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VwGH vom 24.02.2015, Ra 2014/19/0171

VwGH vom 24.02.2015, Ra 2014/19/0171

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der F H M in F, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W168 1429833-1/6E, betreffend Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtene Entscheidung wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die aus Somalia stammende Revisionswerberin stellte am nach vorangegangener unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Im Rahmen ihrer Vernehmung vor dem Bundesasylamt führte die Revisionswerberin, befragt zu jenen Gründen, aus denen sie ihr Heimatland verlassen habe, - auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - aus, sie sei seit Juni 2010 Mitglied einer "musikalische Gruppe" gewesen. Es sei mit Trommeln musiziert worden und "wir" Mädchen hätten dazu getanzt. Sie sei mit Freunden des Öfteren zu Partys eingeladen worden. Sie hätten für die Auftritte auch Geld bekommen und sich so - im Rahmen der Ausübung ihres Hobbys - etwas "dazuverdient". Die Musikgruppe habe aus zwölf Personen bestanden, wobei zwei Männer und zwei Frauen musiziert und vier Männer und vier Frauen getanzt hätten. Bei den Auftritten habe es sich um gebuchte Veranstaltungen gehandelt. Ihr Ehemann habe davon gewusst und nichts dagegen gehabt.

Bei einem dieser Auftritte - es sei am gewesen - seien auch drei "Nachbar Jungs" auf der Party gewesen und hätten sich dort "alles angeschaut". Diese seien Mitglieder der al-Shabaab, was ihr später von einem Mädchen, das gegenüber dem Elternhaus der Revisionswerberin wohne, mitgeteilt worden sei. Diese "Jungs" hätten gewusst, dass die Revisionswerberin verheiratet sei. Ihr Auftritt habe an diesem Tag bis Mitternacht gedauert.

Die "Nachbar Jungs" hätten bewaffnet und zwei von ihnen maskiert noch am selben Tag gegen 23.00 Uhr die Mutter der Revisionswerberin aufgesucht. Sie hätten die Mutter damit konfrontiert, dass die Revisionswerberin mit anderen Männern getanzt hätte, ihr dies nach islamischen Recht als verheiratete Frau aber nicht erlaubt wäre und sie deshalb gesteinigt gehöre.

Die Mutter habe der Revisionswerberin dann telefonisch mitgeteilt, dass sie von der al-Shabaab gesucht werde. Daraufhin sei die Revisionswerberin nicht nach Hause gegangen, sondern habe ihre Freundinnen begleitet. Am nächsten Morgen sei ihre Mutter neuerlich von diesen "Jungs" aufgesucht worden.

In der Folge habe ein "Musikfreund" die Revisionswerberin gefragt, ob sie "heute beim Auftritt dabei" sein werde. Sie habe dies abgelehnt, weil sie nun von der al-Shabaab gesucht werde. Sie habe dem "Musikfreund", dessen Vater für die Regierung arbeite, die Namen der "Nachbar Jungs" mitgeteilt. Der "Musikfreund" habe wiederum seinem Vater von den Problemen der Revisionswerberin erzählt. "Dadurch" habe "die Regierung" zwei ihrer Verfolger am umgebracht. Die Familie der Getöteten habe den Grund dafür herausgefunden; seither werde die Revisionswerberin von dieser Familie gesucht.

Nach diesem Vorfall habe sich die Revisionswerberin bei einer Freundin aufgehalten, bis sie am Somalia verlassen habe. Woanders in Somalia habe sie nicht leben können, weil sie von ihren Verfolgern gesucht werde und beim Verbleib im Heimatland auch gefunden worden wäre.

Das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) wies den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz mit Bescheid vom sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten (gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) als auch der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia (gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) ab. Unter einem wurde die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia ausgewiesen.

