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VwGH vom 24.03.2011, 2011/23/0065

VwGH vom 24.03.2011, 2011/23/0065

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/23/0067

2011/23/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden 1. des D A, geboren 1965,

2. der A A, geboren 1970, 3. des R A, geboren 1993, 4. der A A, geboren 1995, 5. der A A, geboren 2003, und 6. der J A, geboren 2005, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 230.177/2/7E-IX/27/03, (ad 1., protokolliert zur hg. Zl. 2011/23/0065), vom , Zlen. 230.178/1/4E-IX/27/03 (ad 2.), 240.784/0/3E-IX/27/03 (ad 3.) und 240.785/0/3E-IX/27/03 (ad 4.; protokolliert zur hg. Zl. 2011/23/0066), sowie vom , Zlen. 261.338/0/2E-IX/27/05 (ad 5.) und 263.208/0/2E-IX/27/05 (ad 6.), in der Fassung des Berichtigungsbescheids vom , Zlen. 261.338/0/3E-IX/27/05 (ad 5.) und 263.208/0/3E-IX/27/05 (ad 6.; protokolliert zur hg. Zl. 2011/23/0067), betreffend Zurückweisung eines Asylantrags wegen entschiedener Sache (ad 1.), §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (ad 2. bis 4.) bzw. §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (ad 5. und 6.; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

1. Der zweitangefochtene Bescheid (betreffend zweit-, dritt- und viertbeschwerdeführende Partei) wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

2. Der drittangefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Ausweisung der Fünft- und Sechstbeschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kirgisistan verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der zweit-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Partei sowie der fünft- und sechstbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 2.212,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde wird im Übrigen abgelehnt.

Ein Aufwandersatz im Verfahren des Erstbeschwerdeführers findet nicht statt.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien sind (nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren) Staatsangehörige von Kirgisistan. Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet und die Eltern der übrigen beschwerdeführenden Parteien.

Der Erstbeschwerdeführer stellte am seinen dritten Asylantrag im Bundesgebiet, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen wurde. Unter einem wurde die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers nach Kirgisistan gemäß § 8 AsylG festgestellt.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid und wies den diesem zugrunde liegenden Asylantrag des Erstbeschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unzulässig zurück.

Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin beantragten am - bezogen auf diesen (dritten) Asylantrag des Erstbeschwerdeführers - die Asylerstreckung.

Diese Anträge wurden mit dem im Instanzenzug ergangenen, zweitangefochtenen Bescheid gemäß §§ 10, 11 AsylG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass der Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. August (richtig: 23. Juli) 2003 "keine Folge gegeben" und diesem somit kein Asyl gewährt worden sei, weshalb der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Partei auch kein Asyl durch Erstreckung habe gewährt werden können.

Die Fünft- und die Sechstbeschwerdeführerin stellten am bzw. am im Familienverfahren - jeweils bezogen auf den oben dargestellten Antrag des Erstbeschwerdeführers - Anträge auf Gewährung desselben Schutzes, ohne eigene Fluchtgründe geltend zu machen.

Mit dem mit Bescheid vom berichtigten, im Instanzenzug ergangenen drittangefochtenen Bescheid wurden diese Anträge gemäß § 7 AsylG abgewiesen, das Refoulement nach § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und die Fünft- und die Sechstbeschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2) AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kirgisistan ausgewiesen.

Die Ausweisung begründete die belangte Behörde damit, dass die Fünft- und Sechstbeschwerdeführerin keine familiären Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten, weil auch den Familienangehörigen von Fünft- und Sechstbeschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht nur wegen ihrer Asylverfahren zukomme. Es könne daher nicht angenommen werden, dass die Ausweisung von Fünft- und Sechstbeschwerdeführerin gegen Art. 8 EMRK verstoße.

Gegen die Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zu I.:

1. Gemäß § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG (in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) gelten die der Sache nach mit einem als unzulässig zurückgewiesenen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesenen Asylantrag verbundenen Asylerstreckungsanträge, sofern der Betroffene nach Belehrung über die Folgen nicht ausdrücklich darauf verzichtet hat, als Asylanträge. Dies betrifft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur den Fall einer Zurückweisung des Asylantrags aus den Gründen der §§ 4, 5 AsylG, sondern auch eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 98/20/0581 bis 0583, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der Asylantrag des Erstbeschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang nicht beachtet, dass die zweit- bis viertbeschwerdeführende Partei auf die in § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG angeordnete Umdeutung ihrer Erstreckungsanträge in Asylanträge für den Fall der Zurückweisung des Asylantrags des Erstbeschwerdeführers nicht verzichtet haben. Die belangte Behörde hätte daher die die gesetzlich angeordnete Umdeutung missachtenden erstinstanzlichen Bescheide aufzuheben und dem Bundesasylamt die Entscheidung über die Asylanträge der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Partei aufzutragen gehabt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/0742, mwN).

Der zweitangefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2. Mit den im drittangefochtenen Bescheid verfügten Ausweisungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Aufgrund der asylrechtlichen Ausweisungen erscheint es möglich, dass die Fünft- und die Sechstbeschwerdeführerin das Bundesgebiet ohne ihre Eltern zu verlassen haben. Die Ausweisung stellt somit einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben der Beschwerdeführerinnen zu ihren Eltern dar, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/1054, verwiesen werden.

Der drittangefochtene Bescheid war aus den dort dargelegten Gründen insoweit, als damit die Ausweisung der Fünft- und Sechstbeschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kirgisistan verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - abgesehen von den unter I. der Entscheidungsgründe behandelten Fragen - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden liegen nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im übrigen Umfang abzulehnen.

Den Verfahrensaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof im Verfahren des Erstbeschwerdeführers habe die Parteien in diesem Fall selbst zu tragen (§ 58 Abs. 1 VwGG).

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-92776