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VwGH vom 05.09.2012, 2009/15/0213

VwGH vom 05.09.2012, 2009/15/0213

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Büsser, MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0037-F/09, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2007 und Jänner bis September 2008 (mitbeteiligte Partei: H Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte vermietete Helikopter (Rettungshubschrauber) an ausländische Unternehmen, die mit den gemieteten Helikoptern Beförderungen von Kranken und Verletzten auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken durchführten. Dabei vermietete sie im Jahr 2005 im Zeitraum April bis Dezember bis zu drei Hubschrauber an eine private Flugrettungsfirma in einem Mitgliedsstaat der Union; im Jahr 2006 erfolgte schließlich eine stufenweise Vermietung von letztlich fünf Hubschraubern (2007) an einen staatlichen Flugrettungsdienst in einem anderen Mitgliedsstaat (Vertrag auf zehn Jahre).

Die Betriebsprüfung und das zuständige Finanzamt sind davon ausgegangen, dass die Vermietungsumsätze gemäß § 3a Abs. 12 UStG 1994 idF vor BGBl I Nr. 52/2009 in Österreich steuerbar und steuerpflichtig seien. Der Leistungsempfänger tätige gemäß § 6 Abs. 1 Z 22 UStG 1994 unecht steuerbefreite Umsätze, weil es sich um ein Unternehmen handle, das kranke und verletzte Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet seien (Rettungshubschrauber), befördere. Gemäß Rz 1143 der UStR 2000 würden derartige Umsätze von Fluggesellschaften nicht unter die Vorstufenbefreiung des § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 fallen, weil die unechte Steuerbefreiung gemäß § 6 Z 22 UStG 1994 Vorrang genieße und § 9 Abs. 2 UStG 1994 ausschließe.

Mit Schriftsatz vom erhob die Mitbeteiligte Berufung gegen in diesem Sinne ergangene Umsatzsteuerbescheide. Sie vermiete Luftfahrzeuge (Helikopter) an ausländische Unternehmer, die diese ausschließlich im Ausland verwendeten (zur Durchführung von Beförderungen auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken). Nach dem Gesetzeswortlaut seien damit sämtliche Tatbestandsmerkmale der Umsatzsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 erfüllt. Würden die gemieteten Luftfahrzeuge vom Mieter ausschließlich zur Beförderung im Ausland verwendet, so sei ein Konsum (Letztverbrauch) im Inland (in Österreich) auszuschließen. Nach der in § 1 UStG 1994 gesetzlich verankerten Belastungskonzeption unterliege nur der Letztverbrauch (Konsum) "im Inland" (in Österreich) der österreichischen Umsatzsteuer. Ein Konsum außerhalb Österreichs (also nicht im Inland iSd § 1 UStG 1994) sei in Österreich nicht umsatzsteuerbar. Die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 entspreche somit der Belastungskonzeption der Umsatzsteuer und sei systematisch und teleologisch konsistent. Eine Einschränkung ihrer Anwendung gegen den Gesetzeswortlaut sei nicht gerechtfertigt. Die Mitbeteiligte schließe sich dabei der rechtlichen Würdigung von Ruppe , UStG3, § 9 Tz 17/1, und Beiser , SWK 2008/20/21, S 579 ff an. Die Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006 und für die monatlichen Voranmeldungszeiträume 2007/1 bis 12 und 2008/1 bis 9 sei daher erklärungsgemäß festzusetzen, eine Wiederaufnahme der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 nicht gerechtfertigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Nach § 6 Abs. 1 Z 2, § 9 und § 12 Abs. 3 UStG 1994 seien bestimmte Umsätze für die Luftfahrt echt (mit Vorsteuerabzug des leistenden Unternehmens) umsatzsteuerfrei. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe zwar anerkannt, dass die an ausländische Unternehmer vermieteten Helikopter Beförderungen ausschließlich im Ausland (auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken) durchführten, die Umsatzsteuerbefreiung für diese Vermietung jedoch aufgrund Rz 1143 UStR 2000 versagt, weil Krankenbeförderungen unecht umsatzsteuerfrei zu stellen seien. Wie Beiser (SWK 2008/20/21, S 579 ff) zutreffend ausführe, entbehre diese Richtlinienaussage, wonach die Vorstufenbefreiung nach § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 nicht greifen solle, soweit Luftfahrzeuge für unecht befreite (nicht grenzüberschreitende) Krankentransporte gemietet würden, jedoch der gesetzlichen Grundlage und sei somit nach dem Legalitätsprinzip nicht anzuwenden. Ergebe schon die Prüfung des Wortsinnes, dass eine inhaltlich eindeutige gesetzliche Regelung vorliege - wie es auf den hier vorliegenden Fall zutreffe -, so bedürfe es keiner Auslegung nach anderen Kriterien mehr.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Finanzamtes gemäß § 292 BAO.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erwogen:

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 sind "die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§ 9)" steuerfrei.

