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VwGH vom 23.01.2018, Ro 2016/05/0010

VwGH vom 23.01.2018, Ro 2016/05/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nunmehr: Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 46.1-167/2016-13, betreffend Feststellung nach § 6 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (mitbeteiligte Parteien:

1. M GmbH in Z und 2. R GmbH in G, beide vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

I.

1 Mit Eingabe vom beantragten die mitbeteiligten Parteien bei der Bezirkshauptmannschaft M. (im Folgenden: Bezirkshauptmannschaft) unter Anschluss eines Gutachtens des Sachverständigen P. vom die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 und Z 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 (im Folgenden: AWG) hinsichtlich der von der erstmitbeteiligten Partei an die zweitmitbeteiligte Partei übergebenen Abfälle (Verschnittmaterial aus der Herstellung von beschichtetem Papier).

2 Der Sachverständige P. führte in diesem Gutachten vom (u.a.) aus, dass die von der erstmitbeteiligten Partei an die zweitmitbeteiligte Partei übergebenen Abfälle für eine stoffliche Verwertung im Ausland bestimmt seien, der gegenständliche Abfall im Zuge eines gleichbleibenden Prozesses mit denselben Ausgangsmaterialien als Verschnittmaterial bei der Herstellung von beschichtetem Papier bei der erstmitbeteiligten Partei anfalle und eine Probenahme des Materials (98 Tonnen in Ballen zusammengefasst mit Unterschieden in der Farbe des Papiers) ergeben habe, dass der Aluminiumgehalt der Ballen durchschnittlich 1,7 % betrage. Die Proben wiesen durchwegs sehr geringe Biomasse-Anteile (Papier) auf, während der Nicht-Biomasse-Anteil (Kunststoff) verhältnismäßig groß sei. Die einzelnen Farbgemische für die Ballen ergäben einen Mittelwert für Biomasse von 27,0 % ± 2,6 %. Der Mittelwert der Nicht-Biomasse belaufe sich auf 68,1 % ± 4,3 %. Trotz unterschiedlicher Farbbereiche erweise sich das Material in Bezug auf die stoffliche Zusammensetzung als sehr homogen.

3 Für die Zuordnung zu einer Schlüsselnummer gemäß Europäischem Abfallverzeichnis (im Folgenden: EAV) bzw. ÖNORM S 2100 sei die Herkunft des Materials ebenso einzubeziehen wie die stoffliche Zusammensetzung. Abfälle mit den beginnenden Schlüsselnummern 19 12 stünden für Abfälle aus der mechanischen Behandlung von Abfällen (z.B. Sortieren, Zerkleinern, Verdichten, Pelletieren). Der gegenständliche Abfall falle in einem produktorientierten Prozess zur Herstellung von beschichteten Papierfolien an, daher seien die Schlüsselnummern (Kunststoff und Gummi) sowie (Papier und Pappe) nicht zutreffend. Die Schlüsselnummer sei zudem aufgrund der stofflichen Zusammensetzung des Abfalls, weil Kunststoff (Polyethylen) mit ca. 68,1 % ± 4,3 % den Hauptbestandteil des Materials darstelle, unzutreffend. Dasselbe gelte auch für die Schlüsselnummern 18718 (Altpapier, Papier und Pappe, unbeschichtet) sowie 18702 (Papier und Pappe, unbeschichtet) nach der ÖNORM S 2100.

4 Dem Abfall sei gemäß EAV die Schlüsselnummer zuzuordnen, und gemäß ÖNORM S 2100 sollte die Zuordnung zur Schlüsselnummer 57119 erfolgen. Denn dem Erzeugungsprozess von beschichteten Kunststofffolien lägen organisch-chemische Prozesse zugrunde, weshalb die Zuordnung zur Gruppe 07 (Abfälle aus organisch-chemischen Prozessen) folgerichtig sei. Während des Prozesses falle der gegenständliche Abfall als Verschnittmaterial an, entsprechend erfolge die Zuordnung zur Kategorie 07 02 (Abfälle aus Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Anwendung von Kunststoffen, synthetischem Gummi und Kunstfasern). Der gegenständliche Abfall bestehe zu 68,1 % ± 4,3 % aus Kunststofffolien, woraus sich die Zuordnung zu (Kunststoffabfälle) ergebe. Eine Zuordnung nach ÖNORM S 2100 zur Schlüsselnummergruppe 57 (Kunststoff- und Gummiabfälle) sei aufgrund der Herkunft des Abfalls bzw. seiner chemischen Zusammensetzung argumentierbar. Aufgrund seines physikalischen Erscheinungsbildes erscheine die Zuordnung zu 57119 (Kunststofffolien) plausibel.

