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VwGH vom 16.02.2011, 2007/08/0150

VwGH vom 16.02.2011, 2007/08/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des G S in Wien, vertreten durch Mag. Ilse Kutil, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3- AlV/05661/2006-11039, betreffend nachträgliche Berichtigung der Bemessung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch über die Rückforderung von Notstandshilfe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom wurde die Bemessung der Notstandshilfe des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. April bis gemäß § 24 Abs. 2 AlVG rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG zur Rückzahlung unberechtigt empfangener Notstandshilfe in der Höhe von EUR 3.349,19 verpflichtet. Zur Begründung gab die erstinstanzliche Behörde an, der Beschwerdeführer hätte den Beginn der Wochenhilfe seiner Gattin nicht gemeldet, weshalb seine Notstandshilfe neu zu berechnen gewesen sei.

In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, es entspreche nicht der Wahrheit, dass er den Beginn der Wochenhilfe seiner Gattin nicht gemeldet habe. Er habe die Fragen seiner Beraterin beim Arbeitsmarktservice genau beantwortet und ihr auch gesagt, dass seine Frau "in der Zeit freigestellt" sei. Er sei nicht dazu aufgefordert worden, irgendwelche Unterlagen zu bringen. In einer Ergänzung zur Berufung vom führte der Beschwerdeführer präzisierend aus, er sei von seiner Beraterin mehrmals gefragt worden, ob seine Frau arbeite und habe jedes Mal geantwortet, dass dies nicht der Fall sei, sie sei freigestellt. Das Arbeitsmarktservice hätte daher fragen müssen, ob die Frau des Beschwerdeführers nicht Wochenhilfe oder andere Geldleistungen erhalte. Die durch § 50 AlVG auferlegte Meldepflicht sei jedenfalls erfüllt worden, da wahrheitsgemäß von der Freistellung der Frau berichtet worden sei.

Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde wurde von der den Beschwerdeführer betreuenden Beraterin bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Stellungnahme zum Vorbringen des Beschwerdeführers eingeholt. In dieser Stellungnahme gab die Beraterin an, Kunden des Arbeitsmarktservice würden immer gefragt, ob ihre Ehepartner berufstätig bzw. in Karenz seien. Zuletzt habe der Beschwerdeführer im Februar 2006 bei der Beraterin vorgesprochen.

Die Beraterin wurde von der belangten Behörde um eine neuerliche Stellungnahme unter Bezugnahme auf den Zeitraum März 2006 (Beginn des Wochengeldbezugs der Gattin) ersucht. In dieser Stellungnahme vom gab die Beraterin an, der Beschwerdeführer habe am mit keinem Wort erwähnt, dass sich seine Frau in Karenz befinde. Hätte er dies getan, wäre er an die zuständige Servicezone verwiesen worden mit der Bitte, dem dortigen Sachbearbeiter den Karenzbescheid der Ehefrau vorzulegen. Der Beschwerdeführer sei seit 2005 laufend in Betreuung des Arbeitsmarktservice und sei immer über seine Meldepflichten informiert gewesen.

Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Parteiengehörs von der belangten Behörde dazu aufgefordert, zur Angabe, er habe am beim Arbeitsmarktservice nicht erwähnt, dass sich seine Gattin in Karenz befinde, Stellung zu nehmen. In dieser Stellungnahme vom führte der Beschwerdeführer aus, es entziehe sich seiner Kenntnis, warum sich in den EDV-mäßig verarbeiteten Daten des Arbeitsmarktservice kein Hinweis auf seine Meldungen finde. Er betone noch einmal, mehrfach gefragt worden zu sein, ob seine Frau arbeiten würde, worauf er jedes Mal geantwortet habe, sie würde nicht arbeiten, sie sei freigestellt. Möglicherweise habe die Beraterin von der Meldung der "Freistellung" nicht auf eine "Karenz" geschlossen, die Beraterin habe ja lediglich gemeint, es sei mit keinem Wort eine Karenz erwähnt worden. Den Ausführungen, dass eine Freistellung gemeldet worden sei, sei die Beraterin in ihrer Stellungnahme gar nicht entgegengetreten. Es habe jedoch eine Pflicht des Arbeitsmarktservice bestanden, näher nachzufragen, was genau unter "Freistellung" zu verstehen sei und welche Geldleistungen die Frau des Beschwerdeführers bekäme. Dies ergebe sich aus der dem AVG immanenten Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsermittlung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid dem Grunde nach und korrigierte die Höhe des zurückgeforderten Betrages auf EUR 3.331,59. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, dass den Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der Meldung des Wochengeldbezugs seiner Gattin kein Glauben geschenkt werde. Die Angaben der Beraterin seien nachvollziehbar, zumal es nach Ansicht der belangten Behörde ausgeschlossen werden könne, dass eine langjährige Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice mehrmals frage, ob die Gattin des Beschwerdeführers arbeite und dann eine "Freistellung" ignoriere. Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice würden außerdem eine gemeldete Freistellung richtig einordnen, auch wenn das Wort "Karenz" verwendet werde. Aus Sicht der belangten Behörde sei weder eine Freistellung, noch eine Schwangerschaft, noch die Geburt des Sohnes des Beschwerdeführers rechtzeitig gemeldet worden. Die Meldung sei erst im Zuge der Folgeantragstellung am erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Die genannten Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruchs maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigt die Verletzung der Meldepflicht nach § 50 Abs. 1 AlVG die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0117 uva). Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände des § 25 Abs. 1 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen und Erkennenmüssen, dass die Leistung nicht oder nicht in voller Höhe gebühre) folgt weiters, dass die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz - dolus eventualis - voraussetzen, während es für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/03/0015 uva). Eine Rückersatzpflicht auf Grund eines der beiden ersten im § 25 Abs 1 AlVG genannten Tatbestände setzt zudem voraus, dass die unwahren Angaben bzw. das Verschweigen maßgebender Tatsachen für den Leistungsbezug kausal waren (arg: "herbeigeführt hat"; vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0208).

