VwGH vom 31.07.2012, 2009/13/0255

VwGH vom 31.07.2012, 2009/13/0255

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des L P in W, vertreten durch Mag. Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hegergasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3287-W/09, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer u.a. die Neufestsetzung der bereits bescheidmäßig festgesetzten Einkommen- und Gewerbesteuer 1992.

Da das Finanzamt über diesen Antrag nicht entschied, beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom die Entscheidung der (seinerzeit) dafür zuständigen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (im Folgenden nur: Finanzlandesdirektion) über den Antrag vom .

Die Finanzlandesdirektion wies den Devolutionsantrag vom mit Bescheid vom insoweit zurück, als er sich auf die Einkommen- und die Gewerbesteuer bezog, und begründete dies damit, dass "über die Einkommensteuer 1992 und die Gewerbesteuer 1992 bereits entschieden worden ist".

Der Beschwerdeführer brachte gegen den Zurückweisungsbescheid vom eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Mit Erkenntnis vom , 2003/13/0110, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Seine zu diesem Ergebnis führenden Erwägungen lauteten - auszugsweise - wie folgt:

"Ist ein Anbringen zurückzuweisen und kommt die Erstbehörde ihrer diesbezüglichen Entscheidungspflicht nicht nach, so hat die mit Devolutionsantrag angerufene Oberbehörde nicht den Devolutionsantrag, sondern in Stattgebung des Devolutionsantrages den Sachantrag zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinn vor allem die zu § 73 AVG ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/11/0419 und Zl. 95/11/0352; zur Entscheidungspflicht bei zurückzuweisenden Anbringen als Beispiel für viele etwa auch das Erkenntnis vom , Zl. 2005/13/0064). Die Zurückweisung des Devolutionsantrages aus dem von der belangten Behörde angeführten Grund, nämlich wegen Unzulässigkeit des zugrunde liegenden Sachantrages, entsprach daher nicht dem Gesetz."

Mit dem nunmehr angefochtenen - im fortgesetzten Verfahren ergangenen - Bescheid wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag vom neuerlich zurück.

Der Beschwerdeführer habe ab 2004 wiederholt Anträge auf Neufestsetzung eingebracht und dazu befragt angegeben, dass er immer dann einen - auf §§ 293, 295 und 299 BAO gleichermaßen gestützten - Antrag auf Neufestsetzung stelle, wenn die für eine antragsgebundene Wiederaufnahme vorgesehene Frist abgelaufen sei.

Die Verletzung der Entscheidungspflicht bedinge - so die belangte Behörde weiter - ein Anbringen iSd § 85 BAO. Der Antrag auf Neufestsetzungen der Einkommen- und Gewerbesteuer 1992 sei "mangels Inhaltes kein Anbringen iSd § 85 BAO, denn es ist nicht erkennbar, welches Begehren dem Antrag auf Neufestsetzung wirklich zu Grunde liegt und auf welche Norm er sich konkret stützt". Gegenstand einer Entscheidungspflicht könne nur eine in der Rechtsordnung vorgesehene Erledigung normativen Inhaltes sein. "Ohne ein unter § 85 Abs. 1 BAO subsumierbares Anbringen wird die Entscheidungspflicht nicht ausgelöst und kann ergo auch gar nicht verletzt werden". Dem Beschwerdeführer sei zweifelsfrei bewusst, dass der Antrag auf Neufestsetzung unzulässig sei. Auch die in der Bundesabgabenordnung geregelten Rechtsbehelfe zur Durchbrechung der Rechtskraft seien ihm bekannt.

Besonders schwer wiege das Vorbringen in der zur Zahl 2003/13/0110 erledigten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, die dort belangte Behörde hätte den Antrag auf Neufestsetzung als Wiederaufnahmeantrag werten müssen, in Verbindung mit seiner niederschriftlichen Aussage, einen Antrag auf Neufestsetzung gerade dann einzubringen, wenn er selbst einen Wiederaufnahmeantrag wegen Fristablaufs als nicht mehr zulässig ansehe. Ein solches Verhalten gehe über Mutwilligkeit weit hinaus und zeige die Gefahr auf, in die sich die Behörde stets begebe:

Beurteile die Abgabenbehörde den Antrag auf Neufestsetzung als Wiederaufnahmeantrag, wende der Beschwerdeführer ein, der Antrag sei als Aufhebungs- oder Berichtigungsantrag gemeint gewesen, und umgekehrt.

Die vom Beschwerdeführer seit fast 20 Jahren initiierten Verfahren seien von dem Verhalten gekennzeichnet, "sich stets eine Ausredemöglichkeit offen zu lassen, was im Fall der Anträge auf Neufestsetzung aufgrund obiger Ausführungen als erwiesen anzusehen sei."

Den Abgabenbehörden sei es auch nicht möglich, den Beschwerdeführer "manuduzierend" zu unterstützen, weil dieser die erlassenen Abgabenbescheide nicht akzeptiere "und - wie der gegenständlichem Devolutionsantrag zu Grunde liegende Antrag auf Neufestsetzung zeigt - offenbar niemals akzeptieren wird."

Um die Vielzahl an Verfahren organisatorisch bewältigen zu können, indem der Eingabeflut Einhalt geboten werde, und um den Beschwerdeführer anzuhalten, seine Anbringen auf Grundlage der Bundesabgabenordnung zu erstellen, sowie um Prozesssicherheit in den geführten Verfahren zu erreichen, habe es sich als notwendig erwiesen, nur jene Eingaben zu behandeln, die tatsächlich eine Entscheidungspflicht auslösten. Eingaben, die der Beschwerdeführer - wie den Antrag auf Neufestsetzung - erfunden habe, lösten keine Entscheidungspflicht aus, weshalb sie nicht wegen "res iudicata" zurückzuweisen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer vom Beschwerdeführer mit einer Entgegnung beantworteten Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Mit dem hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0110, wurde die erstmalige Zurückweisung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde, wenn sie den Antrag des Beschwerdeführers vom für unzulässig hielt, diesen und nicht den Devolutionsantrag zurückzuweisen gehabt hätte. Diese Aufhebung des damals angefochtenen Zurückweisungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hätte nicht erfolgen können, wenn ein erledigungsbedürftiger Antrag des Beschwerdeführers gar nicht vorgelegen wäre. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung des Devolutionsantrages nicht in Rechten verletzt gewesen.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde das Vorliegen eines erledigungsbedürftigen Antrages verneint, obwohl der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde gegen die Zurückweisung des auf die Nichterledigung dieses Antrags gestützten Devolutionsantrages stattgegeben hatte.

Der angefochtene Bescheid verstößt daher gegen § 63 Abs. 1 VwGG und war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am