5 Die Zuordnung zur "Grünen" Abfallliste gemäß Anhang III der Abfallverbringungsverordnung und der Gruppe B 3010 sei argumentierbar. Die Gruppe B 3010 umfasse feste Kunststoffabfälle, die nach einer Spezifikation aufbereitet worden und nicht mit anderen Abfällen vermischt seien. Rechtlich relevante Dokumente verabsäumten es, den Begriff "Spezifikation" näher auszuführen. Der gegenständliche Abfall falle jedoch in einem gleichbleibenden Prozess mit denselben Ausgangsmaterialien an und könne daher exakt in seiner chemischen Zusammensetzung spezifiziert werden. Zudem habe der Abfall aufgrund seiner geringen Kontamination mit unspezifizierten bzw. unerwünschten Stoffen (z.B. Schmutz, Staub, gefährliche Substanzen, andere Kunststoffe, die den Recyclingprozess negativ beeinflussten) Abnehmer im Bereich des Kunststoffrecyclings und erfülle damit ganz offensichtlich die marktüblichen Spezifikationen. Der Einsatz des Materials zur stofflichen Verwertung sei im Sinne der Abfallhierarchie gemäß AWG auch zu befürworten. Der Hauptbestandteil des gegenständlichen Abfalls sei ein klar definierter Kunststoff (Polyethylen) mit rund 68,1 % ± 4,3 %, welcher eindeutig der Gruppe B 3010 zuzuordnen sei. Nebenbestandteile des Abfalls seien Papier (27,0 % ± 2,6 %) und Aluminium (ca. 1,7 %), die für einen nachfolgenden Recyclingprozess nicht hinderlich seien. Während der Erzeugung des Abfalls seien die Ausgangsstoffe weder absichtlich noch unabsichtlich miteinander vermischt worden, weshalb es sich definitionsgemäß nicht um ein klassisches "Abfallgemisch" handle. Der gegenständliche Abfall falle als reinsortiges Verschnittmaterial in einem bestimmten Produktionsabschnitt beim Extrusionsbeschichten an - einem Prozess zur Herstellung von Verbundmaterial. Die Zusammensetzung des Abfalls kehre sich gegenüber der des Produktes (beschichtetes Papier) aufgrund der gewählten Schnittflächen um (das heiße, der Kunststoffanteil werde größer). Dennoch sei auch für den gegenständlichen Abfall der Begriff "Verbundmaterial" (nicht leicht trennbare Kombination, "Monoverbundstoff") zutreffend und mit dem eines Tetra Paks vergleichbar. Der Papieranteil von Tetra Paks betrage typischerweise 75 %, der Anteil von Polyethylen zwischen 10 % bis 25 %, und der Aluminiumanteil liege bei ca. 5 %. Tetra Paks würden eindeutig der Gruppe B 3020 (Abfälle aus Papier, Pappe (Karton) und Papierwaren) zugeordnet.

6 In dem von der Bezirkshauptmannschaft eingeholten Gutachten vom führte der Amtssachverständige R. (u.a.) aus, die Ergebnisse des von den mitbeteiligten Parteien vorgelegten Gutachtens des Sachverständigen P. seien aus abfalltechnischer Sicht zu bestätigen. Die Zuordnung zum Abfallcode (Kunststoffabfälle) gemäß EAV und zur ASN (Abfallschlüsselnummer) 57119 (Kunststofffolien) gemäß ÖNORM S 2100 sei aufgrund der Ausführungen im Gutachten auf Basis der Herkunft der Abfälle und deren chemischer Zusammensetzung nachvollziehbar und schlüssig. Ebenso sei die Zuordnung der Abfälle zur "Grünen" Abfallliste und zur Gruppe B 3010 schlüssig, und es werde dieses Ergebnis aus fachlicher Sicht bestätigt.

7 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom (in der Fassung deren Berichtigungsbescheides vom ) wurde aufgrund des Antrages der mitbeteiligten Parteien vom gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 und 3 AWG festgestellt, dass

"a. es sich bei den von der (erstmitbeteiligten

Partei) an die (zweitmitbeteiligte Partei) übergebenen Abfälle um Kunststoffabfälle handelt,

b. die Zuordnung dieser Abfälle zum Code 070213 gemäß europäischem Abfallverzeichnis und der ASN 57119 gemäß ÖNORM

S 2100 iVm der AbfallverzeichnisVO zu erfolgen hat und

c. diese Abfälle der grünen Liste Gruppe B 3010 gemäß Anhang III der EU-Abfallverbringungsverordnung zuzuordnen sind und damit keiner Notifizierungspflicht gemäß dieser Abfallverbringungsverordnung unterliegen."

