VwGH vom 24.03.2015, Ra 2015/03/0008

VwGH vom 24.03.2015, Ra 2015/03/0008

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2015/03/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. R Z in G, vertreten durch Berlin Partner Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Schwarzstraße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zlen LVwG-1/167/8-2014 und LVwG-1/172/8-2014, betreffend die Übertretung des Salzburger Jagdgesetzes 1993 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom wurde über den Revisionswerber wegen Übertretung des § 62 Salzburger Jagdgesetz 1993 (JG) gemäß § 158 Abs 1 Z 8 JG eine Geldstrafe von EUR 50,-- (12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, am in einer näher bezeichneten Eigenjagd einen fünfjährigen Rehbock der Klasse I erlegt und dadurch den im Abschussjahr 2013 im Abschussplan festgelegten Höchstabschuss bei Rehböcken der Klasse I bzw II missachtet zu haben. Gleichzeitig wurde gemäß § 159 Abs 1 JG der Verfall der Trophäe verfügt.

2. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass im gegenständlichen Eigenjagdgebiet im Jagdjahr 2013 unter anderem zwei Rehböcke der Klassen I oder II im Höchstabschuss freigegeben gewesen seien. Aus der Abschussliste dieses Reviers ergebe sich, dass am ein Rehbock der Klasse II und am ein Rehbock der Klasse I erlegt worden seien. Damit sei der Höchstabschuss hinsichtlich der Rehböcke der Klassen I und II im Revier erfüllt worden, sodass die Erlegung des Rehbocks der Klasse I vom eine Überschreitung des Höchstabschusses darstelle.

Dieser zuletzt genannte Abschuss sei von einem Beauftragten des Revisionswerbers gemeldet worden, ohne dafür im Abschussmeldeprogramm das Feld "Hegeabschuss" zu markieren. Auch nachdem der Hegemeister den Meldungsleger auf die Abschussplanüberschreitung aufmerksam gemacht habe, sei diesem gegenüber nie etwas von einem Hegeabschuss erwähnt worden. Erstmals in einem e-Mail vom , mit welchem Selbstanzeige betreffend die Erlegung des verfahrensgegenständlichen Rehbocks gemacht worden sei, habe der Revisionswerber erwähnt, dass dieser Rehbock am rechten Vorderlauf geschont habe.

Damit stehe für das LVwG fest, dass der Erleger des Rehbocks vom seiner Verpflichtung nach § 56 JG zur unverzüglichen Meldung des Hegeabschusses unter Angabe der näheren Umstände an den Hegemeister nicht gesetzeskonform nachgekommen sei. Damit stelle die Erlegung des verfahrensgegenständlichen Rehbocks auch keinen Hegeabschuss im Sinne des § 56 JG dar.

Das LVwG vertrete die Ansicht, dass die Meldung nach § 56 Abs 1 JG neben der Abschussmeldung zu erfolgen habe. Diese Verpflichtung treffe in erster Linie den Erleger und könne nicht dadurch ersetzt werden, dass ein Mitjäger eines Reviers zu einer solchen Meldung beauftragt werde. Wenngleich das Schonen des Vorderlaufs einen Hegeabschuss begründen könne, treffe den Erleger bei derart kapitalen Trophäenträgern eine besondere Verpflichtung zur Mitteilung der näheren Umstände an den Hegemeister und insbesondere zur Vorlage des gesamten Stückes, um diesen Abschuss auch durch eine tierärztliche Bestätigung im Nachhinein rechtfertigen zu können.

3. Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, in der - wie schon im Verwaltungsstrafverfahren - geltend gemacht wird, vor dem strittigen Abschuss habe der Revisionswerber bemerkt, dass der Rehbock seinen rechten Vorderlauf schone. Gemäß § 56 JG sei Wild, das augenscheinlich krank sei, auch während der Schonzeit zu erlegen. Nach Erlegung habe der Revisionswerber keine augenscheinliche Verletzung des Rehbocks feststellen können. Der Abschuss sei dem zuständigen Hegemeister gemeldet worden und dieser habe weder die Vorlage des Rehbocks noch die Vorlage einer tierärztlichen Bescheinigung verlangt. Der Revisionswerber sei damit exkulpiert. Die Rechtsansicht des LVwG, wonach der Revisionswerber nicht gesetzeskonform gehandelt habe, weil er die Meldung nach § 56 Abs 1 JG nicht selbst vorgenommen, sondern eine andere Person damit beauftragt habe, sei aus näher dargestellten Gründen unrichtig.

