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VwGH vom 02.09.2009, 2009/15/0096

VwGH vom 02.09.2009, 2009/15/0096

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des RK in B, vertreten durch Concin & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6700 Bludenz, Mutterstraße 1a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0129-F/09, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit der Einkommensteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Geltendmachung eines Freibetrages gemäß § 10 EStG 1988 abgewiesen. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 2007 freiberuflich tätig gewesen und habe Investitionen in Höhe von EUR 12.278,03 getätigt; er habe einen gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelten Gewinn in Höhe von EUR 60.636,09 erklärt. Nachdem der Beschwerdeführer mit Bescheid vom erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 2007 veranlagt worden war, habe er den gegenständlichen Antrag gestellt. Zur Begründung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, irrtümlicherweise sei es bei der Erstellung der Steuererklärung 2007 verabsäumt worden, einen Freibetrag gemäß § 10 EStG 1988 geltend zu machen. Der Beschwerdeführer habe im Jahr 2007 Investitionen um ca. EUR 12.000,-- getätigt. Nach seiner Gewinnsituation wäre der Ansatz eines Freibetrages in Höhe von EUR 6.036,60 möglich gewesen. Er beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil er einen Nachteil durch die Versäumung der Antragsfrist zur Geltendmachung dieses Freibetrages (bis zur Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides) erlitten habe. Auch ein "Vergessen" sei ein Ereignis, welches jedenfalls unbeabsichtigt und unvorhergesehen sei. Ein grobes Verschulden könne nicht unterstellt werden. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe in seiner ganzen Karriere als Steuerberater noch niemals einen Antrag nach § 308 BAO gestellt, weil alle Fristen und "sonstigen Dinge" sorgfältig beachtet worden seien. Einen Monat vor seiner Pension () beim Aktentransport und anschließender Besprechung mit seinen Nachfolgern sei das Versäumnis entdeckt worden.

Unter einem habe der Beschwerdeführer eine berichtigte, einen Gewinn in Höhe von EUR 54.599,49 ausweisende Einkommensteuererklärung samt Beilage E 1a, in der unter Kennzahl 9227 der Freibetrag für investierte Gewinne (EUR 6.036,60) geltend gemacht worden sei, eingereicht.

Das Finanzamt habe diesen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, im Anlagenverzeichnis fehle die in § 10 Abs. 7 Z. 2 EStG 1988 geforderte Anmerkung des Freibetrages.

Der Beschwerdeführer habe Berufung erhoben und der Berufung einen mit den geforderten Anmerkungen versehenen Auszug aus dem Anlagenverzeichnis angeschlossen. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung lägen vor. Die Behörde habe zunächst über die Bewilligung oder Versagung der Wiedereinsetzung abzusprechen. Sollte der Wiedereinsetzungsantrag nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen, habe die Behörde nach § 309a Abs. 2 BAO einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Die Begründung des bekämpften Bescheides liege auf der Ebene des Sachbescheides und nicht auf der Ebene der Wiedereinsetzung, deren Bedingungen jedenfalls erfüllt seien. Ein Vergessen als Wiederaufnahmegrund umfasse sowohl das Ankreuzen in der Steuererklärung als auch im Anlagenverzeichnis. Überdies sei die zweifache Anmerkung des Freibetrages ohnehin ein überzogenes Verlangen.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten aus, die versehentliche Unterlassung der Geltendmachung des Freibetrages für investierte Gewinne sei nach den Angaben des Vertreters des Beschwerdeführers einen Monat vor seiner Pensionierung () im Zuge des Aktentransportes und anschließender Besprechung mit seinen Nachfolgern entdeckt worden. Der mit datierte Wiedereinsetzungsantrag sei sohin offensichtlich umgehend, jedenfalls innerhalb der Frist von drei Monaten, gestellt worden. Der Wiedereinsetzungsantrag entspreche den im Gesetz angeführten Erfordernissen. Der vom Finanzamt im bekämpften Bescheid angeführte Mangel, dass der Freibetrag für investierte Gewinne nicht wie nach dem klaren Gesetzeswortlaut gefordert im Anlagenverzeichnis bei den jeweiligen Wirtschaftsgütern ausgewiesen worden sei, stelle keinen inhaltlichen Mangel des Wiedereinsetzungsantrages dar. Mit dem Wiedereinsetzungsantrag sei zwar die versäumte Geltendmachung in der Steuererklärung (§ 10 Abs. 7 Z. 1 EStG 1988), nicht aber der in § 10 Abs. 7 Z. 2 leg. cit. geforderte Ausweis des Freibetrages im Anlagenverzeichnis nachgeholt worden. Die mangels vollständiger Erfüllung der in § 308 Abs. 2 BAO normierten Voraussetzung erfolgte Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages könne nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Dem Wiedereinsetzungsantrag könne auch im Hinblick auf die zu seiner Begründung eingewendeten Umstände kein Erfolg beschieden sein. Ein "Vergessen" sei ohne Zweifel ein "Ereignis" im Sinne eines inneren Vorganges, keinesfalls könne aber davon ausgegangen werden, dass dieses auch wie in § 308 Abs. 1 BAO gefordert, unvorhersehbar oder unabwendbar gewesen wäre. Ein auf einen bloßen Irrtum, einer Vergesslichkeit oder einer Nachlässigkeit zurückzuführendes Versehen stelle ohne das - gegenständlich nicht behauptete - Hinzutreten besonderer, hiefür ausschlaggebender Umstände, etwa bestürzende Ereignisse oder seelische Erschütterung, kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis dar und vermöchte somit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu begründen.