8 Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: Bundesminister) holte in der Folge die gutachterliche Stellungnahme seines abfalltechnischen Amtssachverständigen M. vom ein. Darin führte der Amtssachverständige im Wesentlichen aus, dass es sich bei den gegenständlichen Abfällen um einen Verbundwerkstoff mit einem hohen Kunststoffanteil handle, weshalb eine Zuordnung des Abfalls zu den EAV-Codes (Kunststoff und Gummi) oder (Papier) sowie zur ASN 18718 (Altpapier, Papier, Pappe, unbeschichtet) unzutreffend sei. Die ASN 18702 (Papier, Pappe, beschichtet) könnte potentiell herangezogen werden, doch liege der Papieranteil deutlich unter 50 %, sodass einer ASN aus der Gruppe Kunststoffabfälle der Vorzug zu geben wäre. Naturgemäß müssten auch "Verbandmaterialien" einer konkreten ASN zugeordnet werden.

9 Weiteres führte der Amtssachverständige in dieser Stellungnahme (u.a.) aus, dass die erfolgten Einstufungen der gegenständlichen Abfälle gemäß dem österreichischen Abfallverzeichnis, dem EAV und den Anhängen der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (im Folgenden: EG-VerbringungsV) nicht vollständig zuträfen. Verbundwerkstoffe aus Kunststoff/Cellulose/Metall seien im österreichischen Abfallkatalog nicht namentlich genannt. Der Verbundwerkstoff bestehe zu rund 2/3 aus Kunststoff, sodass eine Zuordnung zur Abfallgruppe 571 und nicht zur Gruppe 187 zutreffend sei. Die ASN 57119 sei unzutreffend, weil "Verbunde" durch die ASN 57129 besser charakterisiert würden (in der Abfallbezeichnung der ASN 57129 seien einige Verbundmaterialien beispielhaft aufgezählt). Die Zuordnung zum EAV-Code sei schlüssig und nachvollziehbar. Im ersten Fall liege das Augenmerk auf der Herkunft aus der Produktion, im zweiten Fall auf der Tatsache, dass ein Materialgemisch (Verbund) vorliege. Kunststoffabfälle des Eintrags B 3010 umfassten keine Verbundmaterialien, es sei daher von einem nicht gelisteten Material auszugehen.

10 Mit Bescheid vom änderte der Bundesminister als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom gemäß § 6 Abs. 4 Z 2 AWG im Spruch wie folgt ab:

"Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 und 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. 2002/102 i.d.g.F. wird aufgrund des Antrages der (erstmitbeteiligten Partei) und der (zweitmitbeteiligten Partei) ... vom unter Zugrundelegung der vorgelegten Unterlagen, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, festgestellt, dass:

a. es sich bei den von der (erstmitbeteiligten

Partei) an die (zweitmitbeteiligte Partei) übergebenen Abfällen, welche einen Mittelwert der Nicht-Biomasse (Kunststoff) von 68,1 % ± 4,3 %, einen Anteil von Biomasse (Papier) von im Mittel 27,0 % ± 2,6 % und einen Gehalt an Aluminium von durchschnittlich 1,7 % aufweisen, um Materialverbunde aus Kunststoff, Cellulose und Metall handelt;

b. die Zuordnung dieser Abfälle zum Code :

Abfälle aus der HZVA von Kunststoffen, synthetischem Gummi und Kunstfasern - Kunststoffabfälle gemäß dem Europäischen Abfallverzeichnis und der Abfallschlüsselnummer 57129: sonstige ausgehärtete Kunststoffabfälle, Videokassetten, Magnetbänder, Tonbänder, Farbbänder (Carbonbänder), Tonercatridges ohne gefährliche Inhaltsstoffe gemäß ÖNORM S 2100 i.d.F. gemäß Anlage 5, Ziffer III der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II 570/2003 i.d.F. BGBl. II 498/2008 zu erfolgen hat und

c. diese Abfälle nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b)

Z iii) der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (EG-VerbringungsV) darstellen und damit dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung gemäß der EG-VerbringungsV unterliegen."

11 Dazu führte der Bundesminister im Wesentlichen aus, laut dem Gutachten des Sachverständigen P. habe die Beprobung der Abfälle einen Mittelwert der Nicht-Biomasse (Kunststoff) von 68,1 % ± 4,3 %, einen Anteil von Biomasse (Papier) von im Mittel 27,0 % ± 2,6 % und einen Gehalt an Aluminium von durchschnittlich 1,7 % ergeben. Die Ergebnisse dieser Beprobung seien unbestritten und Grundlage für die zu treffenden Feststellungen.

12 Bei den gegenständlichen Abfällen handle es sich, entgegen der von der Bezirkshauptmannschaft getroffenen Feststellung, offenbar nicht um Kunststoffabfälle, sondern um einen Materialverbund aus Kunststoff, Cellulose und Metall. Die Beschreibung als "Kunststoffabfälle" sei irreführend, da es sich tatsächlich um Materialverbunde handle, welche zwar hauptsächlich, jedoch keinesfalls ausschließlich aus Kunststoff bestünden. Auch die verbale Beschreibung eines Abfalls solle diesen möglichst konkret bezeichnen, die Beschreibung als "Materialverbund" unter Angabe der Mittelwerte der darin enthaltenen Anteile an Kunststoff, Papier und Aluminium trage dem Bedürfnis nach einer möglichst weitgehenden Konkretisierung der Zusammensetzung der Abfälle in der verbalen Beschreibung Rechnung.