Begründend führte die Verwaltungsbehörde aus, es stehe fest, dass die Revisionswerberin aus Somalia stamme, dem Hauptclan der Hawiye und dem muslimischen Glauben sunnitischer Richtung angehöre. Sie sei in ihrem Heimatland nicht vorbestraft, nie inhaftiert gewesen und habe dort auch nie Probleme mit den Behörden gehabt. Sie sei nie politisch tätig gewesen und gehöre auch keiner politischen Partei an. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie mit der al-Shabaab Probleme gehabt hätte oder von Nachbarfamilien gesucht werde. Ebenso könne nicht festgestellt werden, dass die Revisionswerberin in Zukunft einer Verfolgungsgefahr von Seiten der al-Shabaab, insbesondere nicht in Mogadischu, ausgesetzt wäre. Es seien keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen des Heimatlandes gegeben.

Die Revisionswerberin sei jung und arbeitsfähig. Sie habe mehrere Jahre als Gemüseverkäuferin gearbeitet und könne im Fall der Rückkehr, notfalls mit Hilfstätigkeiten, ein ausreichendes Auskommen sichern. Sie verfüge in ihrer Heimat über ein soziales Netz. In Mogadischu lebten ihre Mutter, der ihr traditionell angetraute Ehemann und ihre Geschwister. Bei diesen könne sie Unterkunft finden. Es sei ihr im Herkunftsland die Lebensgrundlage nicht gänzlich entzogen. Sie werde bei einer Rückkehr nach Mogadischu nicht in eine die Existenz bedrohende "(oder medizinische)" Notlage gedrängt.

Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung führte die Verwaltungsbehörde aus, die Revisionswerberin habe sich in ihren Angaben - insbesondere in Relation zu ihrer Aussage in der Erstbefragung - widersprochen. Aber nicht nur allein den "widersprüchlichen, ausreisekausalen, gesteigerten und abgeänderten Grund" nehme die Behörde zum Anlass, an der Glaubwürdigkeit des vorgebrachten Sachverhalts zu zweifeln. Auch bestünden Widersprüche hinsichtlich der anlässlich der Erstbefragung gemachten Angaben zur "Datenaufnahme" betreffend den Vater und den Ehemann sowie den Reisekosten gegenüber den später gemachten Angaben. Zudem habe sie zunächst angegeben, Angst zu haben, von der al-Shabaab umgebracht zu werden, später aber ausgeführt, die Nachbarfamilie wolle sie umbringen.

Ungeachtet dessen habe sich aber auch die Situation im Heimatland der Revisionswerberin geändert. Mogadischu sei ein von den Islamisten befreiter und von direkten Kampfhandlungen verschonter Teil des Landes. Die Übergangsregierung und afrikanische Friedenstruppen (AMISOM) würden "im Prinzip" mehr als 90 Prozent der Stadt kontrollieren. Es habe zwar bis Ende Jänner 2012 in den nördlichen Bezirken Mogadischus Kampfhandlungen zwischen der al-Shabaab und der "Übergangsregierung/AMISOM" gegeben. "Zu Ende des Berichtszeitraums" hätten aber AMISOM und die Übergangsregierung angegeben, die "volle Kontrolle" über Mogadischu erlangt zu haben. Im Bezirk Dayniile seien alle strategisch relevanten Positionen unter Kontrolle der AMISOM. "Nur noch die strategisch unbedeutenden ländlichen Teile des Bezirks" befänden sich unter der Kontrolle durch al-Shabaab. Trotz des Fortschritts könne aber al-Shabaab noch im ganzen Bezirk operieren.

Somit habe sich die Situation geändert (offenkundig von der Behörde gemeint: gegenüber jenem Zeitpunkt, zu dem die Revisionswerberin ihren Heimatstaat verlassen hat), weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, die Revisionswerberin würde im Fall einer Rückkehr nach Mogadischu einer Gefährdung durch die al-Shabaab ausgesetzt sein.

Im Weiteren legte die Verwaltungsbehörde noch dar, weshalb auch die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht unzulässig sei.

