VwGH vom 18.09.2013, 2009/13/0207

VwGH vom 18.09.2013, 2009/13/0207

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der A-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Manfred Moog, Steuerberater in 1030 Wien, Mohsgasse 11/1/3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0896-W/06, betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Rahmen einer GPLA-Prüfung bei der beschwerdeführenden A-GmbH wurde festgestellt, dass das Dienstverhältnis des Geschäftsführers, der zu 25% an der A-GmbH beteiligt ist, mit formal beendet worden war. Neben der Abmeldung bei der Sozialversicherung erfolgte auch die Abrechnung aller Beendigungsansprüche. Mit wurde der Geschäftsführer erneut bei der Sozialversicherung angemeldet, jedoch mit einer reduzierten Wochenstundenzahl von 28 Stunden und einem Monatsbezug vom 8.200,-- EUR. Bis zum war der Geschäftsführer mit einer Wochenstundenzahl von 38,5 Stunden angemeldet. Sein Monatsbezug betrug von Jänner bis August 2003 8.400,-- EUR, von September bis Dezember 2003 11.000,-- EUR.

Das Finanzamt vertrat - der Ansicht des Prüfungsorgans folgend - die Auffassung, dass die kurzfristige Erhöhung des Arbeitslohns von September bis Dezember 2003, die ohne ersichtlichen Grund erfolgt sei, keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bedeute, sondern vielmehr von einer Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses auszugehen sei. Es versagte für die ausbezahlte Abfertigung in Höhe von 154.000,-- EUR die begünstigte Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 und schrieb mittels Haftungs- und Abgabenbescheid den Nachforderungsbetrag an Lohnsteuer sowie den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vor.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Bezüge ihres Geschäftsführers ab nachhaltig um mehr als 25% gegenüber dem Letztbezug im Dezember 2003 gesenkt worden seien. Die 30%ige Gehaltserhöhung im September 2003 sei keineswegs grundlos erfolgt, sondern beruhe auf einer vom Geschäftsführer erzielten Umsatzsteigerung durch Abschluss eines Groß- und Langzeitauftrags ab September 2003. Weiters legte die Beschwerdeführerin einen Umlaufbeschluss über die Beendigung des Dienstverhältnisses vor. Dieser lautete wörtlich:

"Die Gesellschafter beschließen, das Dienstverhältnis des Geschäftsführers, Herrn (…), per einvernehmlich aufzulösen. Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses per erfolgt mit - noch genau festzulegenden - verringerten Bezügen. Die Herabsetzung des Geschäftsführerbezuges entspricht dem Wunsch von Herrn (…) seinen Arbeitseinsatz um mindestens 25% zu verringern."

Der Umlaufbeschluss war vom Geschäftsführer am und von den anderen Gesellschaftern am , am und am unterzeichnet worden.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Nach einer näheren Auseinandersetzung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelangte sie zum Ergebnis, dass eine Abfertigung begünstigt nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 versteuert werden könne, wenn das bisherige Dienstverhältnis formal beendet und das daran anschließende neue Dienstverhältnis mit einer wesentlich verminderten Entlohnung begonnen werde. Es sei daher der Dezemberbezug 2003 mit dem Jännerbezug 2004 zu vergleichen. Eine Vergleichsbetrachtung könne aber nur in der Form angestellt werden, dass die Höhe des Entgelts bezogen auf die Wochenstundenanzahl verglichen werde. Dies bedeute, dass der Stundensatz bei 38,5 Stunden 285,71 EUR und bei 28 Stunden 292,85 EUR betrage. Aus dieser Vergleichsbetrachtung ergebe sich eindeutig, dass der Stundensatz geringfügig erhöht worden sei, womit aber feststehe, dass keine wesentliche Änderung der Entlohnung vorliege und eine begünstigte Besteuerung des als Abfertigung geleisteten Betrags gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 nicht in Betracht komme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. Nr. 818/1993 wird die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, so berechnet, dass die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrags angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes des Abs. 1 niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigung nach dieser Bestimmung.

Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung zu verstehen, die einem Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften, von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts oder auf Grund eines Kollektivvertrages oder der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung vom Arbeitgeber zu leisten ist.

Gemäß § 82 EStG 1988 idF BGBl. Nr. 9/1998 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung einer gesetzlichen Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 sind ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Abfertigung und die Auflösung des Dienstverhältnisses (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/13/0138).

Treffen zwei unmittelbar aneinander anschließende Dienstverhältnisse zusammen und wird bei Beendigung des früheren Dienstverhältnisses der Abfertigungsanspruch beachtet und geltend gemacht, sind grundsätzlich ein beendetes und ein neu eingegangenes Dienstverhältnis anzunehmen. Eine andere Beurteilung ist nach der hg. Judikatur dort angebracht, wo die unmittelbare, im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen oder vom Arbeitgeber zugesagt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 87/13/0178, vom , 89/13/0033, und vom , 90/13/0068). So wies der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom , 89/13/0033, darauf hin, dass bei Fortsetzung eines Dienstverhältnisses mit Monatsbezügen von ATS 42.000,-- statt bisher ATS 43.660,-- nicht von einer "wesentlich veränderten" Fortsetzung gesprochen werden könne.

Wie die belangte Behörde festgestellt hat, wurde das erste Dienstverhältnis des Geschäftsführers der beschwerdeführenden A-GmbH mit formal beendet. Alle Ansprüche wurden abgerechnet und der Dienstnehmer bei der Sozialversicherung abgemeldet. Aus dem vorgelegten Umlaufbeschluss der beschwerdeführenden A-GmbH folgt, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zum mit einem um 25% verminderten Arbeitseinsatz vereinbart war. Der Geschäftsführer wurde ab auch nur mit 28 Stunden bei der Sozialversicherung angemeldet.

Eine begünstigte Besteuerung der Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 kommt zwar nicht in Betracht, wenn eine "unmittelbare, im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses" vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 87/13/0178, vom , 89/13/0033, und vom , 90/13/0068).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Rechtsansicht der belangten Behörde aber nicht anzuschließen, wonach eine im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung des Dienstverhältnisses vorliegen soll, wenn neben einer Reduktion der monatlichen Bezüge auch eine entsprechende Reduktion der Stundenanzahl erfolgt und der Stundensatz somit weitgehend gleich bleibt. Wenn die belangte Behörde unter Berufung auf die hg. Judikatur (hg. Erkenntnisse vom , 87/13/0178, vom , 87/13/0117, und vom , 90/13/0068) nur die Änderung der Entlohnung (des Stundensatzes) als das einzig ausschlaggebende Kriterium betrachtet, so greift diese Sichtweise zu kurz.

Bei einem Wechsel von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitbeschäftigung mit formaler Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses wird grundsätzlich von einem neuen Dienstverhältnis auszugehen sein (so auch Doralt , EStG14, § 67 Tz 36, Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III, Tz 10 zu § 67 Abs. 3 EStG 1988, Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuer-Handbuch, § 67 Tz 32). Bei einer Reduktion der Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 28 Stunden und entsprechender Kürzung der Bezüge wird regelmäßig nicht mehr von einer "im Wesentlichen unveränderten Fortsetzung des Dienstverhältnisses" gesprochen werden können.

Feststellungen dahingehend, dass keine tatsächliche Reduzierung der Arbeitszeit stattgefunden habe, die kurzfristige Erhöhung der Bezüge ab September 2003 nur erfolgt sei, um die anschließende Kürzung zu ermöglichen oder - was die belangte Behörde durch Auflistung der in den Folgejahren erhaltenen Bezüge in der Gegenschrift wohl aufzeigen möchte - von vornherein nur eine vorübergehende Senkung der Bezüge erfolgt sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/13/0138), sind dem angefochtenen Bescheid aber nicht zu entnehmen.

Da die belangte Behörde die Versagung der begünstigten Besteuerung der Abfertigungszahlung nur auf den weitgehend gleichbleibenden Stundensatz stützt, hat sie damit wegen Verkennung der Rechtslage den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 59 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am