13 Die Zuordnung des Abfalls zum EAV-Code "Abfälle aus der HZVA von Kunststoffen, synthetischem Gummi und Kunstfasern - Kunststoffabfälle" sei nachvollziehbar. Die Zuordnung gemäß dem österreichischen Abfallverzeichnis habe zu jener Abfallart zu erfolgen, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibe. Hiebei seien die Herkunft und sämtliche stofflichen Eigenschaften des Abfalls einschließlich möglicher gefahrenrelevanter Eigenschaften zu berücksichtigen. Es müsse die konkretest mögliche Abfallbezeichnung verwendet werden. Die ASN 57119 "Kunststofffolien" sei unzutreffend, weil durch diese Schlüsselnummer die stofflichen Eigenschaften des Abfalls nicht am besten beschrieben würden. Es handle sich bei den gegenständlichen Abfällen zwar um flächiges Material, aber eben nicht um einen reinen Kunststoffabfall. Eine Verarbeitung - wie für PE-Folien üblich (Recycling zu Sekundärgranulat) - sei für die antragsgegenständlichen Abfälle nicht möglich. Die ASN 57129 "sonstige ausgehärtete Kunststoffabfälle, Videokassetten, Magnetbänder, Tonbänder, Farbbänder (Carbonbänder), Tonercatridges ohne gefährliche Inhaltsstoffe" beschreibe im Gegensatz dazu derartige Verbunde am konkretesten und führe hinsichtlich der Verwertungsmöglichkeiten nicht in die Irre. Würde die Form (Folie) allein den Ausschlag geben, wären z.B. auch Tonbänder (Verbundmaterial von Kunststoff und Magnetbeschichtung) unter die ASN 57119 einzuordnen. Magnetbänder seien aber - neben anderen Verbundmaterialien - im Text der ASN 57129 namentlich als Beispiel genannt.

14 Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) Z iii) EG-VerbringungsV unterlägen nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung. Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) Z iv) unterlägen nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfallgemische, sofern sie nicht in Anhang IIIA angeführt seien, dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung. Bei dem gegenständlichen Abfall handle es sich nicht um einen Kunststoffabfall, sondern um einen Materialverbund mit etwa 2/3 Kunststoffanteil. Der Abfall sei zwar nicht vermischt (es liege daher kein Abfallgemisch vor) und sei auch sehr genau charakterisiert (da er aus einem definierten Prozess stamme), jedoch handle es sich dabei eben nicht um Kunststoff, sondern um einen Materialverbund, der als solcher nicht als Einzeleintrag in den genannten Anhängen der EG-VerbringungsV eingestuft sei. Der Anhang III der EG-VerbringungsV enthalte durchaus auch spezifische Einträge für Materialverbunde, etwa B 3026 oder auch B 4030. Dies wäre überflüssig, wenn Verbunde einfach dem ihren Hauptbestandteil entsprechenden Eintrag zugeordnet werden könnten. Auch Materialverbunde müssten daher als Einzeleintrag in Anhang III (oder IIIB) eingestuft sein, um sie einem Code des Anhangs III (oder IIIB) der EG-VerbringungsV zuordnen zu können. Sämtliche nicht als Einzeleintrag in den Anhängen III, IIIB, IV oder IVA eingestuften Abfälle unterlägen daher gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) Z iii) EG-VerbringungsV der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung.

15 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien unter Anschluss eines (weiteren) Gutachtens des Sachverständigen P. vom Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

16 Mit Schreiben vom legte der Bundesminister dem Verwaltungsgericht die Beschwerde der mitbeteiligten Parteien unter Anschluss einer gutachterlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen M. vom vor und nahm zur Beschwerde Stellung.

17 Das Verwaltungsgericht führte am eine mündliche Verhandlung durch, zu der es den Amtssachverständigen R. beizog, der in der Folge das (schriftliche) Gutachten vom erstattete.

18 In diesem Gutachten vom führte der Amtssachverständige (u.a.) zusammenfassend aus, dass trotz der dargelegten Möglichkeit, den verfahrensgegenständlichen Abfall auch anderen Abfallcodes bzw. Schlüsselnummern zuzuordnen, die Zuordnung zum Abfallcode (Kunststoffabfälle) gemäß EAV und zur ASN 57119 (Kunststofffolien) gemäß ÖNORM S 2100 sowie auch die Zuordnung dieser Abfälle zur "Grünen" Abfallliste gemäß Anhang III und der Gruppe B 3010 nachvollziehbar und vertretbar seien.

19 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt I.) der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien stattgegeben und der Bescheid des Bundesministers behoben sowie (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision für zulässig erklärt.