Gegen diese Entscheidung erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Asylgerichtshof. Das Verfahren über die Beschwerde wurde gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 ab vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende geführt.

Dazu ist zunächst der Vollständigkeit halber anzumerken, dass sich in den vorgelegten Verfahrensakten lediglich die erste Seite der Beschwerde findet. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes gab das Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass die restlichen Seiten der Beschwerde nicht auffindbar seien. Da ersichtlich gewesen sei, dass die Beschwerde über den Verein M eingereicht worden sei, sei von dort ein Duplikat angefordert worden, das dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt werde. Dass die Beschwerde seinerzeit nur unvollständig eingelangt wäre, wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weder im Beschwerdeverfahren (insbesondere enthält auch der Vorlagebericht an den Asylgerichtshof diesbezüglich nichts) oder Revisionsverfahren vorgebracht noch ergeben sich dafür Hinweise anhand der vorgelegten Verfahrensakten, der angefochtenen Entscheidung oder der vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten ergänzenden Erhebungen. Vor dem Hintergrund des automatisch vom Telefaxgerät angebrachten Vermerkes ist sohin mangels anderer Anhaltspunkte vielmehr davon auszugehen, dass beim Bundesasylamt im Rahmen der per Telefax erfolgten Beschwerdeeinbringung am tatsächlich zehn Seiten empfangen wurden und somit dort eingelangt sind und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht im Zuge seiner Entscheidung (noch) vollständig vorlag.

In der Beschwerde, in der die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde, trat die Revisionswerberin den - insbesondere nicht nur den zu ihrem Fluchtgrund, sondern auch zur Situation in ihrem Heimatland getätigten - beweiswürdigenden Erwägungen und Feststellungen der Verwaltungsbehörde argumentativ ausführlich entgegen und suchte die ihr vorgeworfenen Widersprüche in konkreter und substantiierter Weise zu entkräften. Darüber hinaus verwies sie darauf, dass sie bereits vor der Verwaltungsbehörde ihr Einverständnis erklärt habe, im Rahmen von Erhebungen in ihrem Heimatland ihre Mutter zu ihrem Vorbringen befragen zu lassen. Ihr Ehemann sei - was sie nunmehr von ihrer Mutter erfahren habe - zwischenzeitig von Mitgliedern der al-Shabaab erschossen worden, wobei die Revisionswerberin davon ausgehe, dass dies im Zusammenhang mit ihren Problemen mit dieser Organisation und der Nachbarfamilie stehe. Zu der von der Verwaltungsbehörde angesprochenen Erstbefragung führte die Revisionswerberin aus, sie sei zu dieser Zeit schon müde gewesen und habe die Befragung hinter sich bringen wollen. Sie habe aber damals schon ihre Probleme mit Mitgliedern der al-Shabaab geschildert. Sie sei aber vom vernehmenden Beamten "für die genaue Ausführung auf die Einvernahme beim Bundesasylamt verwiesen" worden. Den bei der Erstbefragung anwesenden Dolmetscher habe sie zwar "schon verstanden", aber "nicht sehr gut", sodass bei der Protokollierung auch Übersetzungsfehler vorgekommen sein könnten. Schließlich wird in der Beschwerde unter Hinweis auf mehrere Berichte zu ihrem Heimatland des Näheren dargestellt, weshalb eine Gefährdung durch die al-Shabaab auch in Mogadischu immer noch bestehe.

Mit Schreiben vom räumte das Bundesverwaltungsgericht der Revisionswerberin die Möglichkeit ein, bekannt zu geben, ob sich "an Ihrer Gefährdungslage oder Ihrer persönlichen (privaten) Situation in Österreich bzw. allenfalls an Ihrem Gesundheitszustand seit Antragstellung gravierende Veränderungen ergeben" hätten. Es wurden der Revisionswerberin auch die "aktuellen Länderinformationen zu Somalia zur allfälligen Stellungnahme" übermittelt.

