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VwGH vom 19.03.2010, 2009/12/0053

VwGH vom 19.03.2010, 2009/12/0053

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des HS in B, vertreten durch JURA Rechtsanwälte Denkmayr Partner OG Dr. Georg Schwarzmayr-Lindinger in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 37a, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BGD-010398/3-2009-Lm, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Berufungsfrist i.A. schulfester Stelle (mitbeteiligte Parteien: 1. BD, 2. BG und 3. EK), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Landeslehrer in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Er bewarb sich am um Verleihung einer der drei im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Oberösterreich 2006/23 vom unter Post-Nr. 223, 224 und 225 ausgeschriebenen schulfesten Lehrerstellen an der Volksschule T.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom wurde die Bewerbung des Beschwerdeführers infolge Verleihung der Stellen an die Mitbeteiligten abgewiesen.

Der Landesschulrat für Oberösterreich verfügte die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer mit RSb. Nach Maßgabe des Rückscheines erfolgte die Zustellung nach einem Zustellversuch am durch Hinterlegung beim Zustellpostamt. Beginn der Abholfrist war der .

Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid anwaltlich vertreten Berufung. Der Briefumschlag, in welchem die Berufung an die erstinstanzliche Dienstbehörde gesendet wurde, trägt den Poststempel vom .

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde diese Berufung als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde in diesem Bescheid aus, nach Maßgabe des Rückscheines gelte die Sendung als am zugestellt. Eine telefonische Anfrage beim Zustellpostamt habe ergeben, dass der Beschwerdeführer die Sendung am behoben habe. Selbst für den Fall, dass bei der Zustellung Mängel unterlaufen sein sollten, worauf jedoch keine Umstände hinwiesen, wären diese gemäß § 7 Abs. 1 des Zustellgesetzes durch das faktische Zukommen des Schriftstückes am geheilt. Die Berufung erweise sich daher als verspätet. Die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdevertreter erfolgte am .

Mit einem Schriftsatz vom (bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt am ) beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, wobei er Folgendes vorbrachte ( Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Fehler im Original ):

"Am hat der Berufungswerber in der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters vorgesprochen und den anzufechtenden Bescheid mit dem Auftrag überbracht, dagegen ein Rechtsmittel zu erheben.

Er hat dabei ausgeführt, der gegenständliche Bescheid sei ihm am zugestellt worden.

In der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters wurde die gegenständliche Rechtssache von Frau Mag. B bearbeitet, zumal diese neben Ihrer Tätigkeit als Rechtsanwaltskonzipientin über einen Abschluss der pädagogischen Akademie verfügt und insbesondere mit Fragen des Schulrechts bestens vertraut ist.

Am verfasste Frau Mag. B die Berufung gegen den Bescheid (durch Diktat auf einen Tonträger).

Sie übergab diese Berufung am an die langjährige Kanzleimitarbeiterin Frau M mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Berufung unverzüglich zu übertragen und dann dem ausgewiesenen Rechtsanwalt Dr. S vorzulegen und sodann umgehend, nämlich längstens am nächsten folgenden Tag () zur Post eingeschrieben aufzugeben.

Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass es langjährige Praxis in der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters ist, Schriftstücke, die binnen einer bestimmten Frist einzubringen sind, eingeschrieben aufzugeben und ferner nicht am 'letzten Tag der Frist', sondern unverzüglich nach Verfassen auch bei der Post einzureichen.

Frau M verfasste auftragsgemäß am die gegenständliche Berufung und legte die zur Korrektur Herrn Rechtsanwalt Dr. S vor, der - geringfügige - Korrekturen anbrachte und die Berufung in weiterer Folge unterfertigte.

Die Berufungsschrift wurde alsdann der Sekretärin, Frau M, wiederum in der Postmappe ausgefolgt.

Durch einen - unerklärlichen - Irrtum legte Frau M die gegenständliche Berufung allerdings nicht in der Postmappe, in welcher die so genannten 'Tagesakte' geordnet sind und die noch am selben Tag zur Post gebracht werden müssen, ab, sondern in der 'Wochenmappe', dass ist diejenige Postmappe, die in der Schriftstücke gelegt werden, die - ohne Beachtung einer Frist - beim nächsten Gang zum Postamt aufgegeben werden.

Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass die Kanzlei der ausgewiesenen Rechtsvertretung in der Bahnhofstraße gegenüber dem Landesgericht in Ried situiert ist, das Postamt ist ca. 1 Kilometer entfernt und besteht zwischen der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters und dem Postamt eine Einbahnstraße (vom Postamt in Richtung Kanzlei), sodass regelmäßig die Schriftstücke von den Sekretärinnen 'zu Fuß' zum Postamt gebracht werden.

