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VwGH vom 18.10.2012, 2011/22/0261

VwGH vom 18.10.2012, 2011/22/0261

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 157.242/2-III/4/11, betreffend Nichtigerklärung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde den dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, von der Bezirkshauptmannschaft K am (nach den Bestimmungen des damals geltenden Fremdengesetzes 1997 - FrG) ausgestellten Niederlassungsnachweis gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 3 Abs. 5 Z 3 und § 11 Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für nichtig.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, gegen den Beschwerdeführer sei im Jahr 1996 unter dem Namen C A von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien im Instanzenzug ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Am sei er in Durchsetzung dieses Aufenthaltsverbotes in sein Heimatland abgeschoben worden.

Am habe der Beschwerdeführer unter dem nunmehr von ihm geführten Namen C T einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner österreichischen Ehefrau eingebracht. Im Zuge der Antragstellung habe er seinen früheren Familiennamen A verschwiegen. In der Folge sei ihm auch unter dem Familiennamen T ein von bis gültiges Visum D ausgestellt worden. Damit sei er in das Bundesgebiet eingereist. Den von ihm beantragten Aufenthaltstitel habe er schließlich mit Gültigkeit vom bis erhalten.

Am habe der Beschwerdeführer - wieder unter dem Namen C T - einen Verlängerungsantrag gestellt. Der beantragte Aufenthaltstitel sei ihm mit Gültigkeit vom bis erteilt worden.

Am sei der am selben Tag gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises bewilligt worden.

Am habe der Beschwerdeführer unter dem Namen C A einen Antrag auf Aufhebung des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes gestellt. Dieser Antrag sei in erster Instanz mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom abgewiesen worden. Das Verfahren über die dagegen eingebrachte Berufung sei noch anhängig.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien habe der Bundesministerin für Inneres mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer bereits früher unter dem Namen C A im Inland aufhältig gewesen sei.

Der dem Beschwerdeführer damals erteilte Aufenthaltstitel "Niederlassungsnachweis" sei im Hinblick auf das mittlerweile geltende NAG nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" anzusehen.

Gemäß § 3 Abs. 5 Z 3 NAG könne der Bundesminister für Inneres die Erteilung eines Aufenthaltstitels und die Ausstellung einer Dokumentation des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrechts in Ausübung seines Aufsichtsrechts nach § 68 Abs. 4 Z 4 AVG mit Bescheid als nichtig erklären, wenn die Erteilung oder Ausstellung durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden sei. Nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG dürften Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG bestehe.

Das gegen den Beschwerdeführer erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot sei immer noch aufrecht.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2002 unter dem Namen C T wieder in Österreich eingereist und habe zuletzt am einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten. Er habe aber im Zuge der Aufenthaltstitelverfahren gegenüber der Niederlassungsbehörde den früheren Familiennamen A verschwiegen.

Im Zuge einer Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Wien habe der Beschwerdeführer am ausgeführt, nichts von einem gegen ihn bestehenden unbefristeten Aufenthaltsverbot gewusst zu haben. Seinen Namen hätte er am in den Namen seines Urgroßvaters geändert, weil "dieser Name ansonsten ausgestorben" wäre. Im Anschluss daran hätte der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Er hätte seinen Angaben zufolge gedacht, lediglich "ein auf wenige Jahre befristetes Aufenthaltsverbot bzw. eine Ausweisung bekommen" zu haben. Der Beschwerdeführer wäre nach seinen Angaben ledig und für ein Kind sowie ein Pflegekind sorgepflichtig. Er wäre weiters von zwei Kindern der Stiefvater.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, er hätte im Zuge der Antragstellung auf Erteilung des Aufenthaltstitels alle personenbezogenen Dokumente vorgelegt, insbesondere auch den "türkischen Nüfus" sowie die Geburtsurkunde. Anhand dieser Urkunden sei die Namensänderung zweifelsfrei ersichtlich. Somit hätte der Beschwerdeführer seine Identität offengelegt und seinen früheren Namen A keinesfalls verschwiegen. Der Umstand, dass er den Familiennamen geändert hätte, würde nicht für die Täuschungsabsicht sprechen. Der Beschwerdeführer hätte auch einen Antrag auf Aufhebung des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes gestellt.

