VwGH vom 21.11.2017, Ro 2015/05/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-211/024/25259/2014/A-20, betreffend Kanalanschluss (mitbeteiligte Partei: R H in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als es sich auf die Schmutzwässer bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Anlässlich der von der revisionswerbenden Partei am durchgeführten Erhebungen wurde festgestellt, dass das Grundstück Nr. 477/13, KG B., mit der Adressbezeichnung S.weg 3, nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen sei.
2 In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der damalige Eigentümer des betreffenden Grundstückes, W. H., vor, dass es sich um verschiedene Liegenschaften mit verschiedenen Einlagezahlen handle und daher § 2 Kanalanlagen und Einmündungsgebührengesetz (im Folgenden: KEG) nicht anzuwenden sei; daher bestehe keine Anschlussverpflichtung ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft.
3 Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom wurde R. H. und W. H. als Eigentümer der Baulichkeit auf dem Grundstück Nr. 477/13, KG B, der Auftrag erteilt, binnen einer Frist von neun Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides alle Abwässer mit Ausnahme der Regenwässer unterhalb der Verkehrsfläche in den Straßenkanal zu leiten und innerhalb eines Monates nach Herstellung der Einmündung die Senkgrube zu beseitigen.
4 Dieser Bescheid wurde mit dem Erkenntnis , wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
5 Nach Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom führte die revisionswerbende Partei am neuerlich eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Mitbeteiligte zunächst angab, nunmehriger Eigentümer des Grundstückes Nr. 477/13, KG B., und auch Eigentümer der Baulichkeit auf dieser Liegenschaft zu sein. Weiters führte er aus, dass zwischen der Liegenschaft Nr. 477/13 und der Liegenschaft Nr. 797 (Anm.: in welcher sich der Straßenkanal befindet) die Liegenschaften Nr. 477/28 und Nr. 477/29 situiert seien.
6 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde dem Mitbeteiligten als Eigentümer der Baulichkeit auf dem Grundstück Nr. 477/13, KG B., der Auftrag erteilt, binnen einer Frist von neun Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides alle Abwässer unterhalb der Verkehrsfläche in den Straßenkanal zu leiten und innerhalb eines Monates nach Herstellung der Einmündung die Senkgrube zu beseitigen.
7 Begründend führte die revisionswerbende Partei im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Liegenschaft, die als Bauplatz anzusehen sei, unmittelbar an die öffentliche Verkehrsfläche S.weg angrenze. Der S.weg münde in südlicher Richtung nach ca. 20 m ab der Grundgrenze der gegenständlichen Liegenschaft in die P.gasse, in welcher der Straßenkanal (Schmutzwasserkanal) errichtet worden sei. Der Straßenkanal weise eine Entfernung von ca. 25 m von der Bauplatzgrenze auf. Dem Grundbuch könne entnommen werden, dass diese öffentlichen Verkehrsflächen (S.weg, GSt. Nr. 477/28 und P.gasse, GSt. Nrn. 477/29 und 797) eine flächenmäßige Einheit bildeten, in dem betreffenden Bereich in einer Grundbuchseinlage (EZ 741, KG B.) als eine Liegenschaft angelegt und als öffentliches Gut ausgewiesen seien. Daraus ergebe sich, dass im vorliegenden Fall der Kanalanschluss über den S.weg und damit ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft im Sinn des § 2 Abs. 1 KEG hergestellt werden könne. Der beauftragte Hauskanal könne daher ohne Dazwischenliegen fremder Rechte, insbesondere ohne Zustimmung eines dritten Grundeigentümers bzw. Erwirkung einer Servitut, errichtet werden.
