VwGH vom 17.02.2016, Ro 2015/04/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision des H B in I, vertreten durch Dr. Martin Attlmayr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2014/16/1395-11, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, sohin seines Spruchpunktes 2., wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom wurde dem Revisionswerber - soweit im Revisionsverfahren noch gegenständlich - zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der F. OG zu verantworten, dass am in den Räumlichkeiten der
F. OG keine Trauerwaren und Särge präsentiert werden konnten. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 22 GewO 1994 iVm § 10 Abs. 2 Z 4 der Bestimmungen der Standesregeln für Bestatter, BGBl. II Nr. 476/2004, begangen. Aus diesem Grund wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt (Spruchpunkt 3.).
2. Mit Spruchpunkt 2. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom wurde der vom Revisionswerber gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis erhobenen Beschwerde hinsichtlich dessen Spruchpunkt 3. teilweise stattgegeben, die verhängte Geldstrafe auf EUR 100,00 herabgesetzt (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) und der Verfahrenskostenbeitrag mit EUR 10,00 neu bestimmt. Unter einem wurde Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahingehend konkretisiert, dass dieser zu lauten habe: "Die Bestimmung wurde insofern nicht eingehalten, da in den Räumlichkeiten zwar Urnen und ein Katalog präsentiert werden konnte. Unterlagen über einen Standardsarg wurden jedoch nicht angeboten. Ebenso nicht eine Angabe über die konkrete Auffindungsmöglichkeit dieses Standardsarges."
In seiner Begründung führte das LVwG aus, aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung könne hinsichtlich des Standardsarges keine positive Feststellung getroffen werden. Dieser sei nicht vorgeführt worden und es sei nicht erwiesen, dass ein solcher im Lager vorhanden sei bzw. ein Lager existiere.
Die ordentliche Revision wurde gemäß § 25a VwGG für zulässig erkannt.
3. Gegen dieses Erkenntnis des LVwG richtet sich die ordentliche Revision mit dem in Hinblick auf den erklärten Umfang der Anfechtung erkennbaren Antrag, die angefochtene Entscheidung im Umfang des Spruchpunktes 2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. Die Revision bringt vor, das LVwG unterstelle § 10 Abs. 2 Z 4 der Standesregeln für Bestatter einen denkunmöglichen Inhalt. Der Bestatter sei nicht verpflichtet, Särge anzubieten. Die herangezogene Bestimmung könne daher nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Revisionswerber verpflichtet sei, Unterlagen über einen Standardsarg anzubieten und die konkrete Auffindungsmöglichkeit dieses Sarges anzugeben.
4.2. Die Revision ist aus den dort vorgebrachten Gründen zulässig und begründet.
4.3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), idF BGBl. I Nr. 111/2002 (§ 69) bzw. idF BGBl. I Nr. 125/2013 (§ 367), lauten auszugsweise:
"§ 69. (1) (...)
(2) (...) Weiters kann der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nach Anhörung der zuständigen Gliederung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft durch Verordnung Regeln über die Verhaltensweisen, die bei der Ausübung eines bestimmten Gewerbes einzuhalten sind, und über die für die Gewerbeausübung erforderliche Betriebsausstattung festlegen (Standesregeln); (...)
§ 367. Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer
(...)
22. die Bestimmungen von gemäß § 69 Abs. 1 oder 2 erlassenen Verordnungen oder die gemäß § 69 Abs. 4 erlassenen Aufträge eines Bescheides nicht einhält;
(...)"
4.3.2. Die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Standesregeln für Bestatter, BGBl. II Nr. 476/2004, (im Folgenden: Standesregeln für Bestatter) lautet auszugsweise:
"Aufgrund des § 69 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 (WV), zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 118/2004, wird verordnet:
Anwendungsbereich
§ 1. (1) Diese Verordnung ist anzuwenden auf:
1. die dem reglementierten Gewerbe der Bestattung (§ 94 Z 6 GewO 1994) vorbehaltenen Tätigkeiten (Abs. 2);
2. sonstige Tätigkeiten, zu denen die Bestatter berechtigt sind (Abs. 3 und 4).
(...)
(3) Unbeschadet der Rechte anderer Gewerbetreibender sind die Bestatter zur Herstellung, Beistellung, Lieferung und zum Verkauf der erforderlichen Einrichtungen und Gegenstände (wie zB Särge, Urnen, Sargausstattung, Trauerdekoration) zur Durchführung der in Abs. 2 genannten Tätigkeiten berechtigt.
(...)
Betriebsvorschriften
§ 10. (1) Die Betriebsausstattung hat jenen Anforderungen zu entsprechen, die eine standesgemäße Berufsausübung gewährleisten.
(2) Die Bestatter haben sämtliche Gegenstände zur Erfüllung der in § 1 genannten Leistungen bereitzuhalten. Dazu zählen insbesondere
(...)
4. das Vorhandensein einer geeigneten Räumlichkeit zwecks Präsentation von Trauerwaren, Särgen, Urnen usw.;
(...)"
4.4. § 10 Abs. 2 der Standesregeln für Bestatter enthält eine demonstrative (argum.: "insbesondere") Aufzählung von Gegenständen, zu deren Bereithaltung die Bestatter verpflichtet sind, und nennt unter anderem "das Vorhandensein einer geeigneten Räumlichkeit zwecks Präsentation von Trauerwaren, Särgen, Urnen usw." (§ 10 Abs. 2 Z 4 der Standesregeln für Bestatter). Bereits ausgehend vom Wortlaut der Z 4 leg. cit. wird vom Bestatter (nur) verlangt, dass er über eine Räumlichkeit verfügt, die unter anderem zur Präsentation von Särgen geeignet ist. Eine Verpflichtung zur Präsentation oder Bereithaltung eines Sarges in diesen Räumlichkeiten besteht nach dieser Norm nicht, zumal Bestatter gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 iVm § 1 Abs. 3 der Standesregeln für Bestatter zur Herstellung, Beistellung, Lieferung und zum Verkauf der erforderlichen Einrichtungen und Gegenstände (wie zB Särge, Urnen, Sargausstattung, Trauerdekoration) zur Durchführung der in Abs. 2 genannten Tätigkeiten zwar berechtigt, nicht jedoch verpflichtet sind. Davon ausgehend stellt aber die fehlende Bereithaltung eines "Standardsarges" bzw. von Unterlagen über einen solchen in den Betriebsräumlichkeiten des Bestatters keinen Verstoß gegen die sich aus § 10 Abs. 2 Z 4 der Standesregeln für Bestatter ergebende Verpflichtung dar.
4.5. Indem das Verwaltungsgericht den zu Spruchpunkt 2. festgestellten Sachverhalt, nämlich das fehlende Vorhandensein eines Standardsarges bzw. das fehlende Angebot von Unterlagen über einen solchen, unrichtigerweise als Verstoß gegen § 10 Abs. 2 Z 4 der Standesregeln für Bestatter qualifizierte und darauf die Verhängung der Geldstrafe gemäß § 367 Z 22 iVm § 69 Abs. 2 GewO 1994 gründete, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, was zur Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im Umfang des angefochtenen Spruchpunktes 2. führen muss.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am