VwGH vom 20.03.2013, 2009/13/0101
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 9/18/19/Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/3679-W/07, betreffend Körperschaftsteuer 2006 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in Liqu. in W, vertreten durch Dkfm. Herbert F. Maier, Wirtschaftsprüfer in 1010 Wien, Kohlmarkt 8-10), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der Mitbeteiligten handelt es sich - so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - um eine Kapitalgesellschaft in Liquidation, die mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom "gelöscht" worden sei (die entsprechende Firmenbucheintragung sei am erfolgt). Mit Schreiben vom habe der steuerliche Vertreter dem Finanzamt eine Körperschaftsteuererklärung für den Liquidationszeitraum vom bis samt einer Liquidationseröffnungsbilanz zum , einer Gewinn- und Verlustrechnung für den Liquidationszeitraum und einer Liquidationsschlussbilanz zum übermittelt. Im Körperschaftsteuerbescheid 2006 habe das Finanzamt den erklärten Liquidationsgewinn unter Zugrundelegung einer monatlichen Aufteilung auf den Liquidationszeitraum gemäß § 26c Z 2 lit. a KStG 1988 mit 46 % dem Jahr 2004 zugeordnet und insoweit dem Körperschaftsteuersatz von 34 % unterworfen. Gemäß § 26c Z 2 KStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2005 sei nämlich bei Ermittlung des Einkommens unter Berücksichtigung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres der auf das Jahr 2004 entfallende Anteil mit dem Steuersatz des § 22 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 2005 zu besteuern; dabei sei eine vereinfachte monatsweise Aufteilungsmöglichkeit gesetzlich vorgesehen. Auch wenn der Gesetzgeber konkret nur das abweichende Wirtschaftsjahr angesprochen habe, habe mit dieser Bestimmung doch allgemein sichergestellt werden sollen, dass nur jene Einkommensteile mit dem verminderten Steuersatz vom 25 % besteuert würden, die nach dem erwirtschaftet worden seien. In "teleologischer Auslegung dieser Gesetzesbestimmung" sei dies "gleichermaßen auch auf über mehrere Jahre verteilte Liquidationsgewinne anzuwenden, würde es doch ansonsten zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen ungleichmäßigen Besteuerung kommen".
Der gegen den Bescheid des Finanzamtes erhobenen Berufung, nach der auf den Liquidationsgewinn zur Gänze der im Jahr 2006 geltende Körperschaftsteuersatz von 25 % anzuwenden sei, gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, für die Ermittlung des Abwicklungseinkommens sei nach § 19 Abs. 2 und 5 KStG 1988 ein von den allgemeinen Bestimmungen abweichender Besteuerungszeitraum vorgesehen, der mit dem Ende des Wirtschaftsjahres beginne, das unmittelbar vor dem Wirksamwerden des Auflösungsbeschlusses abgelaufen sei, und mit der vollständigen Ausschüttung des Gesellschaftsvermögens ende. Die lex specialis des § 19 KStG 1988 sei auch nach der Steuerreform 2005 unverändert geblieben. Der Wortlaut der Übergangsbestimmung des § 26c Z 2 KStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2004 stelle auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ab, das vor dem begonnen und nach dem geendet habe, und setze somit ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr 2004/2005 voraus. Mit dieser Übergangsregelung habe allfälligen Umgehungen und Gestaltungen in Form eines Wechsels des Bilanzstichtages und des damit verbundenen Überganges auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr 2004/2005 zum Zweck der Erzielung von Steuervorteilen im zeitlichen Vorfeld des Steuerreformgesetzes 2005 bis zu dessen Inkrafttreten am begegnet werden sollen. Mit einer solchen Gestaltungsoption in Bezug auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr sei der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar, weil die Mitbeteiligte eine seit dem Jahr 2004 in Abwicklung befindliche Körperschaft gewesen sei und Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Verwendung von handelsrechtlichen Liquidationsbestimmungen in Verbindung mit abgabenrechtlichen Sonderbestimmungen zur Liquidationsbesteuerung nicht hätten festgestellt werden können. Da sich die allgemeinen Steuersätze während der Abwicklung der Liquidation geändert hätten, sei die Körperschaftsteuer für den gesamten (mehrjährigen) Abwicklungszeitraum mit dem Steuersatz zu bemessen gewesen, der für das Kalenderjahr der Beendigung der Abwicklung gegolten habe. Die Erstreckung "der Übergangsbestimmung des § 26c Z 2 KStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2004" sei mangels Zulässigkeit eines Analogieschlusses auf Abwicklungseinkommen im Sinn des § 19 KStG 1988 nicht möglich.