20 Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, es gehe nach eingehender Prüfung der Stellungnahmen und Gutachten davon aus, dass der gegenständliche Abfall durchaus mehreren Abfallcodes zugerechnet werden könne, weil die einschlägigen Normen einigen Spielraum offen ließen. Die der Gesamtcharakteristik des Abfalls am ehesten entsprechende Zuordnung treffe jedoch nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten des Sachverständigen P. vom und des Amtssachverständigen für Abfalltechnik (R.) vom auf den EAV-Code und die Schlüsselnummer 57119 der ÖNORM S 2100 (Kunststofffolien) zu, die der "Grünen" Abfallliste gemäß Anhang III der Gruppe B 3010 der EG-VerbringungsV zugeordnet werden könnten.

21 Wenn auch die Beibehaltung des § 6 Abs. 4 AWG nach Inkraftsetzung der B-VG Novelle 2012 nicht verfassungswidrig sei, so sei das (in § 6 Abs. 4 AWG normierte) "Rechtsinstrument" nach den Auslegungsregeln des AVG, insbesondere zu § 68 AVG, so restriktiv anzuwenden, dass nicht wegen jeder noch so geringen Rechtswidrigkeit in rechtskräftige Bescheide eingegriffen werde. Ein solcher Eingriff solle nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann erfolgen, wenn tatsächlich grob rechtswidrige Entscheidungen, die weitreichende Auswirkungen auf die durch das Gesetz geschützten Rechtsgüter erwarten ließen, durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu korrigieren seien. Nach "dieser" Gesetzesstelle (offenbar gemeint: § 6 Abs. 4 AWG) könne die Oberbehörde den Bescheid beheben, wenn der Sachverhalt unrichtig festgestellt worden oder der Bescheid rechtswidrig sei. Beide im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen seien nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nicht gegeben. Die Bezirkshauptmannschaft sei in ihrem Bescheid vom von einem schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten ausgegangen, welches in seinen wesentlichen Teilen vom Gutachten des gerichtlich beigezogenen Sachverständigen (R.) bestätigt worden sei. Demnach beschrieben jene Schlüsselnummern und Zuordnungen zu Abfallcodes, die von der Bezirkshauptmannschaft vorgenommen worden seien, die wesentlichen Charakteristika der zu beurteilenden Abfälle nach den Zuordnungsregeln besser als jene, die vom Bundesminister festgelegt bzw. vorgenommen worden seien. Keinesfalls erscheine jedoch im Lichte der Sachverhaltsermittlung die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides als gerechtfertigt, weil durch die mitbeteiligten Parteien hinreichend dargelegt worden sei, dass die vorliegenden Abfälle einer gesicherten Verwertung im Ausland zugeführt werden könnten und somit kein zwingender Grund für eine Notifizierung gegeben erscheine, zumal eine gleichwertige Verwertung im Inland derzeit nicht möglich sei.

22 Die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass eine Rechtsprechung zu § 6 Abs. 4 AWG fehle und die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden sei.

23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

24 Die mitbeteiligten Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25 Der Bundesminister bringt vor, das Verwaltungsgericht hätte die Rechtsfragen zu lösen gehabt, welcher Schlüsselnummer gemäß dem österreichischen Abfallverzeichnis die verfahrensgegenständlichen Materialverbunde entsprechend den Vorgaben des § 1 Abs. 2 iVm Anlage 5 Abfallverzeichnisverordnung und welchem Code welchen Anhanges der EG-VerbringungsV derartige Materialverbunde zuzuordnen seien oder ob sie als Einzeleintrag in den Anhängen der EG-VerbringungsV eingestuft seien; weiters, welchem Verfahren die grenzüberschreitende Verbringung dieser Abfälle als Folge dieser Einstufung unterliege bzw. ob diese Abfälle im Falle der grenzüberschreitenden Verbringung notifizierungspflichtig seien. Es fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, wie Materialverbunde entsprechend den Vorgaben der Abfallverzeichnisverordnung sowie der EG-VerbringungsV einzustufen seien. Das Verwaltungsgericht habe bei der Lösung dieser Rechtsfragen die Rechtslage gröblich verkannt habe. In diesem Zusammenhang verweist der Bundesminister auf das Beside BV und

I. M. Besselsen, C-192/96, das sich mit Fragen der Zuordnung vermischter Abfallarten auseinandersetzt.

26 Die Revision erweist sich aufgrund der im Zulässigkeitsvorbringen der Revision genannten Rechtsfragen als zulässig und im Ergebnis auch als berechtigt.

27 Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa , mwN) ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines - wie im vorliegenden Revisionsfall - gemäß § 6 Abs. 4 Z 2 AWG erlassenen Bescheides auf die Rechtslage bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen, weshalb das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung diese Rechtslage zugrunde zu legen hatte.

28 § 6 AWG, BGBl. I Nr. 102/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 193/2013 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Feststellungsbescheide

§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

...

