VwGH vom 27.04.2017, Ra 2015/15/0030

VwGH vom 27.04.2017, Ra 2015/15/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Grieskirchen Wels in 4601 Wels, Dragonerstraße 31, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100466/2014, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 (mitbeteiligte Partei: P S in G, vertreten durch die Mag. Martina Märzinger Wirtschaftstreuhand - Steuerberatung GmbH in 4600 Wels, Bauernstraße 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte ist Angestellter einer Einkaufsgenossenschaft für das Hotel- und Gastgewerbe und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009 machte er das "Vertreterpauschale" geltend, welches bei der Einkommensteuerveranlagung 2009 zunächst berücksichtigt wurde. In weiterer Folge hob das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2009 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wieder auf und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid, in dem es das "Vertreterpauschale" außer Ansatz ließ.

2 Der Mitbeteiligte berief gegen den neuen Einkommensteuerbescheid 2009 und brachte vor, dass er das ganze Jahr im Außendient tätig sei. Bei jedem Kunden/Mitgliedsbesuch gehe es um zusätzliche Geschäftsabschlüsse und Umsätze, die er für die Einkaufsgenossenschaft zu lukrieren versuche. Natürlich habe er auch die Aufgabe, das ganze Jahr über Neukunden zu gewinnen. Über Vorhalt des Finanzamtes, wonach unter einem Vertreter im Außendienst (im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001) nur eine Person verstanden werden könne, die im Kundenverkehr bzw. im Vertriebsbereich (Absatzgeschäft) des Dienstgebers tätig sei, legte der Mitbeteiligte noch eine Tätigkeitsbeschreibung seines Arbeitgebers wie folgt vor:

"(Der Mitbeteiligte) ist seit als alleiniger Hauptverantwortlicher Außendienstmitarbeiter für das Verkaufsgebiet (...) tätig. Zu seinen Hauptaufgaben zählen die Akquise von neuen Mitgliedern sowie die Umsatzausweitung bei den bestehenden Mitgliedern. Dies spiegelt sich auch in den jährlichen Zielvorgaben wieder, die zu mehr als 50% von der Erreichung von Umsatzzahlen abhängig sind. Eine weitere Hauptaufgabe besteht im Aufbau und der Gewinnung von neuen Lieferanten im Verkaufsgebiet, die wiederum zur Steigerung des Umsatzes (der Einkaufsgenossenschaft) beitragen. (Der Mitbeteiligte) ist für den Aufbau von regionalen Gruppen verantwortlich und führt hier die Lieferantenverhandlungen. Es werden jährlich Verträge zwischen der (Einkaufsgenossenschaft) und deren Mitgliedern und den Lieferanten abgeschlossen. Diese dienen wiederum der Umsatzbündelung und Umsatzerhöhung."

3 Das Finanzamt wies die Berufung mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Mitbeteiligte deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte. Im Vorlageantrag brachte er ergänzend vor, dass er die von der Einkaufsgenossenschaft angebotenen Dienstleistungen verkaufe. Zweck der Genossenschaft sei es, ihre Mitglieder bei allen Beschaffungsfragen zu unterstützen. Das betreffe "Food & Beverage", Verbrauchs- und Investitionsgüter genauso wie Finanzdienstleistungen, Personalbeschaffung, Qualitätsmanagement und Verwaltungsarbeiten. Bei jedem Kundenbesuch werde die vorhandene Lieferantenstruktur durchgesehen und überprüft, ob mit den bei der Einkaufsgenossenschaft gelisteten Lieferanten bessere Konditionen erzielbar seien. Die Kunden sollten als Mitglieder gewonnen und auf Lieferanten der Einkaufsgenossenschaft umgestellt werden. Zum Geschäftsfeld der Einkaufsgenossenschaft gehöre es auch, neue Lieferanten zu finden, die Spezialbedürfnisse der Mitglieder im Hotel- und Gastronomiebereich bedienen könnten. Die Lieferanten zahlten Listungsgebühren. Außerdem bestünden Vereinbarungen über Delkredereprovisionen. Sowohl die Gewinnung neuer Mitglieder, als auch das Finden neuer Lieferanten trage zur Umsatzsteigerung der Genossenschaft bei. Aufgabe des Mitbeteiligten sei es, diese Leistungen zu verkaufen, indem er Mitglieder in der Hotel- und Gastronomiebranche gewinne und die Umsätze mit bestehenden Mitgliedern ausweite. Er verbringe den Großteil seiner Arbeitszeit im Außendienst und komme auf weniger als zehn Bürotage im Jahr. Die Verhandlungen mit Lieferanten fänden nur einmal im Jahr statt. Diese Aufgabe beanspruche nur einen äußerst geringen Anteil an der Arbeitszeit des Mitbeteiligten (weniger als 5%). Außerdem übe der Mitbeteiligte auch diese Aufgabe im Außendienst aus. Dem Vorlageantrag war u. a. auch eine Stellenbeschreibung wie folgt beigelegt:

"Zweck der Stelle:

Der/die Stelleninhaberin trägt dafür Sorge, durch intensive Mitgliederberatung, durch Umsetzung aller (...)-Leistungen bei den Mitgliedsbetrieben und durch Neukundenakquisition die Einkaufsanteile bei seinen Mitgliedern zu erhöhen und damit den Umsatz bei (der Einkaufsgenossenschaft) zu steigern.

Zuständigkeiten:

1. Mitglieder:

- Beratung in (...)

