VwGH vom 13.09.2016, Ra 2015/03/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des H H in B, vertreten durch Brandtner Doshi Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl LVwG- 367-001/R4-2014, betreffend Bordellbewilligung nach dem Vorarlberger Sittenpolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadt Hohenems; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Am beantragte der Revisionswerber beim Bürgermeister der Stadt Hohenems die Bewilligung eines Bordells mit Standort in H. Diesen Antrag modifizierte er mit Eingabe vom in einen Antrag auf Vorprüfung nach § 7 Vbg Sittenpolizeigesetz, ob die Voraussetzungen für eine Bordellbewilligung vorliegen.
2 Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Stadt Hohenems den Antrag ab; eine dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers sowie eine gegen die Berufungsentscheidung der Berufungskommission der Stadt Hohenems vom eingebrachte Vorstellung an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH) blieben erfolglos.
3 Gegen den abweisenden Vorstellungsbescheid der BH erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom , B 45/2013-9, aufhob.
Unter Bezugnahme auf § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz, wonach die Behörde eine Bordellbewilligung erteilen kann, wenn dies geeignet erscheint, durch gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufene Störungen einzuschränken, führte der Verfassungsgerichtshof aus, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid den Begriff "Störungen" in einer Weise ausgelegt, die den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt habe. Sie verkenne nämlich, dass es sich bei Störungen, die ihren Ursprung in illegaler Wohnungsprostitution haben, selbst dann, wenn diese bloß vereinzelt auftritt und als solche in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, um "Störungen" im Sinn des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz handle. Die Auffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass "Störungen" nach § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz erst dann gegeben seien, wenn hinreichend Beschwerden von Anrainern oder Nachbarn vorlägen, die die "Störungen" indizieren bzw belegen (solche Beschwerden wurden von der belangten Behörde fallbezogen verneint), sei denkunmöglich; denn es genüge die Eignung der Wohnungsprostitution, derartige Störungen hervorzurufen. Die belangte Behörde habe dem § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz somit einen zu engen, die illegale Wohnungsprostitution nicht ausreichend berücksichtigenden Inhalt unterstellt.
4 Mit Ersatzbescheid vom gab die BH Dornbirn der Vorstellung Folge, hob den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Hohenems vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt Hohenems zurück.
5 Mit Bescheid vom wies die Berufungskommission der Stadt Hohenems die Berufung des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Hohenems vom erneut ab. Sie führte unter anderem aus, das Ermittlungsverfahren habe zu dem Schluss geführt, dass in H selbst derzeit kein illegales Bordell bekannt sei. In der Vergangenheit sei es vereinzelt zu Strafverfahren wegen illegaler Prostitution, welche im Ortsgebiet von H ausgeübt worden sei, gekommen. Wie durch den Revisionswerber richtig dargetan und durch die Sicherheitsbehörden bestätigt worden sei, gebe es auch in H vereinzelt "Störungen" durch gewerbsmäßige Unzucht. Vor dem Hintergrund des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetzes sei jedoch maßgeblich, ob durch die Genehmigung eines Bordells die durch die gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufenen Störungen eingeschränkt werden könnten. Diese Ermessensentscheidung erfordere eine Abwägung aller Argumente für oder gegen eine derartige Einrichtung. Wenn von Seiten des Revisionswerbers argumentiert werde, dass durch die Errichtung eines legalisierten Bordells die Wohnungsprostitution eingeschränkt werden würde, gebe es hierfür keine hinreichenden Belege. Es sei allgemein bekannt, dass es im grenznahen Raum sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zahlreiche offizielle Bordelle gebe. Auch in den anderen Bundesländern Österreichs würden legale Bordelle betrieben. Dennoch gebe es auch in diesen Bundesländern zahlreiche Probleme mit der illegalen Prostitution. Dass durch die Genehmigung eines Bordells in H die Störungen aus der gewerbsmäßigen Unzucht im Ortsgebiet einschränkt werden könnten, könne vor diesen allgemein bekannten Tatsachen nicht Stand halten, insbesondere wenn berücksichtigt werde, dass es nach Auskunft der BH Dornbirn wegen Übertretungen nach dem Sittenpolizeigesetz in den letzten fünf Jahren lediglich zu sechs Verwaltungsstrafverfahren gegen Prostituierte und einem Strafverfahren gegen einen Vermieter gekommen sei. Vielmehr würde Wohnungsprostitution auch weiterhin neben einem Bordell bestehen bleiben. Die Berufungskommission sehe daher die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Bordells nach § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz als nicht erfüllt an.