1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

2. welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen

ist oder

3. ob eine Sache gemäß den unionsrechtlichen

Abfallvorschriften, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (im Folgenden: EG-VerbringungsV), ABl. Nr. L 190 vom S. 1, bei der Verbringung notifizierungspflichtiger Abfall ist,

hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder auf Veranlassung der Bundespolizei nach Maßgabe des § 82 oder der Zollorgane nach Maßgabe des § 83 mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt.

...

(4) Die Behörde hat den Bescheid samt einer Kopie der

diesbezüglichen Akten gleichzeitig mit der Zustellung an die

Partei an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu

übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen

Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein

Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden

Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung abgeändert

oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig

festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen.

..."

29 Die maßgeblichen Bestimmungen der EG-VerbringungsV haben

auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

...

3. ‚Abfallgemisch' Abfälle, die aus der absichtlichen oder unabsichtlichen Vermischung von zwei oder mehr unterschiedlichen Abfällen resultieren, wobei es für das Gemisch keinen Einzeleintrag in den Anhängen III, IIIB, IV und IVA gibt. Eine einzelne Verbringung von Abfällen, die zwei oder mehr voneinander getrennte Abfälle umfasst, ist kein Abfallgemisch;

..."

"Artikel 3

Allgemeiner Verfahrensrahmen

(1) Die Verbringung folgender Abfälle unterliegt dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung im Sinne der Bestimmungen dieses Titels:

...

  1. falls zur Verwertung bestimmt:

  2. in Anhang IV aufgeführte Abfälle, einschließlich u. a. der in den Anhängen II und VIII des Basler Übereinkommens aufgeführten Abfälle;

  3. ii)in Anhang IVA aufgeführte Abfälle;

  4. iii) nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle;

  5. iv)nicht als Einzeleintrag in Anhang III, III B, IV oder IVA eingestufte Abfallgemische, sofern sie nicht in Anhang IIIA aufgeführt sind

(2) Die Verbringung folgender zur Verwertung bestimmter Abfälle unterliegt den allgemeinen Informationspflichten gemäß

Artikel 18, sofern die verbrachte Abfallmenge mehr als 20 kg beträgt:

  1. in Anhang III oder IIIB aufgeführte Abfälle

  2. nicht als Einzeleintrag in Anhang III eingestufte Gemische aus zwei oder mehr in Anhang III aufgeführten Abfällen, sofern die Zusammensetzung dieser Gemische ihre umweltgerechte Verwertung nicht erschwert und solche Gemische gemäß Artikel 58 in Anhang IIIA aufgeführt sind.

  3. ..."

  4. "Artikel 4

  5. Notifizierung

Beabsichtigt der Notifizierende die Verbringung von Abfällen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b, so muss er bei und über die zuständige Behörde am Versandort eine vorherige schriftliche Notifizierung einreichen und im Falle einer Sammelnotifizierung Artikel 13 beachten.

..."

"Artikel 18

Abfälle, für die bestimmte Informationen mitzuführen sind

(1) Die beabsichtigte Verbringung von Abfällen im Sinne des Artikels 3 Absätze 2 und 4 unterliegt folgenden Verfahrensvorschriften:

..."

"ANHANG III

LISTE DER ABFÄLLE, DIE DEN ALLGEMEINEN INFORMATIONSPFLICHTEN NACH ARTIKEL 18 UNTERLIEGEN

(‚GRÜNE' ABFALLLISTE) (1)

Unabhängig davon, ob Abfälle in dieser Liste aufgeführt sind oder nicht, dürfen diese Abfälle nicht den allgemeinen Informationspflichten nach Artikel 18 unterliegen, wenn aufgrund der Kontaminierung durch andere Materialien

a) die Risiken im Zusammenhang mit den Abfällen so weit erhöht sind, dass unter Berücksichtigung der in Anhang III der Richtlinie 91/689/EWG genannten gefährlichen Eigenschaften die Anwendung des Verfahrens der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung angemessen erscheint, oder

b) die umweltgerechte Verwertung der Abfälle verhindert wird.

..."

"ANHANG IV

LISTE VON ABFÄLLEN, DIE DEM VERFAHREN DER VORHERIGEN

SCHRIFTLICHEN NOTIFIZIERUNG UND ZUSTIMMUNG UNTERLIEGEN (‚GELBE'

ABFALLLISTE)(1)

..."

30 Die maßgeblichen Bestimmungen der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003, in der Fassung BGBl. II Nr. 498/2008 lauten auszugsweise wie folgt:

"Abfallverzeichnis

§ 1. (1) Das Abfallverzeichnis umfasst die Abfallarten, die in Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis', ausgegeben am , aufgelistet sind, mit den in Abschnitt III. der Anlage 5 angeführten Änderungen. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat das Abfallverzeichnis am EDM-Portal, edm.gv.at, zu veröffentlichen.

