VwGH vom 21.01.2009, 2007/08/0202
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des L in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Wabnegg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-2-5283/2007, betreffend Beitragspflicht in der Krankenversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:
Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, dass der (am geborene) Beschwerdeführer gemäß §§ 27 und 27a GSVG verpflichtet sei, im Zeitraum vom bis zum monatliche Beiträge in der Krankenversicherung in der Höhe von EUR 54,88 und gemäß § 35 Abs. 6 GSVG für das Kalenderjahr 2002 einen monatlichen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 5,10 zu entrichten.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Einspruch abgewiesen. Begründend führte sie - nach Darlegung des § 25 GSVG - im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer im Kalenderjahr 2002 auf Grund seiner die maßgebliche Versicherungsgrenze übersteigenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen sei. Der Einkommensteuerbescheid 2002 weise Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 7.400,-- aus. Im Jahr 2002 seien dem Beschwerdeführer keine Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben worden. Daraus ergeben sich eine monatliche Beitragsgrundlage von EUR 616,67.
Gemäß § 27 GSVG hätten die Pflichtversicherten nach § 2 Abs. 1 GSVG für die Dauer der Pflichtversicherung als Beitrag in der Krankenversicherung 8,4 % der Beitragsgrundlage zu leisten. Gemäß § 27a GSVG hätten die in der Krankenversicherung Pflichtversicherten einen Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung im Ausmaß von 0,5 v.H. der Beitragsgrundlage zu leisten. Aus dieser Bestimmung errechne sich ein monatlicher Betrag in der Krankenversicherung von EUR 54,88.
Gemäß § 35 Abs. 6 GSVG hätten Versicherte, deren Pflichtversicherung nach Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises für das maßgebliche Beitragsjahr rückwirkend festgestellt werde, zu den Beiträgen auf Grund der Beitragsgrundlage einen Zuschlag in der Höhe von 9,3 % der Beiträge zu leisten. Da der Beschwerdeführer erst nach Übermittlung des Einkommensteuerbescheides 2002 durch die Finanzbehörde rückwirkend in die Pflichtversicherung einbezogen habe werden können, errechne sich ein monatlicher Beitragszuschlag von EUR 5,10.
Zum vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand der Verjährung werde bemerkt, dass gemäß § 40 Abs. 1 GSVG das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge verjähre. Diese Verjährungsfrist verlängere sich auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung der Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht habe, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen können. Die Verjährung des Feststellungsrechtes werde durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige davon in Kenntnis gesetzt werde. Würden Beiträge auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden vorgeschrieben, so seien sie gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG mit dem Letzten des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolge.
Durch die Anführung eines zweiten Satzes in § 35 Abs. 2 GSVG durch die Novelle BGBl Nr. 610/1987 sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt worden, dass bei einer nachträglichen Feststellung der Beiträge nach Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides die Fälligkeit - mit entsprechenden Konsequenzen für den Beginn der Verjährungsfristen nach § 40 GSVG - nicht bereits mit dem Ablauf des Beitragsmonats bzw. mit dem Ablauf des zweiten Monats des Kalendervierteljahres (§ 35 Abs. 1 und 2 GSVG), sondern erst eine bestimmte Zeit nach der nachträglichen Vorschreibung durch den Sozialversicherungsträger eintrete.
Da die Übermittlung des Einkommensteuerbescheides 2002 durch den gemäß § 229a GSVG vorgesehenen Datenaustausch erst am erfolgt sei, sei eine Vorschreibung der Beiträge erst nachträglich möglich gewesen. Aus diesem Grund sei noch keine Verjährung der Krankenversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 eingetreten.
Der Einwand des Beschwerdeführers, der Einkommensteuerbescheid 2002 werde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft, sei insofern unbeachtlich, als davon weder die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides noch die Bindung an diesen berührt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschrift der belangten Behörde repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das Recht der mitbeteiligten Partei auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gemäß § 40 Abs. 1 GSVG verjährt sei. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes sei der mitbeteiligten Partei am übermittelt worden, der erstinstanzliche Bescheid sei jedoch erst am erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum "vom bis zum " bereits verjährt gewesen, zumal die Verjährung gemäß § 40 Abs. 1 GSVG weder unterbrochen noch gehemmt worden sei. Die - auf § 35 Abs. 2 GSVG Bezug nehmende - Argumentation der belangten Behörde ändere nichts daran, dass das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge für den Zeitraum "vom bis zum " bereits verjährt sei, da sich § 35 Abs. 2 GSVG lediglich auf die Fälligkeit und nicht auf das Recht zur Feststellung der Beiträge beziehe.