In ihrer Stellungnahme vom legte die Revisionswerberin ausführlich unter Hinweis auf aktuelle (näher bezeichnete und zum Teil in Kopie beigelegte) Berichte aus jüngerer Zeit (ua. aus dem Jahr 2014) dar, weshalb ihrer Ansicht immer noch nicht davon ausgegangen werden könne, ihr Heimatland könne ihr - und zwar insbesondere auch nicht in Mogadischu - ausreichend Schutz gewähren. Des Weiteren übermittelte die Revisionswerberin dem Bundesverwaltungsgericht diverse Urkunden, die ihre mittlerweile fortgeschrittene Integration in Österreich belegen sollten.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung die von der Revisionswerberin eingebrachte Beschwerde, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status einer Asylberechtigten richtete, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Im Übrigen fasste das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss, "die Spruchpunkte II. und III." des angefochtenen Bescheides (betreffend Abweisung des Begehrens auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und Erlassung einer Ausweisung) zu beheben und die diesbezüglichen Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, die aus Somalia stammende Revisionswerberin sei in ihrem Heimatstaat keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Es drohe ihr auch nicht die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe.

Unter der Überschrift "Beweiswürdigung" hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, das Bundesasylamt habe in Bezug auf den ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die seitens des Bundesasylamtes "getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens" der Revisionswerberin und der von ihr geschilderten Bedrohungssituation seien "begründet und logisch nachvollziehbar". Zu Recht sei das Bundesasylamt von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Revisionswerberin ausgegangen. Das Vorbringen sei durchgehend derart gestaltet, dass sich daraus eine "schlüssige, plausible Ausführung einer aktuellen, konkret gegen" die Revisionswerberin unmittelbar bestehenden Verfolgung nicht nachvollziehbar ableiten lasse. Ausführungen, aus welchen konkreten Gründen das Vorbringen der Revisionswerberin als unglaubwürdig anzusehen sei, enthält die angefochtene Entscheidung an dieser Stelle nicht. Lediglich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das Bundesverwaltungsgericht auf von ihm - wie zuvor vom Bundesasylamt - konstatierte Widersprüche und Unvollständigkeiten in Bezug auf die im Zuge der Erstbefragung protokollierten Angaben der Revisionswerberin ab. Auf die in Beschwerde vorgetragenen Argumente ging das Bundesverwaltungsgericht überhaupt nicht ein.

Selbst bei "Wahrunterstellung des Vorbringens" - so das Bundesverwaltungsgericht weiter - sei dieses "per se" nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung darzutun. Sämtliche Elemente des Vorbringens seien nicht derart gestaltet, dass sich hieraus eine Glaubhaftmachung einer persönlichen und aktuellen Verfolgung, die von staatlicher Seite ausgehen oder durch "bewusstes Unterlassen eines effektiven Rechtsschutzes toleriert" würde, ableiten ließe. Der Revisionswerberin sei zuzumuten, in Gebieten, die unter Regierungskontrolle stehen - dies sei insbesondere in Mogadischu der Fall -, ihren Wohnsitz zu nehmen. Sämtliche Ausführungen (gemeint: der Revisionswerberin) dazu seien vage und unbestimmt. Mogadischu befindet sich seit August 2011 durchgehend in der Hand der Regierungstruppen sowie der Truppen der AMISOM. Eine Rückkehr der al-Shabaab-Milizen sei im "absehbar zeitlichen Kontext" auszuschließen. Diese hätten somit auch "keinen größeren unmittelbaren Einfluss auf die zivile Bevölkerung in dieser Region Somalias".