8 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Mitbeteiligte - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich -
aus, dass der Verwaltungsgerichtshof eindeutig entschieden und definiert habe, was eine Liegenschaft/Grundstück sei (Hinweis auf ). Die Gleichsetzung von Liegenschaft und Einlagezahl habe er explizit verneint. Gemäß dem Verwaltungsgerichtshof sei mit Liegenschaft immer das Grundstück gemeint und Grundstücke seien im Grundbuch mit Grundstücksnummern ausgewiesen (gegenständlich Nrn. 477/13, 477/28, 477/29 und 797). Auch das Grundbuchsgericht habe ihm gegenüber erklärt, dass es sich beim S.weg (Nr. 477/28), dem Liegenschaftsstreifen Nr. 477/29 und der Liegenschaft Nr. 797 um Liegenschaften in der EZ Öffentliches Gut handle und der Kanal in der Liegenschaft Nr. 797 zu liegen scheine. Zudem stellten der S.weg und die P.gasse in der Natur keine bauliche Einheit dar. § 2 KEG verlange, dass keine Liegenschaft zwischen der kanalführenden Liegenschaft und der anzuschließenden Liegenschaft situiert sein dürfe. Die Eigenschaften der Liegenschaft bzw. des Grundstückes seien ebenso unerheblich wie der Umstand, ob eine flächenmäßige Einheit gebildet werde.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge gegeben und der Bescheid der revisionswerbenden Partei vom aufgehoben; gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
10 Begründend stellte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - fest, dass im Bereich der P.gasse, Gst. Nr. 797, ein Schmutzwasserkanal errichtet worden sei, der nicht mehr als 30 m vom Grundstück Nr. 477/13 des Mitbeteiligten entfernt sei. Das Grundstück Nr. 477/28 grenze an das Grundstück Nr. 477/13 an und die Grundstücke Nrn. 477/29 und 797 lägen davor. Das Grundstück Nr. 477/13 liege der EZ 542 inne und stehe im Eigentum des Mitbeteiligten, die Grundstücke Nrn. 477/28, 477/29 und 797 lägen der EZ 741 inne, welche im Eigentum der Stadt Wien, öffentliches Gut, stehe.
11 Zur Frage, ob die in § 2 KEG normierte Voraussetzung "ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft" erfüllt sei, hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Bauordnung für Wien keine Definition des Begriffes "Liegenschaft" enthalte. Nach Darstellung und zum Teil wörtlicher Wiedergabe der hg. Judikatur (, VwSlg. 9980, , und ) führte das Verwaltungsgericht aus, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Gleichsetzung von Liegenschaft und Einlagezahl zu völlig unsachlichen Ergebnissen führen könne, weshalb mit Liegenschaft grundsätzlich das Grundstück gemeint sei. Das Verwaltungsgericht schließe sich dieser Judikatur im Hinblick auf die gegenständliche gesetzliche Bestimmung an, welche zusätzlich bei in Gartensiedlungsgebieten liegenden Flächen auf Baulosen das Vorliegen einer anderen Liegenschaft ausdrücklich verneine. Diese stehe auch nicht im Widerspruch zur Zielsetzung des Gesetzes, "nämlich dass die Abwässer von Baulichkeiten auf Bauplätzen oder Baulosen, welche an Grundstücke, in welchen ein Straßenkanal verlegt ist, und von diesem nicht mehr als 30 Meter entfernt sind, einzuleiten sind". Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang die Frage des Angrenzens an das öffentliche Gut und des Vorliegens einer öffentlichen Verkehrsfläche, weil solches vom Gesetzgeber nicht gefordert werde. Fallbezogen bedeute dies, dass sich zwischen dem Grundstück Nr. 477/13 und dem den Straßenkanal führenden Grundstück Nr. 797 die Grundstücke Nrn. 477/28 und 477/29 befänden, weshalb die Verpflichtung zum Anschluss des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 477/13 nicht gegeben sei.
12 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff Liegenschaft im KEG fehle.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in welcher die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
14 Das Verwaltungsgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Vorbringen zur Auslegung der Wortfolge "ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft" in § 2 Abs. 1 KEG als zulässig.
16 Im Revisionsfall war das KEG, LGBl. Nr. 22/1955, in der Fassung LGBl. Nr. 60/2013 anzuwenden.
Die §§ 1 und 2 KEG lauten auszugsweise:
"Baurechtliche Vorschriften
Einteilung der Kanäle
§ 1. ...
