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VwGH vom 31.07.2013, 2009/13/0056

VwGH vom 31.07.2013, 2009/13/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes Waldviertel in 3830 Waidhofen an der Thaya, Niederleuthnerstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1530- W/07, miterledigt RV/1531-W/07, RV/3310-W/07, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2006 sowie Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer ab dem Jahr 2007 (mitbeteiligte Partei: Ing. N in M, vertreten durch Mag. Hanno Wobisch, Steuerberater in 3830 Waidhofen an der Thaya, Jahnweg 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Strittig ist im Beschwerdefall der Sonderausgabenabzug von Renten und dauernden Lasten nach § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988.

Zum (unstrittigen) Sachverhalt wird im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides festgestellt, der Mitbeteiligte habe sich anlässlich der Übergabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit Notariatsakt vom u.a. verpflichtet, seinen drei damals minderjährigen Schwestern Bernadette, geboren 1987, Ursula, geboren 1990, und Michelle, geboren 1993, monatlich (wertgesichert) jeweils 600 EUR (somit jährlich jeweils 7.200 EUR, zusammen also 21.600 EUR) so lange zu zahlen, bis die jeweilige Empfängerin die


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"-
schulische Ausbildung bzw. Berufsausbildung beendet hat,
längstens jedoch
-
bis zu deren Verehelichung oder - je nach dem, welches Ereignis früher eintritt -
-
bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres,
insoweit die jeweilige Empfängerin
- nicht über eigene Einkünfte - ausgenommen aus Ferialtätigkeiten oder Stipendien - verfügt."
Die Parteien des Berufungsverfahrens gingen übereinstimmend davon aus, dass der Vertrag, auf dem die Zahlungsverpflichtung des Mitbeteiligten beruhe, dahingehend auszulegen sei, dass
"-
unter 'schulischer Ausbildung bzw. Berufsausbildung' jede Art der Ausbildung zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit, also etwa auch Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität, zu verstehen ist, und dass
-
die Zahlungsverpflichtung auch mit dem Tod der jeweiligen Empfängerin, sollte dieser vor den genannten Endigungsgründen eintreten, endet."
Strittig sei zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens, ob in Bezug auf die Schwestern das aleatorische Element, "das den jeweiligen Zahlungsverpflichtungen innewohnt, so stark ausgeprägt ist, dass von einer Rente gesprochen werden kann". Beide Parteien gingen dabei - zutreffend - davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit des Ablebens der Schwestern vor Erreichen des 25. Lebensjahres zu gering sei, um ein für die Rentenqualifikation der Zahlungen relevantes aleatorisches Element darzustellen. Bei einer Ablebenswahrscheinlichkeit zwischen 0,01% (11. Lebensjahr), 0,02% (14. Lebensjahr), 0,03% (16. Lebensjahr) und 0,03% (25. Lebensjahr) nach den Sterbetafeln für Frauen 2000/2002 könne hier kein aleatorisches Element erblickt werden.
Somit verblieben zwei Endigungsgründe, die auf deren Eignung als aleatorisches Element zu untersuchen seien:
Zur "Wahrscheinlichkeit der Verehelichung vor Zeitablauf der Rente" sei davon auszugehen, dass nach statistischen Unterlagen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwester bis zum 25. Lebensjahr heirate, bei rund 17,5% liege. Diese Wahrscheinlichkeit sei zwar, wie der steuerliche Vertreter in der Berufungsverhandlung zutreffend ausgeführt habe, um ein Vielfaches höher als die Ablebenswahrscheinlichkeit eines Mannes zwischen seinem 25. und 40. Lebensjahr im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 82/14/0151. Dieses Ereignis sei allerdings - anders als beim Ableben des Rentenbegünstigten - durch den Rentenbegünstigten