Zu den Aussprüchen über die Zurückverweisung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung zu § 8 AsylG 2005 zwar aktuelle Länderberichte zu Somalia und im Besonderen auch Mogadischu zugrunde gelegt. Jedoch seien dem Bescheid nicht umfassende, auf die persönliche Situation der Revisionswerberin konkret abzielende Abklärungen und Erörterungen hinsichtlich der für sie bei einer allfälligen Rückkehr zu erwartenden Umstände zu entnehmen. Feststellungen dazu seien jedoch zur Beurteilung der Frage hinsichtlich des Bestehens einer allgemeinen Gefährdung notwendig. In diesem Zusammenhang sei auch auf die besonders zu beachtende Lage von Frauen in Somalia hinzuweisen. Erst nach Vornahme dieser Abklärungen könne letztlich die Frage hinsichtlich des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer realen Gefahr im Sinn des § 8 AsylG 2005 abgeklärt und in Folge rechtlich umfassend und einzelfallbezogen beurteilt werden.

Eine mündliche Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) unterbleiben können, weil durch die Vornahme einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Klärung des von der Revisionswerberin erstatteten Vorbringens und deren Glaubwürdigkeit nicht zu erwarten gewesen sei. Es habe eine Partei widerspruchsfreie und stringente Angaben vollständig im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten, worauf sie auch von der Verwaltungsbehörde hingewiesen worden sei. Sämtliche Elemente für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und der Rückkehrfragen seien durch das Bundesasylamt vollständig ermittelt und gewürdigt worden. Diese würden sich schlüssig und vollständig aus dem Studium des umfassenden Verwaltungsaktes sowie den "unzweifelhaften Feststellungen" zum Heimatland der Revisionswerberin entnehmen lassen. Es sei dann nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, diese "objektiv gegebenen Würdigungselemente nochmals in einer neuerlichen Einvernahme mit der beschwerdeführenden Partei zu erörtern". Ebenso sei auch keine "neuerliche" Verhandlung erforderlich, wenn die "verfahrensgegenständlichen Fragen auf Tatsachenfragen beruhen".

Die Erhebung einer Revision sei nicht zulässig, weil die angegebenen Verfolgungsgründe als nicht glaubwürdig eingestuft worden seien und sich diese selbst bei "Wahrunterstellung" als nicht asylrelevant darstellten. Hinsichtlich "der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten" liege bei der Revisionswerberin, die ein verwandtschaftliches Netzwerk im Herkunftsstaat habe, keine Abweichung von der Judikatur des "EGMR bzw. des VwGH" vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision (unter anderem und mit näherer Begründung) vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Durchführung einer Verhandlung unterlassen habe.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

Einleitend erachtet es der Verwaltungsgerichtshof für geboten darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Ausführungen seine Stellung im Rahmen des (seit geschaffenen) Rechtsschutzgefüges auf dem Boden der (insbesondere) für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Vorschriften grundlegend verkennt, was nicht nur, aber vor allem bei Betrachtung seiner Ansicht, wann es von einer Verhandlung Abstand nehmen darf, offenbar wird. Vor dem Hintergrund der nachstehenden Erwägungen muss darauf hier aber nicht im Einzelnen eingegangen werden. Insoweit kann es an dieser Stelle sein Bewenden haben, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG (bloß beispielsweise statt mehrerer) auf die Entscheidungsgründe der hg. Erkenntnisse vom , Ro 2014/03/0063, vom , Ra 2014/22/0106 (jeweils betreffend die Zulässigkeit von Zurückverweisungen nach § 28 VwGVG), vom , Ro 2014/03/0076, vom , Ra 2014/20/0069, vom , Ra 2014/01/0085 (betreffend die an eine Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nach § 29 VwGVG zu stellenden Anforderungen; vgl. im Übrigen dazu die Zusammenfassung der diesbezüglichen Rechtsprechung in Lehofer , Die Begründung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2015/17), und vom , Ro 2014/03/0066 (betreffend den Umfang der Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte nach § 27 VwGVG und die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG auch für die Verwaltungsgerichte; zum Amtswegigkeitsprinzip vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/03/0038), die sich mit verfahrensrechtlichen Bestimmungen des VwGVG samt dem Konnex, in dem diese im Rahmen des nunmehrigen Rechtsschutzsystems eingebettet sind, ausführlich auseinandersetzen, zu verweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung des Weiteren bereits festgehalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichtes steht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ro 2014/09/0049, vom , Ra 2014/19/0085, und vom , Ra 2014/21/0019). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft und/oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird (vgl. nochmals das erwähnte Erkenntnis vom , mwN).

