VwGH vom 29.10.2008, 2007/08/0122
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV(SanR)-41853/1-2007-Bb/Gu, betreffend Anrechnung von Ersatzzeiten gemäß § 227 ASVG (mitbeteiligte Partei: Mag. H, W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der am geborene N.H. (im Weiteren: der Mitbeteiligte) von September 1966 bis Juni 1971 die Bundeshandelsakademie in W. besuchte, wo er am auch maturierte. Der Mitbeteiligte, der somit am das 15. Lebensjahr vollendet hat, hat in den (vier) Schuljahren 1967/68 bis 1971/72 (d.h. im Zeitraum zwischen und ) 11 Versicherungsmonate in der Pflichtversicherung erworben; davon entfallen auf den Zeitraum der Schuljahre 1967/68 bis 1969/70 (d.h. auf den Zeitraum vom bis ) sieben Versicherungsmonate in der Pflichtversicherung sowie auf die Schuljahre 1968/69 bis 1970/71 (d.h. auf den Zeitraum vom bis ) zehn Versicherungsmonate in der Pflichtversicherung.
Mit Bescheid vom hat die Beschwerdeführerin dem Antrag des Mitbeteiligten auf Nachkauf der Schulzeiten gemäß § 227 ASVG insoweit stattgegeben, als ein Nachkauf von 29 Monaten zu einem Gesamtbetrag von EUR 13.719,90 (mit einer Entrichtung in monatlichen Raten in Höhe von je EUR 236,55) bewilligt, der Einkauf von weiteren Monaten jedoch abgelehnt wurde. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass gemäß § 227 Abs. 1 ASVG die Anrechnung von Ersatzzeiten nur für volle Schuljahre möglich sei; unabhängig von der Dauer des tatsächlichen Schulbesuches erfolge die Lagerung pro Schuljahr vom September eines Jahres bis August des Folgejahres; der Besuch einer höheren Schule könne mit maximal drei vollen Schuljahren berücksichtigt werden. In diesem Fall sei der Nachkauf für die Schulzeiten für die in den Schuljahren 1968/69 bis 1970/71 liegenden Ersatzzeiten bewilligt worden. Bei der Vorschreibung seien jene Monate außer Betracht geblieben, die sich mit Beitragsmonaten der Pflichtversicherung zeitlich decken würden. Für den Antragsteller sei die für ihn günstigste Lagerung der Schulmonate erfolgt.
Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch hat die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und "in Abänderung des beeinspruchten Bescheides der PVA festgestellt, dass der Einkauf weiterer Monate für den Nachkauf von Schulzeiten zu bewilligen ist".
In der Begründung dazu wurde zur strittigen Frage, von welcher Basis die möglichen Nachkaufzeiten in der Pensionsversicherung zu berechnen seien, im Wesentlichen ausgeführt: Die Beschwerdeführerin gehe von einem Höchstmaß von drei Jahren gerechnet vom letzten Schulmonat aus, wobei diese 36 Monate um die zuvor genannten sieben Beitragsmonate vermindert würden. Der Mitbeteiligte gehe von der Vollendung des 15. Lebensjahres bis zum Ende des Schuljahres 1970/71 und somit von 48 Monaten aus und gelange unter Abzug der von ihm vermuteten erworbenen 10 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung zu einer grundsätzlichen Ersatzzeit von 38 Monaten, die auf Grund der gesetzlichen Begrenzung auf drei Jahre auf 36 Monate zu reduzieren sei.
Da die Vollendung des 15. Lebensjahres erst am Ende des ersten Schuljahres stattgefunden habe, sei erst ab dem Schuljahr 1967/68 bis zum Schuljahr 1970/71, also insgesamt auf Basis von 48 Monaten die entsprechende Berechnung abzustellen. In diesem Zeitraum habe der Mitbeteiligte 11 (und nicht wie von ihm gemeint 10) Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben, wonach grundsätzlich 37 Monate als Ersatzzeiten verbleiben würden, jedoch durch die Begrenzung auf 36 Monate durch § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG weitere Monate (als jene 29, welche von der Einspruchsgegnerin bewilligt worden seien) nachgekauft werden können.