gestaltbar. Wenngleich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwester nur wegen des Fortbezuges der strittigen Zahlungen eine Verehelichung bis zum 25. Lebensjahr hinausschieben werde, als nicht sehr hoch angesehen werden könne, entspreche es doch der gesellschaftlichen Entwicklung, dass nur rund die Hälfte der Frauen sich überhaupt verehelichten und außerdem eine Verehelichung zumeist erst nach Abschluss der Ausbildung und in vielen Fällen auch erst nach dem 25. Lebensjahr erfolge. Die Annahme eines Einflusses einer allfälligen Verehelichung auf die Gesamtleistungsverpflichtung sei damit nach Ansicht der belangten Behörde bei allen Schwestern als zu gering zu erachten, um von einem steuerlich maßgebenden aleatorischen Element sprechen zu können.
Im Zusammenhang mit der "Wahrscheinlichkeit der Beendigung der Ausbildung vor Zeitablauf der Rente" habe es den "höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit" für sich, dass die Schwestern eine allgemeinbildende oder berufsbildende höhere Schule besuchten. Im Falle des Besuchs einer höheren Schule sei von einem mittleren Abschlussalter von (gerundet) 19 Jahren auszugehen. Dass die Schwestern des Mitbeteiligten ein Universitätsstudium "mit einer statistischen Beendigungswahrscheinlichkeit jenseits des Zeitablaufs der Rente betreiben, ist weit weniger wahrscheinlich als dass sie die Reifeprüfung an einer höheren Schule anstreben". Zwar sei dem Finanzamt grundsätzlich beizupflichten, dass angesichts der gesicherten Finanzierung der Ausbildung der Beginn und der Abschluss eines Studiums nach der Reifeprüfung unter "rationalen Gesichtspunkten im Regelfall zu erwarten wäre". Allerdings könne es "zum einen an einer entsprechenden Begabung mangeln, zum anderen können auch die Interessen junger Menschen völlig anders gelagert sein". Unter der Annahme einer weiterführenden Berufsausbildung liege die Bandbreite des realistischen Endes der Zahlungspflicht zwischen dem 19. und dem 25. Lebensjahr, umfasse also rund sechs Jahre. Bei der "Schwester Bernadette umfasst diese wahrscheinliche Bandbreite nahezu die gesamte Rentenhöchstlaufzeit (hier kann die Rente schon nach 2 Jahren, aber auch erst nach 8 Jahren enden), bei den Schwestern Ursula und Michelle mehr als die Hälfte (wahrscheinliches Rentenende zwischen 5 bis 11 Jahren nach Rentenbeginn) bzw. mehr als ein Drittel (wahrscheinliches Rentenende zwischen 8 und 14 Jahren nach Rentenbeginn) der gesamten Rentenhöchstlaufzeit". Hier könne letztlich nach Ansicht der belangten Behörde doch ein ausgeprägtes aleatorisches Element erblickt werden, das für den Rentencharakter der gegenständlichen Verpflichtungen spreche. Dieses aleatorische Element sei auch ausreichend genug, um einen relevanten Faktor im Sinne eines Glücksvertrages darzustellen.
Fehle es bei der gegenständlichen "Höchstzeitzahlungsverpflichtung" an einem relevanten aleatorischen Element infolge (unstrittigen) deutlichen Überschreitens der Höchstlaufzeit durch die statistische Lebenserwartung, so müssten allfällige weitere aleatorische Elemente umso deutlicher ausgeprägt sein, um einen relevanten Unsicherheitsfaktor im Sinne eines Glücksvertrages darzustellen. Dies sei zwar nicht bei der "Verehelichung vor der Vollendung des 25. Lebensjahres" der Fall, jedoch bei dem Endigungsgrund "Beendigung der Schul- und Berufsausbildung vor der Vollendung des 25. Lebensjahres". Der Berufung sei daher Folge zu geben gewesen.
Dagegen richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl durch die belangte Behörde als auch den Mitbeteiligten (und dem Austausch weiterer Schriftsätze) erwogen:

Nach § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zählen Renten und dauernde Lasten, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen (unter dort weiters näher geregelten Voraussetzungen), zu den Sonderausgaben, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.