(2) Die Mischwasserkanäle sind zur gemeinsamen Ableitung aller Abwässer, das sind Schmutz- und Regenwässer, bestimmt (Mischsystem). Die Teilmischwasserkanäle sind zur Ableitung von Schmutzwässern und Regenwässern von Verkehrsflächen bestimmt (Teilmischsystem). Die Schmutzwasserkanäle dienen nur zur Ableitung von Schmutzwässern einschließlich von Fäkalien und unschädlichen (§ 3) Abfallstoffen, die Regenwasserkanäle nur zur Ableitung von Regenwässern, das sind Niederschläge aller Art, und von reinen Wässern (Trennsystem). Schmutzwasserkanäle und Regenwasserkanäle können jedoch in einem gemeinsamen Kanalkörper verlegt werden. Teilregenwasserkanäle dienen ausschließlich zur Ableitung der Regenwässer von Verkehrsflächen.
Teilregenwasserkanäle und Schmutzwasserkanäle können ebenfalls in einem gemeinsamen Kanalkörper verlegt werden (Teiltrennsystem).
... "
"Verpflichtung zur Einleitung
§ 2. (1) Sofern der Bebauungsplan nicht anderes festlegt, müssen von Baulichkeiten auf Bauplätzen oder Baulosen Schmutzwässer unterhalb der Verkehrsflächen in den Kanal geleitet werden, wenn der Bauplatz oder das Baulos von einem bei der Bauführung bereits bestehenden Straßenkanal ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft nicht mehr als 30 m entfernt ist; bei Baulosen gelten Flächen, die im Gartensiedlungsgebiet liegen, nicht als andere Liegenschaft und werden in das Maß von 30 m nicht eingerechnet. Dieselbe Verpflichtung zur Einmündung tritt ein, wenn der Straßenkanal nach Errichtung der Baulichkeit hergestellt wird. Sobald die Verpflichtung zur Einmündung erfüllt ist, sind die bisherigen Anlagen zur Ableitung der Schmutzwässer zu beseitigen.
... "
17 Die revisionswerbende Partei bringt unter anderem vor, aus § 2 Abs. 1 KEG ergebe sich, dass die Schmutzwässer in einen Kanal eingeleitet werden müssten, der unterhalb einer Verkehrsfläche liege. Die Verkehrsfläche bzw. das öffentliche Gut sei demnach gegenüber einem Bauplatz der zur Herstellung eines Kanalanschlusses zu erreichende Bereich. Die relevierte Verbindung über eine andere Liegenschaft beziehe sich folglich nur auf Grundbereiche jenseits der Verkehrsfläche bzw. des öffentlichen Gutes. Dies erweise sich auch als schlüssig, zumal die Herstellung des Kanalanschlusses über Liegenschaften bzw. Bauplätze oder Baulose privater Dritter bis zur Verkehrsfläche für die Betroffenen mit Belastungen verbunden sein könne; diese Problematik stelle sich demgegenüber im Bereich einer Verkehrsfläche nicht. Somit ergebe sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 KEG, dass sich das einschränkende Kriterium der Verbindung über eine andere Liegenschaft nur auf Liegenschaften außerhalb der Verkehrsfläche beziehe. Ob der Grundbuchskörper der Verkehrsfläche in mehrere Grundstücke mit unterschiedlichen Grundstücksnummern unterteilt werde, sei daher unerheblich. Es sei festzuhalten, dass jene EZ, die zwischen dem Grundstück des Mitbeteiligten und der "straßenkanalführenden" EZ liege, dem öffentlichen Gut zugehöre und insofern ein einheitliches Grundstück mit der "straßenkanalführenden" EZ bilde. Ob das öffentliche Gut in zwei EZ aufgeteilt sei, sei für die Kanalanschlussverpflichtung ohne Bedeutung, da der Sinn der Wendung "ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft" in § 2 Abs. 1 KEG lediglich der sei, dass nicht Servitute über fremde Grundstücke abgeschlossen werden müssten. Diese Frage stelle sich aber beim öffentlichen Gut nicht.