Zu diesem Vorbringen merkte die belangte Behörde zunächst an, dass der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, mit dem ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers rechtsgültig zugestellt worden sei. Es sei somit allein dem rechtsfreundlichen Vertreter oblegen, ihn über die Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes zu informieren. Es sei daher unerheblich, ob die Bundespolizeidirektion Wien ihn im Rahmen einer Vernehmung persönlich über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mit unbefristeter Geltungsdauer in Kenntnis gesetzt habe. Offenbar habe der Beschwerdeführer in der Annahme, dass das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot lediglich befristet worden sei "bzw. auslaufen wird", keinerlei Schritte gesetzt, die tatsächlich festgesetzte Gültigkeitsdauer in Erfahrung zu bringen.

Den Verwaltungsakten sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seine drei Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln unter dem Familiennamen T gestellt habe. Diesen Anträgen seien der Reisepass, die Heiratsurkunde, ein Führungszeugnis und des Personalausweises (bzw. Kopien davon) beigelegt worden, diese hätten aber alle auf den Familiennamen T gelautet. Entgegen den bisherigen Ausführungen sei weder eine Geburtsurkunde noch ein Auszug aus dem türkischen Familienregister vorgelegt worden, aus denen der frühere Familienname A hätte ersehen werden können.

Der eigentliche Grund für die Namensänderung werde im Verfahren von der belangten Behörde weder bewertet noch sei dieser hier relevant.

Relevant sei allerdings, dass der Beschwerdeführer der Aufenthaltsbehörde die Änderung seines Familiennamens verschwiegen habe. Dies habe zur Folge gehabt, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei, welcher ihm auf Grund des bestehenden unbefristeten Aufenthaltsverbotes nicht hätte erteilt werden dürfen. Der Beschwerdeführer habe zumindest in zwei von ihm ausgefüllten Formularen, nämlich jenen vom und , im Feld "frühere Familiennamen" keine Eintragung gemacht. Damit habe er die Aufenthaltsbehörde in die Irre geführt, weil er bis zur Rechtskraft der Änderung seines Familiennamens den Namen A getragen habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es für den Beschwerdeführer in der Erfassung der Bedeutung des Formularfeldes "frühere Familiennamen" eine nicht zu überwindende Schwierigkeit gegeben habe.

Da der Beschwerdeführer bei seinen Antragstellungen seinen früheren Familiennamen nicht bekannt gegeben und die Aufenthaltsbehörde auf Grund der vorgelegten Dokumente auch keine Veranlassung gehabt habe, davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer früher einmal einen anderen Familiennamen geführt haben könnte, liege eine Erschleichung des Aufenthaltstitels im Sinn des § 3 Abs. 5 Z 3 NAG vor. Durch unvollständiges Ausfüllen des Antragsformulares habe der Beschwerdeführer die Aufenthaltsbehörde irregeführt. Er habe wider besseres Wissen lückenhafte Angaben gemacht.

Die Nichtigerklärung bedeute eine intensive Maßnahme, weil ein Eingriff in "einen existenten Rechtsbestand" vorgenommen werde. Es müsse verhältnismäßig dazu die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Betracht gezogen werden, die im Fall des Beschwerdeführers überwiege. Gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG sei die Erteilung des Aufenthaltstitels zwingend zu versagen. Dabei bestehe für eine Beurteilung nach Art. 8 EMRK aber kein Raum, weil § 11 Abs. 3 NAG eine Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK bei Vorliegen des zwingenden Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG nicht vorsehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 und der KM BGBl. I Nr. 16/2011 Anwendung findet.

§ 3 Abs. 5 Z 1 und 3 sowie § 11 Abs. 1 Z 1 NAG (jeweils samt Überschrift) lauten:

"Sachliche Zuständigkeit

§ 3. …

(5) Der Bundesminister für Inneres kann die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 8) und die Ausstellung einer Dokumentation des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrechts (§ 9) in Ausübung seines Aufsichtsrechtes nach § 68 Abs. 4 Z 4 AVG mit Bescheid als nichtig erklären, wenn die Erteilung oder Ausstellung

1. trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 oder

3. durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis

oder eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.

