VwGH vom 28.06.2012, 2009/15/0069
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg, 8530 Deutschlandsberg, Bahnhofstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0504-G/08, betreffend Einkommensteuer 2005 (mitbeteiligte Partei: MH in E), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der im Jahr 1937 geborene, in Österreich ansässige Mitbeteiligte bezieht neben seiner inländischen Pension eine Rente aus der Schweiz, die er in der Einkommensteuererklärung 2005 mit 1.642,40 EUR auswies.
Aufgrund eines Vorhaltes brachte der Mitbeteiligte vor, er beziehe seit 1995 wegen eines schweren Arbeitsunfalles in der Schweiz von der Eidgenössischen Invalidenversicherung eine kombinierte Unfallrente, die in Österreich teilweise steuerfrei sei. Da er durch den Unfall für seinen Beruf erwerbsunfähig geworden sei, erhalte er die Unfallrente und noch zusätzlich für sich und seine Gattin die normale Rente. Die Rente sei wegen des Unfallanteiles zu 68% steuerfrei. Im Jahr 2005 habe er für sich eine Gesamtrente von monatlich 338 SFR bezogen, von welcher 32% (108,16 SFR) steuerpflichtig seien. Für die Ehefrau habe er eine Rente von monatlich 104 SFR bezogen. Steuerpflichtig seien daher monatlich insgesamt 212,16 SFR, umgerechnet seien das im gesamten Streitjahr 1.642,40 EUR.
Abweichend von der Steuererklärung unterzog das Finanzamt den Gesamtbetrag der Schweizer Rente von 3.400 EUR (monatlich 442 SFR) der Einkommensteuer.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Mitbeteiligte aus, die von der Eidgenössischen Invalidenversicherung auf Grund des Arbeitsunfalles in der Schweiz ausbezahlte Invalidenrente entspreche einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung und sei daher insgesamt steuerfrei. Die Rente beruhe auf ehemaligen Pflichtbeitragszahlungen während seines Arbeitsaufenthaltes in der Schweiz. Für seine Ehefrau sei eine Zusatzrente von monatlich 104 SFR ausbezahlt worden, die bloß aus verrechnungstechnischen Gründen auf sein Bankkonto überwiesen worden sei. Bisher sei diese Zusatzrente auch dem Mitbeteiligten als eigene Rente zugerechnet worden.
In der Folge ersuchte das Finanzamt in der Schweiz um Auskunft darüber, ob die Zusatzrente für die Ehefrau des Mitbeteiligten lediglich ein Erhöhungsbetrag seiner Rente sei. Es ersuchte weiters um Aufklärung, welche Bedeutung der Formulierung in der - vom Mitbeteiligen vorgelegten - Rentenzuerkennungsverfügung der Eidgenössischen Invalidenversicherung vom zukomme, wonach dem Mitbeteiligten eine "ordentliche einfache Invalidenrente (ganze Rente)" zuerkannt werde. Die Schweizer Einrichtung teilte daraufhin mit, dass sie gemäß ihrer gesetzlichen Schweigepflicht (Datenschutz) keine Auskunft erteilen könne.
Auch der Mitbeteiligte teilte dem Finanzamt auf dessen Anfrage hin mit, dass er von der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung keine befriedigenden Informationen habe beischaffen können.
Das Finanzamt wies die Berufung sodann mit der Begründung ab, es sei kein Nachweis dafür erbracht worden, dass die Schweizerische Invalidenrente der inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspreche. Es sei auch kein Nachweis für einen allfälligen eigenen Rentenanspruch der Ehefrau des Mitbeteiligten erbracht worden, weshalb auch diese Zusatzrente als Einkommen des Mitbeteiligten zu erfassen sei.