Falls an einem Tag keine Schriftstücke, die mit einem Fristvermerk versehen sind (und mithin in die Tagespostmappe eingelegt werden) vorhanden sind, geschieht es regelmäßig, dass die entsprechenden Schreiben etc. 'tageweise' gesammelt zum Postamt gebracht werden, zumal der überwiegende Schriftverkehr per E-Mail oder Fax von der ausgewiesenen Rechtsanwaltskanzlei erledigt wird. Gegenständlich wurde von Frau M - wie erwähnt - die Berufung nicht in die Tagesfristmappe eingelegt, sondern in die 'Wochenfristmappe' und wurde das gegenständliche Schriftstück - offenbar - erst am späten Nachmittag des (Freitag vor den Weihnachtsferien) zur Post gegeben, weshalb auch der Poststempel - wie vom Amt der OÖ Landesregierung im Bescheid vom dar gelegt - erst vom datiert.

Zumal die Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters am geschlossen war und auch die Sekretärinnen hier 'frei bekommen hatten', wurde das Schriftstück nicht am zur Post gegeben, sondern am späten Nachmittag des (nach der dem ausgewiesenen Rechtsvertreter bekannten Praxis des Postamts werden Schriftstücke, die erst nach 15:30 Uhr abgegeben werden, regelmäßig erst am nächsten folgenden Werktag 'abgestempelt'.

Beweis : beiliegende eidesstättige Erklärung der Fr. M Frau M ist seit nunmehr 5 Jahren in der Kanzlei des

ausgewiesenen Rechtsvertreters beschäftigt und überzeugt durch ein ausgesprochen hohes Maß an Gewissenhaftigkeit und Ergeiz. Sie hat bisher - ohne jedweden Grund zur Beanstandung - alle ihr übertragenen Aufgaben umsichtig und zur vollsten Zufriedenheit des ausgewiesenen Rechtsvertreters (und seiner Kollegen) erfüllt. Insbesondere hat sie bist dato immer umsichtig alle Fristakten entsprechend vorgemerkt und bearbeitet und auch regelmäßig dafür gesorgt, dass diese fristgerecht zur Post gegeben werden.

Warum gegenständlich es zu diesem Versehen der Kanzleikraft gekommen ist, ist dieser (und auch den ausgewiesenen Rechtsanwälten) absolut unerklärlich.

Für den Antragsteller (und Berufungswerber) war dieser offensichtliche Irrtum der ausgesprochen zuverlässigen Kanzleikraft jedenfalls unvorhersehbar.

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass es auch in der Vergangenheit noch niemals vorgekommen ist, dass Frau M irgendwelche Fristen übersehen hat oder aber durch ein Versehen ihrerseits ein Antrag auf Wiedereinsetzung (bei Gerichten oder Behörden) gestellt werden musste."

Diesem Antrag war eine eidesstättige Erklärung der M beigefügt, in welcher sie die Richtigkeit der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag bestätigt.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom wurde der in Rede stehende Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, der Wiedereinsetzungsantrag enthalte kein Vorbringen über Kontrollmechanismen, welche die Rechtsanwälte in der Kanzlei des Beschwerdevertreters gegenüber den Mitarbeitern ausübten. Insbesondere habe es schon Mag. B verabsäumt, das genaue Zustelldatum zu ermitteln. Auch sei deren Weisung an M hinsichtlich des Zeitpunktes, zu welchem spätestens die Postaufgabe zu erfolgen habe, zu unpräzise gewesen, zumal sich der Wiedereinsetzungsantrag selbst auf eine Praxis des Postamtes berufe, Schriftstücke, die erst nach 15.30 Uhr abgegeben würden, regelmäßig erst am folgenden Werktag "abzustempeln".

