VwGH 25.03.2015, Ra 2015/04/0022
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | MinroG 1999 §116 Abs3; VwGG §28 Abs1 Z4; VwRallg; |
RS 1 | Die Revisionswerber erachten sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht gemäß § 116 Abs. 3 MinroG 1999 auf Nichterteilung der Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes verletzt. Aus § 116 Abs. 3 MinroG 1999 folgt ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn im Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes (bzw. einer wesentlichen Änderung dieses Betriebsplanes), dass die beantragte Genehmigung nicht erteilt wird, wenn - trotz Vorschreibung von Bedingungen oder Auflagen - eine Gefährdung seines Lebens oder seiner Gesundheit, seines - dem Genehmigungswerber nicht zur Benützung überlassenen - Eigentums oder seiner sonstigen dinglichen Rechte zu erwarten ist, sowie wenn eine unzumutbare Belästigung seiner Person zu erwarten ist (Hinweis E vom , 2009/04/0121, mwN). Der Revisionspunkt ist daher korrekt bezeichnet. |
Normen | |
RS 2 | Die Bindung an eine Rechtsansicht des VwGH besteht nur in den Fragen, zu denen sich dieser bereits geäußert hat (vgl. E vom , 2010/07/0062, mwN; vgl. zur Bindungswirkung gemäß § 63 VwGG bei einem Übergangsfall im Sinne des Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG das E vom , Ro 2014/05/0062). |
Normen | |
RS 3 | In einem Übergangsfall können allfällige, sich aus dem VwGVG 2014 ergebende Einschränkungen hinsichtlich des Prüfungsumfanges und der Entscheidungsbefugnis des VwG, die an Verfahrenshandlungen anknüpfen, die vor Inkrafttreten des VwGVG 2014 gesetzt wurden, nicht ohne weiteres zum Tragen kommen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2014/22/0087 E RS 1 |
Normen | |
RS 4 | Das Mitspracherecht von Parteien (hier: Nachbarn) in einem Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als der Partei nach den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. zum Baubewilligungsverfahren etwa das E vom , 2012/06/0142, mwN). Im Rahmen dieses Mitspracherechts bestand weder im Berufungsverfahren noch besteht im Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten nach VwGVG 2014 ein Neuerungsverbot (vgl. den B vom , Ra 2014/10/0044, mit Verweis auf § 10 VwGVG 2014). Das VwG hätte daher zu prüfen gehabt, ob sich das im fortgesetzten Verfahren erstattete Vorbringen der Revisionswerber im Rahmen ihres aus § 116 Abs. 3 MinroG 1999 ergebenden subjektiv-öffentlichen Rechtes bewegt und ob dieses subjektiv-öffentliche Recht im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht wurde. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. der I,
2. des H, 3. des E, 4. des G, alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2014/19/0602-15, betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach MinroG, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (mitbeteiligte Partei: E GmbH), den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Beschwerden der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen und der mitbeteiligten Partei damit im Instanzenzug die mineralrohstoffrechtliche Bewilligung (nach § 116 MinroG) für den von der mitbeteiligten Partei eingereichten Gewinnungsbetriebsplan erteilt. Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach dem vor dem Verwaltungsgereicht ergänzten Verfahren einschließlich der eingeholten Sachverständigengutachten seien Gesundheitsgefährdungen oder unzumutbare Belästigungen durch PM2,5 -Emissionen nicht zu besorgen. Mit den Einwendungen betreffend Lärm und Erschütterungen habe sich bereits der Landeshauptmann von Tirol im Bescheid vom auseinander gesetzt.
Die Revisionswerber begründen ihren Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung damit, durch den Betrieb des verfahrensgegenständlichen Steinbruches entstünden unzumutbare Belästigungen für das Leben und die Gesundheit der Revisionswerber, zumal das Ausmaß der Emissionen nur mangelhaft beurteilt worden sei.
Nach § 30 Abs. 1 VwGG kommt einer Revision eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers der Revision die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnis oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Bewilligung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern es ist - wenn das in der Beschwerde (nunmehr: Revision) selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist - zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits erkannt, dass eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potentieller, sondern ein evidenter ist, mit anderen Worten die Partei mit den Folgen eines offenkundig vorliegenden Fehlers der belangten Behörde belastet würde (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2014/04/0004, mwN).