Im Vorlageantrag führte der Mitbeteiligte ergänzend aus, trotz mehrfacher Versuche seien von der Schweizer Pensionsbehörde keine detaillierten Auskünfte über die Zusammensetzung der gewährten Rente zu erhalten gewesen, insbesondere wegen des strengen Schweizer Datenschutzgesetzes. Zur Zusatzrente für die Ehefrau des Mitbeteiligten wurde vorgebracht, dass die Ehefrau die monatliche Pension von 104 SFR wegen des von ihr persönlich begründeten Arbeitsverhältnisses in der Schweiz erhalte; die gemeinsame Auszahlung mit der Pension des Mitbeteiligten erfolge aus Kostengründen. Mit Erreichung ihres 64. Lebensjahres erhalte die Ehefrau nach dem geltenden Schweizer Pensionsrecht diesen Betrag gesondert ausbezahlt, weil dann das gesetzliche Pensionsalter erreicht sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge, indem sie die Schweizer Rente zur Gänze als steuerfrei behandelte.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 1/2003 seien Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, von der Einkommensteuer befreit.
Die österreichische Unfallversicherung sorge auch für die Gewährung finanzieller Leistungen. Gemäß § 203 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung, bestehe Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20% vermindert sei; die Versehrtenrente gebühre für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20%.
Die Versehrtenrente nach dem ASVG solle dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen. Schwerversehrte erhielten allerdings wegen der Berechnungsformel und der Bemessungshöchstgrenze nicht einmal den tatsächlichen Verdienstentgang ersetzt (, mwN).
Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen der strittigen Schweizer Rente, die der Mitbeteiligte auf Grund seiner durch einen schweren Arbeitsunfall bedingten Invalidität von der Eidgenössischen Invalidenversicherung beziehe, sei Folgendes festgestellt worden:
Die Schweizerische Invalidenversicherung sei eine gesamtschweizerische obligatorische Versicherung. Ihr Ziel ist es, den Versicherten mit Eingliederungsmaßnahmen oder Geldleistungen die Existenzgrundlage zu sichern, wenn sie invalid seien. Obligatorisch versichert seien alle Personen, die in der Schweiz erwerbstätig seien.
Invalidenrenten würden in der Schweiz gewährt, wenn Eingliederungsmaßnahmen ihr Ziel nicht oder nur teilweise erreichten. Bei Erwerbstätigen bemesse die Invalidenversicherung den Invaliditätsgrad mit einem Einkommensvergleich. Sie ermittle dabei zuerst das Erwerbseinkommen, das ohne den Gesundheitsschaden erzielt werden könnte. Davon ziehe sie das Erwerbseinkommen ab, das nach dem Gesundheitsschaden und nach der Durchführung von Eingliederungsmaßnahmen auf zumutbare Weise erreicht werden könne. Daraus ergebe sich die invaliditätsbedingte Erwerbseinbuße. Drücke man diese in Prozenten aus, erhalte man den Invaliditätsgrad. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 66 2/3% habe der Versicherte einen Anspruch auf eine ganze Rente. Für die Berechnung des Invalidenversicherungs-Rentenbetrags sei ausschlaggebend, wie lange die behinderte Person versichert und wie hoch ihr durchschnittliches Einkommen gewesen sei.
Nach Art. 34 des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom (IVG) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung komme rentenberechtigten verheirateten Personen, die unmittelbar vor ihrer Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit ausübten, Anspruch auf eine Zusatzrente für ihren Ehegatten zu, sofern diesem kein Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente zustehe. Nach Art. 38 IVG betrage die Höhe der Zusatzrente für die Ehefrau 30% der dem maßgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen entsprechenden Invalidenrente.
Laut Verfügung der Eidgenössischen Invalidenversicherung vom erhalte der Mitbeteiligte eine ordentliche einfache Invalidenrente (ganze Rente). Zudem erhalte er eine ordentliche Zusatzrente (ganze Rente) für die Ehefrau. In dieser Verfügung sei der Grad der Invalidität des Versicherten mit 68% festgestellt worden.
Ziel der Schweizerischen Invalidenversicherung sei es, den Versicherten die Existenzgrundlage zu sichern, wenn sie u.a. als Folge eines Unfalles invalid seien. Damit entspreche die Schweizerische Invalidenversicherung der inländischen Versehrtenrente, deren Anspruch nach § 203 Abs. 1 ASVG an die Bedingung geknüpft sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit vermindert sei. Auch die Berechnung des Rentenbetrages in Abhängigkeit vom Invaliditätsgrad, der Versicherungsdauer und der Höhe des durchschnittlichen Einkommens entspreche im Wesentlichen dem im ASVG normierten Berechnungsmodus, wonach der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und die Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen (Bruttoverdienste) im letzten Jahr vor dem Eintritt des Versicherungsfalles die maßgebliche Rechengrößen darstellten (vgl. Müller in ASoK 12/2001, 382).