18 Zunächst ist festzuhalten, dass der mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom erteilte Auftrag zur nachträglichen Kanaleinmündung den Mitbeteiligten zur Einleitung aller Abwässer in den betreffenden Straßenkanal verpflichtete. Wie sich aus dem ersten Satz in § 1 Abs. 2 KEG ergibt, sind unter Abwässern sowohl die Schmutz- als auch die Regenwässer zu verstehen. Bei dem in der P.gasse (GSt. Nr. 797) befindlichen Straßenkanal handelt es sich den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zufolge um einen Schmutzwasserkanal. Die Schmutzwasserkanäle dienen nach dem dritten Satz des § 1 Abs. 2 KEG nur zur Ableitung von Schmutzwässern einschließlich von Fäkalien und unschädlichen Abfallstoffen, die Regenwasserkanäle nur zur Ableitung von Regenwässern und von reinen Wässern (Trennsystem). Daraus ergibt sich, dass die Einleitung von Regenwässern in den Schmutzwasserkanal unzulässig ist. Darüber hinaus sieht § 2 Abs. 1 KEG, auf den sich die revisionswerbende Partei gestützt hat, eine Einmündungsverpflichtung nur in Bezug auf Schmutzwässer vor, sodass sich die mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgte Behebung des erstinstanzlichen Bescheides im Ergebnis insoweit als zutreffend erweist, als damit eine Einmündungsverpflichtung für Regenwässer ausgesprochen wurde.
19 Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
20 Zu der mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgten Behebung des erstinstanzlichen Bescheides auch in Bezug auf die Einleitungspflicht des Mitbeteiligten betreffend Schmutzwässer, ist Folgendes auszuführen:
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich bei der bestehenden Verkehrsfläche, unterhalb welcher die Schmutzwässer in den Kanal geleitet werden sollen, nicht um eine andere Liegenschaft im Sinn des § 2 Abs. 1 KEG handelt, weshalb es unerheblich sei, ob diese im Eigentum der Stadt Wien oder des Bundes stehe (vgl. , und ).
22 Diese Auslegung erweist sich auch vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes als zutreffend. So hat der Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis 1313/79 unter anderem festgehalten, dass der Begriff Liegenschaft mehrdeutig sei und es also einen festumrissenen Liegenschaftsbegriff nicht gebe, weshalb sein Sinngehalt mangels näherer Konkretisierung in den dort anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, aus der Zielsetzung des Gesetzes, abgeleitet werden müsse. Unter Bezugnahme auf diese Ausführungen ist der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis 2008/07/0018 im Hinblick auf die Zielsetzung des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes zu dem Schluss gelangt, dass unter einer Liegenschaft grundsätzlich das Grundstück zu verstehen sei.
23 Diese Ausführungen wurden vom Verwaltungsgericht ohne weiteres auf die Bestimmungen des KEG übertragen, ohne die Zielsetzung des KEG auch nur ansatzweise, etwa anhand der Gesetzesmaterialien, zu ermitteln oder sich mit dem Ergebnis seiner Auslegung - nämlich, dass diesfalls nur die an der südlichen Straßenseite gelegenen Anrainer, deren Grundstücke an das kanalführende Grundstück Nr. 797 angrenzen, zur Einmündung verpflichtet wären, nicht aber die an der nördlichen Straßenseite gelegenen, an das Straßengrundstück Nr. 477/29 angrenzenden Anrainer - auseinanderzusetzen.