6 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für unzulässig.
7 Begründend führte das LVwG aus, im Verfahren sei - unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes - zu klären gewesen, ob die Bewilligung eines Bordells im Gemeindegebiet von H geeignet sei, durch gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufene Störungen einzuschränken, wobei unter dem Begriff "Störungen" auch solche zu verstehen seien, die ihren Ursprung in illegaler Wohnungsprostitution hätten, auch wenn diese bloß vereinzelt auftrete und als solche in der Öffentlichkeit in Erscheinung trete. Vom LVwG sei eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden, in welcher ein namentlich genannter Zeuge der Landespolizeidirektion Vorarlberg einvernommen worden sei. Dieser habe deponiert, dass im Stadtgebiet von H nach vorliegendem Erkenntnisstand keine illegale Prostitution ausgeübt werde. Es sei auch kein offener Straßenstrich feststellbar. Ebenso lägen keine konkreten Hinweise auf Wohnungsprostitution im Gemeindegebiet von H vor; lediglich betreffend das gesamte Gebiet von Vorarlberg gebe es vereinzelte Hinweise auf Wohnungsprostitution. Es sei davon auszugehen, dass durch das Betreiben eines legalen Bordells die Wohnungsprostitution in H, wenn eine solche bestehen würde, nicht vollständig zurückgedrängt würde. Das LVwG habe weiters erheben können, dass im Zeitraum von 2012 bis 2015 vor der BH Dornbirn als zuständiger Verwaltungsstrafbehörde lediglich im Jahr 2013 ein Verwaltungsstrafverfahren betreffend die Ausübung der Wohnungsprostitution in H abgeführt worden sei.
Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens stehe somit fest, dass es im Stadtgebiet von H über einen mehrjährigen Beobachtungszeitraum weder zu Störungen gekommen sei, die ihren Ursprung in illegaler Wohnungsprostitution hätten, noch zu Störungen gekommen sei, die durch gewerbsmäßige Unzucht (Prostitution) hervorgerufen worden seien und als solche in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten seien. An dieser Beurteilung ändere der Umstand nichts, dass im Jahr 2013 ein Verfahren wegen Ausübung der Wohnungsprostitution in H abgeführt worden sei, da es dadurch - so die Ausführungen des einvernommenen Zeugen - jedenfalls zu keinen in der Öffentlichkeit in Erscheinung getretenen Störungen gekommen sei. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Genehmigung eines Bordells die durch gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufenen Störungen im Sinne des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz eingeschränkt werden könnten. Dafür sprächen die vom genannten Zeugen erhobenen Erfahrungswerte, wonach sowohl in anderen Bundesländern Österreichs als auch in der Ost-Schweiz, wo sich genehmigte Bordelle befänden, weiterhin illegale Prostitution betrieben werde und sogar Straßenprostitution feststellbar sei. Der Revisionswerber sei diesem Erhebungsergebnis insofern entgegengetreten, als er auf mehrere Kontaktanzeigen in den Vorarlberger Nachrichten hingewiesen habe, mit denen sich Prostituierte unter der Ortsangabe "H" und einer Mobiltelefonnummer angeboten hätten. Die kontaktierten Frauen hätten ihm gegenüber auch zugesagt, dass sie aus dem Raum H seien und jederzeit nach H zu einem Hotel- oder einem Privatbesuch kommen würden. Er habe einen Vermerk vom Mai 2015 vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass zumindest drei der telefonisch kontaktierten Prostituierten bereit gewesen seien, Hausbesuche in H zu machen. All diesen Inseraten und "Anruflisten" sei gemein, dass die darin angeführten Mobiltelefonnummern nicht zweifelsfrei dem Stadtgebiet von H zuzuordnen seien. Selbst die in Printmedien geschalteten Inserate, in denen unter anderem "H" angegeben sei, ließen nicht zwingend den Schluss zu, dass gerade dort die Wohnungsprostitution ausgeübt werde. Die bloße Schaltung dieser Inserate sei auch nicht als Störung im Sinne des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz zu werten.
8 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das LVwG abschließend damit, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche das Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer derartigen Rechtsprechung oder liege eine uneinheitliche Rechtsprechung vor. Es gebe auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
In ihr wird im Wesentlichen geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, was unter "Störungen" im Sinne des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz zu verstehen ist. Die dazu vorgenommene Gesetzesauslegung des LVwG sei zu eng und somit falsch. Unter einer "Störung" könne nicht nur die illegale Prostitution gemeint sein, sondern es fielen darunter auch Unzulänglichkeiten wie Gesundheitsschädigungen, Menschenhandel und Zuhälterei, Abgabenverkürzungen in diesem Bereich und die mangelnde soziale Absicherung von Prostituierten.
