partei: Salzburger Landesregierung, Mozartplatz 9, 5010 Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Stadtgemeinde Hallein Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde H. vom wurde dem Revisionswerber gemäß § 19 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 20 Abs. 7 und 22 Abs. 1 Baupolizeigesetz 1997 - BauPolG die Wohnnutzung in einem näher bezeichneten Objekt baubehördlich untersagt.
2 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass "betrieblich bedingte Wohnbauten" im Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009 nicht näher definiert seien, solche jedoch nur dann im Gewerbegebiet errichtet werden dürften, wenn sie einem bestehenden Betrieb auf dem entsprechenden Bauplatz zugeordnet werden könnten. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 30 Abs. 1 Z 9 lit. b ROG 2009, wonach im Industriegebiet bauliche Anlagen für Einrichtungen, Wohnungen und Wohnräume nur dann zulässig seien, wenn diese für unter lit. a fallende Betriebe unerlässlich wären. Auch aus der historischen Interpretation ergebe sich, dass unter dem Begriff "betrieblich bedingte Wohnbauten", Wohnungen für Mitarbeiter der Betriebe (ohne deren Angehörige), also zum Betrieb gehörige Personalunterkünfte, verstanden werden könnten. Diese beispielhafte Anführung verdeutliche unmissverständlich, dass bei "betrieblich bedingten Wohnbauten" keine Betriebsnotwendigkeit für diese Wohnbauten erforderlich sei, sondern als einziges Abgrenzungskriterium der personale Zusammenhang mit dem Betrieb gegeben sein müsse. Daraus ergebe sich, dass nur Mitarbeiter ohne deren Familienangehörige, also betriebsfremde Personen, derartige Wohnungen nutzen dürften. Diese Rechtsfolge müsse auch für den Betriebsinhaber gelten. Da der Revisionswerber nicht Betriebsinhaber sei, sondern dessen Vater, und er die Wohnung laut eigenen Angaben als "Angehöriger und Aufsichtsperson" benütze, sei klargestellt, dass der Revisionswerber kein Mitarbeiter des Betriebes sei und das verfahrensgegenständliche Objekt nicht zu Wohnzwecken nutzen dürfe.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass sich die Untersagung auf die nicht betrieblich bedingte Wohnnutzung durch den Revisionswerber beziehe. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften aus, dass der Revisionswerber die Wohnung im ersten Stock des verfahrensgegenständlichen Gebäudes bewohne und die betreffende Liegenschaft, welche im Gewerbegebiet liege, in seinem Eigentum stehe. Unterhalb dieser Wohnung befinde sich der Betrieb des Vaters des Revisionswerbers, welcher als Reinigungsgewerbe geführt werde. Der erdgeschossige Betriebsbereich diene als Lagerraum und im ersten Stock - abgetrennt vom Wohnbereich des Revisionswerbers -
befinde sich ein Büroraum des Unternehmens. Der Revisionswerber selbst habe keine Funktion im Unternehmen seines Vaters und sei auch nicht dort angestellt. Rechtlich betrachtet könne der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie von einer baurechtlich nicht zulässigen Art der Verwendung der gegenständlichen Wohnung ausgegangen sei und die Untersagung einer solchen Verwendung bestätigt habe. "Betrieblich bedingt" sei eine rein private Wohnnutzung nicht, auch wenn sie durch den Sohn des Betriebsinhabers erfolge. Die Untersagung der diesbezüglichen Wohnnutzung sei daher zu Recht erfolgt.
5 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme (Bedeutung des Begriffs "betrieblich bedingte Wohnbauten" gemäß § 30 Abs. 1 Z 7 ROG 2009). Soweit ersichtlich, existiere zu dieser Rechtsfrage keine höchstgerichtliche Judikatur und es sei die Klärung dieser Frage auch für andere Fälle von Bedeutung.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zum Fehlen von hg. Judikatur zum Begriff "betrieblich bedingte Wohnbauten" in § 30 Abs. 1 Z 7 ROG 2009 als zulässig.