24 Die für das Bestehen einer Einmündungsverpflichtung gemäß § 2 Abs. 1 KEG maßgebliche Voraussetzung, dass der betreffende Bauplatz oder das Baulos vom bestehenden Straßenkanal ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft nicht mehr als 20 Meter entfernt ist, war bereits in der Stammfassung des KEG, LGBl. Nr. 22/1955, enthalten. Die Erläuterungen zu diesem Gesetz (Beilage Nr. 288/1955) führen in Bezug auf § 2 KEG aus, dass eine Einmündungsverpflichtung über andere Liegenschaften hinweg unzweckmäßig wäre, da derlei Anlagen erfahrungsgemäß vielfach die Quelle wirtschaftlicher Streitigkeiten bildeten. Die Einräumung öffentlich-rechtlicher Leitungsrechte über Nachbargrund könne schwerlich gerechtfertigt werden.
25 Weiters wird in den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 2/1970 (Beilage Nr. 39/1969), mit welcher das Ausmaß der für die Einmündungsverpflichtung maßgeblichen Entfernung auf 30 m erhöht wurde, auf die in Wien bereits bestehenden bzw. geplanten Straßen von mehr als 40 m Breite Bezug genommen und dargelegt, dass in dem Fall, dass der Kanal am Straßenrand verlegt werde, eine Anschlussverpflichtung nur für die an dieser Straßenseite gelegenen Anrainer bestehe, während bei einer Verlegung in der Straßenmitte für die an solchen Straßen gelegenen Liegenschaften überhaupt keine Anschlussverpflichtung bestehe. Auf die grundbuchsrechtliche Gestaltung der Straße, insbesondere auf den Umstand, dass diese allenfalls in mehrere Grundstücke unterteilt sein könne, wurde dabei nicht Bedacht genommen.
26 Den Erläuterungen zufolge wollte der Wiener Landesgesetzgeber mit der in Rede stehenden Wortfolge in § 2 Abs. 1 KEG somit Streitigkeiten mit privaten Grundeigentümern hintanhalten und die Verpflichtung des Eigentümers einer Baulichkeit zur Verlegung des Kanals über eine solche Liegenschaft ausschließen. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in einem zu § 58 Bauordnung für Wien, welcher damals die Anschlusspflicht regelte, ergangenen Erkenntnis ausgesprochen, dass das Gesetz immer nur den (regelmäßigen) Fall vor Augen habe, dass die Straße, in welcher der Sammelkanal hergestellt werde bzw. sei, öffentliches Gut der Gemeinde sei und dass somit die Erbauung und bzw. Einmündung des Hauskanales in den Sammelkanal ohne weiteres ausgeführt werden könne, da es hierzu nur der Bewilligung der Gemeinde als Grundeigentümerin bedürfte, die aber durch die im Gesetz ausgesprochene Verpflichtung der Hauseigentümer suppliert bzw. überflüssig gemacht werde. Daher könne in der eben angezogenen gesetzlichen Verpflichtung der Haueigentümer nicht etwa auch die Verbindlichkeit als inbegriffen angesehen werden, die Zustimmung eines dritten Grundeigentümers zur Leitung des Kanals durch seinen Grund und Boden zu erwirken ( Z. 2178, VwSlg. 2412).
27 Aus all dem folgt, dass der Wiener Landesgesetzgeber mit der in § 2 Abs. 1 KEG enthaltenen Wortfolge "ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft" auf Grund der dargestellten Schwierigkeiten für die Eigentümer einer Baulichkeit jene Fälle von der Einmündungsverpflichtung ausnehmen wollte, die eine Verbindung über eine im Privateigentum stehende Liegenschaft erfordern, nicht aber den der vorliegenden Revision zugrunde liegenden Fall, in dem die Verlegung des Kanals unterhalb einer im Eigentum der Stadt Wien stehenden und als öffentliches Gut ausgewiesenen Verkehrsfläche erfolgen soll.
28 Indem das Verwaltungsgericht auch die als öffentliches Gut ausgewiesenen Verkehrsflächen (GSt. Nrn. 477/28 und 477/29) als Liegenschaften im Sinn des § 2 Abs. 1 KEG qualifizierte und aus diesem Grund die Einmündungsverpflichtung des Mitbeteiligten in Bezug auf die Schmutzwässer verneinte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
29 Das angefochtene Erkenntnis war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigte.
Wien, am
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Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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