10 Hinzu komme, dass die Berufungskommission der Stadt Hohenems in ihrem Bescheid selbst zugestanden habe, dass es in H "Störungen" durch gewerbsmäßige Unzucht gebe. Das Bestehen der illegalen Prostitution in H sei im Verfahren vor dem LVwG nicht strittig und auch nicht Gegenstand der Beschwerde gewesen. Das LVwG habe deshalb mit seiner Entscheidung den zulässigen Prüfungsumfang gemäß § 27 VwGVG überschritten bzw fehle dazu höchstgerichtliche Rechtsprechung.
11 Ferner basiere das bekämpfte Erkenntnis auf erheblichen Verfahrensmängeln und Aktenwidrigkeit. Die Annahme des LVwG, wonach es in H keine Störungen im Sinne des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz geben solle, widerspreche nicht nur den Behauptungen der vor dem LVwG belangten Behörde, sondern auch den Beweisergebnissen und der für jeden offensichtlichen Realität. Das Gericht setze sich in Verkennung der Rechtslage über eindeutige Beweise hinweg. Es gebe Inserate, in denen H ausdrücklich genannt werde, und es gebe Aussagen über angebotene illegale Prostitution in H. Ohne nachvollziehbare Begründung sei dies ignoriert worden; Beweisanträge des Revisionswerbers seien zu Unrecht abgelehnt worden.
12 Der Revisionswerber beantragt daher, das angefochtene Erkenntnis "gemäß § 42 Abs 2 Z 1, 2 oder 3 VwGG" aufzuheben, hilfsweise dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Bewilligung eines Bordells stattgegeben werde. Gleichzeitig regte er an, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Prüfung des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz wegen Verfassungswidrigkeit zu stellen bzw dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Auslegung des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz durch das LVwG eine "europarechtswidrige Verwaltungspraxis und § 5 Vbg SittenpolizeiG an sich eine europarechtswidrige Norm" darstelle.
13 Die Stadt Hohenems und das Land Vorarlberg erstatteten Revisionsbeantwortungen und beantragten, die Revision nicht zuzulassen, hilfsweise sie abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist mit Blick auf die in den Rz 9 und 11 dieses Erkenntnisses wiedergegebene Zulassungsbegründung zulässig; sie ist auch begründet.
15 Die Bestimmungen des Vorarlberger Gesetzes über Angelegenheiten der Sittenpolizei, LGBl Nr 6/1976 in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung LGBl Nr 1/2008 (Vbg Sittenpolizeigesetz) lauten auszugsweise:
"§ 5 Bordellbewilligung
Die Behörde kann durch Bescheid die Überlassung von Räumen eines bestimmten Gebäudes zum Anbieten und zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht bewilligen, wenn dies geeignet erscheint, durch gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufene Störungen einzuschränken.
(...)
§ 7 Vorprüfung
(1) Auf schriftlichen Antrag hat die Behörde eine Vorprüfung durchzuführen. Ein solcher Antrag hat die im § 8 Abs. 2 erster Satz bestimmten Angaben zu enthalten.
(2) Bei der Vorprüfung hat die Behörde festzustellen, ob die in den §§ 5 und 6 Abs. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen gegeben sind.
(3) Wird der Antrag nicht zurückgewiesen oder abgewiesen, so hat die Behörde festzustellen, dass die Voraussetzungen gemäß den §§ 5 und 6 Abs. 1 bis 3 erfüllt sind. (...)"
16 Der Verfassungsgerichtshof hat in dem in dieser Rechtssache ergangenen Erkenntnis vom , B 45/2013- 9, ausgeführt, dass das Betreiben eines bewilligten Bordells als eine auf wirtschaftlichen Ertrag gerichtete Tätigkeit dem Grundrecht der Freiheit der Erwerbstätigkeit unterfällt. Eine Beschränkung dieses Grundrechts, wie sie § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz vornimmt und die darin gelegen ist, dass eine Ausnahmebewilligung für ein Bordell nur dann vorgesehen ist, wenn "Störungen" auftreten, sah der Verfassungsgerichtshof aber als ein durch das öffentliche Interesse gebotenes, zur Zielerreichung geeignetes und adäquates Mittel an, weshalb diese Beschränkung - entgegen den Bedenken des Revisionswerbers - verfassungsrechtlich zulässig sei. Den geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit des angeordneten Grundrechtseingriffs begegnete der Verfassungsgerichtshof mit dem Hinweis darauf, dass der Begriffsinhalt von "Störungen" im Auslegungsweg zu ermitteln sei.