In den Fällen der Z 1 und 2 ist die Nichtigerklärung nur binnen 3 Jahren nach Erteilung oder Ausstellung zulässig.

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG besteht;

…"

Die belangte Behörde begründet die hier gegenständliche Nichtigerklärung auch mit dem bereits bei Erteilung des Aufenthaltstitels vorhanden gewesenen Erteilungshindernis nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG. Die darauf Bezug nehmende Nichtigerklärung stellt sich aber als eine solche gemäß § 3 Abs. 5 Z 1 NAG dar; nicht aber - wie die belangte Behörde offenbar vor Augen hat - gemäß § 3 Abs. 5 Z 3 NAG. Nach § 3 Abs. 5 letzter Satz NAG ist die Nichtigerklärung eines Aufenthaltstitels im Fall (u.a.) des § 3 Abs. 5 Z 1 NAG, also wenn der Aufenthaltstitel trotz des Vorliegens des Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG erteilt wurde, nur binnen drei Jahren nach Erteilung des Aufenthaltstitels zulässig. Der hier der Nichtigerklärung unterworfene Aufenthaltstitel wurde dem Beschwerdeführer den vorliegenden Verwaltungsakten zufolge am ausgehändigt und mit diesem Datum erteilt (beim von der belangten Behörde angenommenen - zeitlich sogar früheren - Erteilungsdatum "" handelt es sich ausweislich der Verwaltungsakten um das Datum der Antragstellung durch den Beschwerdeführer und der Ausfertigung des Aufenthaltstitels durch die Bezirkshauptmannschaft). Eine auf das Erteilungshindernis nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG gestützte Nichtigerklärung war sohin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 NAG schon deswegen nicht zulässig.

Die belangte Behörde hat die Nichtigerklärung in erster Linie allerdings damit begründet, dass der Beschwerdeführer die Erteilung des Aufenthaltstitels im Sinn des § 3 Abs. 5 Z 3 NAG erschlichen habe. Dazu verweist die belangte Behörde im Wesentlichen auf das Verschweigen des früheren Familiennamens durch den Beschwerdeführer. Dies habe er nach Ansicht der belangten Behörde bewusst getan, weil er gewusst habe, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes, falls die Behörde davon Kenntnis erlangt hätte, nicht bewilligt worden wäre.

Betrachtet man den Wortlaut des § 3 Abs. 5 Z 3 NAG ist davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Gründe für die Nichtigerklärung eines Aufenthaltstitels den Wiederaufnahmegründen des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG nachgebildet sind. Vor diesem Hintergrund kann hier die zu § 69 Abs. 1 Z 1 AVG ergangene Rechtsprechung zur Beurteilung, ob ein Erschleichen im Sinn des § 3 Abs. 5 Z 3 NAG vorliegt, herangezogen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG liegt das Erschleichen eines Bescheides dann vor, wenn dieser Bescheid in der Art zustande gekommen ist, dass von der Partei mit Irreführungsabsicht objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gegenüber der Behörde gemacht wurden und diese Angaben dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind. Das Verschweigen wesentlicher Umstände ist dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass es ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt es dieser Verfahrensmangel aus, objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides zu werten. Zusammengefasst müssen sohin drei Voraussetzungen gegeben sein, 1. es müssen objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht worden sein,

2. es muss ein Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde bestehen und 3. es muss Irreführungsabsicht der Partei vorliegen, also eine Behauptung wider besseres Wissen in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen, gemacht worden sein (vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 12ff, mit ausführlichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Aus der unrichtigen oder unvollständigen Ausfüllung eines amtlichen Fragebogens kann fallbezogen auf die Irreführungsabsicht unter bestimmten Umständen geschlossen werden. Lediglich dann, wenn die im Fragebogen enthaltenen Fragen für einen Rechtsunkundigen schwer zu beantworten sind und insbesondere eine schwierige rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts fordern, kann der Schlussfolgerung, durch die unrichtige oder unvollständige Ausfüllung des Fragebogens sei Irreführungsabsicht vorgelegen, entgegengetreten werden (vgl. auch dazu die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 14, enthaltenen Ausführungen und Hinweise auf die hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall ist der Ansicht der belangten Behörde zuzustimmen, dass die in einem Antragsformular enthaltene Frage nach früheren Familiennamen auch für einen Rechtsunkundigen im Regelfall keine besonderen Schwierigkeiten sowohl für die Erfassung des Inhalts dieser Frage als auch die Beantwortung aufwirft. Dass im vorliegenden Fall besondere Umstände vorgelegen wären, die dennoch die gegenteilige Annahme nahegelegt hätten, ist nicht ersichtlich.

Aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Antragsformular zum hier in Rede stehenden Aufenthaltstitel ergibt sich allerdings nicht, dass der Beschwerdeführer auch anlässlich dieser Antragstellung nach früheren Familiennamen gefragt worden wäre. Insbesondere ist dem diesbezüglichen im Verwaltungsakt erliegenden (ausgefüllten) Antragsformular ein darauf Bezug nehmendes vom Antragsteller auszufüllendes Feld nicht zu entnehmen.

Dennoch kann in Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer bereits zuvor zwei Antragsformulare, in denen ausdrücklich nach früheren Familiennamen gefragt wurde, er aber diese Rubrik unbeantwortet gelassen und auf diese Weise diese Formulare unvollständig ausgefüllt hat, letztlich der Schluss der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer seinen früheren Familiennamen sowohl bei den damaligen Antragstellungen als auch bei der zeitlich letzten bewusst verschwiegen habe, um die Niederlassungsbehörde über die Existenz eines unter einem früheren Namen gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes zu täuschen, nicht als unschlüssig erkannt werden. Ausgehend vom Verhalten des Beschwerdeführers ist es aber auch als nachvollziehbar anzusehen, wenn die belangte Behörde seinem Vorbringen, er habe nicht gewusst, dass das Aufenthaltsverbot immer noch aufrecht sei, keinen Glauben geschenkt hat. Aus dem in den Verwaltungsakten erliegenden mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Vernehmungsprotokoll geht im Übrigen hervor, dass er am ausdrücklich darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot am in Rechtskraft erwachsen sei. Bei verständiger Betrachtung kann hingegen nicht davon ausgegangen werden, dem Beschwerdeführer wäre nicht auch die Festlegung der Dauer des Aufenthaltsverbotes (das auch schon im Bescheid der Behörde erster Instanz mit unbefristet festgelegt worden war) bekannt gewesen. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe im Zuge der Antragstellungen Dokumente vorgelegt, aus denen sein früherer Familienname hervorgegangen sei, so entfernt sie sich - ohne einen Verfahrensmangel aufzeigen zu können - vom Inhalt der Feststellungen und vom Inhalt der Verwaltungsakten, insbesondere den darin erliegenden, von ihm den Anträgen beigelegten Urkunden. Sämtlichen Urkunden - insbesondere dem in der Beschwerde angesprochen "Nüfus Cüzdani" (dem türkischen Personalausweis des Beschwerdeführers) - ist lediglich der Familienname T, nicht aber (allenfalls: auch) A zu entnehmen. Der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, die belangte Behörde hätte anhand der Nummer des türkischen Personalausweises weitergehende Nachforschungen zur Identität des Beschwerdeführer anstellen können und müssen, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, bestand doch anhand der damals sonst vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden dazu kein Anlass.

Es ist somit letztlich nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde davon ausging, der Beschwerdeführer habe auch den ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitel - auch wenn das diesbezügliche Antragsformular keine ausdrücklich auf die Bekanntgabe früherer Familiennamen gerichtete Frage enthielt - im Sinn des § 3 Abs. 5 Z 3 NAG erschlichen. Es handelt sich nämlich bei den vom Beschwerdeführer - (auch) bei der letzten Antragstellung - verschwiegenen Angaben um solche, die im Hinblick auf seine Person und sein Vorleben von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung seines Antrages waren. Dass das Unterbleiben dieser Angaben ursächlich für die Erteilung des Aufenthaltstitels war, ist evident und bedarf keiner näheren Erörterung. Wie oben angeführt halten aber auch - unter Bedachtnahme auf die insoweit dem Verwaltungsgerichtshof nur eingeschränkt zukommende Überprüfungsbefugnis - die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde, aus denen sich die Irreführungsabsicht des Beschwerdeführers ergibt, der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.