Ein dem Vertreter der Partei widerfahrenes Ereignis stelle einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter unvorhergesehen und unabwendbar gewesen sei und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt habe. Dem Wiedereinsetzungsantrag stehe auch ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden entgegen. Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers habe den Freibetrag für investierte Gewinne weder im Zuge der Einreichung der Einkommensteuererklärung geltend gemacht, noch habe er die Möglichkeit zur Berichtigung der unterlassenen Eintragung bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuerbescheides genutzt. Im Zuge der Überprüfung der Einkommensteuererklärung auf deren Vollständigkeit und Richtigkeit und in weiterer Folge bei der Kontrolle des Einkommensteuerbescheides hätte bei entsprechender Sorgfalt und Anwendung entsprechender Kontrollmechanismen die verabsäumte Geltendmachung des Freibetrages auffallen müssen. Es könne nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden, zumal an rechtskundige Parteienvertreter diesbezüglich ein strengerer Maßstab anzulegen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht unter dem Titel einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die versäumte Handlung sei unvollständig nachgeholt worden. Das Finanzamt hätte einen Mängelbehebungsauftrag erlassen und ihm die Nachholung dieser fehlenden Handlung auftragen müssen.

Nach § 309a Abs. 1 BAO hat der Wiedereinsetzungsantrag zu enthalten


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a)
die Bezeichnung der versäumten Frist;
b)
die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (§ 308 Abs. 1);
c) die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung notwendig sind;
d) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages notwendig sind.
Entspricht der Wiedereinsetzungsantrag nicht diesen umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Antragsteller die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (§ 309a Abs. 2 BAO).
Die Beschwerde legt nicht dar, dass der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht diese Voraussetzungen erfüllt hätte. Auch die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Antrag diesen Erfordernissen entspricht. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung, sodass der Wiedereinsetzungsantrag zu Recht einer meritorischen Entscheidung zugeführt wurde.
Die belangte Behörde hat der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend (vgl. Ritz, BAO3, § 308 Tz 17) die Auffassung vertreten, dass das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist.
Die bloße Beschwerdebehauptung, diese Rechtsmeinung sei nicht richtig und unbillig, stellt keinen Grund dar, von dieser begründeten Rechtsansicht abzugehen.
Die belangte Behörde hat daher zutreffend geprüft, ob das behauptete, dem Steuerberater des Beschwerdeführers widerfahrene Ereignis für diesen unvorhergesehen und unabwendbar gewesen ist und ob es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat.
Das im Wiedereinsetzungsantrag als "Vergessen" bezeichnete Ereignis wird in der Beschwerde damit umschrieben, dass die Geltendmachung vom Steuerberater "schlicht übersehen worden sei".
Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO ist jedes Geschehen, daher auch ein "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen". Die genannte Bestimmung fordert aber ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis. Die belangte Behörde hat - wiederum der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - zutreffend ausgesprochen, dass ein Ereignis dann als unabwendbar zu qualifizieren ist, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann und dann als unvorhergesehen anzusehen ist, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und mit zumutbarer Aufmerksamkeit nicht erwarten konnte (vgl. auch hiezu Ritz, a.a.O., § 308 Tz 8-10 mit Hinweisen auf die hg. Judikatur). Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Auffassung der belangten Behörde, dass ein bloßes "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen" ohne das Hinzutreten besonderer, hiefür ausschlaggebender Umstände kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO darstellt und somit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu begründen vermag.
Laut Ausweis der Verwaltungsakten wurde die Einkommensteuererklärung für 2007 und die Beilage E 1a vom Steuerberater des Beschwerdeführers ausgefüllt. Das Formblatt E 1a enthält unter der Rubrik "Gewinnermittlung" und der Überschrift "Aufwendungen/Betriebsausgaben" den mit der fortlaufenden Zahl 35 und der Kennzahl 9227 versehenen Vordruck
"Freibetrag für investierte Gewinne - FBiG (§ 10) - von körperlichen Wirtschaftsgütern.

