VwGH vom 21.09.2009, 2009/16/0118

VwGH vom 21.09.2009, 2009/16/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer LL.M., über die Beschwerde der B K in Wien, vertreten durch die LANSKY, GANZGER & partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. FSRV/0074- W/07, betreffend Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war einer Aufforderung der Finanzstrafbehörde zum Antritt einer über sie verhängten Ersatzfreiheitsstrafe nicht nachgekommen und sollte deshalb am zum Strafantritt vorgeführt werden.

Gegen die Behandlung durch die den unmittelbaren Zwang bei der Vorführung zum Strafantritt ausübenden Polizeibeamten richtete sich die mit datierte Administrativbeschwerde (Maßnahmenbeschwerde) der Beschwerdeführerin. Darin schilderte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin aus ihrer Sicht den im Rahmen der Vorführung verwirklichten Sachverhalt. Demnach sei sie am um 9:00 Uhr von einer Wohnung auf ein Polizeikommissariat verbracht und von dort in das AKH Wien eingeliefert worden. Dort sei sie bis zum verblieben und dann auf die Krankenstation der Justizanstalt Josefstadt verbracht worden. Nach Schilderung dieses Sachverhaltes und der ihr angeblich widerfahrenen Behandlung ist in der Administrativbeschwerde angeführt:

"Bei der Festnahme durch die weibliche Polizistin wurden mir ihre Fingernägel in die rechte Schulter getrieben. Die Verhaftung hat ca. eine halbe Stunde gedauert.

Beweis: - beizuschaffender Verwaltungsakt


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beizuschaffende Krankengeschichte des AKH Wien
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Einvernahme der einschreitenden Polizeibediensteten des Polizeikommissariates X, Postleitzahl Wien"

Auf der ersten Seite der Administrativbeschwerde ist der Vermerk angebracht "eine Gleichschrift ergeht vorsichtshalber an den UVS Wien sowie an den UVS NÖ".

Die Administrativbeschwerde schließt mit einem Antrag auf Kostenersatz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde als verspätet zurück. Die Beschwerdeführerin habe am von der in Beschwerde gezogenen "faktischen Amtshandlung" Kenntnis erlangt. Die in der Administrativbeschwerde bezeichneten gesundheitlichen Schwierigkeiten in Form von Kreislaufbeschwerden würden kein Hindernis darstellen, welches die Beschwerdeführerin hätte hindern können, von ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen. Die Beschwerdeführerin sei am auf Grund der gesundheitlichen Schwierigkeiten vorerst in das AKH Wien eingeliefert und dort behandelt worden. Am sei sie vom Leiter der Finanzstrafbehörde erster Instanz aufgesucht worden und habe von diesem problemlos mehr als zwei Stunden für Zwecke eines anderen Verfahrens einvernommen werden können. Am sei die Beschwerdeführerin in die Justizanstalt Josefstadt zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe überstellt worden. Bis sei ein Teil der Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen worden, bis ein Restbetrag der verhängten Geldstrafe bezahlt wurde.

Selbst wenn man davon ausginge, die Beschwerdeführerin wäre während ihres Aufenthaltes im AKH Wien an der Erhebung der Administrativbeschwerde gehindert gewesen, sei sie ab ihrer Aufnahme in die Justizanstalt Josefstadt zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe während des Strafvollzugs weder rechtlich noch faktisch gehindert gewesen, die Administrativbeschwerde zu erheben und hätte sie jederzeit die Möglichkeit gehabt, entweder selbst eine entsprechende Beschwerde einzubringen oder einen berufsmäßigen Parteienvertreter telephonisch oder schriftlich mit der Einbringung einer derartigen Beschwerde zu beauftragen. Dafür spreche auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin aus der Justizanstalt ganz offensichtlich Maßnahmen gesetzt habe, die zur Zahlung eines Teilbetrages der aushaftenden Geldstrafe und in der Folge zu ihrer Enthaftung geführt hätten. Daher habe die Beschwerdefrist nach Ansicht der belangten Behörde am Tag der Kenntniserlangung von der Ausübung der unmittelbaren finanzstrafbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, also am , begonnen. Selbst wenn man von einer Behinderung der Beschwerdeführerin an einer Einbringung der Beschwerde während ihres bewachten Aufenthaltes im AKH Wien bis ausginge, wäre die am eingebrachte Beschwerde verspätet.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht auf Sachentscheidung über ihre Administrativbeschwerde verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift eingebracht, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist gemäß § 152 Abs. 1 FinStrG als Rechtsmittel die Beschwerde zulässig.

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beträgt gemäß § 150 Abs. 2 FinStrG einen Monat und beginnt mit der Kenntnis der Ausübung einer solchen Befehls- und Zwangsgewalt, sofern der Beschwerdeführer aber durch den Verwaltungsakt behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung.