- Besuchsplanung und Besuchsvorbereitung durchführen

- Berichtswesen lt. Vereinbarung führen

- Akquisition von Neumitgliedern

- Umsetzung aller (...) Leistungen

- Mindestkontakt mit allen Mitgliedern 1 x p.a.

2. Lieferanten:

- Kontakte und Verhandlungen mit regionalen Lieferanten

abwickeln

3. Regionaler Einkauf:

- Umsetzen des regionalen Einkaufs lt. Konzeptmappe

4. Diverses:

  • An Projekten mitarbeiten

  • Marktinformationen sammeln und verwerten

  • Teilnahme an (...)-Tagungen sowie Weiterbildungsveranstaltungen

  • Fallweise auftretende Arbeiten auf Anweisung des Geschäftsführers"

  • 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) Folge und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Zur Begründung führte es aus, der Mitbeteiligte habe 2009 nur elf Arbeitstage nicht im Außendienst verbracht. Seine Tätigkeit lasse sich in mehrere Bereiche unterteilen. Er werbe Mitglieder an, welche sich dazu verpflichteten, ein Mindesteinkaufsvolumen von 110.000 EUR zu erreichen. Jedes zusätzliche Mitglied bewirke eine Umsatzsteigerung für die Firma. Weiters sorge er dafür, dass sich die Einkaufsanteile der Mitglieder erhöhten, was zu einer weiteren Umsatzsteigerung führe. Die Einkaufsgenossenschaft biete ihren Mitgliedern günstige Einkaufsmöglichkeiten im weiteren Sinn. Das sei die "Ware", die der Mitbeteiligte im Namen und für Rechnung seines Auftraggebers verkaufe. Schließlich biete die Einkaufsgenossenschaft den Lieferanten einen bestimmten Absatzmarkt für ihre Produkte, wofür diese Listungsgebühren zahlten. Auch diese Leistungen verkaufe der Mitbeteiligte. Zusammenfassend bedeute dies, dass Kunden der Einkaufsgenossenschaft deren (künftige) Mitglieder und Lieferanten seien. Mit diesen Kunden führe der Mitbeteiligte im Rahmen seiner Tätigkeit im Außendienst Geschäftsabschlüsse herbei. Aus den dargelegten Gründen stehe ihm das Vertreterpauschale im Höchstausmaß von 2.190 EUR zu.

  • 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

  • 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

  • 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

  • 8 Das Finanzamt führt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen aus, das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach der Abschluss von Kaufgeschäften im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers unabdingbare Voraussetzung für den Anspruch auf das Vertreterpauschale sei.

  • 9 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:

  • "Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:

§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

...

9. Vertreter

5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 190 Euro jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

10 Eine nähere Definition des Vertreterbegriffs ist der Verordnung nicht zu entnehmen, sodass nach der ständigen Rechtsprechung auf die Erfahrungen des täglichen Lebens und die Verkehrsauffassung abzustellen ist (vgl. , mit weiteren Nachweisen).

11 Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Der Arbeitnehmer muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben (vgl. , vom , 2009/13/0261, und vom , 2012/13/0078, jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist (z.B. Kontroll- oder Inkassotätigkeit, beratende Tätigkeit), ist keine Vertretertätigkeit (vgl. , mit weiteren Nachweisen).

12 Der Mitbeteiligte brachte im Beschwerdeverfahren u.a. vor, dass der Zweck der Einkaufsgenossenschaft darin bestehe, ihre Mitglieder bei allen Beschaffungsfragen zu unterstützen. Das betreffe "Food & Beverage", Verbrauchs- und Investitionsgüter genauso wie Finanzdienstleistungen, Personalbeschaffung, Qualitätsmanagement und Verwaltungsarbeiten. Zum Geschäftszweck der Einkaufsgenossenschaft gehöre es auch, neue Lieferanten zu finden, die die Bedürfnisse ihrer Mitglieder bedienen könnten. Der Mitbeteiligte legte zudem eine Stellenbeschreibung vor, laut der er für die Beratung der Mitglieder in den angeführten Belangen und für Verhandlungen mit regionalen Lieferanten zuständig gewesen sei.

13 Die Tätigkeit der in Rede stehenden Einkaufsgenossenschaft ist unzweifelhaft auf den Wareneinkauf ihrer Genossenschafter ausgerichtet. Dass die Verhandlungen mit regionalen Lieferanten im gegebenen Zusammenhang nicht als Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 anzusehen sind, räumte letztlich auch der Mitbeteiligte ein, indem er im Beschwerdeverfahren vorgebracht hat, dass diese Aufgabe nur einen geringen Teil seiner Arbeitszeit (weniger als 5%) beansprucht habe, was der Berücksichtigung des Vertreterpauschales nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht entgegenstünde (vgl. z.B. , und vom , 2012/13/0078, wonach das in der Verordnung normierte Erfordernis einer "ausschließlich" ausgeübten Vertretertätigkeit auch noch erfüllt sein könne, wenn "in völlig untergeordnetem Ausmaß" zusätzlich auch eine andere Tätigkeit ausgeübt werde).

14 Vom Bundesfinanzgericht wird aber - worauf in der Revision zutreffend hingewiesen wird - übersehen, dass auch die weiteren Tätigkeiten des Mitbeteiligten nicht vorrangig auf die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ausgerichtet sind, zumal die Einkaufsgenossenschaft nicht selbst Waren an ihre Mitglieder verkauft, sondern - durch ihre im Außendienst tätigen Mitarbeiter -

lediglich eine Unterstützerrolle bei allen Beschaffungsfragen wahrnimmt. Eine Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, stellt - wie oben dargelegt - keine Vertretertätigkeit dar.

15 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am