In der dagegen vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobenen Beschwerde wird der angefochtene Bescheid insoweit bekämpft, als die belangte "Behörde den gesamten Liquidationsgewinn der mitbeteiligten Partei für den Zeitraum bis dem Körperschaftsteuersatz von 25% unterworfen und nicht eine monatsweise Aufteilung in einen Liquidationsgewinn, der mit 34% zu versteuern ist (1.1. bis ), und einen solchen, der dem 25%-igen Steuersatz unterliegt ( bis ), vorgenommen hat".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl durch die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei erwogen:
§ 19 KStG 1988 sieht für die Auflösung und Abwicklung (Liquidation) von unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften (zu denen auch die Mitbeteiligte zählt) Sonderregelungen zur Ermittlung des Liquidationsgewinnes vor. Liquidationsgewinn ist nach § 19 Abs. 2 KStG 1988 der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn, der sich aus der Gegenüberstellung des Abwicklungs-Endvermögens (vgl. § 19 Abs. 4 leg. cit.) und des Abwicklungs-Anfangsvermögens (vgl. § 19 Abs. 5 leg. cit.) ergibt. Vor allem gilt nach § 19 Abs. 3 KStG 1988 ein besonderer (grundsätzlich mit höchstens drei Jahren befristeter) Besteuerungszeitraum, der vom Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres bis zur Beendigung der Abwicklung reicht (vgl. Doralt/Ruppe , Steuerrecht, I10, Tz 1029). Diese Besonderheit hat u.a. den Effekt, dass im Rahmen der Liquidation verwirklichte Verluste und Gewinne miteinander ausgeglichen werden können (vgl. z.B. Schneider in Achatz/Kirchmayr , KStG § 19 Tz 33 und Tz 70). Es handelt sich um einen gesetzlich normierten Besteuerungszeitraum, während dessen weder eine Körperschaftsteuererklärung abzugeben ist noch eine Veranlagung vorgenommen wird (vgl. Hirschler , Ertragsteuerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Beendigung von Körperschaften, FS Werilly , Wien 2000, 151). § 19 KStG 1988 entspricht inhaltlich im Wesentlichen unverändert der (Vorgänger )Regelung über die Liquidationsbesteuerung im § 18 KStG 1966, die ihrerseits auf § 14 dKStG 1934 zurückgeht (vgl. zur Rechtsentwicklung beispielsweise Hristov in Lang/Schuch/Staringer , KStG,§ 19 Rz 1, sowie Schneider , aaO, Tz 1).
Nach § 24 Abs. 1 KStG 1988 wird die Körperschaftsteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne des § 21 Abs. 1 und 3 veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Für die zu veranlagende Körperschaftsteuer entsteht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 Z 2 BAO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.
Für den Fall, dass sich die Abwicklung über einen Zeitraum erstrecken sollte, für den verschiedene Steuersätze maßgeblich sind, ist jener Steuersatz maßgeblich, der in dem Kalenderjahr gilt, in dem die Abwicklung endet (vgl. Schneider , aaO, § 19 Tz 207, mit Hinweis auf die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 34 % auf 25 % durch das StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004; zum Inkrafttreten des KStG 1988 gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 beispielsweise Wiesner in Bertl u. a. (Hrsg) , Die Kapitalgesellschaft nach der Steuerreform 1988, Wien 1989, 41; vgl. weiters Hristov , aaO, § 19 Rz 78, und Lachmayer in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger (Hrsg) , Die Körperschaftsteuer - KStG 1988,§ 19 Tz 68, jeweils mwN u.a. schon von Judikatur zum § 14 dKStG).
Mit dem StReformG 2005 wurde - wie bereits erwähnt - der Körperschaftsteuersatz im § 22 Abs. 1 KStG 1988 (von bisher 34 %) auf 25 % abgesenkt. Zum Inkrafttreten bestimmt § 26c Z 2 KStG 1988, dass § 22 KStG 1988 idF BGBl. I Nr. 57/2004 erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2005 anzuwenden ist. Im Sinn der oben aufgezeigten Rechtslage war damit im Beschwerdefall für die Veranlagung des gegenständlichen Liquidationsgewinnes wegen des im Jahr 2006 endenden Besteuerungszeitraumes nach § 19 Abs. 3 KStG 1988 der für das Kalenderjahr 2006 geltende Steuersatz maßgeblich.