(2) Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart hat gemäß den Vorgaben der Anlage 5 zu erfolgen. Dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anlage 3 zu berücksichtigen. Sofern für die Zuordnung zu einer Abfallart Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen. Ist für die Zuordnung eines Abfallstroms eine Untersuchung erforderlich, so ist die Ausarbeitung des Probenahmeplans, Durchführung der Probenahme und die Untersuchung durch eine befugte Fachperson oder Fachanstalt vorzunehmen. Die für die Zuordnung notwendigen Beurteilungsunterlagen sind Teil der Aufzeichnungen betreffend die Abfallart.

..."

"Anlage 1

Zuordnungskriterien

I. Allgemeine Zuordnungskriterien

1. Hierarchie der Abfallcodes

Bei der Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart ist in folgenden vier Schritten vorzugehen:

1. Bestimmung der Herkunft der Abfälle in den Kapiteln 01 bis 12 bzw. 17 bis 20 und des entsprechenden Abfallcodes (ausschließlich der auf 99 endenden Codes dieser Kapitel). Der Abfallbesitzer hat die Abfälle, die in einer bestimmten Anlage anfallen, je nach der Tätigkeit gegebenenfalls auf mehrere Kapitel aufzuteilen. So kann zB ein Automobilhersteller seine Abfälle je nach Prozessstufe unter Kapitel 12 (Abfälle aus Prozessen der mechanischen Formgebung und Oberflächenbearbeitung von Metallen), 11 (anorganische metallhaltige Abfälle aus der Metallbearbeitung und -beschichtung) und 08 (Abfälle aus der Anwendung von Überzügen) finden. Anmerkung: Getrennt gesammelte Verpackungsabfälle (einschließlich Mischverpackungen aus unterschiedlichen Materialien) werden nicht der Gruppe 20 01 sondern der Gruppe 15 01 zugeordnet.

2. Lässt sich in den Kapiteln 01 bis 12 und 17 bis 20 kein passender Abfallcode finden, so sind zur Bestimmung des Abfalls die Kapitel 13, 14 und 15 zu prüfen.

3. Trifft kein Abfallcode aus diesen Kapiteln zu, dann ist

der Abfall gemäß Kapitel 16 zu bestimmen.

4. Beschreibt auch kein Code in Kapitel 16 den Abfall zutreffend, dann ist der Code 99 ‚Abfälle a. n. g.' (Abfälle anders nicht genannt) in dem Teil des Verzeichnisses zu verwenden, der der in Schritt 1 bestimmten abfallerzeugenden Tätigkeit entspricht. Die Zuordnung zu einer nicht gefährlich eingestuften Abfallart mit dem Code 99 darf nur erfolgen, wenn auf Grund der Entstehung oder der Art des Abfalls zuverlässig angenommen werden kann, dass keine gefahrenrelevante Eigenschaft gemäß Anlage 3 zutrifft.

2. Zuordnung

Die Zuordnung eines Abfalls hat unter Berücksichtigung des Punktes 1 zu jener Abfallart zu erfolgen, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibt. Hierbei sind die Herkunft sowie sämtliche stoffliche Eigenschaften des Abfalls einschließlich möglicher gefahrenrelevanter Eigenschaften zu berücksichtigen. Es muss die konkretest mögliche Abfallbezeichnung einschließlich einer allfälligen Spezifizierung gemäß § 3 Z 3 lit. b und c verwendet werden, die einer Abfallart gemäß Anlage 2 entspricht. Sonstige Spezifizierungen gemäß § 3 Z 3 lit. a müssen nur dann verwendet werden, wenn diese Unterteilung im Materienrecht oder in einem Bescheid vorgesehen ist. Eine freiwillige Verwendung ist möglich.

..."

"Anlage 5

Abfallverzeichnis

Es gilt Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis', ausgegeben am , erhältlich beim Österreichischen Normungsinstitut, Heinestraße 38, 1020 Wien, mit folgenden Zuordnungskriterien und Änderungen:

I. Allgemeine Zuordnungskriterien

1. Zuordnung

Die Zuordnung eines Abfalls hat zu jener Abfallart zu erfolgen, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibt. Hierbei sind die Herkunft sowie sämtliche stoffliche Eigenschaften des Abfalls einschließlich möglicher gefahrenrelevanter Eigenschaften zu berücksichtigen. Es muss die konkretest mögliche Abfallbezeichnung einschließlich einer allfälligen Spezifizierung verwendet werden. Ist für die Zuordnung eines Abfalls die Kenntnis der chemischen Zusammensetzung erforderlich, so ist diese durch eine sachverständige Beurteilung auf Basis einer chemischen Analyse der relevanten Parameter nachzuweisen. Die sachverständige Beurteilung hat nach dem Stand der Technik zu erfolgen und vorhandene Informationen zu Abfallherkunft und Abfallqualität sowie vorliegende Untersuchungsergebnisse zu berücksichtigen. Die für die Zuordnung notwendigen Beurteilungsgrundlagen, wie zB die sachverständige Beurteilung, der Analysenbericht, das Probenahmeprotokoll oder eine Prozessbeschreibung einschließlich der Einsatzstoffe für Abfälle, die in einem gleichbleibenden Prozess anfallen, sind Teil der Aufzeichnungen betreffend die Abfallart.