3. Die Beschwerde macht unmissverständlich als Rechtsverletzung nur geltend, "zur Rückzahlung von empfangener Notstandshilfe gemäß § 25 Abs 1 AlVG iVm § 38 AlVG verpflichtet zu werden."

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht der Ausspruch über die Berichtigung der Notstandshilfe gemäß § 24 Abs. 2 AlVG sein, sondern nur der davon trennbare (zweite) Spruchteil des angefochtenen Bescheids, mit dem über die Rückforderung des unrechtmäßig Empfangenen gemäß § 25 Abs. 1 AlVG abgesprochen wird (vgl. die dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0100 zugrunde liegende Konstellation).

4. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bei der Antragstellung auf Gewährung von Notstandshilfe (Tag der Geltendmachung: ) eine unselbständige Beschäftigung seiner Ehefrau angegeben hat; er hat weiters eine Lohnbescheinigung des Arbeitgebers seiner Ehefrau beigebracht, in der das von ihr bezogene Bruttoentgelt in den Monaten August bis Oktober 2005 ausgewiesen ist. Nach dem im Verwaltungsakt ersichtlichen Bezugsverlauf wurde dem Beschwerdeführer in der Folge vom 1. Bis und vom 10. November bis - unter Anrechnung des Partnereinkommens - Notstandshilfe in der Höhe von jeweils täglich EUR 11,47 geleistet. Nach einer eintägigen Sperre wegen Versäumung eines Kontrolltermins am wurde dem Beschwerdeführer sodann ab bis Notstandshilfe in der Höhe von täglich EUR 24,55 und ab in der Höhe von täglich EUR 23,00 - jeweils ohne Anrechnung eines Partnereinkommens - angewiesen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis zum nachträglich berichtigt und der sich nach Anrechnung des Partnereinkommens ergebende Differenzbetrag von EUR 1.380,24 zurückgefordert. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom rechtskräftig abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheids wird ausgeführt, dass bei der neuerlichen Anweisung der Notstandshilfe nach der Bezugsunterbrechung am irrtümlich das Einkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden sei. Die Rückforderung wird darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer hätte erkennen müssen, dass ihm die Notstandshilfe nicht in der Höhe von EUR 24,55 zustehe.

5. Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid als mangelhaft begründet. Dem Arbeitsmarktservice war, wie sich nicht nur aus dem Notstandshilfeantrag sowie der Lohnbestätigung, sondern auch aus dem Bescheid der belangten Behörde vom über die Berichtigung und Rückforderung für den Zeitraum vom bis zum ergibt, die Berufstätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers bekannt. Deren Einkommen wurde auch (zunächst) auf den Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers entsprechend den Bestimmungen des AlVG sowie der Notstandshilfe-Verordnung angerechnet.

Nun ist zunächst schon fraglich, ob die "Freistellung" der Ehefrau des Beschwerdeführers (gemeint offenbar der Zeitraum des Wochengeldbezugs während des Beschäftigungsverbots nach § 3 des Mutterschutzgesetzes) im vorliegenden Fall überhaupt als gemäß § 50 AlVG meldepflichtige maßgebende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen anzusehen wäre; da die Berechnungsgrundlage für das Wochengeld nach § 162 Abs. 3 ASVG auf den durchschnittlichen vorangegangenen Arbeitsverdienst abstellt, wäre aber jedenfalls näher darzulegen gewesen, dass und in welchem Ausmaß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers durch den Wochengeldbezug seiner Ehefrau maßgebend verändert haben.

Sollte eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse aber eingetreten sein, so kann eine Nichtmeldung des Wochengeldbezugs der Ehefrau jedenfalls nur insoweit kausal für einen Mehrbezug des Beschwerdeführers gewesen sein, als sich dessen Notstandshilfebezug aufgrund der Anrechnung des Wochengeldbezugs gegenüber jenem Bezug verringert, der sich unter Anrechnung des dem Arbeitsmarktservice unter Vorlage einer Lohnbestätigung zunächst bekannt gegebenen Arbeitsentgelts der Ehefrau ergeben hätte.

Zu diesem entscheidungswesentlichen Punkt hat die belangte Behörde, die durch die Rückforderung aufgrund der von ihr festgestellten unterlassenen Meldung des Wochengeldbezugs offenkundig das ihr unterlaufene Versehen, die Anrechnung des Arbeitsentgelts der Ehefrau "vergessen" zu haben, korrigieren möchte, in der Begründung des angefochtenen Bescheides keine Feststellungen getroffen.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am