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VwGH vom 26.01.2012, 2009/09/0286

VwGH vom 26.01.2012, 2009/09/0286

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der M in A, vertreten durch Bollmann Bollmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1010 Wien, Weihburggasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-ME-08-0027, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt II des im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als Arbeitgeberin den polnischen Staatsangehörigen Henryk N. am 3. und mit Hilfsarbeiten beschäftigt, obwohl für diesen Ausländer keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt seien. Über die Beschwerdeführerin wurde wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt. Mit Spruchpunkt I. des Bescheides wurde das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin betreffend die Beschäftigung des Grzegorz M. (des Schwiegersohnes des Henryk N.) eingestellt.

Henryk N. sei bei einer Kontrolle durch die Organe der Finanzverwaltung am auf dem der Beschwerdeführerin zur Hälfte gehörenden Anwesen in A. arbeitend (beim Tragen eines gefüllten Mörteltroges aus dem Haus) angetroffen worden. Arbeitsrechtliche Bewilligungen seien nicht vorgelegen. Henryk N. habe die Arbeiten gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Grzegorz M. durchgeführt, der der Beschwerdeführerin bereits seit mehreren Jahren im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit und von Besuchen bekannt sei. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe die Kinder des M. ärztlich betreut. Es bestehe ein freundschaftliches Verhältnis zu Grzegorz M.

Henryk N. sei der Beschwerdeführerin bis zum gegenständlichen Vorfall nicht bekannt gewesen. Die Beschwerdeführerin habe Grzegorz M. ersucht, ihr beim Entrümpeln des Dachbodens auf ihrem Anwesen zu helfen. M. habe dem zugestimmt und gefragt, ob er auch seinen Schwiegervater (Henryk N.) mitbringen könne. Dem habe die Beschwerdeführerin zugestimmt. Die Beschwerdeführerin habe Grzegorz M. für seine Dienste kein Geld angeboten. Dieser habe das auch nicht hinterfragt. Es sei ihm Essen und Trinken angeboten worden, wie man das mit Gästen mache. Eine Absprache mit Henryk N. sei nicht getroffen worden. Dieser habe gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Möbel vom Dachboden heruntergetragen und mehr oder weniger den Dachboden entrümpelt. Grzegorz M. habe mit Mörtel Risse und Löcher im Mauerwerk ausgebessert. Darum habe Henryk N. im Zeitpunkt der Kontrolle auch geholfen, den Mörtelkübel herunterzutragen. Im Übrigen sei Henryk N. nach Österreich gekommen, um seine Tochter und den Schwiegersohn zu besuchen. Er sei in Polen arbeitslos und sammle dort Altmetall, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Im Hinblick auf Grzegorz M. sei nicht auszuschließen, dass ein Naheverhältnis zur Beschwerdeführerin in Form eines freundschaftlichen Verhältnisses bestehe und die Leistungen unentgeltlich erbracht werden sollten. Hingegen sei bei Henryk N. nicht von einem derartigen Freundschaftsdienst auszugehen. Dieser sei der Beschwerdeführerin bis zum gegenständlichen Vorfall nicht persönlich bekannt gewesen, woran nichts ändere, dass er der Schwiegervater des Grzegorz M. sei. Es sei unklar, aus welchen Gründen sich dieser Ausländer zu Gefälligkeitsdiensten hätte bereiterklären sollen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Beweisverfahren keine näheren Ergebnisse darüber erbracht habe, in welcher Form oder Höhe der Ausländer für seine Tätigkeiten entlohnt worden sei, weil es, wenn Unentgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart worden sei, nicht schade, wenn eine Vereinbarung über eine bestimmte Höhe des Entgelts unterblieben sei, gelte doch im Zweifel ein angemessenes Entgelt für die Dienste als bedungen. Im Zweifel sei die Verwendung einer ausländischen Arbeitskraft entgeltlich. Eine allfällige bloße Nichtbezahlung bedeute nicht, dass der Ausländer unentgeltlich beschäftigt worden sei. Im Übrigen führte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt. Gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 101/2005, gilt als Beschäftigung u.a. die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß Abs. 4 erster Satz dieser Bestimmung ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung iSd Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF BGBl. I Nr. 103/2005 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4b) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" (§ 8 Abs. 2 Z. 3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt wurde.