§ 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 lautet in der unverändert gültigen Stammfassung BGBl. Nr. 663/1994:

"Umsätze für die Luftfahrt (§ 6 Abs. 1 Z 2) sind:

1. die Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die zur Verwendung durch Unternehmer bestimmt sind, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken durchführen".

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Stammfassung des UStG 1994 (RV 1715 GP XVIII) führen zu § 9 Abs. 2 UStG 1994 Folgendes aus:

"Durch diese Vorschrift wird zugunsten des internationalen entgeltlichen Luftverkehrs - entsprechend der Regelung zugunsten der Seeschiffahrt - eine Vorstufenbefreiung eingeführt. Dadurch soll bei Luftfahrtunternehmen - ebenso wie bei Unternehmern der Seeschiffahrt - die laufende Erstattung hoher Vorsteuerbeträge vermieden werden. Aus Vereinfachungsgründen wird die Steuerbefreiung davon abhängig gemacht, daß der Luftfahrtunternehmer im Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen über ausschließlich ausländischem Gebiet durchführt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so gilt die Steuerbefreiung auch für Umsätze, die unmittelbar mit einem Flug im Inlandsverkehr zusammenhängen.

Die Steuerbefreiung entspricht Art. 15 Z 6, 7 und 9 der RL."

Die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 basiert auf Art. 15 Abs. 1 Z 6 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, der folgendermaßen lautet:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten … von der Steuer:

6. Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Luftfahrzeuge eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände für ihren Betrieb".

Art. 15 Abs. 1 Z 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG ist inhaltlich unverändert in Art. 148 lit. f der Mehrwertsteuersystem RL 2006/112/EG übernommen worden.

Zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1 Z 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG hat der EuGH den Begriff "Gesellschaft, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig ist" hervorgehoben. Entscheidend ist demnach eine "hauptsächliche Bedeutung" des internationalen Tätigkeitsbereichs des Unternehmers und somit des internationalen Einsatzes der Luftfahrzeuge, wobei die nicht-internationalen Tätigkeiten (Inlandsflüge am Heimatmarkt des Unternehmers) spürbar weniger bedeutsam sein müssten als die internationalen Tätigkeiten. Unter dieser Voraussetzung sind auch Lieferungen und Dienstleistungen, die für Inlandsflüge eingesetzt werden, von der Mehrwertsteuer befreit (vgl. das , Cimber Air, Rn 30, 39).

In seinem Urteil C-33/11, A Oy vom hat der EuGH das von Art. 15 Z 6 der Sechsten Richtlinie verfolgte Ziel darin gesehen, "die Lieferung von Luftfahrzeugen von der Mehrwertsteuer zu befreien, sofern sie hauptsächlich dazu bestimmt sind, für die internationale Beförderung verwendet zu werden, d. h. im Rahmen von Flügen, die den Luftraum mehrerer Staaten sowie gegebenenfalls den internationalen Luftraum berühren" (Rz 42). Für eine Tätigkeit "im internationalen Verkehr" ist somit "die Berührung des Luftraums mehrerer Staaten" von Bedeutung.

2. Im Beschwerdefall ist strittig, ob es sich bei den Vermietungsumsätzen der Mitbeteiligten um steuerbefreite Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 iVm § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 handelt.

Die Finanzverwaltung hat in ihren Verwaltungsanweisungen (Richtlinien) die Anwendung der Vorstufenbefreiung nach § 9 Abs. 2 UStG 1994 auf "Fluggesellschaften, welche (auch) Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hiefür besonders eingerichtet sind, durchführen (und) gemäß § 6 Abs. 1 Z 22 UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind" ausgeschlossen (UStR 2000 Rz 1143).

Die Mitbeteiligte weist demgegenüber zu Recht darauf hin, dass eine solche Einschränkung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist.

Die Versagung der Vorstufenbefreiung kann auch nicht unmittelbar auf abweichendes Unionsrecht - Art. 15 Abs. 1 Z 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie stellt nicht auf "ausschließlich im Ausland gelegene Strecken" im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 ab - gestützt werden, denn die besagte Richtlinie genießt als solche keinen Anwendungsvorrang zu Lasten des Abgabepflichtigen (vgl. Öhlinger/Potacs , EU-Recht und staatliches Recht4 69 ff sowie 100 ff). Auch eine unionsrechtskonforme Interpretation scheidet angesichts des eindeutig weiteren Wortlauts von § 9 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 aus (zu Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 95/10/0108, und vom , 2010/17/0228). Es kann daher dahinstehen, ob im Beschwerdefall auch ein dem Art. 15 Abs. 1 Z 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie subsumierbarer Sachverhalt vorliegt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am