Dies trifft auf das in der Beschwerde enthaltene Vorbringen der Revisionswerberin ebenso wie jenes in der ergänzenden Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht ohne jeden Zweifel zu. Das Bundesverwaltungsgericht hatte demnach gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Fall VwGVG auch ohne ausdrücklichen Antrag der - im Übrigen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht unvertretenen - Revisionswerberin eine Verhandlung von Amts wegen durchzuführen, es sei denn, andere gesetzliche Bestimmungen hätten es ermächtigt, davon Abstand zu nehmen. Fallbezogen kam dafür nur der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltene erste Tatbestand, auf den auch das Bundesverwaltungsgericht abgestellt hat, in Betracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom , Ra 2014/20/0017, 0018, des Näheren mit der Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" befasst - gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen - und ist zum Ergebnis gekommen, dass für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung nach dieser Bestimmung folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Schon nach den Ausführungen in der Beschwerde kann es - wie bereits oben erwähnt - nicht zweifelhaft sein, dass die Revisionswerberin den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes und den darauf gegründeten behördlichen Feststellungen in substantiierter Weise entgegen getreten ist. Die Beschwerde geht mit konkreten und beachtlichen Argumenten auf die im verwaltungsbehördlichen Bescheid enthaltenen Vorwürfe ein. Dass dem nicht so wäre, wurde selbst vom Bundesverwaltungsgericht nicht so gesehen, das - in Verkennung des Inhalts der maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften - das Unterbleiben der Verhandlung in erster Linie damit rechtfertigte, es sei nicht seine Aufgabe, eine von der Verwaltungsbehörde bereits vernommene Partei nochmals zu befragen, und eine Verhandlung sei an sich nicht erforderlich, wenn die "verfahrensgegenständlichen Fragen auf Tatsachenfragen beruhen".

Das oben Gesagte gilt nicht nur für die Frage, ob den Angaben der Revisionswerberin zu den Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit zu versagen ist, sondern auch zur Eventualbegründung des Bundesverwaltungsgerichts. Diese läuft - rechtlich eingeordnet - darauf hinaus, der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Revisionswerberin, die eine - was auch vom Bundesverwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt wird - aus in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen motivierte Verfolgung durch nicht staatliche Akteure geltend macht, stehe die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Heimatstaates entgegen. Die Revisionswerberin ist aber schon in der Beschwerde, und im Weiteren auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme, konkret und unter Aufbietung neuer für den Verfahrensausgang relevanter Beweismittel den diesbezüglichen Ausführungen der Verwaltungsbehörde - und zwar sowohl betreffend die Feststellungen als auch die Beweiswürdigung - entgegen getreten. Überdies ist noch darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Notwendigkeit erkannt hat, die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der Revisionswerberin zu aktualisieren. Die im Beschwerdeverfahren eingeräumte Möglichkeit, zum Inhalt aktueller Länderberichte schriftlich Stellung zu nehmen, kann allerdings die Durchführung einer Verhandlung in einem Fall, wie er auch hier vorliegt, nicht ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/19/0101, und das - ebenfalls Somalia und im besonderen Mogadischu betreffende - hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/19/0112).

Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG für die Abstandnahme von der - im gegenständlichen Fall von Amts wegen als geboten anzusehenden - Durchführung der Verhandlung lagen somit nicht vor.

Schließlich ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht mit der vorliegenden Entscheidung auch gegen seine aus § 29 VwGVG erfließende Pflicht zur Begründung in maßgeblicher Weise verstoßen hat (vgl. zu den an eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu stellenden Anforderungen die bereits oben erwähnten hg. Erkenntnisse vom , Ro 2014/03/0076, vom , Ra 2014/20/0069, vom , Ra 2014/01/0085, sowie Lehofer , aaO, und des Weiteren die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/18/0112, vom , Ra 2014/03/0038, vom , Ra 2014/18/0097, sowie jenes vom selben Tag, Ra 2014/18/0108).