..."

31 Vorauszuschicken ist, dass die Ausübung des in § 6 Abs. 4 AWG vorgesehenen Rechtes grundsätzlich sowohl dem Landeshauptmann als auch dem genannten Bundesminister als der jeweils sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde zusteht, sodass dieser zur Erlassung des vorliegend beim Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides zuständig war (vgl. etwa Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, Abfallwirtschaftsgesetz 20022 § 6 K10 und E 12 f mwH auf ).

32 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).

33 Das angefochtene Erkenntnis enthält keine eindeutigen Feststellungen über die Art und Zusammensetzung der gegenständlichen Abfälle, sondern führt unter Punkt "II. Beweiswürdigung", gestützt auf zwei Gutachten (des Sachverständigen P. vom und des Amtssachverständigen R. vom ), zusammengefasst insoweit lediglich aus, dass die gegenständlichen Abfälle mehreren Abfallcodes zugeordnet werden könnten, jedoch nach der Gesamtcharakteristik der Abfälle am ehesten die Zuordnung zum Abfallcode des EAV und zur ASN 57119 der ÖNORM S 2100 zutreffe und sie der "Grünen" Abfallliste gemäß Anhang III der Gruppe B 3010 der EG-VerbringungsV zugeordnet werden könnten.

34 Nähere begründende Ausführungen für die Zuordnung der verfahrensgegenständlichen Abfälle nach dem EAV und nach dem Abfallverzeichnis gemäß der ÖNORM S 2100 finden sich im angefochtenen Erkenntnis nicht. Auch mit der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Zuordnung zur "Grünen" Abfallliste des Anhanges III der EG-VerbringungsV vorliegen, hat sich das Verwaltungsgericht nicht ausreichend beschäftigt.

35 Dieses vertritt im angefochtenen Erkenntnis unter Punkt "V. Ergebnis" die Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 AWG für eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides nicht vorgelegen seien, insbesondere weil eine "Behebung" dieses Bescheides im Lichte der Sachverhaltsermittlung der Bezirkshauptmannschaft nicht gerechtfertigt erscheine und die mitbeteiligten Parteien hinreichend dargelegt hätten, dass die vorliegenden Abfälle einer gesicherten Verwertung im Ausland zugeführt würden und somit kein zwingender Grund für eine Notifizierung gegeben erscheine, zumal eine gleichwertige Verwertung im Inland derzeit nicht möglich sei.

36 Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Auch wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft durch den Bundesminister nicht "behoben", sondern abgeändert und diese Abänderung auf § 6 Abs. 4 Z 2 AWG gestützt. Ferner sind die - vom Verwaltungsgericht nicht näher begründend dargestellte - gesicherte Verwertung im Ausland und die nicht mögliche "gleichwertige Verwertung im Inland" für die Notifizierungspflicht nach den Bestimmungen der EG-VerbringungsV nicht von Belang. In Art. 3 EG-VerbringungsV findet sich keine derartige Differenzierung, und aus dem Anhang III ("Grüne" Abfallliste) der EG-VerbringungsV ergibt sich insoweit lediglich, dass unabhängig davon, ob Abfälle in der "Grünen" Liste aufgeführt sind oder nicht, diese Abfälle nicht den allgemeinen Informationspflichten nach Artikel 18 unterliegen dürfen, wenn aufgrund der Kontaminierung durch andere Materialien die Risiken im Zusammenhang mit den Abfällen so weit erhöht sind, dass - unter Berücksichtigung der in Anhang III der Richtlinie 91/689/EWG genannten gefährlichen Eigenschaften - die Anwendung des Verfahrens der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung angemessen erscheint oder die umweltgerechte Verwertung der Abfälle verhindert wird. Die EG-VerbringungsV bezieht sich in Anhang III somit auf eine "umweltgerechte Verwertung", eine Unterscheidung zwischen einer "gesicherten Verwertung im Ausland" und der Möglichkeit einer "gleichwertigen Verwertung im Inland" trifft die EG-VerbringungsV nach ihrem klaren Wortlaut jedoch nicht.

37 Die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes reichen somit nicht aus, dessen rechtliche Schlussfolgerungen betreffend die Zuordnung der gegenständlichen Abfälle auf ihre Richtigkeit und darauf aufbauend das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides nach § 6 Abs. 4 AWG bzw. die Behebung des Bescheides des Bundesministers zu überprüfen.

38 Im Hinblick darauf haftet dem angefochtenen Erkenntnis ein wesentlicher Begründungsmangel an, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Wien, am

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