VwGH vom 24.03.2015, Ra 2015/09/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die außerordentliche Revision des G K in K, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG- 2232/7/2014, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Disziplinarkommission für Landesbeamte erkannte den Revisionswerber mit Bescheid vom zweier näher umschriebener Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 Kärntner Dienstrechtsgesetz (K-DRG) für schuldig und verhängte die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von fünf Monatsbezügen, unter Ausschluss der Haushaltszulage.
Dagegen erhob der Disziplinaranwalt Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten. Bei den Angaben zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde erklärte er, dass ihm der Bescheid der Disziplinarkommission vom am mittels Zustellung zu eigenen Handen übermittelt worden sei. Dies findet sich durch den im Akt einliegenden Rückschein bestätigt.
Die Beschwerde ist im Briefkopf mit Datum versehen. Die Fertigungsklausel lautet "Völkermarkt, am 15/7/2014" und trägt die Unterschrift des Disziplinaranwaltes. Der Eingangsstempel der Disziplinarkommission weist das Datum auf.
Das Landesverwaltungsgericht beraumte offenbar ohne Prüfung der Rechtzeitigkeit (es finden sich darüber kein Hinweis in den Akten) eine mündliche Verhandlung an und erledigte die Beschwerde in merito.
Es gab der Beschwerde des Disziplinaranwaltes, die sich nur gegen die Höhe der verhängten Strafe richtete, Folge und verhängte über den Revisionswerber die Disziplinarstrafe der Entlassung.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit vor, es sei als grundsätzliche Frage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG anzusehen,
"wie die neu eingerichteten Verwaltungsgerichte mit verspätet eingebrachten Rechtsmitteln umzugehen haben. Im gegenständlichen Fall stellen die §§ 7, 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) die maßgeblichen Normen dar und ist zu diesen Bestimmungen noch keine Judikatur des Hohen Verwaltungsgerichtshofs auffindbar."
Es existiere jedoch Rechtsprechung zu gleichartigen Bestimmungen. Es gäbe keine Entscheidung, wonach ein
"Rechtsmittel trotz verspäteter Einbringung nach Gutdünken der Beschwerde/Berufungsinstanz zu einer inhaltlichen Entscheidung geführt hätte".
Das Landesverwaltungsgericht hätte schon nach dem Wortlaut der mit datierten Beschwerde deren Verspätung erkennen müssen.
Das Abgehen des Landesverwaltungsgerichtes von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückweisung verspätet eingebrachter Rechtsmittel von Amts wegen stelle eine Gefährdung der Rechtssicherheit dar.
In der Revisionsbeantwortung wird dagegen eingewendet, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das Neuerungsverbot gelte. Dies gelte auch für solche Rechtsausführungen, deren Richtigkeit nur aufgrund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden könnten. Der Revisionswerber sei zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren trotz seiner Mitwirkungsverpflichtung untätig geblieben und werfe sie erst vor dem Verwaltungsgerichtshof auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Die seitens der revisionswerbenden Partei vorgebrachten Gründe für die Zulässigkeit der Revision stellen einen gravierenden, dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterlaufenen und in Bezug auf den Verfahrensausgang relevanten Verfahrensmangel in den Raum.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 16, RV 2009 BlgNR 24. GP 10f) betonen, dass die Kriterien der außerordentlichen Revision jenen nachgebildet worden sind, die in den §§ 502 und 528 ZPO für die Zulassung der Revision bzw. des Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof aufgestellt werden. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung können nicht nur solche des materiellen sondern auch des Verfahrensrechtes sein. Eine solche erhebliche Bedeutung kommt der Entscheidung jedenfalls dann zu, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. dazu die , vom , 2 Ob 227/05; sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/07/0052 mwN).
Bei der gegenständlichen Frage der Außerachtlassung der verspäteten Einbringung eines Rechtmittels handelt es sich um eine solche, die tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes und die Rechtssicherheit betrifft, weil über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen nicht mehr im merito entschieden werden darf.
Diese Frage erweist sich auch als relevant.
Die daher zulässige Revision ist berechtigt.
§ 28 Abs. 1 VwGVG lautet:
"Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen."
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde wegen Rechtswidrigkeit vier Wochen und beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z. 5 VwGvG in den Fällen des Art. 132 Abs. 5 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat, zu laufen.
Die Disziplinarkommission irrt, wenn sie es als eine Frage der Mitwirkungsverpflichtung ansieht, dass der Revisionswerber die Frage der Rechtzeitigkeit der vom Disziplinaranwalt erhobenen Beschwerde bereits im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorzubringen gehabt hätte.
Bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde handelt es sich um eine Rechtsfrage gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG. Die Prüfung der Rechtzeitigkeit hat jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte für die Verspätung eines Rechtsmittels vorliegen, von Amts wegen zu erfolgen. Aus der durch den Zustellschein bestätigten Angabe des Beschwerdeführers, der Bescheid der Disziplinarkommission sei ihm am zugestellt worden, errechnet sich als Ende der vierwöchigen Beschwerdefrist der . Auf Grund der Datierung der Beschwerde mit und dem Eingangsstempel vom oblag es dem Landesverwaltungsgericht, diese offenkundigen Indizien für die Verspätung der Beschwerde von Amts wegen aufzugreifen und Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu hegen.
Der Hinweis des Revisionswerbers erst in der Revision, dass das Verwaltungsgericht dies außer Acht gelassen habe, stellt keine Neuerung im Sinne des § 41 VwGG dar.
Da das Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage in merito entschied, ohne - trotz offenkundiger Hinweise auf eine Verspätung - die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu prüfen, erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit einem sekundären Verfahrensmangel und daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am