Ein solcher evidenter Fehler liegt nicht vor: Das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Erkenntnis unter Zugrundlegung der bisherigen Ermittlungsergebnisse und der ergänzend vom Verwaltungsgericht nach Durchführung öffentlich mündlicher Verhandlungen durchgeführten Ermittlungen auf Grundlage von Sachverständigengutachten zusammenfassend davon ausgegangen, dass Gesundheitsgefährdungen oder unzumutbare Belästigungen nicht zu besorgen seien. Inwieweit die von den Revisionswerbern gerügten Mängel des Ermittlungsverfahrens vorliegen, wird Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses sein.
Daher war dem Antrag nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision 1. der I D, 2. des H O, 3. des E S und 4. des G T, alle in N, alle vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/19/0602-15, betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach MinroG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein; mitbeteiligte Partei: E GmbH in N, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Revisionswerbern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom wurden die Berufungen der (nunmehrigen) Revisionswerber gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom , mit dem der mitbeteiligten Partei gemäß § 116 iVm § 83 Mineralrohstoffgesetz - MinroG die Genehmigung für den Gewinnungsbetriebsplan Tagbau-H. erteilt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
2. Mit hg. Erkenntnis vom , 2010/04/0052 (Vorerkenntnis), wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufgehoben.
Die Aufhebung begründete der Verwaltungsgerichtshof damit, dass sich die belangte Behörde mit dem wiedergegebenen Vorbringen der (nunmehrigen) Revisionswerber, wonach im erstbehördlichen Verfahren eine Berechnung der Entwicklung des "wesentlich gefährlicheren" Feinstaubes PM2,5 bei Betrieb der projektierten Anlage unterblieben sei, nicht in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens befasst habe (vgl. 4.2. im genannten Vorerkenntnis).
3. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG setzte das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) das Verfahren nach Aufhebung des genannten Bescheides vom fort und erließ das angefochtene Erkenntnis.
Mit diesem Erkenntnis wurden die Beschwerden der Revisionswerber gegen Spruchteil A des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft K vom nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen gemäß § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, auf Grund des Berufungsvorbringens und der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes sei das gegenständliche Projekt im Beschwerdeverfahren (vor dem Verwaltungsgericht) durch Vorlage einer Emissionserklärung PM2,5 ergänzt worden, welche einer Prüfung durch Amtssachverständige aus den Fachbereichen Emissionstechnik und Medizin unterzogen worden sei. Aus emissionstechnischer Sicht habe sich dabei ergeben, dass keine Grenzwertüberschreitung zu erwarten sei. Der für die am ungünstigsten gelegenen Nachbarn ermittelte PM2,5-Emissionsanteil liege bei 1,2 % des Grenzwertes und sei daher als irrelevant anzusehen. Auch aus medizinischer Sicht habe sich daraus keine relevante Zusatzbelastung ergeben. Gesundheitsgefährdungen oder unzumutbare Belästigungen seien durch Feinstaub (PM2,5) daher nicht zu erwarten. Die bestehende Aufbereitungsanlage (Brech- und Siebanlagen auf der Sohle des Steinbruchs) sei in die emissionstechnische Beurteilung nicht einbezogen worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass deren Kapazität mit 40.000 m3/Jahr beschränkt sei.
Die Revisionswerber hätten in der nunmehr als Beschwerde zu behandelnden Berufung zulässigerweise Gefährdungen durch Feinstaub (PM2,5) releviert. Von ihnen sei vorgebracht worden, dass erst nach Zustellung sämtlicher Gutachten beurteilt werden könne, inwieweit die im Akt aufliegenden Gutachten fundierte technische und humanmedizinische Ausführungen auf schlüssiger und nachvollziehbarer Ebene in Bezug auf die vorgebrachten Gesundheitsgefährdungen und unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn enthielten.
