VwGH vom 23.11.2011, 2009/13/0153

VwGH vom 23.11.2011, 2009/13/0153

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der K GmbH in W, vertreten durch Dr. Ralph Mitsche, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/3578- W/02, RV/3579-W/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung wegen Verspätung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom beantragte die beschwerdeführende GmbH die Rechtsmittelfrist für näher bezeichnete (im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangene) Bescheide des Finanzamtes 9/18/19 Klosterneuburg (im Folgenden nur: Finanzamt) bis zum zu erstrecken. - Eine bescheidmäßige Erledigung dieses Ansuchens durch das Finanzamt erfolgte nicht.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom ersuchte die Beschwerdeführerin um eine Erstreckung der Rechtsmittelfrist bis zum . - Auch dieses Ansuchen wurde vom Finanzamt nicht bescheidmäßig erledigt.

Mit einer Eingabe vom suchte die Beschwerdeführerin neuerlich um Erstreckung der Rechtsmittelfrist bis zum an.

Dieses Ansuchen erledigte das Finanzamt mit Bescheid vom wie folgt:

"Ihrem Ansuchen vom , eingelangt am , um Verlängerung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen die Bescheide betr. UST-1997, KST 1993-1997, KEST 1993-1995 u. 1997 wird abgewiesen.

Begründung:

Die Berufung gilt jedoch als fristgerecht, wenn sie bis spätestens eingebracht wird. Die Frist zur Einreichung einer Berufung gegen o.a. Bescheide war ausreichend.

Achtung! Durch Ihren Antrag auf Fristverlängerung wurde der Lauf der Berufungsfrist (Antragsfrist) gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem Ihnen diese Entscheidung zugestellt wird. Diese Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft."

Mit Schriftsatz vom teilte die für die Beschwerdeführerin (neu) einschreitende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dem Finanzamt mit, dass sie wegen gesundheitlicher Gründe des bisherigen steuerlichen Vertreters kurzfristig mit der steuerlichen Vertretung betraut worden sei. Es sei "uns bekannt", dass mit Bescheid vom eine Frist bis spätestens zur Einbringung der Berufung eingeräumt worden sei. Wegen der notwendigen kurzfristigen Übernahme der steuerlichen Vertretung werde um Fristverlängerung bis ersucht.

Mit Schreiben vom überreichte die Beschwerdeführerin sodann "hiermit dem Finanzamt in Ergänzung zu den bisher dem Finanzamt bereits vorgelegten Berufungsschreiben, zuletzt Schreiben vom " eine "Begründung gemäß § 250 Abs. 1 lit. d BAO". Wie bereits in der "Vorkorrespondenz" ausgeführt worden sei, richte sich die Berufung gegen jene Steuerbescheide, die auf Grund der Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1997 ergangen seien. Die Berufungsbegründung beziehe sich daher in erster Linie auf die Ausführungen im am der Beschwerdeführerin zugestellten Betriebsprüfungsbericht.

Das Finanzamt sah sich durch das Anbringen der Beschwerdeführerin vom zur Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens nach § 275 BAO veranlasst. Es trug der Beschwerdeführerin dazu mit Bescheid vom auf, die "Berufung" bis zum nachzuholen.

In der Folge erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom formell Berufung und verwies dazu auf die "Vorkorrespondenz".

Nach Einholen einer Stellungnahme der Betriebsprüferin zur Berufung und einer dazu erstatteten Gegenäußerung der Beschwerdeführerin legte das Finanzamt die Berufung der belangten Behörde zur Entscheidung vor.

In einem Vorhalt vom hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor, dass nach einer bescheidmäßigen Abweisung eines Fristverlängerungsantrages einem neuerlich eingebrachten Fristerstreckungsansuchen keine hemmende Wirkung mehr zukomme. Damit habe die Frist zur Einbringung der Berufung am geendet. Der weitere Schriftsatz vom sowie der Berufungsschriftsatz vom seien somit als verspätet anzusehen.

Nachdem die Beschwerdeführerin zu diesem Vorhalt am eine Gegenäußerung abgegeben hatte, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin "vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1997, Körperschaftsteuer für die Jahre 1993 bis 1997 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 für den Zeitraum 1993 bis 1995 und für das Jahr 1997" als verspätet zurück.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass zwar sämtliche Anträge auf Erstreckung der Rechtsmittelfrist einschließlich desjenigen vom rechtzeitig und daher fristhemmend gewesen seien. Den letzten Fristerstreckungsantrag vom habe das Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen. Mit der Zustellung dieses Bescheides am habe die Hemmung des Fristenlaufes geendet. Es wäre dem Beschwerdeführer damit nur mehr möglich gewesen, "bis zum bescheidmäßig zugesagten Termin" eine Berufung einzubringen. Nach bescheidmäßiger Abweisung eines Fristverlängerungsantrages eingebrachte neuerliche Fristerstreckungsansuchen hätten keine hemmende Wirkung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0062). Die weiteren Schriftsätze, insbesondere die Berufung vom , seien daher jedenfalls verspätet gewesen.