Als Sonderausgaben sind nicht etwa generell wiederkehrende Bezüge, deren Laufzeit allgemein in irgendeiner Form vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0324, 0374, VwSlg. 8367/F), sondern nur Renten und dauernde Lasten abziehbar (vgl. z.B. Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuer-Handbuch, § 18 Tz 12).

Renten im steuerlichen Sinne als Unterfall der wiederkehrenden Bezüge gliedern sich wiederum in Leibrenten und Zeitrenten (mit den Sonderformen der "verkürzten" und der "verlängerten" Zeitrente). Das Wesen einer Leibrente besteht darin, dass sie von der Lebensdauer einer bestimmten Person (als ungewisses bzw. aleatorisches Ereignis) abhängt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 82/14/0151). Auch für Zeitrenten im steuerlichen Sinne ist es erforderlich, dass sie sowohl (zwingend) auf die Lebensdauer einer Person als auch auf einen Zeitraum abstellen (vgl. weiters z.B. das hg Erkenntnis vom , 82/14/0109, VwSlg. 5720/F, sowie zum Ganzen Quantschnigg/Schuch , aaO, § 29 Tz 5, 8 und 9). Wenn bei zeitlich abgekürzten Renten die vereinbarte Höchstdauer der Leistungsdauer wesentlich geringer als die Lebenserwartung ist, ist damit das alternative Element des Lebens, nämlich das des Erlebens eines bestimmten Zeitpunktes, das für Renten typischerweise die Komponente der Unsicherheit und des Wagnisses bildet, praktisch ausgeschaltet, sodass nicht mehr von Renten im Sinne des Steuerrechts gesprochen werden kann (vgl. Stoll , Rentenbesteuerung4, Rz 56 iVm Rz 28 ff).

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sollten die an die Schwestern des Mitbeteiligten laut Notariatsakt vom bezahlten Renten bis zur Beendigung der schulischen Ausbildung bzw. Berufsausbildung laufen, längstens jedoch bis zu deren Verehelichung oder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Auch wenn nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid die Vertragsbestimmungen dahin auszulegen seien, dass die Zahlungsverpflichtung auch mit dem Tod der jeweiligen Empfängerin ende, ist doch dazu wesentlich, dass die belangte Behörde auch (unstrittig) festgestellt hat, dass die "Ablebenswahrscheinlichkeit" der Schwestern kein relevantes aleatorisches Element im Rahmen der Zahlungen dargestellt hat. Damit lagen aber nach dem oben Gesagten schon wegen des Wegfalls des alternativen Elements des Lebens keine Renten nach § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 vor.

Als (bloße) wiederkehrende Bezüge (deren Laufzeit etwa vom ungewissen Ereignis der Beendigung der Schul- bzw. Berufsausbildung abhing) könnten die Zahlungen weiters nur dann als Sonderausgaben nach § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 Berücksichtigung finden, wenn diese gegebenenfalls als "dauernde Lasten" gewertet werden könnten. Abgesehen davon, dass derartige Leistungsverpflichtungen während eines längeren Zeitraumes, mindestens aber zehn Jahre bestehen müssen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2000/13/0188, und vom , 2010/15/0055), im Beschwerdefall auch nur die in Betracht kommenden (keinesfalls gewissen) Höchstlaufzeiten in diesem Bereich lagen (zu Beginn der monatlichen Zahlungen im Jahr 2004 waren die Schwestern rund 17, 14 und 11 Jahre alt), kann bei Leistungen für die Ausbildungszeit einer Person für sich noch nicht von dauernden Lasten gesprochen werden (vgl. in diesem Sinne auch Quantschnigg/Schuch, aaO, § 29 Tz 17; anzumerken ist in diesem Zusammenhang zudem, dass der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift u.a. darauf hingewiesen hat, dass es in seinem Familienkreis nicht unüblich sei, vor Vollendung des 25. Lebensjahres zu heiraten, und weiters in einem ergänzenden Schriftsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitgeteilt hat, dass die Rentenzahlungen für seine Schwester Bernadette knapp nach Vollendung des 22. Lebensjahres wegen Beendigung der Schul- und Berufsausbildung weggefallen seien).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am