Erst nach Ablauf der Berufungsfrist sei in weiteren Eingaben konkretisiert worden, worauf diese ganz allgemein gehaltene Formulierung abgezielt habe. Berufungsergänzungen nach Ablauf der Berufungsfrist seien nur im Rahmen der rechtzeitig geltend gemachten Berufungsgründe zulässig (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 98/10/0268). In der Berufung fänden sich jedoch nur Ausführungen zur Gefährdung durch PM2,5, nicht aber durch sonstige Emissionen. Das Beschwerdeverfahren habe sich daher auf diesen Beschwerdegrund zu beschränken gehabt.
Nach dem festgestellten Sachverhalt seien Lebens- /Gesundheitsgefährdungen oder unzumutbare Belästigungen von Personen durch PM2,5-Emissionen nicht zu besorgen.
Der Landeshauptmann von Tirol habe sich in seinen Bescheiden vom und vom mit dem von anderen näher bezeichneten Berufungswerbern erhobenen Einwendungen auch in Bezug auf Lärm und Erschütterungen auseinandergesetzt und diese Berufungen als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen jeweils vom , 2009/04/0297, und 2009/04/0298, als unbegründet abgewiesen. Das Wohngebäude eines dieser näher bezeichneten Berufungswerber sei dem gegenständlichen Abbaugebiet näher gelegen als die Wohngebäude der Revisionswerber. Daher könne in Bezug auf Lärm und Erschütterungen für die Revisionswerber nichts anderes gelten, als für die näher bezeichneten Berufungswerber. Diese seien im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vom Rechtsvertreter der Revisionswerber vertreten worden, sodass diesem die zitierten Bescheide und Erkenntnisse bekannt seien.
Nachdem somit die Voraussetzungen für die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes vorgelegen seien, seien die Beschwerden als unbegründet abzuweisen gewesen.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht sowie die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Revisionspunkt
Die Revisionswerber erachten sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht gemäß § 116 Abs. 3 MinroG auf Nichterteilung der Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes verletzt.
Die mitbeteiligte Partei wendet ein, diese Bezeichnung des Revisionspunktes sei mangelhaft, da die Revisionswerber - wie aus den Revisionsgründen erkennbar sei - eine Verletzung ihres subjektiv-öffentlichen Rechtes nach § 116 Abs. 1 Z 7 MinroG geltend machen wollten. Aus einem pauschalen Verweis auf die Genehmigungsvoraussetzungen und -bestimmungen könne nicht auf die Verletzung eines bestimmten Rechtes geschlossen werden.
Zu diesem Vorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung aus § 116 Abs. 3 MinroG ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn im Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes (bzw. einer wesentlichen Änderung dieses Betriebsplanes) folgt, dass die beantragte Genehmigung nicht erteilt wird, wenn - trotz Vorschreibung von Bedingungen oder Auflagen - eine Gefährdung seines Lebens oder seiner Gesundheit, seines - dem Genehmigungswerber nicht zur Benützung überlassenen - Eigentums oder seiner sonstigen dinglichen Rechte zu erwarten ist, sowie wenn eine unzumutbare Belästigung seiner Person zu erwarten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/04/0121, mwN).
Der Revisionspunkt ist daher korrekt bezeichnet. Grundsätzlich
Die Revision bringt in ihren Zulässigkeitsgründen als grundsätzliche Rechtsfrage vor, das Verwaltungsgericht sei mehrfach von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es entgegen § 27 VwGVG den Beschwerdegegenstand lediglich auf die Emissionen durch PM2,5 eingeschränkt habe, obwohl die Revisionswerber auch die Belästigung durch sonstige Emissionen gerügt bzw. die Gefährdungsgefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben aufgezeigt hätten und diesbezüglich zulässigerweise ausführliches Vorbringen erstattet hätten.
Die Revision ist zulässig.
In der vorliegenden Rechtssache ist zu untersuchen, ob das Verwaltungsgericht in dem gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG fortgesetzten Verfahren zulässigerweise den Verfahrensgegenstand auf die Prüfung des Vorbringens der Revisionswerber im Hinblick auf Feinstaub (PM2,5) beschränken durfte, welches zur Aufhebung im Vorerkenntnis geführt hatte.