Somit sei im gegenständlichen Fall der aus einem Arbeitsunfall resultierende Bezug der strittigen Schweizerischen Invalidenrente nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 steuerbefreit, weil es sich dem Grunde und der Höhe nach um gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung handle. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz habe für die gegebene Konstellation eine internationale Doppelnichtbesteuerung (eine Steuerbefreiung in beiden Vertragsstaaten) zur Folge.
Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988 sind Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, steuerbefreit.
Gemäß § 203 Abs. 1 ASVG gebührt eine Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder eine Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20% vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20%. Gemäß § 205 Abs. 1 ASVG wird die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessen. Gemäß § 205 Abs. 2 Z. 1 ASVG beträgt sie, solange der Versehrte infolge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit völlig erwerbsunfähig ist, 66 2/3% der Bemessungsgrundlage (Vollrente). Auch wenn die Versehrtenrente dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen soll, ist nach der österreichischen Rechtslage nicht sichergestellt, dass der tatsächliche Verdienstentgang ersetzt wird (vgl. hiezu die hg Erkenntnisse vom , 2004/15/0169, und vom , 2007/15/0022).
Gemäß Art. 28 des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom (IVG) in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung hat ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 66 2/3% der Anspruch auf eine "ganze Rente" bestanden. Auch die im Verwaltungsakt einliegenden, von der belangten Behörde erhobenen Informationsblätter zur Schweizer Invaliditätsrente legen dar, dass ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 66 2/3% der Anspruch auf die "ganze Rente" bestanden hat, wobei die Rente grundsätzlich gleich hoch ist wie die Rente nach der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV-Rente) und von der Versicherungsdauer und der Höhe des durchschnittlichen Einkommens abhängt.
§ 3 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988 stellt darauf ab, dass die Geldleistungen aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung dem Grunde und der Höhe nach den Geldleistungen aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung gleichartig sind. Zur Prüfung der Gleichartigkeit ist die aus dem Ausland bezogene Geldleistung jener gegenüber zu stellen, die beim konkret gegebenen Sachverhalt aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewähren gewesen wäre. In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen, eine solche Gegenüberstellung vorzunehmen. Wiewohl die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988 voraussetzt, dass die Bezüge aus der ausländischen Unfallversorgung auch der Höhe nach den Geldleistungen aus der inländischen Unfallversorgung gleichartig sind, ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid beispielsweise auf die Regelung des § 205 Abs. 2 ASVG, wonach die Versehrtenrente maximal 66 2/3% der Bemessungsgrundlage (Vollrente) beträgt, nicht eingegangen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Für das fortzusetzende Verfahren ist auf folgenden Umstand hinzuweisen:
Art. 30 des - im Verwaltungsakt in Ablichtung einliegenden - Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) lautet auszugsweise wie folgt:
"Der Rentenanspruch erlischt mit der Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder mit dem Tod des Berechtigten."
Auch die im Verwaltungsakt enthaltenen Informationsblätter zur Schweizer Invaliditätsrente führen aus, dass der Anspruch auf Schweizer Invalidenrente spätestens dann erlischt, wenn der Rentner das "AHV-Alter" erreicht.
Die belangte Behörde wird daher unter Rückgriff auf die Mitwirkungspflicht des Mitbeteiligten insbesondere auch zu erheben haben, ob die Schweizer Rente, die der im Streitjahr 2005 bereits 68 Jahre alte Mitbeteiligte in diesem Jahr bezogen hat, tatsächlich noch eine Rente nach dem Schweizer Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) oder bereits eine Altersrente gewesen ist. In diesem Zusammenhang sei auch auf den dem Erkenntnis vom , 2007/15/0022, zugrunde liegenden Sachverhalt verwiesen, wonach eine Schweizer Invalidenrente des seinerzeitigen Beschwerdeführers mit dem Zeitpunkt, zu dem er das 65. Lebensjahr und somit das Pensionsalter erreicht hatte, nach der Schweizer Rechtslage in eine Altersrente umgewandelt worden ist.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.
Wien, am