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin vertrat er insbesondere die Auffassung, genauere Anweisungen hinsichtlich des Endzeitpunktes für die Übergabe an das Postamt seien nicht erforderlich gewesen, zumal die Frist ohnedies erst am geendet habe. Eine Überwachung bloß manipulativer Tätigkeiten verlässlicher Kanzleikräfte sei nicht erforderlich. Der in Rede stehende Irrtum sei eben nicht dem ausgewiesenen Rechtsanwalt unterlaufen, sondern der Sekretärin, die an Stelle der Einordnung des Schriftstücks in die "Tagespostmappe" eine solche in die "Wochenpostmappe" durchgeführt habe. Selbstredend sei es auch jeder Kanzleikraft bekannt, bis wann Schriftstücke, die eingeschrieben an einen bestimmten Tag aufzugeben seien, zum Postamt gebracht werden müssten. Genauere Instruktionen hinsichtlich des diesbezüglichen Endzeitpunktes seien daher entbehrlich gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges sowie der angewendeten Rechtsvorschriften Folgendes aus:

"Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Auf das Verschulden des Vertreters ist auch abzustellen, wenn die Fristversäumung auf einen Fehler eines Kanzleiangestellten oder Rechtsanwaltsanwärters des Vertreters beruht. Die Wiedereinsetzung ist in einem solchen Fall nur dann zu bewilligen, wenn dem Vertreter selbst weder eine über einen minderen Grad des Versehens hinausgehende Verletzung seiner Überwachungs- und Kontrollpflichten noch eine mangelhafte Organisation seines Kanzleibetriebes zur Last liegt.

Den Wiedereinsetzungswerber trifft die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was als Grundlage ein entsprechend begründetes Antragsvorbringen voraussetzt. Diese Nachweispflicht bezieht sich auch auf die Darlegung, dass der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter die ihm im Zusammenhang mit der Einhaltung der versäumten Frist gebotene Sorgfaltspflicht nicht außer Acht gelassen hat und dass ihm nicht mehr als bloß ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis zur Last liegt.

Eingangs wird im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, dass Sie am ausgeführt hätten, der Bescheid wäre ihnen am zugestellt worden. Aus Ihrem Vorbringen geht jedoch nicht hervor, dass die bearbeitende Konzipientin oder der genehmigende Rechtsanwalt das genaue Zustelldatum geprüft haben.

Weiters beschreiben Sie im Wiedereinsetzungsantrag detailliert den Ablauf der Organisation der rechtzeitigen Postaufgabe durch die Kanzlei Ihres ausgewiesenen Vertreters durch Einrichtung von Tages- und Wochenpostmappen. Letztere werden vor allem deswegen genutzt, weil der überwiegende Schriftverkehr per E-Mail oder Fax erledigt wird, und daher nicht jeden Tag Poststücke versendet werden müssen.

Der Wiedereinsetzungsantrag enthält aber keinerlei Ausführungen dazu, auf welche Art Ihr ausgewiesener Vertreter seiner Kontrollpflicht, die auch gegenüber Rechtsanwaltsanwärtern besteht, in grundsätzlicher Weise nachgekommen ist bzw. welche Maßnahmen im Kanzleibetrieb gesetzt werden, um das Übersehen einer Fristsache bzw. einen Irrtum bei der Mappenzuordnung zu verhindern.

In Ihrer Berufung vom führen Sie in Bezug zu der bestehenden Systematik der Mappenzuordnung in der ausgewiesenen Anwaltskanzlei lediglich aus, dass ein Irrtum bei der Mappeneinordnung zwar neu, allerdings - im Nachhinein - denkbar und auch nachvollziehbar sei.

Diese Aussage und der Umstand, dass anlassbezogen nunmehr diese Systematik adaptiert wurde, gibt der Berufungsbehörde den berechtigten Anlass, an der Organisation des Kanzleibetriebes der ausgewiesenen Rechtsanwaltskanzlei zu zweifeln.

Im Wiedereinsetzungsantrag begründen Sie die verspätete Postaufgaben der Berufung damit, dass, wie bereits oben ausgeführt, dieses Schriftstück von der Sekretärin versehentlich in die Wochenfristmappe eingeordnet worden sei. Die Post der Wochenmappe sei am späten Nachmittag des (Freitag vor den Weihnachtsferien) zur Post gegeben worden und - wie es der bekannten Praxis des Postamtes 4910 Ried entsprechen würde - am nächsten folgenden Werktag abgestempelt worden.

Entgegen Ihrem Vorbringen wurde jedoch die Berufung vom laut Poststempel nicht am Postamt 4910 Ried sondern am auf dem Postamt 4931 Mettmach aufgegeben.

Im Wiedereinsetzungsantrag weisen Sie im Besonderen auch darauf hin, dass die Kanzlei der ausgewiesenen Rechtsvertretung in der Bahnhofstraße gegenüber dem Landesgericht in Ried situiert ist, das Postamt ca. 1 Kilometer entfernt ist und zwischen der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters und dem Postamt eine Einbahnstraße (vom Postamt in Richtung Kanzlei) besteht, sodass regelmäßig die Schriftstücke von den Sekretärinnen 'zu Fuß' zum Postamt gebracht werden.