Die von der Beschwerdeführerin angestellte Rückrechnung von drei Jahren vom letzten Schulmonat bleibe unklar, zumal diese aus dem Gesetzestext auch nicht hervorgehe. Im Gesetzestext werde von einer Ausbildungszeit gesprochen, bei der vom letzten Ausbildungsmonat zurückgerechnet werde. Die Ausbildungszeit sei aber - auch laut Gesetzestext und den darin befindlichen Beispielen - mit der Schulzeit nicht zu vergleichen, sodass eine Rückrechnung vom bis weder im Gesetz noch nach den Kommentaren oder Erläuterungen zum Gesetz zwingend vorgesehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 227 ASVG in der hier maßgebenden, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 132/2005 (zu dieser für die Anerkennung von Ersatzzeiten und die Beitragsentrichtung maßgeblichen Rechtslage vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0012) lautet auszugsweise:
"§ 227. (1) Als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem und vor dem gelten
1. in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche mittlere Schule oder eine mittlere Schule mit vergleichbarem Bildungsangebot, eine höhere Schule (das Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang besucht wurde, oder eine Ausbildung am Lehrinstitut für Dentisten in Wien oder nach dem Hochschulstudium eine vorgeschriebene Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf erfolgt ist; hiebei werden höchstens ein Jahr des Besuches des Lehrinstitutes für Dentisten in Wien, höchstens zwei Jahre des Besuches einer mittleren Schule, höchstens drei Jahre des Besuches einer höheren Schule (des Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandten Lehranstalt, höchstens zwölf Semester des Besuches einer Hochschule, einer Kunstakademie oder Kunsthochschule und höchstens sechs Jahre der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf berücksichtigt, und zwar jedes volle Schuljahr, angefangen von demjenigen, das im Kalenderjahr der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, mit zwölf Monaten, jedes Studiensemester mit sechs Monaten, und die Ausbildungszeit, zurückgerechnet vom letzten Ausbildungsmonat.
2. die Zeiten
(...).
(2) Die in Abs. 1 Z 1 angeführten Zeiten sind nicht zu berücksichtigen:
1. für die Anspruchsvoraussetzungen und für die Bemessung der Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit;
2. für die Bemessung der Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes.
Sie können jedoch nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durch Beitragsentrichtung ganz oder teilweise anspruchs- bzw. leistungswirksam werden.
(3) Für jeden Ersatzmonat nach Abs. 1 Z 1, der anspruchs- bzw. leistungswirksam werden soll, ist ein Beitrag in der Höhe von 22,8 vH zu entrichten. Als Beitragsgrundlage gilt
(...)
(4) Die Beitragsentrichtung nach Abs. 3 kann bei jedem Versicherungsträger, bei dem mindestens ein Versicherungsmonat erworben wurde, für alle oder einzelne dieser Ersatzmonate jederzeit bis zum Stichtag beantragt werden. Wenn die Berechtigung zur Beitragsentrichtung erst nach dem Stichtag in einem vor dem Stichtag eingeleiteten Verfahren festgestellt wird, können die Beiträge auch nach dem Stichtag entrichtet werden. Die Entrichtung der Beiträge in Teilbeträgen ist zulässig; hiebei darf die Gesamtzahl der Teilbeträge - unter Berücksichtigung der Einkommens- und Familienverhältnisse des (der) Versicherten - das Dreifache der Anzahl der Ersatzmonate, deren Erwerb beantragt wurde, nicht überschreiten.
(...).
(5) (...)."
