VwGH vom 23.11.2016, Ra 2014/15/0044

VwGH vom 23.11.2016, Ra 2014/15/0044

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2014/15/0048 E

Ra 2014/15/0049 E

Ra 2014/15/0050 E

Ra 2014/15/0051 E

Ra 2014/15/0047 E

Ra 2014/15/0053 E

Ra 2014/15/0045 E

Ra 2014/15/0046 E

Ra 2014/15/0052 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der A GmbH Co KG in G, vertreten durch Mag. Walter Messner, Wirtschaftsprüfer in 8010 Graz, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 68/2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100832/2013, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2011, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin betreibt einen gewerblichen Grundstückshandel. Mit Kaufvertrag vom hat sie gemeinsam mit weiteren neun Kommanditgesellschaften Liegenschaften im Ausmaß von 27.665 m2 erworben, wovon im Jahr 2007 zwei Grundstücke in der Größe von 4.332 m2 bzw. 5.062 m2 unter Ausweis von Umsatzsteuer weiterveräußert wurden. Im Zuge einer Außenprüfung wurden Vorsteuern der Jahre 2007 bis 2010 (nur) zu 33,96 % (das entspricht dem Verhältnis der verkauften Liegenschaftsflächen zu den gesamten erworbenen Liegenschaftsflächen) zum Abzug zugelassen. Ein gegen die Vorsteuerkürzung gerichtetes Rechtsmittelverfahren blieb erfolglos.

2 In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2011 nahm die Revisionswerberin eine Berichtigung gemäß § 16 UStG 1994 vor, die sie über Vorhalt des Finanzamtes damit begründete, dass weitere Liegenschaftsverkäufe mit Umsatzsteuerausweis getätigt worden seien. Die im Jahr 2011 geltend gemachten Vorsteuerberichtigungen beträfen die aus den Anschaffungskosten und weiteren Vorleistungen bisher nicht in Anspruch genommenen Vorsteuern der Jahre 2002 bis 2010. Im Jahr der Anschaffung und in den Folgejahren seien auf Grund der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechtslage noch keine Vorsteuern in Anspruch genommen worden, obwohl auf Grund der entsprechenden Projektunterlagen eindeutig klar gewesen sei, dass zukünftige Verkäufe jedenfalls unter Inanspruchnahme der Option gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 erfolgen werden.

3 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 fest, was bei Umsätzen von Null zu einer Vorsteuergutschrift in Höhe der im Jahr 2011 angefallenen Vorsteuern führte. Die aus den Jahren 2002 bis 2010 stammenden Vorsteuern wurden hingegen nicht zum Abzug zugelassen.

4 In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Revisionswerberin wiederum vor, mit der beantragten "Berichtigung gemäß § 16 UStG 1994" sei dem Umstand Rechnung getragen worden, dass im Jahr 2012 weitere Liegenschaften unter Inanspruchnahme der Option nach § 6 Abs. 2 erster Satz UStG 1994 umsatzsteuerpflichtig verkauft worden seien. Es sei denkunmöglich, dass die einem Unternehmer nachweislich in Rechnung gestellten Vorsteuern, die betrieblich veranlasst und mit den zukünftigen Umsätzen in Zusammenhang stünden, nicht zum Abzug zugelassen würden. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf ) habe zu einer "Änderung der Gesetzesinterpretation und der Gesetzesanwendung" geführt, sodass die vom Steuerpflichtigen vorgenommene Berichtigung gemäß § 16 UStG 1994 wohl das "einzig Richtige" sei, um die dem Steuerpflichtigen eindeutig zustehenden Vorsteuern auch entsprechend geltend zu machen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab. Die Berichtigung gemäß Art. 185 MwSt-RL sei zwingend, wenn sich die Faktoren, die bei Festsetzung der Vorsteuern berücksichtigt worden seien, nachträglich geändert hätten, insbesondere bei rückgängig gemachten Käufen oder Rabatten. Da im gegenständlichen Fall die erstmalige Geltendmachung von - aus den Jahren 2002 bis 2010 stammenden - Vorsteuern in Streit stünde, bliebe für die von der Revisionswerberin begehrte "Berichtigung" von Vorsteuern nach § 16 UStG 1994 kein Raum.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision ist zulässig, weil es an Rechtsprechung zur Frage fehlt, wie vorzugehen ist, wenn zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges ein Vorsteuerabzug im Hinblick auf die Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a iVm § 12 Abs. 3 Z 1 und 2 UStG 1994 und deren Auslegung durch die Verwaltungspraxis unterblieben ist, obwohl ein solcher Vorsteuerabzug nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges hätte vorgenommen werden können.

