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VwGH vom 22.04.2015, Ro 2014/10/0130

VwGH vom 22.04.2015, Ro 2014/10/0130

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, aufgrund des Vorlageantrags der E S in Wien, vertreten durch Mag. DI Alexei Belokonov, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 49/9, als bestellten Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch die Becker Günther Regner Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Kolingasse 5/23, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W129 2008671-1/10Z, betreffend Zurückweisung einer Revision (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom wird aufgehoben.

Begründung

1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom wurde der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Studienbeihilfe ab dem Wintersemester 2013/14 für einen vierjährigen Lehrgang an der Schauspielschule O. in W. abgewiesen. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde für zulässig erklärt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom wurde der Antragstellerin die Verfahrenshilfe gemäß § 61 Abs. 1 und 2 VwGG bewilligt.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom wurde Mag. DI Alexei Belokonov zum Verfahrenshelfer der Revisionswerberin bestellt.

2. Mit dem gegenständlichen Beschluss vom wies das Bundesverwaltungsgericht die am beim Bundesverwaltungsgericht mittels elektronischen Rechtsverkehrs eingelangte Revision als verspätet zurück.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom sei dem Verfahrenshelfer am rechtswirksam zugestellt worden. Da die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Revision ab diesem Zeitpunkt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG erneut zu laufen begonnen habe, sei die erst am beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Revision verspätet und daher zurückzuweisen.

3. Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag.

Die Antragstellerin bringt im Wesentlichen vor, der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien sei dem Verfahrenshelfer im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt und am auf dem Bereithaltungsserver zur Abholung bereitgestellt worden. Die Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs sei allerdings eine spezifisch für den Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften eingerichtete Form der elektronischen Kommunikation. Die Regelungen dafür fänden sich in den §§ 89a ff Gerichtsorganisationsgesetz - GOG und der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr. § 28 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) könne entnommen werden, dass sich nur die Zustellung von "Gerichten" nach diesen Bestimmungen richte. Da die Rechtsanwaltskammer Wien kein Gericht sei, erscheine daher die Zustellung eines Bescheides der Rechtsanwaltskammer Wien im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs als nicht gesetzeskonform. Auch eine andere gesetzliche Grundlage für die Zustellung eines solchen Bescheides im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs sei nicht ersichtlich.

Es liege daher ein Zustellmangel vor, der gemäß § 7 ZustG heilen könne, wenn das Dokument dem Empfänger tatsächlich zukomme. Der Verfahrenshelfer der Antragstellerin habe den Bestellungsbescheid erst am abgerufen bzw. geöffnet. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ihm daher der genannte Bescheid tatsächlich zugekommen und die Zustellung somit erst an diesem Tag rechtsgültig bewirkt worden.

Selbst wenn die Ansicht vertreten werde, dass die Bestimmungen der §§ 89a ff GOG analog anzuwenden seien, sei die Revision rechtzeitig eingebracht worden:

Wie § 89d Abs. 2 GOG zu entnehmen sei, gelte als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gälten. Der im elektronischen Rechtsverkehr übermittelte Bestellungsbescheid sei am in den elektronischen Verfügungsbereich des bestellten Rechtsanwaltes gelangt. Bei analoger Anwendung der Bestimmung des § 89d Abs. 2 GOG wäre somit von der rechtsgültigen Zustellung dieses Dokumentes am (und damit einem Fristenlauf bis einschließlich ) auszugehen.

4. Gemäß § 25a Abs. 5 VwGG ist die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision sechs Wochen.

Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zur Behandlung eignen, sind vom zuständigen Verwaltungsgericht bzw. vom Verwaltungsgerichtshof ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen (§ 30a Abs. 1 bzw. § 34 Abs. 1 VwGG).

Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 3 erster Satz VwGG mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen.

Nach der auf Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Rechtsanwaltskammer Wien übermittelten Note samt Sendebestätigung wurde der Bestellungsbescheid vom dem Verfahrenshelfer mittels Teilnehmer-Direktzustellung (TLNDZ) am übermittelt. Die TLNDZ ist die Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken mittels Elektronischem Rechtsverkehr (ERV) zwischen Teilnehmern des ERV (vgl. Zoubek , AnwBl 2008, 344f).

Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung durch diese TLNDZ am ist allerdings nach den konkreten Umständen des Falles nicht ersichtlich. Auch § 37 ZustG kommt hierfür nicht in Betracht, hat doch die Rechtsanwaltskammer Wien auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes, auf welche Weise und wann die hier interessierende Zustellung erfolgt sei, weder die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z. 5 ZustG) noch die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer behauptet (vgl. § 37 Abs. 2 ZustG; zu diesen Voraussetzungen vgl. etwa Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, 386). Somit ist insbesondere nicht von einer Zustellung "mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger" (§ 37 Abs. 1 zweiter Satz ZustG) auszugehen.

Wenn man hiefür die - für elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben geltende - Bestimmung des § 89d Abs. 2 GOG, wonach als Zustellungszeitpunkt jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag gilt, wobei Samstage nicht als Werktage gelten, sinngemäß anwenden wollte (vgl. in diesem Sinn den Zl. 6 Ob 92/14v), wäre die Zustellung des gegenständlichen Bestellungsbescheides erst am erfolgt.

Da die gegenständliche, am beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Revision somit jedenfalls innerhalb der sechswöchigen Revisionsfrist beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt ist, war sie nicht verspätet. Der Zurückweisungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom erweist sich insofern als rechtswidrig und war daher gemäß § 30b Abs. 1 VwGG aufzuheben (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Fr 2014/20/0022, sowie Eder/Martschin/Schmid , Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K 6 zu § 30b VwGG).

5. Der Verwaltungsgerichtshof wird in der Folge das Vorverfahren über die vorliegende ordentliche Revision einleiten.

Wien, am