4. Die Bezirkshauptmannschaft Hallein hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision abzuweisen.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Jagdgesetzes 1993 (JG) lauten auszugsweise:

"Ausnahmen von den Schonvorschriften

§ 56 (1) Wild, das infolge einer Verletzung an großen Qualen leidet, seuchenverdächtig oder augenscheinlich krank ist, ist auch während der Schonzeit zu erlegen. Die Erlegung ist unverzüglich unter Angabe der näheren Umstände dem Hegemeister und bei Seuchenverdacht (§ 74 Abs. 1) auch der Jagdbehörde zu melden. Das erlegte Wild oder die verletzten Teile davon sind über Verlangen des Hegemeisters vorzulegen. Dieser kann auch die Vorlage einer tierärztlichen Bestätigung über Verletzung oder Krankheit verlangen.

(...)

Erlassung der Abschusspläne

§ 60 (1) Die Landesregierung hat auf die Dauer von längstens drei Jahren mit Verordnung für jeden Rot-, Gams- und Steinwildraum die Abschüsse, die jährlich mindestens durchgeführt werden müssen (Mindestabschüsse), soweit erforderlich auch aufgegliedert nach Geschlechtern und Altersklassen, sowie die Aufteilung dieser Abschüsse auf die einzelnen Wildregionen festzulegen. Soweit erforderlich, können auch die Abschüsse, die höchstens durchgeführt werden dürfen (Höchstabschüsse) festgelegt werden.

(...)

Einhaltung des Höchstabschusses

§ 62 Jede Überschreitung der im Abschußplan festgelegten Höchstabschüsse (§ 60) ist untersagt. Die Überschreitung nach Zahl oder Klasse der Wildstücke ist vom Hegemeister der Jagdbehörde und der Bezirksjägerschaft unverzüglich anzuzeigen.

(...)

Strafbestimmungen

§ 158 (1) Soweit die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 10.000 EUR zu bestrafen, wer


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1.
(bis) 7. (...)
8.
den festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt (§ 61 Abs 1), den festgelegten Höchstabschuss überschreitet (§ 62) oder sonst den §§ 59 bis 62 oder den im Abschussplan getroffenen Festlegungen zuwiderhandelt;
9.
(bis) 32. (...)

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht auch und ist mit einer Geldstrafe bis 3.000 EUR zu bestrafen, wer den Bestimmungen der §§ (...) 56 Abs 1, (...), den hiezu erlassenen Verordnungen oder besonderen behördlichen Anordnungen zuwiderhandelt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit ist in diesen Fällen eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche zu verhängen.

(...)

Verfall und Einziehung von Gegenständen § 159 (1) Bei Übertretungen der §§ 70 Abs. 3 lit. a

und b, 72 und 101 Abs. 1 kann die Jagdbehörde auf den Verfall der verbotenen oder widerrechtlich mitgeführten oder gebrauchten Waffen und Geräte samt Zubehör erkennen. Bei Übertretungen des § 54 ist der Verfall der durch die strafbare Handlung erbeuteten Trophäe auszusprechen; bei Übertretung der §§ 61 bis 64 kann diese Strafe verhängt werden. (...)"

