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VwGH vom 30.06.2010, 2007/08/0095

VwGH vom 30.06.2010, 2007/08/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des IJ in U, vertreten durch Grilc Partner, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 14-SV- 3062/3/07, betreffend Zurückweisung wegen entschiedener Sache in einer Angelegenheit der Pensionsversicherung (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom hat die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt den (mit datierten und am bei ihr eingelangten) Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Ausgleichszulage mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nicht vorliegen würde.

Den am eingebrachten neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Ausgleichszulage hat die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt mit Bescheid vom zurückgewiesen und zusammengefasst damit begründet, dass über die Antragstellung auf Ausgleichszulage bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom entschieden worden sei und sich seit dieser Entscheidung weder Änderungen in der Sach- noch in der Rechtslage ergeben hätten.

Dem dagegen erhobenen Einspruch hat die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben.

Ihre Bescheidbegründung zum Vorliegen einer res iudicata stützte die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass Entscheidungsgrundlage für die bescheidmäßige Ablehnung der Ausgleichszulage am die vom Beschwerdeführer zum damaligen Antrag vorgelegten Unterlagen (und zwar ein Fragebogen Ausgleichszulage vom , eine Fotokopie des Reisepasses, eine Meldebestätigung der Stadtgemeinde F. vom hinsichtlich einer Adresse in U., eine Bestätigung der Firma K. vom und ein Zusatzfragebogen der Pensionsversicherungsanstalt "Auslandaufenthalte" ab ) gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe im Einspruch die neue Antragstellung damit begründet, dass im vorherigen Verfahren Beweisschwierigkeiten über einen Nachweis seines ständigen Aufenthaltes in Österreich insofern aufgetreten seien, als für die frühere Wohnung an der Adresse in R. kein Mietvertrag vorhanden gewesen sei und er dazu keine Meldebestätigung vorlegen habe können; zwischenzeitig sei eine neue Wohnung vorhanden, an der er ordnungsgemäß gemeldet sei und auch ein Mietvertrag bestehe. Mit der Tatsache, dass die zuvor aufgezählten Unterlagen allesamt vor Erlassung des Bescheides am der mitbeteiligen Pensionsversicherungsanstalt zur Beurteilung vorgelegen seien, sei aber zugleich der Beweis erbracht, dass mit der neuerlichen Antragstellung vom eine Identität der Verwaltungssache vorliege, über die bereits mit dem formell rechtskräftigen Bescheid vom abgesprochen worden sei, da einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten sei und andererseits sich die neue Antragstellung mit der früheren decke. Weiterreichende Unterlagen, als sie im Vorverfahren auf Gewährung der Ausgleichszulage bereits der Pensionsversicherungsanstalt vorgelegen seien, seien auch mit der neuen Antragstellung nicht eingereicht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat im Wege der Pensionsversicherungsanstalt die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 292 ASVG in der Fassung BGBl. II Nr. 532/2006 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage

§ 292. (1) Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293), so hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension.

..."

Gegenstand der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft ist nur der im Bescheid enthaltene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde gestützt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/09/0041). Bei der Beurteilung der "Identität der Sache" ist in primär rechtlicher Betrachtungsweise festzuhalten, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgeblich für die Entscheidung der Behörde ist aber nicht nur § 68 Abs. 1 AVG und für die Berufungsbehörde § 66 Abs. 4 AVG. Vielmehr hat die Behörde die Identität der Sache im Vergleich mit dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt im Lichte der darauf angewendeten (insbesondere materiellrechtlichen) Rechtsvorschriften zu beurteilen und sich damit auseinander zu setzen, ob sich an diesem Sachverhalt oder seiner "rechtlichen Beurteilung" (an der Rechtslage) im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den neuen Antrag eine wesentliche Änderung ergeben hat (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 24). Nur ein zeitlich, örtlich oder sachlich differentes Geschehen kann als anderer Sachverhalt angesehen werden, nicht auch die Beurteilung eines bereits einer Entscheidung zugrunde gelegten, im Vorverfahren bewerteten Sachverhaltes. Wesentlich ist eine Änderung nur dann, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, a.a.O. Rz 25 und 26).

Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, übersieht die belangte Behörde, dass sich die geänderte Sachlage im gegenständlichen Antrag schon daraus ergibt, dass durch diese Antragstellung die Ausgleichzulage ab einem späteren Zeitpunkt begehrt wird und es daher auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort ab diesem Zeitpunkt ankommt. Dieser war aber nicht Gegenstand des Abspruches im Vorbescheid. Auch § 362 ASVG steht dem neuerlichen Antrag nicht entgegen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das den Ersatz der Pauschalgebühr betreffende Mehrbegehren war wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am