Die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt hat gemäß § 153 Abs. 3 lit. f FinStrG die Angaben zu enthalten, die zur Beurteilung der fristgerechten Einbringung der Beschwerde erforderlich sind.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, eine Behinderung, vom Beschwerderecht Gebrauch zu machen, könne auch dann bestehen, wenn eine psychische Beeinträchtigung vorliege, die für den Laien nicht ersichtlich sei und die auch bei einer Prüfung der Hafttauglichkeit für den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe nicht augenscheinlich zu erkennen sei. Die psychische Beeinträchtigung, etwa wie im Beschwerdefall einer Traumatisierung auf Grund körperlicher und geistiger Verletzung, die für einen medizinisch nicht fachkundigen Dritten nicht offensichtlich sei und sich einem solchen nicht zeige, müsse einem medizinischen Laien, wie dem Leiter der von der belangten Behörde angeführten Amtshandlung (am in der Justizanstalt Josefstadt) nicht ins Auge springen, weshalb die belangte Behörde nicht davon hätte ausgehen dürfen, dass keine Behinderung der Beschwerdeführerin vorgelegen wäre, von ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen.

Weiters rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe sich mit dem "klinischen Brief, Ersuchen um Konsiliarleistung" vom und der darin enthaltenen Anamnese "Übelkeit, Schwarzwerden vor Augen, am Boden liegend wieder aufgewacht, starke Kopfschmerzen, Prellmarke und Beule auf Stirn links" nicht auseinandergesetzt. Die belangte Behörde habe es in diesem Zusammenhang unterlassen, ausreichende Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zu treffen. Sie hätte, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, deren Krankengeschichte des AKH Wien beischaffen müssen. Daher hätte die belangte Behörde ein medizinisches Zusatzgutachten in Auftrag geben müssen, ob es bei der Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung der Vorgeschichte, dass es am zu einer körperlichen und seelischen Verletzung der Beschwerdeführerin durch die Polizeibeamten gekommen sei, zu einer Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes gekommen sei, der sie außer Stande gesetzt habe, bereits zu einem früheren Zeitpunkt von der ihr zugefügten Verletzungen und von den Abläufen beim gegenständlichen Polizeieinsatz zu berichten, und dass sie folglich daran gehindert gewesen sei, von ihrem Beschwerderecht unmittelbar Gebrauch zu machen. Hätte die belangte Behörde den Sachverhalt entsprechend ermittelt, hätte sie festgestellt, dass selbst bei Befragung durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am die Beschwerdeführerin dessen Fragen noch verneint habe, geschlagen worden zu sein. Erst am sei sie im Stande gewesen, ihrem Rechtsvertreter die Vorfälle vom zu schildern.

Dass aus dem in der Administrativbeschwerde dargestellten Sachverhalt bereits erkennbar gewesen wäre, die Beschwerdeführerin wäre am Erheben der Administrativbeschwerde bis zum behindert gewesen, oder dass in der Administrativbeschwerde von einer solchen Behinderung gesprochen worden wäre, behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht. Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vielmehr das Unterlassen zusätzlicher Ermittlungen vor, welche zu diesen Feststellungen hätten führen müssen.

Die Beschwerdeführerin lässt dabei allerdings offen, weshalb sie gerade diesen in der vorliegenden Beschwerde behaupteten Sachverhalt in der Administrativbeschwerde nicht angeführt hat, obwohl § 153 Abs. 3 lit. f FinStrG ausdrücklich als Inhalt der Administrativbeschwerde die Angaben fordert, die zur Beurteilung der fristgerechten Einbringung der Beschwerde erforderlich sind.

Der in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebrachte Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Gespräch mit ihrem Rechtsfreund am 6. April den Sachverhalt aus der Sicht der Beschwerdeführerin noch nicht vollständig hätte schildern können, sondern dass sie erst am dazu im Stande gewesen wäre, woraus die Beschwerdeführerin eine psychische Beeinträchtigung ableitet, die sie am Erheben der Beschwerde am gehindert hätte, war der Beschwerdeführerin und ihrem Rechtsfreund aber bei Erheben der Administrativbeschwerde bereits bekannt. Legt die Beschwerdeführerin entgegen der gesetzlichen Anordnung des § 153 Abs. 3 lit. f FinStrG ihre Zurückhaltung im Verwaltungsverfahren erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ab, kann sie der belangten Behörde nicht vorwerfen, weitere Ermittlungen unterlassen zu haben, welche die von der Beschwerdeführerin nach § 153 Abs. 3 lit. f FinStrG in die Beschwerde aufzunehmenden Angaben ersetzt hätten und welche die belangte Behörde einen von dem in der Administrativbeschwerde dargestellten Sachverhalt abweichenden oder ergänzenden Sachverhalt hätten feststellen lassen können.

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde auch vor, sie sei dem in der Administrativbeschwerde gestellten Antrag auf Beischaffung der Krankengeschichte des AKH nicht nachgekommen. Dieser Antrag wurde ohne Bezug auf ein konkretes Beweisthema gestellt.

Im Übrigen tritt die Beschwerdeführerin der von der belangten Behörde in der Gegenschrift angestellten, durchaus nachvollziehbaren (vgl. den Vermerk über die gleichzeitige Eingabe der Administrativbeschwerde an den UVS und den nach § 79a AVG nur im Verfahren vor dem UVS, nicht aber vor der belangten Behörde vorgesehenen Antrag auf Kostenersatz) Vermutung nicht mehr entgegen, die Beschwerdeführerin und ihr Vertreter seien bei Einbringen der Administrativbeschwerde noch irrtümlich davon ausgegangen, auch gegenüber der belangten Behörde bestünde die sechswöchige Beschwerdefrist nach § 67c Abs. 1 AVG und nicht die einmonatige Frist des § 150 Abs. 2 FinStrG.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am