17 Ausgehend davon sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, aus Anlass der vorliegenden Revision - wie vom Revisionswerber angeregt - den Verfassungsgerichtshof mit einem Gesetzesprüfungsantrag in Bezug auf die vom Verfassungsgerichtshof bereits behandelten verfassungsrechtlichen Fragen zu befassen. Auch die geltend gemachten unionsrechtlichen Bedenken (unzulässige regulatorische Barrieren zur Ausübung einer Dienstleistung), die nach dem Dafürhalten des Revisionswerbers ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union rechtfertigen sollen, werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.
18 Aufgrund der Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Vorerkenntnis geht der Verwaltungsgerichtshof weiters davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof die Bewilligung eines Bordells bei Vorliegen von Störungen, die durch eine Bordellbewilligung eingeschränkt werden können, nicht in das Ermessen der Behörde gestellt hat, zumal dem Vbg Sittenpolizeigesetz für eine solche Ermessensübung keine (weiteren) Kriterien entnommen werden können (vgl zum Erfordernis einer gesteigerten Determinierung von Normen bei "eingriffsnahen Gesetzen" etwa Berka , Verfassungsrecht6 (2016), Rz 507, mwN). Vielmehr lassen die rechtlichen Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im Vorerkenntnis, die auch für das vorliegende Verfahren Bindung entfalten, darauf schließen, dass die Behörde bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung eine solche nicht bloß erteilen kann, sondern zu erteilen hat.
19 Zur Frage, welche durch gewerbsmäßig Unzucht hervorgerufenen Störungen im Sinn des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz in Betracht zu ziehen sind, führte der Verfassungsgerichtshof im bereits mehrfach zitierten Vorerkenntnis in dieser Rechtssache wörtlich Folgendes aus:
"Selbst wenn es zutrifft, dass lediglich Störungen der ‚örtlichen Gemeinschaft' (vgl. Art. 118 Abs. 2 iVm Abs. 3 Z 8 B-VG) unter diesen Begriff fallen, verkennt die belangte Behörde, dass es sich bei Störungen, die ihren Ursprung in illegaler Wohnungsprostitution haben (...) um ‚Störungen' iSd § 5 Vbg. SittenpolizeiG handelt."
20 Daraus erhellt, dass jedenfalls Formen der illegalen Wohnungsprostitution als "Störungen" nach § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz anzusehen sind, darüber hinaus aber auch andere Störungen der örtlichen Gemeinschaft, deren Abwehr also im örtlichen Interesse der betroffenen Gemeinde liegen, und die mit gewerbsmäßiger Unzucht verbunden sind. Dazu gehören vor allem jene mit der illegalen Prostitution verbundenen Missstände, die in den Materialien zum Vbg Sittenpolizeigesetz als Begründung für die Erlaubnis "streng überwachte(r) Bordellprostitution" angeführt werden (vgl RV 27 BlgLT (Vbg) 22. GP, 809):
"Als besonderer Vorteil (der Bordellprostitution) wird anerkannt, dass die Prostitution in ordentlich geführten Dirnenhäusern am wenigsten kriminalisiert ist, während die Begleitkriminalität bei der Straßenprostitution am höchsten ist. Die Bordellprostitution ermöglicht zudem eine intensive Überwachung und Kontrolle in sitten- und gesundheitspolizeilicher Hinsicht, erleichtert die Bekämpfung der geheimen Prostitution und behindert das bei der Straßenprostitution aus mehreren Gründen unvermeidbare Auftreten der Zuhälter in der Öffentlichkeit (.) Die Gefährdung und Belästigung unbeteiligter Personen erscheint gleichfalls geringer."
21 In diesem Sinne setzt eine Bordellbewilligung nach § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz daher voraus, dass Störungen der genannten Art in Bezug auf die betroffene örtliche Gemeinschaft, die durch die Bewilligung eines Bordells eingeschränkt werden können, identifiziert werden. Nicht erforderlich ist für die Bewilligung hingegen eine Prognose, dass die "Störungen" dadurch - wie die Fachabteilung des Vorarlberger Landeskriminalamtes gegenüber dem LVwG im Ergebnis verneinte - vollständig zurückgedrängt oder beseitigt würden. Aus diesem Grund ist auch der Hinweis des LVwG auf Erfahrungswerte in anderen Bundesländern Österreichs bzw in der Ostschweiz, wonach trotz genehmigter Bordelle weiterhin auch illegale Prostitution betrieben werde und sogar Straßenprostitution feststellbar sei, für sich betrachtet nicht geeignet, einer Bordellbewilligung die Eignung zur Einschränkung der illegalen Prostitution grundsätzlich abzusprechen.