Entgegen der von der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom vertretenen Ansicht habe es sich bei dem Bescheid vom auch nicht nur um eine "pro forma"- Abweisung gehandelt, mit dem dennoch die beantragte Fristverlängerung gewährt worden sei. Begründungselemente könnten einen normativ verbindlichen Abspruch, wie er mittels des Spruches eines Bescheides zu treffen sei, nicht ersetzen. Im Beschwerdefall sei der behördliche Wille "dem Bescheidspruch entsprechend unzweifelhaft und eindeutig" darauf gerichtet gewesen, der Beschwerdeführerin eine weitere Fristverlängerung nicht mehr zu gewähren. Die in der Bescheidbegründung der Beschwerdeführerin eingeräumte Möglichkeit, "trotz bescheidmäßiger Abweisung des Fristverlängerungsantrages noch bis eine Berufung einbringen zu können, die von der Behörde noch als rechtzeitig gewertet würde, nimmt lediglich Bezug auf die positivrechtliche Regelung des § 245 Abs. 4 leg. cit., dessen Gesetzeswortlaut im Anschluss daran wiedergegeben wurde". Die belangte Behörde könne daher den Interpretationsversuch der Beschwerdeführerin, der dem Bescheid die entgegengesetzte Absicht "als die im Bescheid tatsächlich schriftlich niedergelegte" unterstelle, nicht nachvollziehen.

Da es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, bis zum eine Berufung einzubringen, sei die Berufung vom gemäß § 273 Abs. 1 BAO als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Nach Erhebung der gegenständlichen Beschwerde berichtigte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem auf § 293 BAO gestützten Bescheid vom (auch in Entsprechung einer diesbezüglich enthaltenen Rüge in der Beschwerde) dahingehend, dass der Name des Bescheid erlassenden Finanzamtes im Spruch des angefochtenen Bescheides auf "Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg" (anstatt bisher: "Finanzamt für Körperschaften") abgeändert wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat. Die Berufungsfrist kann gemäß § 245 Abs. 3 leg. cit. aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

§ 245 Abs. 4 BAO bestimmt, dass die Hemmung des Fristenlaufes mit dem Tag der Einbringung des Antrages beginnt und mit dem Tag endet, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. Diese Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.

Einem nach Abweisung eines Fristverlängerungsansuchens eingebrachten neuerlichen Fristerstreckungsansuchen kommt keine hemmende Wirkung zu (vgl. Ritz , BAO4, § 245 Tz. 26, mit Hinweis auf das auch im angefochtenen Bescheid angesprochene hg. Erkenntnis vom , 92/13/0062, sowie weiters das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0209, 0220).

Im angefochtenen Bescheid stützte die belangte Behörde die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung (§ 273 Abs. 1 lit. b iVm § 289 Abs. 1 BAO) darauf, dass das Finanzamt das Firstverlängerungsansuchen der Beschwerdeführerin vom mit dem Bescheid vom abgewiesen habe. Damit habe das neuerliche Ansuchen um Verlängerung der Rechtsmittelfrist vom keine die Berufungsfrist hemmende Wirkung mehr entfalten können.

Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden.

Im Spruch des Bescheides des Finanzamtes vom wurde zwar das Fristverlängerungsansuchen vom abgewiesen. In einem unlösbaren Widerspruch dazu steht jedoch der in der "Begründung" dieses Bescheides enthaltene - an sich auch einen normativen Abspruch bildende - Satz, wonach die Berufung als fristgerecht gelte, wenn sie bis spätestens eingebracht werde. Dass mit dieser Fristsetzung, die dem Fristverlängerungstermin laut dem Ansuchen vom entsprach, lediglich - wie dies im angefochtenen Bescheid darzustellen versucht wird - der am Ende des vom Finanzamt verwendeten Formulars unter "Achtung!" aufscheinende Hinweis auf die Wirkung der Hemmung des Fristenlaufes zum Ausdruck gebracht werden sollte, ist dem Bescheid des Finanzamtes in objektiver Hinsicht nicht zu entnehmen.

Der Bescheid des Finanzamtes vom war damit in sich widersprüchlich und deshalb rechtswidrig (vgl. in diesem Sinne z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0087, mwN). Wenn die belangte Behörde aus diesem Bescheid - im Übrigen auch anders als das Finanzamt - die von ihr gesehene Verspätung der Berufung ableitete, hat sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob der Bescheid des Finanzamtes vom nicht ohnedies als Bewilligung des Fristverlängerungsansuchens zu werten war (vgl. Ritz, aaO, § 110, Tz. 3). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am