Die belangte Behörde hat aber die Rechtslage in folgendem Punkt verkannt:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt eine Nichtigerklärung nach § 68 Abs. 4 AVG eine Ermessensentscheidung dar, die auch ausreichend zu begründen ist. Es genügt somit nicht, eine darauf gestützte Nichtigerklärung allein mit der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Nichtigerklärung zu begründen. Vielmehr gilt auch für die Nichtigerklärung nach § 68 Abs. 4 AVG, dass die Behörde - wie für die Fälle des § 68 Abs. 3 AVG im Gesetz ausdrücklich vorgesehen - mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen hat. Der Grundsatz der möglichsten Schonung erworbener Rechte statuiert ein Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in erworbene Rechte. So sind im Zuge der Ermessensübung die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in Bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des Bescheides in Bezug auf die durch das (im Institut der Rechtskraft verkörperte) Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen des Dritten nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0014, mwN).

Dem Beschwerdeführer wurde im Jahr 2004 ein unbefristet gültiger Aufenthaltstitel erteilt. Dieser in Rechtskraft erwachsene Aufenthaltstitel verdrängte als spätere Norm die Rechtswirksamkeit des zuvor erlassenen Aufenthaltsverbotes für die Dauer der Geltung des Titels (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0098, mwN) - hier also auf unbestimmte Zeit.

Da der Beschwerdeführer ausgehend von dem ihm erteilten Aufenthaltstitel zum unbefristeten Aufenthalt und zur Niederlassung in Österreich berechtigt ist, wäre bei der Beurteilung, ob eine Nichtigerklärung dieses Aufenthaltstitels (noch) zulässig ist, auch die Frage zu beantworten, ob dem Fremden mittlerweile eine Aufenthaltsverfestigung im Sinn der diesbezüglichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 zugutekommt. Dürfte gegen ihn infolge Eintritts der Aufenthaltsverfestigung nicht mehr mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorgegangen werden, würde es einen Ermessensmissbrauch darstellen, den Aufenthaltstitel in Anwendung des § 3 Abs. 5 NAG für nichtig zu erklären und auf diese Weise die Konsequenzen einer Aufenthaltsverfestigung zu umgehen. Bei der Nichtigerklärung eines Aufenthaltstitels nach § 3 Abs. 5 NAG ist somit auf eine Aufenthaltsverfestigung Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0027). Eine diesbezügliche Prüfung hat die belangte Behörde aber nicht vorgenommen.

Die belangte Behörde hat zudem im angefochtenen Bescheid zwar darauf hingewiesen, dass sich ein Eingriff in einen existenten Rechtsbestand als verhältnismäßig darstellen müsse. Eine nähere Befassung mit dem darauf Bezug nehmenden Vorbringen des Beschwerdeführers lehnte die belangte Behörde aber unter Hinweis darauf, dass bei Vorliegen eines Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 Z 1 NAG kein Raum für eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK bestehe, ab.

Nach dem oben Gesagten hätte die belangte Behörde aber im Rahmen der Ermessensübung auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, die zu - durchaus für die Beurteilung wesentlichen - persönlichen Bindungen im Bundesgebiet (der Beschwerdeführer verweist auf sein seit nun schon lange Zeit gezeigtes Wohlverhalten, seine nunmehrige die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Lebensgefährtin, die von ihm ein Kind erwarte, und das auch mit den aus einer früheren Beziehung stammenden Kindern seiner Lebensgefährtin bestehende Familienleben, das als "Vater-Kind-ähnliche Beziehung" anzusehen sei) geführt hätten und einer Nichtigerklärung entgegenstünden, eingehen müssen.

Da die belangte Behörde es allerdings in Verkennung der Rechtslage für nicht notwendig erachtete, auf die angeführten Umstände Bedacht zu nehmen, traf sie dazu auch keine ausreichenden Feststellungen, die die diesbezügliche Beurteilung ermöglicht hätten.

Der angefochtene Bescheid war sohin aus den genannten Gründen wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am