§ 40 Abs. 1 GSVG lautet:
"§ 40. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist."
Voraussetzung für die Verjährung des Rechts auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen ist daher, dass die Fälligkeit der Beiträge eingetreten ist. Die Fälligkeit der Beiträge ergibt sich aus den in § 35 GSVG getroffenen Regelungen, die - soweit hier maßgeblich - folgenden Wortlaut haben:
"§ 35. (1) Die Beiträge sind, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ablauf des Kalendermonates fällig, für den sie zu leisten sind. Der Beitragsschuldner hat auf seine Gefahr und Kosten die Beiträge an den Versicherungsträger unaufgefordert einzuzahlen. Sie bilden mit den Beiträgen zur Unfallversicherung eine einheitliche Schuld. Soweit der Versicherungsträger Beiträge für die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (§ 250) einhebt, wird er auch dann als deren Vertreter tätig, wenn er alle Beitragsforderungen in einem Betrag geltend macht. Dies gilt auch für die Einhebung von Verzugszinsen, sonstigen Nebengebühren (§ 37 Abs. 2), Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren sowie im Verfahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden. Teilzahlungen werden anteilsmäßig und bei Beitragsrückständen auf den jeweils ältesten Rückstand angerechnet.
(2) Werden die Beiträge durch den Versicherungsträger für die Beitragsmonate eines Kalendervierteljahres gemeinsam vorgeschrieben, so sind diese Beiträge mit dem Ablauf des zweiten Monates des betreffenden Kalendervierteljahres fällig. Werden Beiträge auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden vorgeschrieben, so sind sie mit dem Letzten des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt."
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach eine Vorschreibung der Beiträge erst nach Übermittlung des Einkommensteuerbescheides durch die Finanzbehörden möglich gewesen sei. Ausgehend davon kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die Fälligkeit der hier in Rede stehenden Beiträge gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG erst mit dem Letzten des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig wurden, in dem die Vorschreibung erfolgte. Da somit die Fälligkeit der Beiträge jedenfalls erst im Jahr 2006 eingetreten ist (Feststellungen zum genauen Datum der Vorschreibung sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen), konnte die am erfolgte Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen nicht gemäß § 40 Abs. 1 GSVG verjährt sein.
2. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er sei Pensionist und beziehe von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eine Pension, von der ihm jedes Monat ein Kostenanteil von EUR 35,-- und ein Krankenversicherungsbeitrag von EUR 35,94 abgezogen werden. Die belangte Behörde hätte daher den bereits von der mitbeteiligten Partei einbehaltenen monatlichen Krankenversicherungsbeitrag bei der Berechnung des Beitragsrückstandes für den Zeitraum vom bis zum berücksichtigen müssen und von dem dort errechneten Betrag in Abzug bringen müssen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtet wurde, für den Zeitraum vom 1. Jänner bis zum ziffernmäßig bestimmte monatliche Krankenversicherungsbeiträge sowie einen Beitragszuschlag zu bezahlen. Über einen konkret (zum Bescheiddatum) bestehenden Beitragsrückstand hat die belangte Behörde damit nicht abgesprochen und der Bescheid enthält auch keine Vorschreibung noch offener Beiträge, sodass dieses Beschwerdevorbringen schon aus diesem Grund ins Leere geht.
3. Soweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte den Sachverhalt nicht ordentlich ermittelt, da er aufgrund seines Alters "auch von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen sein muss", ist ihm entgegenzuhalten, dass sich die in § 273 Abs. 8 GSVG vorgesehene Ausnahme von der Pflichtversicherung für die in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Personen, die am das Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit erreicht haben, gemäß dem klaren Gesetzeswortlaut ausschließlich auf die Pensionsversicherung, nicht jedoch auch auf die Krankenversicherung bezieht. Dass dies verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde oder eine analoge Anwendung der für die Pensionsversicherung geltenden Ausnahme auch für die Krankenversicherung geboten wäre, macht der Beschwerdeführer gar nicht geltend; auch der Verwaltungsgerichtshof hegt diesbezüglich keine Bedenken (vgl. allgemein zur Mehrfachversicherung bzw. zur analogen Anwendung von Ausnahmebestimmungen im Bereich der Pflichtversicherung das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0069).
4. Soweit der Beschwerdeführer schließlich anmerkt, dass er den Einkommensteuerbescheid 2002, welcher der gegenständlichen Feststellung der Beitragspflicht zugrundeliegt, beim Verwaltungsgerichtshof angefochten habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nichts an der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides ändert; im Übrigen ist festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer gegen diesen Einkommensteuerbescheid erhobene Beschwerde mittlerweile mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2006/13/172, als unbegründet abgewiesen wurde.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am