Selbst bei einer bloß stichprobenartige Überprüfung der Kanzleimitarbeiterinnen hätte Ihr ausgewiesener Rechtsvertreter feststellen können, dass die Kanzleimitarbeiterinnen die Schriftstücke nicht regelmäßig zum einen Kilometer entfernten Postamt 4910 Ried im Innkreis, sondern wie den Poststempeln der einlangenden Schriftstücke zu entnehmen ist, zum Postamt 4931 Mettmach (Berufung vom ) oder zum Postamt 4950 Altheim (Berufung vom ) gebracht wurden.

Bei Fehlern von Mitarbeitern eines berufsmäßigen Parteienvertreters, im Besonderen eines Rechtsanwaltes, die zur Versäumung einer Prozesshandlung führen, legt die Judikatur einen strengen Maßstab an. Sie verlangt vom Anwalt, dass er gegenüber der ihm als Hilfsapparat zur Verfügung stehenden Kanzlei alle Vorsorgen trifft, um die ordnungsgemäße und firstgerechte Erfüllung der Aufgaben, die ihn aus dem Bevollmächtigungsverhältnis treffen sicherzustellen.

Durch entsprechende Kontrollen ist vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Darlegung enthält, welche Maßnahmen im Kanzleibetrieb gesetzt werden, um das Übersehen einer Fristsache zu verhindern. Es wird lediglich ein System beschrieben, in dem die richtige Mappenzuordnung offensichtlich maßgeblich für die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln und anderen Schriftsätze ist, wobei eine Kontrolle diesbezüglich aber nicht vorgesehen war. Dazu kommt im konkreten Fall, dass seitens des ausgewiesenen Rechtsvertreters auch eine Ermittlung des genauen Zustelldatums des Bescheides unterlassen wurde, obwohl im Hinblick auf die Einhaltung der knappen restlichen Rechtsmittelfrist besondere Aufmerksamkeit geboten gewesen wäre. Darüber hinaus lässt auch die Beschreibung Ihres Rechtsvertreters betreffend die Handhabung der Postaufgabe in seiner Kanzlei, die offensichtlich im Widerspruch zur tatsächlich geübten Praxis der Kanzleimitarbeiter steht, darauf schließen, dass eine hinreichende Aufsicht des Kanzleibetriebes nicht gegeben ist.

Nach Ansicht der Berufungsbehörde geht die Kombination dieser Versäumnisse über einen minderen Grad des Versehens hinaus.

Da Ihnen der Nachweis nicht gelungen ist, dass Ihr ausgewiesener Rechtsvertreter im Zusammenhang mit der Einhaltung der versäumten Frist die gebotene Sorgfaltspflicht nicht außer Acht gelassen hat und Ihren Vertreter nicht mehr als bloß ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis zur Last liegt, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die Mitbeteiligten erstatteten keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 71 AVG lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein

unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die

Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein

Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil

der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

..."

Gemäß § 1 Abs. 1 DVG ist § 71 AVG im Dienstrechtsverfahren

anzuwenden.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken einer verlässlichen Kanzleikraft ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürften. Der Beschwerdeführer sei daher nicht verhalten gewesen, im Wiedereinsetzungsantrag ein entsprechendes Vorbringen über Kontrollmaßnahmen zu erstatten. Der aufgetretene Fehler, nämlich die versehentliche Einreihung des abfertigungsbereiten Beschwerdeschriftsatzes in die "Wochenpostmappe" an Stelle in die "Tagespostmappe" sei daher ausschließlich im Zusammenhang mit dem manipulativen Vorgang der Postabfertigung unterlaufen und liege daher außerhalb des Verantwortungsbereiches des Beschwerdevertreters. Dieser habe nach Durchsicht und Überarbeitung des Berufungsentwurfes diesen ordnungsgemäß unterfertigt und in der erforderlichen Anzahl und samt Beilagen der zuständigen Sekretärin übergeben und sie ausdrücklich angewiesen, den Schriftsatz zur Abfertigung vorzubereiten und spätestens am eingeschrieben aufzugeben.

Dem Beschwerdevorbringen ist Folgendes zu erwidern:

Zunächst ist an die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu erinnern, wonach sich aus § 71 AVG ergibt, dass der Antrag Angaben über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass überdies anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt. In Anbetracht der in § 71 Abs. 2 AVG normierten Befristung des Wiedereinsetzungsantrages ist es jedenfalls unzulässig, diesbezügliche Angaben erst nach Ablauf dieser Frist nachzutragen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/05/0208, und vom , Zl. 2009/12/0031).

Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist grundsätzlich immer der Anwalt selbst verantwortlich, denn er selbst wird die Frist festsetzen, ihre Vormerkung anordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht überwachen müssen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich bei der Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann gegen den Beschwerdeführer auswirkt, wenn auf dessen Seite persönlich kein Verschulden gegeben ist (vgl. die bei Walter/Thienel , Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 191, zu § 71 AVG wiedergegebene Judikatur). Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (a.a.O., E. 253). Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen (a.a.O., E. 270).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hängt die inhaltliche Berechtigung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers vorliegendenfalls davon ab, ob der verlässlichen Kanzleikraft M lediglich manipulative Tätigkeiten übertragen worden sind. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang ausschließlich das schon im Wiedereinsetzungsantrag erstattete Sachverhaltsvorbringen.

Demnach wurde M seitens der Konzipientin Mag. B am ein Tonträger mit einem darauf diktierten Konzept einer Berufung mit dem Auftrag übergeben, dieses zunächst zu übertragen, es sodann dem Beschwerdevertreter (zur Kontrolle, allfälliger Überarbeitung und Unterfertigung) vorzulegen und sodann den solcherart unterfertigten Schriftsatz spätestens am eingeschrieben zur Post zu geben.

Anders als die Beschwerde meint wurde damit der M nicht bloß die manipulative Tätigkeit der (fristgerechten) Postaufgabe selbst übertragen, sondern - in Ermangelung von Vorbringen betreffend anderer Schritte zur Fristwahrung in der Kanzlei des Beschwerdevertreters - die eigenverantwortliche Wahrung der ihr von der Konzipientin schon am gesetzten Frist zur Postaufgabe innerhalb eines Zeitraumes, währenddessen der Berufungsschriftsatz erst zu erstellen war, wozu nicht nur darauf abzielende Tätigkeiten der M, sondern darüber hinaus auch solche des Beschwerdevertreters selbst erforderlich waren, für deren fristgerechte Durchführung M nach Maßgabe der ihr erteilten Weisung offenbar auch Sorge zu tragen hatte.

Der im Wiedereinsetzungsantrag allein behauptete Sachverhalt ist insofern nicht mit jenen Fallkonstellationen vergleichbar, in denen einem Kanzleiangestellten nach Erstellung und Unterfertigung eines Schriftsatzes der (alleinige) Auftrag erteilt wird, diesen an sich zu nehmen, zu kuvertieren und sodann ohne weitere Zwischenschritte unverzüglich oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt zur Post zu geben. Einen Sachverhalt, welcher jenem entspricht, der dem vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , 13 Os 120/07g, zu Grunde lag, behauptet erstmals die Beschwerde, wenn es dort heißt, der Beschwerdevertreter habe die "zuständige Sekretärin", offenbar gemeint M, nach Übergabe des unterfertigten Schriftsatzes ausdrücklich angewiesen, diesen spätestens am eingeschrieben aufzugeben. Diese Behauptung verstößt nicht nur gegen das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sondern auch gegen die oben aufgezeigte Obliegenheit, innerhalb der Frist des § 71 Abs. 2 AVG den die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Sachverhalt konkret und vollständig anzugeben. Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ergeben sich eben keine konkreten Behauptungen betreffend Weisungen, welche der M nach vollständiger Erstellung und Unterfertigung des Schriftsatzes durch den Beschwerdevertreter erteilt worden wären.

Auf Basis des Wiedereinsetzungsvorbringen hing die rechtzeitige Berufungserhebung somit davon ob, dass M sich nach (kommentarloser) Zuleitung des Berufungsschriftsatzes durch den Beschwerdevertreter an die ihr einen Tag zuvor mündlich erteilte Weisung der Mag. B erinnerte, dass dieser spätestens am zur Post zu geben (und daher jedenfalls in die Tagespostmappe einzuordnen) sei. Ein solches System der Fristwahrung darf aber jedenfalls ohne weitere Kontrollmechanismen einer einzelnen Kanzleiangestellten in Alleinverantwortung nicht übertragen werden.

Durch die dort aufgestellten Behauptungen betreffend die Einrichtung von Kontrollsystemen, bzw. konkret gesetzter Fristvormerke unterscheiden sich auch die den (vom Beschwerdeführer weiters ins Treffen geführten, zu § 46 VwGG ergangenen) hg. Beschlüssen vom , Zl. 2006/18/0045, und vom , Zl. 2006/03/0149, zu Grunde liegenden Sachverhalte von dem hier vorliegenden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-92253