VwGH vom 23.02.2011, 2009/13/0127
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1150 Wien, Ullmannstraße 54, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1239- W/09, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Oktober 2007 bis August 2008 (mitbeteiligte Partei: R in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Zeitraum März 2008 bis Juni 2008) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte bezog für ihre im Juli 1989 geborene Tochter G. u.a. in den Monaten Oktober 2007 bis August 2008 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag. G. hatte im Juni 2007 maturiert und im Wintersemester 2007/2008 an der Universität Wien ein Studium begonnen. Nachdem sie dieses Studium abgebrochen hatte, absolvierte sie in der Zeit vom bis den "Ausbildungslehrgang für Betreuungspersonen in Kindergruppen" am Institut für Kindergarten- und Hortpädagogik an der Volkshochschule Simmering. Ab September 2008 begann sie eine Ausbildung in einer Tourismusschule.
Mit Bescheid vom verpflichtete das Finanzamt die Mitbeteiligte zur Rückzahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Oktober 2007 bis August 2008. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom vollinhaltlich statt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, und zwar insoweit, als er über den Zeitraum März 2008 bis Juni 2008 abspricht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erwogen:
Im vorliegenden Fall geht es darum, ob der von G. absolvierte "Ausbildungslehrgang" eine Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellt. Gegebenenfalls hätte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Rückzahlungsbescheid (auch) für den angefochtenen Zeitraum (März bis Juni 2008) zu Recht aufgehoben.
Der zu beurteilende Lehrgang umfasste unstrittig 122 Unterrichtseinheiten und dauerte vom bis . Davon ausgehend vertritt das beschwerdeführende Finanzamt die Auffassung, er weise weder die erforderliche Dauer noch die erforderliche Intensität auf - bei gleichmäßiger Aufteilung der 122 Unterrichtseinheiten auf die einzelnen Werktage errechne sich eine tägliche Kursdauer von nicht einmal zwei Stunden -, weswegen er nicht als "Berufsausbildung" angesehen werden könne.
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FlAG 1967 kommt es (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom , 2007/13/0125, mwN.).
Vor dem Hintergrund dieser Judikatur kommt es zwar - anders als das beschwerdeführende Finanzamt offenbar auch meint - nicht auf die nur wenige Monate währende Dauer des zu beurteilenden Lehrganges an. Auch dem in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 98/94, welches zum § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erging und mit dem das Wort "gesetzlich" in dieser Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben wurde, lässt sich Derartiges nicht entnehmen. Maßgeblich ist aber der erforderliche zeitliche Einsatz während des Lehrganges, der - soll eine Berufsausbildung vorliegen (siehe oben) - so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird.
Zur zeitlichen Inanspruchnahme von G. durch den hier fraglichen Lehrgang hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen. Die Mitbeteiligte hat in diesem Zusammenhang im Verwaltungsverfahren (Vorlageantrag vom ) zwar eingeräumt, dass die Unterrichtseinheiten überwiegend am Nachmittag begonnen hätten. Sie hat aber weiter vorgebracht, dass daher am Vormittag, neben der Gelegenheit zur Arbeitssuche, die Möglichkeit bestanden hätte, "den Lernstoff, der aus Skripten mit mehreren 100 Seiten und mehreren Fachbüchern bestand, zu lernen sowie den für die Ausbildung erforderlichen Praxisteil in Kindergruppen zu absolvieren".
Nach dem Gesagten hätte sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen beschäftigen müssen. Der dies verkennende Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am