9 Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, aus § 30 Abs. 1 Z 7 ROG 2009 könne keinesfalls abgeleitet werden, dass eine "betrieblich bedingte" Wohnung nur durch im Rahmen eines Dienstverhältnisses angestellte Mitarbeiter eines Unternehmens, nicht aber durch Familienangehörige des Betriebsinhabers benutzt oder bewohnt werden dürfe. Es wäre aus Sicht des Revisionswerbers geradezu absurd, wenn es zweifelsfrei berechtigten Personen - wie im konkreten Fall dem Vater des Revisionswerbers - erlaubt sein solle, die betrieblich bedingte Wohnung zu bewohnen, nicht aber deren Familienangehörigen. Zudem kümmere sich der Revisionswerber in gewissem Rahmen um den Betrieb seines Vaters und das Betriebsgebäude und nutze die Wohnung in diesem Umfang sohin auch tatsächlich betriebsbedingt. Eine richtige Interpretation des § 30 Abs. 1 Z 7 ROG 2009 müsse daher zum Ergebnis führen, dass Familienangehörige jener Person, welche eine betriebsbedingte Wohnung berechtigter Weise benütze, eine solche Wohnung mit deren Zustimmung ebenfalls nutzen und bewohnen dürften, solange die diesbezüglichen privatrechtlichen Voraussetzungen vorlägen.
10 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des BauPolG, LGBl. Nr. 40/1997 in der Fassung LGBl. Nr. 60/2015, lauten auszugsweise:
"Instandhaltung und Benützung baulicher Anlagen
§ 19. ...
(2) Die einzelnen Teile eines Baues dürfen nur in einer der festgelegten (§ 9 Abs 4) oder mangels einer solchen der aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Art des Verwendungszweckes entsprechenden und mit den im § 9 Abs 1 Z 1 angeführten raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen übereinstimmenden Weise und nur so benützt werden, daß die Festigkeit und die Brandsicherheit des Baues und seiner einzelnen Teile sowie die Sicherheit der Bewohner nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere auch für die Aufstellung von Maschinen und anderen Gegenständen.
..."
"Aufsicht über den Bauzustand baulicher Anlagen und die Benützung von Bauten
§ 20. ...
(7) Stellt die Baubehörde eine den in den §§ 17 Abs 9 und 19 Abs 2 aufgestellten Grundsätzen widersprechende Benützung eines Baues oder einzelner Teile fest, so hat sie die zur Abstellung der festgestellten Mißstände erforderlichen Verfügungen zu treffen.
..."
11 § 30 ROG 2009, LGBl. Nr. 30/2009 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 9/2016, lautet auszugsweise:
"Bauland
§ 30. (1) Die Nutzungsart Bauland gliedert sich in folgende Kategorien:
...
7. Gewerbegebiet (GG): in einem solchen sind zulässig:
a) bauliche Anlagen für Betriebe, die die Umgebung nicht
übermäßig beeinträchtigen;
b) bauliche Anlagen der öffentlichen Verwaltung;
c) betrieblich bedingte Wohnbauten und dazu gehörige
Nebenanlagen;
... "
12 Der Revisionswerber ist Eigentümer der
verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, welche in einem
Gewerbegebiet liegt, in welchem gemäß § 30 Abs. 1 Z 7 ROG 2009
unter anderem betrieblich bedingte Wohnbauten und dazu gehörige
Nebenanlagen zulässig sind (vgl. lit. c).
13 Das ROG 2009 enthält keine nähere Regelung darüber, wann ein Wohnbau betrieblich bedingt ist. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter "bedingt" im hier verwendeten Kontext "durch das im Basiswort Genannte verursacht, davon herrührend, darin begründet" zu verstehen (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch10, 183). Ein Wohnbau ist demnach dann betrieblich bedingt, wenn er durch den betreffenden Betrieb verursacht, von ihm herrührend bzw. in ihm begründet ist. Die Zulässigkeit eines Wohnbaues im Gewerbegebiet setzt somit das Bestehen eines Betriebes, dem der Wohnbau zugeordnet werden kann, voraus. Eine solche Zuordnung erfordert, dass es sich bei den Bewohnern der Wohnbauten um die im betreffenden Betrieb tätigen Personen (z.B. Beschäftigte, Betriebsinhaber) handelt (so auch Giese, Die Zulässigkeit von Personalunterkünften in Betriebs- und Gewerbegebieten, bbl 2010, 187).
