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VwGH vom 23.01.2013, 2009/15/0163

VwGH vom 23.01.2013, 2009/15/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des H G in L, vertreten durch Mag. Michael Trötzmüller, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Anzengruberstraße 51, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0312-G/08, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein ehemaliger Versicherungsvertreter, der im Jahr 2006 Pensionseinkünfte und von seinem ehemaligen Dienstgeber Folgeprovisionen für die vor der Pensionierung abgeschlossenen Versicherungsverträge bezogen hat, machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung Werbungskosten für die Betreuung seines ehemaligen Kundenstocks geltend.

Vom Finanzamt wurden die für die Betreuung des ehemaligen Kundenstocks geltend gemachten Aufwendungen mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer bereits Pensionsbezüge erhalte, nicht als Werbungskosten anerkannt.

Der Beschwerdeführer berief gegen den Einkommensteuerbescheid und brachte in der Berufung vor, dass er ohne die umfassende Weiterbetreuung seines Kundenstocks die darauf basierenden Folgeprovisionen verlieren würde.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer laut telefonischer Rücksprache mit seinem ehemaligen Dienstgeber die Folgeprovisionen unabhängig von jeder Arbeitsleistung, insbesondere auch ohne jede Verpflichtung zur "Weiterbetreuung" ehemaliger Kunden, erhalten habe. Die von ihm freiwillig ausgeübte Tätigkeit sei nicht auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet und die geltend gemachten Aufwendungen seien nicht als Werbungskosten abziehbar.

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte im Vorlageantrag u.a. vor, dass seine Kunden ohne weitere Betreuung in den Kundenstock eines anderen Versicherungsvertreters übergehen würden. Die Weiterbetreuung der Kunden sei notwendig um die Einnahmen aus der Folgeprovision zu erhalten. Gerade diesen Fall habe der Gesetzgeber bedacht, "wenn er die Werbungskosten in § 16 Abs. 1 erster Satz EStG als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen definiert".

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer schriftlich vor, dass ein pensionierter Versicherungsangestellter gemäß § 6 Abs. 2 des Kollektivvertrages für Versicherungsangestellte im Außendienst - unabhängig von jeder Arbeitsleistung und insbesondere ohne jede Verpflichtung zur Weiterbetreuung ehemaliger Kunden - Anspruch auf 60% der Folgeprovisionen habe, weshalb zwischen den für die Betreuung ehemaliger Kunden getätigten Aufwendungen und den erhaltenen Folgeprovisionen kein steuerlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Dass auch der Beschwerdeführer nicht zur Weiterbetreuung der Kunden verpflichtet gewesen sei, gehe aus "einer sich im Akt befindlichen telefonisch eingeholten Auskunft des Finanzamtes" beim ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers hervor. Sollte entgegen dem dargestellten Sachverhalt ein Zusammenhang zwischen den Folgeprovisionen und den geltend gemachten Werbungskosten vorliegen, werde der Beschwerdeführer aufgefordert, diesen "konkret - unter Zuordnung der jeweiligen Werbungskosten - darzustellen".

In der Vorhaltsbeantwortung führte der Beschwerdeführer u. a. aus, es sei grundsätzlich richtig, dass der Anspruch auf Folgeprovisionen in Höhe von 60% unabhängig von jeder Arbeitsleistung und insbesondere ohne jede Verpflichtung zur weiteren Betreuung ehemaliger Kunden bestehe. Es sei aber zu berücksichtigen, "dass im Falle der Nichtbetreuung Versicherungsverträge durch aktive Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft auf deren Namen konvertiert bzw. umgeschrieben werden dürfen." Dies führe dazu, dass der pensionierte Mitarbeiter den Anspruch auf Folgeprovisionen verliere. Daher stellten die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kundenbetreuung Werbungskosten dar. Auf Grund der jahrelangen Betreuung sei eine entsprechende Vertrauensbasis zwischen dem Beschwerdeführer und den Kunden gegeben. Bei Schadensfällen wendeten sich daher viele Kunden direkt an den Beschwerdeführer, der die aufgenommenen Schadensmeldungen an die Versicherung weiterleite, die sie einer entsprechenden Erledigung zuführe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer neben seiner Pension vom ehemaligen Arbeitgeber anteilige Folgeprovisionen gemäß § 6 Abs. 2 des Kollektivvertrages für die Versicherungsangestellten im Außendienst unabhängig von jeder Arbeitsleistung, insbesondere auch ohne jede Verpflichtung zur "Weiterbetreuung" ehemaliger Kunden erhalten habe. Wie die belangte Behörde zu dieser Frage schon mehrmals ausgeführt habe, bestehe zwischen den Bezügen und den geltend gemachten Aufwendungen für die Betreuung ehemaliger Kunden kein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang.

Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass im vorliegenden Fall von einem gleich gelagerten Sachverhalt ausgegangen werden könne. So habe der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der Aussage seines früheren Arbeitgebers angegeben, "dass keine Verpflichtung zur weiteren Betreuung ehemaliger Kunden bestehe". Dass der Beschwerdeführer subjektiv die Auffassung vertrete, seine freiwilligen Betreuungsleistungen hätten Einfluss auf die Nachfolgeprovisionen, ändere nichts an der Tatsache, dass die von ihm freiwillig ausgeübte Tätigkeit nicht auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei und folglich die von ihm geltend gemachten Aufwendungen auch nicht als Werbungskosten von seinen (unabhängig von seinen Betreuungsleistungen bezogenen) Einkünften abzugsfähig seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheides in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. Ritz, BAO4, § 93 Tz 15, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Diesen Begründungserfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988).

Die belangte Behörde stellte fest, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen für die Betreuung ehemaliger Kunden in keinem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit den in Rede stehenden Folgeprovisionen stehen, und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der Aussage seines früheren Arbeitgebers angegeben habe, dass keine Verpflichtung zur weiteren Betreuung ehemaliger Kunden bestehe. In weiterer Folge attestiert sie dem Beschwerdeführer "freiwillige Beratungsleistungen", bleibt aber eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, wieso Aufwendungen im Zusammenhang mit diesen Leistungen auch dann keine Werbungskosten darstellten, wenn sie die Konvertierung bzw. Umschreibung von Versicherungsverträgen auf aktive Mitarbeiter verhinderten und zum Erhalt der hier in Rede stehenden Folgeprovisionen beitrügen. Letzteres wurde vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren behauptet, ohne dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf eingegangen wäre. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift - unter Bezugnahme auf einen Anruf beim ehemaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers "(Telefonat am )" - ausführt, dass ein "nachträgliches Handeln" pensionierter Versicherungsvertreter weder erwünscht noch möglich sei, ist sie daran zu erinnern, dass eine Begründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0093). Abgesehen davon kommt es nicht darauf an, ob die vom Beschwerdeführer behaupteten Leistungen (Aufnahme von Schadensmeldungen und deren Weiterleitung) vom ehemaligen Arbeitgeber erwünscht sind oder nicht. Entscheidend ist, ob sie tatsächlich erbracht wurden und in einem Veranlassungszusammenhang zu den Provisionen stehen, insbesondere etwa weil sie zur Aufrechterhaltung jener Versicherungsverträge beigetragen haben, aus denen die in Rede stehenden Folgeprovisionen resultieren, was im fortgesetzten Verfahren - unter entsprechender Mitwirkung des Beschwerdeführers - durch fallbezogene Erhebungen beim ehemaligen Arbeitgeber zu überprüfen sein wird.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am