Das Bundesverwaltungsgericht ist in keiner Weise auf die in der Beschwerde oder der ergänzenden Stellungnahme der Revisionswerberin enthaltenen Argumente eingegangen. Nachvollziehbare Gründe, weshalb die Angaben der Revisionswerberin unter Bedachtnahme auf ihr Vorbringen nicht den Tatsachen entsprächen, enthält die angefochtene Entscheidung nicht. Davon, dass ihre Angaben - wie das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung anmerkte - bloß "vage und unbestimmt und dadurch einer tatsächlichen faktisch möglichen Abklärung oder Nachforschung grundsätzlich nicht zugänglich" gewesen wären und sie "trotz wiederholter Belehrung zur Mitwirkungspflicht und Bedeutung vollständiger Angaben" zur Gänze schuldig geblieben sei, "das Vorbringen hinreichend zu konkretisieren und schlüssig darzulegen", kann am Boden des Inhaltes der Verfahrensakten keine Rede sein.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht Widersprüche in den Angaben in der Erstbefragung und der späteren Vernehmung sieht, wird gleichfalls das darauf Bezug nehmende Vorbringen der Revisionswerberin - insbesondere, dass sie eine gleichgelagerte Schilderung schon bei der Erstbefragung erstattet habe, aber vom vernehmenden Beamten für die "genaue Schilderung" auf die spätere Vernehmung durch das Bundesasylamt verwiesen worden sei, und dass Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher vorhanden gewesen wären - ebenso zur Gänze ausgeblendet, wie der Umstand, dass sich im Rahmen der Erstbefragung die Vernehmung gerade nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. § 19 Abs. 1 AsylG 2005). Auf dem Boden der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es zwar weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zu späteren Angaben einzubeziehen, es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/20/0017, 0018, und vom , Ra 2014/18/0061, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , U 1919/2013 ua.). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als bei näherer Betrachtung jener Angaben der Revisionswerberin, die sie während der Erstbefragung zu ihren Fluchtgründen tätigte, - jedenfalls nach der Aktenlage - Widersprüche zu späteren Angaben nicht offen zu Tage treten, sondern sich die Vorwürfe des Bundesasylamtes, die vom Bundesverwaltungsgericht übernommen wurden, im Grunde darauf beziehen, dass sie Teile dieser Angaben - wie etwa, dass von den Mitgliedern der al-Shabaab untersucht werde, ob die von ihnen "angeklagte" Frau noch Jungfrau oder schon verheiratet sei, und im Fall der Jungfräulichkeit die Frau "nur" geschlagen werde, während eine verheiratete Frau, was auf die Revisionswerberin zutreffe, mit dem Tod bestraft würde - in der weiteren Vernehmung nicht mehr ausdrücklich wiederholt habe.

Zudem erweist sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit als widersprüchlich, als einerseits das Bundesverwaltungsgericht - im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob der Revisionswerberin der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen sei - davon ausgeht, der Heimatstaat weise die geforderte Schutzfähigkeit auf, andererseits - betreffend die Frage der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten - die zurückverweisende Entscheidung darauf gegründet wird, die Verwaltungsbehörde habe den Sachverhalt hinsichtlich der Situation im Heimatland der Revisionswerberin nicht ausreichend erhoben, sodass die abschließende Beurteilung der allgemeinen Sicherheitslage noch gar nicht möglich sei.

Die angefochtene Entscheidung war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 lit. b und c VwGG - wegen der rechtlich aufeinander aufbauenden Entscheidungen zur Gänze - aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da die Revisionswerberin auf Grund des von ihr gestellten Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit wurde, war das den Ersatz dieser Gebühr ansprechende Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am