Bindungswirkung nach § 63 Abs. 1 VwGG
Insoweit die belangte Behörde für die Vorgangsweise des Verwaltungsgerichtes die Bindungswirkung nach § 63 Abs. 1 VwGG ins Treffen führt (vgl. zur Bindungswirkung gemäß § 63 VwGG bei einem Übergangsfall im Sinne des Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0062), genügt es darauf hinzuweisen, dass die Bindung an eine Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes nur in den Fragen besteht, zu denen sich dieser bereits geäußert hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/07/0062, mwN). Zur Zulässigkeit von neuem Vorbringen im fortgesetzten Verfahren findet sich im Vorerkenntnis nichts.
Zulässigkeit von neuem Vorbringen
Das Verwaltungsgericht stützt seine Auffassung, das im fortgesetzten Verfahren von den Revisionswerbern erstattete neue Vorbringen sei unzulässig und auf dieses habe es nicht einzugehen gehabt, auf das hg. Erkenntnis vom , 98/10/0268.
Nach dieser Rechtsprechung kann eine (unzulässige) Berufung, die sich außerhalb des Mitspracherahmens einer Partei bewegt, nicht nach Ablauf der Berufungsfrist dadurch in eine zulässige Berufung umgewandelt werden, dass neue, sich im Bereich des Mitspracherechtes bewegende Gründe nachgeschoben werden. Damit ist dieses Erkenntnis jedoch nicht einschlägig, da in der vorliegenden Rechtssache die Berufung der Revisionswerber zulässig war.
Das Verwaltungsgericht beruft sich weiter darauf, das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht habe sich auf den Beschwerdegrund zu beschränken gehabt. Auch die mitbeteiligte Partei bringt in ihrer Revisionsbeantwortung vor, die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes sei nach § 27 VwGVG beschränkt und daher sei ein Nachschieben von Beschwerdegründen unzulässig.
Zu dieser Auffassung ist festzuhalten:
Vorliegend handelt es sich um einen Übergangsfall nach
Art. 151 Abs. 51 Z 8 zweiter Satz B-VG.
In einem Übergangsfall können allfällige, sich aus dem VwGVG ergebende Einschränkungen hinsichtlich des Prüfungsumfanges und der Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes, die an Verfahrenshandlungen anknüpfen, die vor Inkrafttreten des VwGVG gesetzt wurden, nicht ohne weiteres zum Tragen kommen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/22/0087, und vom , Ra 2014/07/0077).
Ausgehend von der im vorliegenden Übergangsfall maßgeblichen Berufung der Revisionswerber (die lange die vor Inkrafttreten des VwGVG erstattet wurde) ist das Mitspracherecht der Parteien im Berufungsverfahren maßgeblich.
Danach ist das Mitspracherecht von Parteien (hier: Nachbarn) in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als der Partei nach den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG (2007), § 66 Rz. 73, und zum Baubewilligungsverfahren etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/06/0142, mwN).
Im Rahmen dieses Mitspracherechts bestand weder im Berufungsverfahren noch besteht im Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten nach VwGVG ein Neuerungsverbot (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/10/0044, mit Verweis auf § 10 VwGVG; sowie auch Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013), 31; und Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013), 41, K 1 zu § 9).
Das Verwaltungsgericht hätte daher zu prüfen gehabt, ob sich das im fortgesetzten Verfahren erstattete Vorbringen der Revisionswerber im Rahmen ihres aus § 116 Abs. 3 MinroG ergebenden subjektiv-öffentlichen Rechtes (vgl. die obigen Ausführungen zum Revisionspunkt) bewegt und ob dieses subjektiv-öffentliche Recht im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht wurde.
Präklusion nach Verhandlung durch den VwGH Dem steht nicht - wie von der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vorgebracht - die vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren zur Zl. 2010/04/0052 gemäß den §§ 39, 40 VwGG durchgeführte mündliche Verhandlung entgegen, weil der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid mit dem zitierten Vorerkenntnis aufgehoben hat und diese Kassation nach § 42 Abs. 3 VwGG mit ex tunc-Wirkung erfolgte, sodass die Rechtssache in vollem Umfang in jene Lage zurückversetzt wurde, in welcher sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/10/0088, mwN).
Ergebnis
Aus den vorgelegten Gründen hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Aufwandersatz
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | MinroG 1999 §116; VwGG §30 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015040022.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-92835