22 Ungeachtet des bisher Gesagten gelangte das LVwG in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass es nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren im Stadtgebiet von H über einen mehrjährigen Beobachtungszeitraum zu keinen Störungen gekommen sei, die durch gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufen worden seien. Ausgehend davon verneinte es die Voraussetzungen für die Bordellbewilligung nach § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz.
23 Die Revision macht in diesem Zusammenhang zunächst zutreffend geltend, dass selbst die Berufungskommission der Stadt Hohenems im angefochtenen Bescheid dem Revisionswerber zugestanden habe, dass es auch in H vereinzelt Störungen durch gewerbsmäßige Unzucht gebe. Soweit sie darin allerdings einen Verstoß des LVwG gegen den Prüfungsumfang bei Beschwerden nach § 27 VwGVG zu erkennen vermeint, ist ihr nicht beizupflichten, weil das LVwG bei seiner Entscheidung auch Sachverhaltselemente, die bei der Prüfung auf Grund der Beschwerde im gerichtlichen Verfahren hervorgekommen sind, seiner Entscheidung zugrunde legen durfte (vgl dazu die grundsätzlichen Ausführungen in ).
24 Die angefochtene Entscheidung des LVwG wäre daher nicht zu beanstanden, wenn sich die in Rz 22 wiedergegebene Beurteilung auf Feststellungen stützen könnte, die vom Verwaltungsgericht in einer den Begründungserfordernissen des § 29 Abs 1 VwGVG entsprechenden schlüssigen Beweiswürdigung auf Grund der Ergebnisse des gerichtlichen Ermittlungsverfahrens getroffen worden wären. Die Revision macht jedoch zu Recht geltend, dass dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft.
Das LVwG stützte seine Feststellungen nämlich ausschließlich auf die Aussage des einvernommenen Zeugen der Fachabteilung des Vbg Landeskriminalamtes, wonach es im Stadtgebiet von H nach dem amtlichen Erkenntnisstand keine illegale Prostitutionstätigkeit gebe. Keine ausreichende Berücksichtigung fand in der Begründung der Entscheidung der schon erwähnte Umstand, dass selbst die Berufungskommission der Stadt Hohenems dem Revisionswerber zugestanden hatte, dass es auch in H vereinzelt Störungen durch gewerbsmäßige Unzucht gebe. Keine hinreichende Auseinandersetzung findet sich in der angefochtenen Entscheidung des LVwG auch damit, dass der Revisionswerber im Verfahren Kontaktanzeigen vom Mai 2015 aus einem Vorarlberger Printmedium vorgelegt hatte, in denen die - offensichtlich als Prostituierte - annoncierenden Frauen neben ihrer Mobilfunknummer auch den örtlichen Hinweis auf "H" gegeben hatten, und der Revisionswerber im Rahmen seiner Einvernahme vor dem LVwG ausgesagt hatte, mit mehreren in Vorarlberger Printmedien annoncierenden Prostituierten telefoniert zu haben, die bereit gewesen seien, die illegale Prostitutionstätigkeit in H durchzuführen. In Bezug auf diese Beweisergebnisse führte das LVwG in der angefochtenen Entscheidung lediglich aus, dass die angeführten Mobiltelefonnummern nicht zweifelsfrei dem Stadtgebiet von H zuzuordnen seien, der Hinweis auf "H" in den Anzeigen nicht zwingend den Schluss zulasse, dass gerade dort die Wohnungsprostitution ausgeübt werde, und die bloße Schaltung von Inseraten allein nicht zwingend bedeute, dass es sich hierbei um eine Störung im Sinn des § 5 Vbg Sittenpolizeigesetz handle. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht nicht begründet hat, welchen denkmöglichen - vom Ort der angebotenen Prostitution unterschiedlichen - Inhalt es dem örtlichen Hinweis auf "H" in den Kontaktanzeigen von Prostituierten unterstellen zu können vermeint, findet sich in der Begründung der angefochtenen Entscheidung überhaupt keine Auseinandersetzung mit der Aussage des Revisionswerbers, wonach ihm die gewerbsmäßige Unzucht im Stadtgebiet von H bei mehreren Telefonaten ausdrücklich angeboten worden sei.
25 Aus diesem Grund ist das angefochtene Erkenntnis mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, sodass es wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben war.
26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am