Um die Zulässigkeit einer Beitragsentrichtung beurteilen zu können, ist die Vorfrage zu beantworten, welche Zeiten des Besuchs einer höheren Schule durch den Beschwerdeführer iSd § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG als Ersatzzeiten zu gelten haben. Demnach ist nicht der Schulbesuch schlechthin als Ersatzzeit zu berücksichtigen, sondern nur der, der die besondere Qualifikation dieser Gesetzesstelle aufweist. Dazu gehört, dass nur der Besuch eines vollen Schuljahres eine Ersatzzeit begründen kann und eine Teilberücksichtigung eines Schuljahres ausgeschlossen ist; es kommt dabei nicht auf die physische Anwesenheit des Schülers in der Schule, sondern nur darauf an, dass er schulrechtlich gesehen Schüler ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 82/08/0081, vom , Zl. 97/08/0116, und vom , Zl. 2004/08/0229, sowie das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 10 ObS 179/06f, mwN). Weiters ist zu berücksichtigen, dass Schulzeiten nach § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG jeweils nur in einem bestimmten Höchstausmaß als Ersatzzeiten berücksichtigt werden, im vorliegenden Fall höchstens drei Jahre des Besuches einer höheren Schule. Der Beginn der Ersatzzeit ist nunmehr grundsätzlich mit 1. September eines Jahres anzunehmen. Der Zeitraum der Anerkennung für Schuljahre endet jeweils mit 31. August des folgenden Jahres (vgl. nochmals das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 10ObS179/06f, sowie Teschner/Widlar/Pöltner, MGA, ASVG,
104. Erg.Lfg. Anm. 8 zu § 227).
Aus dem Wortlaut des § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG
"... die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15.
Lebensjahres eine inländische ... höhere Schule ... besucht wurde
... ; hiebei werden ... höchstens drei Jahre des Besuches einer
höheren Schule ... berücksichtigt, und zwar jedes volle Schuljahr,
angefangen von demjenigen, das im Kalenderjahr der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, mit zwölf Monaten, jedes Studiensemester mit sechs Monaten, und die Ausbildungszeit, zurückgerechnet vom letzten Ausbildungsmonat."
sind unmittelbar zwei Grundsätze für die Anrechnung von Schulzeiten abzuleiten: Es sind nur ganze Schuljahre anzurechnen und es sind höchstens drei Schuljahre anzurechnen. Die von der belangten Behörde für zulässig erachtete Verteilung anzurechnender Schulzeiten auf vier Jahre ist daher im Gesetz nicht gedeckt, so wie überhaupt die Anrechnung von Schulzeiten als Ersatzzeiten zunächst nicht davon abhängig ist, ob und in welchem Ausmaß im betreffenden Zeitraum bereits Zeiten der Pflichtversicherung vorliegen. Erst nach Anrechnung der Schulzeiten gibt die auch außerhalb des Leistungsrechts anwendbare Bestimmung des § 231 ASVG (vgl. zB die Erkenntnisse vom , Zl. 89/08/0047, vom , Zl. 90/08/0073 ua, betreffend Verfahren zur Beitragsentrichtung für Schul- und Studienzeiten im Besonderen das Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0041) darüber Auskunft, in welchen Kalendermonaten im Ergebnis eine der Beitragsentrichtung zugängliche Ersatzzeit nach § 227 Z. 1 ASVG und in welchen Kalendermonaten - bei einander deckenden Versicherungszeiten - eine der Beitragsentrichtung weder zugängliche noch bedürftige - Beitragszeit der Pflichtversicherung vorliegt.
Der dies verkennende Bescheid der belangten Behörde war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im Übrigen sei noch bemerkt, dass auch der Bescheid der belangten Behörde insoweit für sich genommen rechtswidrig wäre, als darin weder die nach Auffassung der belangten Behörde einzukaufenden Versicherungsmonate nach Lagerung und Anzahl bezeichnet, noch die Befugnis zu einer Beitragsentrichtung in bestimmter Höhe ausgesprochen wurde.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am