14 Dass für die Zulässigkeit eines Wohnbaues im Gewerbegebiet gemäß § 30 Abs. 1 Z 7 lit. c ROG 2009 ein personaler Zusammenhang zwischen Betrieb und Wohnnutzung erforderlich ist, ergibt sich auch aus einer historischen Betrachtung der Verwendung des Begriffes "betrieblich bedingte Wohnbauten" im Salzburger Raumordnungsrecht durch den Landesgesetzgeber (vgl. dazu die Darstellung in Giese, Die Zulässigkeit von Personalunterkünften in Betriebs- und Gewerbegebieten, bbl 2010, 188 bis 189). So sollten den Erläuterungen zur Raumordnungsgesetz-Novelle 1959, LGBl. Nr. 103/1959, zufolge unter dem im damaligen § 14 Abs. 1 lit. c Z 2 ROG 1956 enthaltenen Begriff "betrieblich bedingte Wohnbauten und Einrichtungen" Wohnungen für Pförtner, Betriebskindergärten, udgl., verstanden werden (s. RV 1 BlgLT 4. WP 1. Sess. 6). In den Erläuterungen zum ROG 1992, LGBl. Nr. 98, wurde zu dem im damaligen § 17 Abs. 1 Z 5 lit. b ROG 1992 enthaltenen Begriff "betrieblich bedingte Wohnbauten" ausgeführt, dass darunter Wohnungen für die Mitarbeiter der Betriebe (ohne deren Angehörige) verstanden werden, also zu den Betrieben gehörige Personalunterkünfte; ebenso auf Grund der spezifischen Situation Wohnungen für Behinderte in der Nähe einer geschützten Werkstätte (s. RV 118 BlgLT 10. GP 4. Sess. 80). Dieser Begriff wurde unverändert (zuletzt) in das ROG 2009 übernommen und ist auch nach der im Revisionsfall anzuwendenden - oben dargestellten - Rechtslage für die Zulässigkeit von Wohnbauten im Gewerbegebiet maßgeblich.
15 Sowohl aus dem Wortsinn als auch aus einer historischen Interpretation des Begriffs "betrieblich bedingte Wohnbauten" ergibt sich demnach, dass in Gewerbegebieten gemäß § 30 Abs. 1 Z 7 lit. c ROG 2009 die Errichtung von Wohnbauten für Mitarbeiter des betreffenden Betriebes, nicht jedoch zur alleinigen Benützung durch deren betriebsfremde Angehörige, zulässig ist.
16 Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes wird die gegenständliche Wohnung vom Revisionswerber und nicht (auch) von deren Vater bewohnt. Der Vater des Revisionswerbers ist Inhaber des im Erdgeschoß des gegenständlichen Gebäudes gelegenen Reinigungsbetriebes, wobei der Revisionswerber keine Funktion in diesem Unternehmen hat und dort auch nicht angestellt ist. Dass sich der Revisionswerber als Eigentümer des Grundstückes, auf dem sich das gegenständliche Gebäude befindet, darum kümmert, "dass bezüglich des Gebäudes, also auch des Lagers, ‚alles in Ordnung ist'", reicht für eine personale Zuordnung des Revisionswerbers zum betreffenden Betrieb nicht aus. Das Verwaltungsgericht ging somit zu Recht davon aus, dass die vorliegende Wohnnutzung durch den Revisionswerber nicht betrieblich bedingt ist und demnach der im maßgeblichen Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung Gewerbegebiet widerspricht.
17 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II. Nr. 8/2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016060006.J00 |
Schlagworte: | Planung Widmung BauRallg3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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