§ 26c Z 2 zweiter Satz KStG 1988 enthält folgende Anordnung:
"Wird das Einkommen unter Berücksichtigung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres, das vor dem beginnt und nach dem endet, ermittelt, ist der dem Jahr 2004 zuzurechnende Einkommensteil zwar im Einkommen des Kalenderjahres 2005 zu erfassen, aber mit dem Steuersatz des § 22 Abs. 1 in der Fassung vor diesem Bundesgesetz zu besteuern". Dabei ist das Einkommen durch die Anzahl der Kalendermonate dieses Wirtschaftsjahres zu teilen und mit der Anzahl der in das Kalenderjahr 2004 fallenden Kalendermonate zu vervielfachen (§ 26c Z 2 lit. a leg. cit.), wobei es dem Unternehmer freisteht, den bis zum angefallenen Gewinn durch Zwischenabschluss zu ermitteln und das Einkommen entsprechend der Gewinnrelation aufzuteilen (§ 26c Z 2 lit. c leg. cit.). § 26c Z 2 lit. b und lit d KStG 1988 (idF AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004) enthalten im Zusammenhang mit § 26c Z 2 zweiter Satz KStG 1988 noch nähere Anordnungen für die Besteuerung von Unternehmensgruppen und im Bereich von Beteiligungen an Mitunternehmerschaften (vgl. dazu im Einzelnen z.B. Bruckner in Kofler/Kanduth-Kristen (Hrsg.) , Kommentar zur Steuerreform 2005, § 26c KStG Rz 422 ff).
In der Beschwerde vertritt das beschwerdeführende Finanzamt im Wesentlichen den Standpunkt, zur Besteuerung des im Beschwerdefall für den Besteuerungszeitraum bis im Sinn des § 19 KStG 1988 ermittelten Liquidationsgewinns sei unter Anwendung des § 26c Z 2 zweiter Satz KStG 1988 iVm der "vereinfachten Lösung" nach § 26c Z 2 lit. a KStG 1988 eine aliquote Aufteilung vorzunehmen, wobei auch ausgeführt wird, dass eine Aufteilung "durch Zwischenabschluss" nach § 26c Z 2 lit. c KStG 1988 "aufgrund der besonderen Ermittlungsweise des Liquidationsgewinnes nach § 19 Abs. 2 KStG 1988 nicht vorgenommen werden" könnte.
Diesem Vorbringen des Finanzamtes kann, auch unter dem Gesichtspunkt einer in der Beschwerde angesprochenen Gesetzesanalogie, nicht gefolgt werden.
Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise, wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt; im Zweifel ist das Bestehen einer Gesetzeslücke nicht anzunehmen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2004/14/0106, VwSlg. 8083/F, und vom , 2008/13/0053, mwN).
Mit dem ausdrücklichen Abstellen der (Ausnahme )Regelung des § 26c Z 2 zweiter Satz KStG 1988 (nur) auf Fälle eines abweichenden Wirtschaftsjahres (vgl. § 7 Abs. 5 KStG 1988) - und auch einer "sinngemäßen" Anwendung (vgl. § 26c Z 2 zweiter Satz lit. b leg. cit.) im Rahmen der Gruppenbesteuerung - wird noch keine Ausdehnung dieser Regelung auf einen nach dem gesonderten Besteuerungsregime des § 19 KStG 1988 zu ermittelnden Liquidationsgewinn (dessen Spezialität eines einheitlichen Betriebsvermögensvergleiches über den - gegebenenfalls mehrjährigen - Besteuerungszeitraum die Beschwerde im Übrigen auch selbst anspricht) zum Ausdruck gebracht. Dass sich aus den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für den vom Finanzamt vertretenen Standpunkt gewinnen ließen, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es trifft zwar zu, dass in den in der Beschwerde zitierten Gesetzesmaterialien "GP XXII RV 451" und "GP XXII AB 461" keine Ausführungen im Sinn von (im angefochtenen Bescheid angesprochenen) Missbrauchsüberlegungen im Zusammenhang mit der Übergangsregelung des § 26c Z 2 zweiter Satz KStG 1988 enthalten sind (zum Zweck der Vermeidung von "Vorzieheffekten" bei "§ 7 Abs 3-Körperschaften" durch die Übergangsbestimmung des § 26c Z 2 KStG 1988 vgl. allerdings Bruckner , aaO, Rz 423). Daraus allein lässt sich aber für eine Gesetzesanalogie in dem in der Beschwerde angestrebten Sinn nichts gewinnen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am