III. Erwägungen


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1.
Die Revision ist zulässig und begründet.
2.
Es ist zwar unstrittig, dass die im Abschussplan 2013 festgelegte Höchstabschusszahl für die strittigen Altersklassen an Rehböcken durch den in Rede stehenden Abschuss überschritten worden ist. Insofern hat der Revisionswerber den Tatbestand des § 158 Abs 1 Z 8 in Verbindung mit § 62 JG objektiv erfüllt, weil danach jede Überschreitung der im Abschussplan festgelegten Höchstabschüsse untersagt ist. Das JG enthält auch keine ausdrückliche Regelung, die einen Hegeabschuss nach § 56 JG von diesem Verbot ausnehmen würde.
3.
Allerdings ordnet § 56 Abs 1 JG an, dass Wild, das infolge einer Verletzung an großen Qualen leidet, seuchenverdächtig oder augenscheinlich krank ist, auch während der Schonzeit zu erlegen ist. Aus diesem Grund käme dem Revisionswerber für den Fall, dass der erlegte Rehbock - wie von ihm behauptet - augenscheinlich krank gewesen ist, der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision zugute, weil ihm zwei einander ausschließende Pflichten oblagen, sodass die Erfüllung der einen Rechtspflicht zwangsläufig zur Verletzung der anderen führen musste. Die Rechtfertigung tritt zwar nur bei Erfüllung der ein höherwertiges oder zumindest gleichwertiges Rechtsgut betreffenden Pflicht in Ansehung der verletzten - jedenfalls nicht überwiegenden - Pflicht ein (vgl , mwN). Es kann aber unter Berücksichtigung der Grundsätze der Weidgerechtigkeit nicht erkannt werden, dass die Pflicht zur Einhaltung des Höchstabschusses jene nach § 56 Abs 1 JG überwiegen würde.
4.
Ausgehend davon kommt der Frage, ob der vom Revisionswerber am erlegte Rehbock augenscheinlich krank gewesen ist, entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Wäre diese Frage zu bejahen, käme eine Bestrafung des Revisionswerbers wegen Überschreitung des Höchstabschusses nach dem bisher Gesagten nicht in Betracht. Selbst wenn sich nach Abschuss des Tieres herausgestellt haben sollte, dass es an keiner derartigen Krankheit gelitten haben sollte, wäre in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob dem Revisionswerber ein möglicher Irrtum über das Vorliegen eines rechtfertigenden Sachverhalts - ex ante betrachtet - vorwerfbar war oder ob er mit gutem Grund von einer augenscheinlichen Krankheit des daraufhin erlegten Bocks ausgehen durfte (vgl zum Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt allgemein Raschauer/Wessely , VStG (2010), Rz 6 zu § 6, und aus der hg Rechtsprechung zur irrtümlichen Annahme eines Notstandes etwa , mwN). Letzterenfalls wäre der Revisionswerber ebenfalls nicht zu bestrafen.
5.
Davon zu unterscheiden ist die sowohl vom LVwG als auch von der Revision abgehandelte Meldepflicht nach § 56 Abs 1 JG. Die Verletzung dieser Pflicht begründet zwar eine Verwaltungsübertretung nach § 158 Abs 2 JG; eine solche ist dem Revisionswerber nach der eindeutigen Formulierung des Spruches des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Hallein im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren aber nicht angelastet worden. Aus diesem Grund kommt es im vorliegenden Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Meldepflicht vom Revisionswerber tatsächlich nicht erfüllt wurde. Unzutreffend ist jedenfalls die Rechtsansicht des LVwG, wegen Verletzung der Meldepflicht komme eine Rechtfertigung des Revisionswerbers wegen eines Hegeabschusses von vornherein nicht in Betracht. Es mag für den Revisionswerber schwierig sein, das Vorliegen des unter Punkt 4. näher umschriebenen Rechtfertigungsgrundes unter Beweis zu stellen, wenn eine Meldung des behaupteten Hegeabschusses und eine anschließende Prüfung des erlegten Tieres nicht stattgefunden hat. Entscheidend für die vom VwG angenommene Übertretung des § 62 JG ist aber nicht die Einhaltung der Meldepflicht, sondern das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes, weshalb das LVwG Feststellungen darüber treffen hätte müssen, ob es dem Revisionswerber in Bezug auf die behauptete augenscheinliche Erkrankung des erlegten Tieres Glauben schenkt.
6.
Da das LVwG derartige Feststellungen aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht zu Unrecht unterlassen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
7.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil vor dem LVwG bereits eine Verhandlung stattgefunden hat.
8.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am