ACHTUNG: Die Eintragung ist Voraussetzung für die Berücksichtigung des Freibetrages."

Die belangte Behörde hat das Unterbleiben der Geltendmachung dieses Freibetrages als ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Steuerberaters des Beschwerdeführers angesehen.

Liegt ein minderer Grad des Versehens im Sinne leichter Fahrlässigkeit nach § 1332 ABGB vor, so schließt dies eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus. Leichte Fahrlässigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. An rechtskundige Parteienvertreter ist hiebei ein strengerer Maßstab anzulegen als an am Verfahren beteiligte, rechtsunkundige Parteien (vgl. auch hiezu Ritz, a.a.O., § 308 Tz 14 bis 16 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Die Beschwerde führt gegen die Annahme eines einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden ins Treffen, der Steuerberater des Beschwerdeführers habe in seiner ganzen 35- jährigen Berufslaufbahn noch keinen einzigen Wiedereinsetzungsantrag stellen müssen. Die Bescheidprüfung sei so erfolgt, dass der Steuerbescheid mit den eingereichten Erklärungen verglichen worden sei. Wenn in der Erklärung etwas vergessen worden sei, so sei dies im Regelfall auch bei der Bescheidprüfung nicht zu entdecken.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass es auf die Umstände bei der Unterlassung des Ausweises des Freibetrages für investierte Gewinne an der dafür vorgesehenen Stelle in der Steuererklärung ankommt. Die der Steuererklärung anzuschließende Beilage E 1a enthält in dem hier in Rede stehenden, auszufüllenden Vordruck in Fettdruck das Wort "Achtung". Wenn ein Steuerberater beim Ausfüllen einer Beilage zur Einkommensteuererklärung einen so besonders gekennzeichneten Vordruck übersieht und daher nicht ausfüllt, kann ein solches "schlichtes Übersehen" nicht mehr als ein minderer Grad des Versehens beurteilt werden.

Die Beurteilung der Angabe "irrtümlich versäumt" im Wiedereinsetzungsantrag als (Rechts-)Irrtum führt die Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Ein solcher Irrtum kann zwar ein "Ereignis" im Sinne des § 308 BAO darstellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2001/17/0067, und vom , 2002/15/0026), ob aber auf Grund eines solchen "Ereignisses" die Wiedereinsetzung zu bewilligen ist, ist von der Verschuldensfrage abhängig. Die der Steuererklärung anzuschließende Beilage 1a sieht für die Geltendmachung des in Rede stehenden Freibetrages einen eigenen Punkt vor. Beim sorgfältigen Ausfüllen der Beilage Punkt für Punkt wird eine allfällige Rechtsunkenntnis in Bezug auf diesen Freibetrag aufgeklärt. Unterläuft ein nach den Umständen leicht zu vermeiden gewesener (Rechts-)Irrtum einem Steuerberater, kann nicht von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden.

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde, weil ein "schlichtes Übersehen" kein unabwendbares Ereignis darstellt und ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vorliegt, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am