VwGH 23.10.2014, Ra 2014/11/0060
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Das Verwaltungsgericht hat im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG 2014 grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Inhaltlich entspricht § 44 VwGVG 2014 dem bisherigen § 51e VStG (mit Ausnahme des nunmehr fehlenden Abs. 7), weshalb die bisherige Rechtsprechung zu § 51e VStG auch auf § 44 VwGVG 2014 umgelegt werden kann (vgl. grundlegend das E vom , Zl. Ra 2014/02/0011). Das Verwaltungsgericht führt in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses selbst an, dass die Revisionswerberin in der Berufung (Beschwerde) ihre Einvernahme beantragt habe, eine Verhandlung sei aber nicht (ausdrücklich) beantragt worden. Angesichts des ausdrücklichen Antrags auf Einvernahme der Revisionswerberin verbietet sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Revisionswerberin ihre Berufung (Beschwerde) bereits anwaltlich vertreten erhob, die Annahme, sie habe durch Unterbleiben eines ausdrücklichen Verhandlungsantrags den Verzicht iSd. § 44 Abs. 5 VwGVG 2014 auf die Durchführung einer Verhandlung zum Ausdruck gebracht (Hinweis Erkenntnisse vom , 2011/02/0242, vom , 2012/21/0120, vom , 2012/22/0082, und vom , 2013/21/0135). |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2015/02/0183 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der Dr. U S in W, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW- 001/022/6717/2014-4, betreffend Übertretung des Psychotherapiegesetzes (belangte Behörde: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde die Revisionswerberin für schuldig erachtet, dadurch eine Berechtigung zur Ausübung der Psychotherapie vorgetäuscht und § 13 Abs. 3 iVm. § 23 des Psychotherapiegesetzes verletzt zu haben, dass durch einen näher bezeichneten Zeitraum hindurch nach Streichung der Revisionswerberin aus der Psychotherapeutenliste ein entsprechendes Schild, das auf ihre (frühere) Berechtigung hingewiesen habe, am ehemaligen Berufssitz angebracht gewesen sei; dafür wurde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung (nunmehr: Beschwerde) beantragte die Revisionswerberin, anwaltlich vertreten, ihre Einvernahme.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen - die Beschwerde in der Schuldfrage als unbegründet ab, reduzierte die verhängte Strafe und sprach aus, dass gegen sein Erkenntnis eine ordentliche Revision unzulässig sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
1. Der im 2. Hauptstück, 3. Abschnitt (Verfahren vor dem Verwaltungsgericht), enthaltene § 24 VwGVG regelt die Verhandlungspflicht in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, während § 44 VwGVG im 3. Hauptstück ("Besondere Bestimmungen"),
2. Abschnitt (Verfahren in Verwaltungsstrafsachen), hinsichtlich Verhandlungen in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen Folgendes anordnet:
"(1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
1. in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2. sich die Beschwerde nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3. im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
(6) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen."
2. Die Revision ist zulässig.
2.1. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Revision gemäß § 25a Abs. 2 VwGG nicht gebunden.
2.2. Wie im Folgenden zu zeigen ist, hat das Verwaltungsgericht die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung außer Acht gelassen. Die Revision ist folglich, wie von der Revisionswerberin zutreffend ausgeführt wird, zulässig.
3. Die Revision ist auch begründet.
3.1. Das Verwaltungsgericht hat im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Inhaltlich entspricht § 44 VwGVG dem bisherigen § 51e VStG (mit Ausnahme des nunmehr fehlenden Abs. 7), weshalb die bisherige Rechtsprechung zu § 51e VStG auch auf § 44 VwGVG umgelegt werden kann (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/02/0011).
Das Verwaltungsgericht führt in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses selbst an, dass die Revisionswerberin in der Berufung (Beschwerde) ihre Einvernahme beantragt habe, eine Verhandlung sei aber nicht (ausdrücklich) beantragt worden.
Angesichts des ausdrücklichen Antrags auf Einvernahme der Revisionswerberin verbietet sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Revisionswerberin ihre Berufung (Beschwerde) bereits anwaltlich vertreten erhob, die Annahme, sie habe durch Unterbleiben eines ausdrücklichen Verhandlungsantrags den Verzicht iSd. § 44 Abs. 5 VStG auf die Durchführung einer Verhandlung zum Ausdruck gebracht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2011/02/0242, vom , Zl. 2012/21/0120, vom , Zl. 2012/22/0082, und vom , Zl. 2013/21/0135).
3.2. Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014110060.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-91374