11 Aus den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a iVm § 12 Abs. 3 Z 1 und 2 UStG 1994 resultiert eine so genannte unechte - zum Verlust des Vorsteuerabzuges führende - Steuerbefreiung der Grundstücksumsätze. Durch die in § 6 Abs. 2 idF des BGBl. I Nr. 79/1998 geschaffene Option ist es dem Steuerpflichtigen allerdings möglich, solche Umsätze trotzdem steuerpflichtig zu behandeln und dadurch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu erlangen.

12 Der Vorsteuerabzug ist im Regelfall bereits zulässig, wenn die Ausführung eines steuerpflichtigen Umsatzes erst beabsichtigt ist, und setzt nicht voraus, dass der Unternehmer damit einen Umsatz bereits ausgeführt hat oder ausführt (vgl. ).

13 Bedarf die Steuerpflicht der aus der künftigen Veräußerung erwirtschafteten Umsätze zusätzlich noch der Option zur Steuerpflicht, kommt die Vorsteuerausschlussbestimmung nicht zur Anwendung, wenn bei Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze eine steuerpflichtige Veräußerung wahrscheinlicher ist als der Fall einer steuerfreien Veräußerung. Die Frage, ob vom Gebrauch der im § 6 Abs. 2 UStG 1994 eingeräumten Option bei Verkauf der Liegenschaften auszugehen ist, muss also mit der Wahl jener Möglichkeit beantwortet werden, die den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat. Bei nachweislicher Absicht der Option zur Steuerpflicht steht der Vorsteuerabzug entsprechend der Bestimmung des § 12 Abs. 1 UStG 1994 sofort zu, sodass die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 3 UStG 1994 insoweit nicht zum Tragen kommt (vgl. ).

14 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Feststellung zu Grunde, dass im Jahr 2011 von einer (künftigen) Option der Revisionswerberin nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 auszugehen sei. Aus diesem Grund hat das Bundesfinanzgericht wie zuvor bereits das Finanzamt die im Jahr 2011 angefallenen Vorsteuern (zur Gänze) zum Abzug zugelassen.

15 Für den Abzug der in den Jahren 2002 bis 2010 angefallenen Vorsteuern im Streitjahr 2011 fehlt es hingegen an einer gesetzlichen Grundlage. Wie im angefochtenen Erkenntnis zu Recht ausgeführt wird, ist § 16 UStG 1994 (Änderung der Bemessungsgrundlage) nicht einschlägig. Eine im Streitjahr 2011 eingetretene Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen (tatsächlichen) Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 bis 12 UStG 1994 wurde weder im abgabenbehördlichen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet.

16 Im Revisionsfall ist aber auch keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Rechtslage (vgl. dazu ) eingetreten. Dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2006/13/0193, die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, vor der (tatsächlich steuerpflichtigen) Lieferung des Grundstückes sei kein Vorsteuerabzug möglich, für den Fall nicht geteilt hat, dass im Zeitpunkt des Leistungsbezuges bereits die Absicht der Option zur Steuerpflicht erweislich ist, bewirkte keine Änderung, sondern lediglich eine Klarstellung der Rechtslage.

17 Hat das Finanzamt den Vorsteuerabzug im Jahr des Leistungsbezuges im Hinblick auf die grundsätzliche Steuerfreiheit von Grundstücksumsätzen versagt oder wurde der Nachweis der Optionsabsicht vom Steuerpflichtigen auf Grund der bekannten Verwaltungspraxis gar nicht angetreten, darf dies - worin der Revisionswerberin zuzustimmen ist - nicht dazu führen, dem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug ungeachtet seiner Option zur Steuerpflicht endgültig mit der Begründung zu versagen, dass der Vorsteuerabzug bereits bei Inanspruchnahme der Vorleistungen hätte vorgenommen werden müssen. Vielmehr wird davon auszugehen sein, dass in solchen Fällen eine "bisher vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene Steuer (§ 12 Abs. 3)" vorliegt, welche gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 28/1999 für den Voranmeldungszeitraum abgezogen werden kann, in dem der Unternehmer den Umsatz als steuerpflichtig behandelt.

18 Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am