Für die Einordnung in den Beschäftigungsbegriff des (im Beschwerdefall in Betracht kommenden) § 2 Abs. 2 lit. a AuslBG ist u. a. maßgebend, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden vom Beschäftiger ausgeübt wird. Beschäftiger ist derjenige, der dem Arbeitnehmer Aufträge erteilt, Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, eine Dienst- und Fachaufsicht im Sinn einer organisatorischen Eingliederung des Arbeitnehmers in seinen Betrieb ausübt.

Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis iSd § 2 Abs. 2 AuslBG ist u.a. auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zustande kam, ob diesem Mängel anhaften oder welche vertragliche Bezeichnung die Vertragsparteien der Tätigkeit gegeben haben, kommt es hingegen nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0101).

Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend und unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei den gegenständlichen Bauhilfsarbeiten der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne näher Untersuchung entgegenstehen. Die Behörde ist in einem solchen Fall nicht gehalten, Ermittlungen und weitwendige Überlegungen zu der Frage anzustellen, ob der verwendete Ausländer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, da dies - wenn anders lautende konkrete Behauptungen samt Beweisanbote nicht vorliegen - unter den gegebenen Umständen ohne weiteres vorausgesetzt werden konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0058).

Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen einem Gefälligkeitsdienst und einer "kurzfristigen" Beschäftigung iSd AuslBG ist fließend. Für die Abgrenzung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, maßgeblichen Umstände um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/09/0374, und vom , Zl. 2009/09/0101).

Die Beschwerdeführerin vermochte keinerlei familiäre, freundschaftliche oder nachbarschaftliche Bindungen zu dem auf ihrer Baustelle tätigen polnischen Staatsangehörigen Henryk N. aufzuzeigen und hat auch nicht behauptet, mit diesem die Unentgeltlichkeit seiner Leistungen vereinbart zu haben. Im Zweifel (in Ermangelung einer Vereinbarung) gilt ein angemessenes Entgelt für die Dienste als bedungen (§ 1152 ABGB). Ob die Beschwerdeführerin ein dem Henryk N. demnach zustehendes Entgelt (vgl. auch § 29 AuslBG) tatsächlich geleistet hat oder nicht, braucht nicht untersucht zu werden. Eine Nichtzahlung bedeutet jedenfalls nicht, dass die verwendeten Arbeitskräfte unentgeltlich verwendet bzw. nicht iSd § 2 Abs. 2 AuslBG beschäftigt worden seien (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0101).

Die Beschwerdeführerin bringt indes auch vor, wenngleich es sich nicht um einen direkten Freundschaftsdienst für sie gehandelt habe, sei davon auszugehen, dass der Schwiegersohn seinen Schwiegervater Henryk N. gebeten habe, ihm bei den Arbeiten zu helfen. Daher sei ein familiärer Freundschaftsdienst zwischen diesen vorgelegen, "welcher sich sodann auch auf die Beschwerdeführerin erstreckt". Nicht die Beschwerdeführerin sei "präsumptive Arbeitgeberin des Henryk N." gewesen, sondern vielmehr sein Schwiegersohn Grzegorz M. Es möge zwar richtig sein, dass M. mit der Beschwerdeführerin Rücksprache gehalten habe. Dies ändere aber nichts daran, dass alleinige Ansprechperson und somit "Arbeitgeber" Grzegorz M. gewesen sei.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der Einwand ändert nichts an dem Umstand, dass Arbeitsleistungen an die Beschwerdeführerin erbracht wurden, ohne dass dieser gegenüber die oben geschilderten Voraussetzungen für die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes gegeben sind. Ob und inwieweit mit Erbringung der Arbeitsleistungen durch Henryk N. an die Beschwerdeführerin auch die Interessen des mit ihr befreundeten Grzegorz M. gefälligkeitshalber gefördert wurden, ist unerheblich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/09/0197, und vom , Zl. 2009/09/0256).

Die Beschwerdeführerin macht schließlich geltend, sie habe in ihrer Berufung die vom Finanzamt A. verfasste Niederschrift "als formelhaft und kursorisch bemängelt". Die Niederschrift sei nicht "auf die wesentlichen Tatsachen des Sachverhaltes" eingegangen. Auf Grund dieser "nachvollziehbaren Einwendungen" hätte die belangte Behörde insbesondere Henryk N. einvernehmen müssen. Das Unterlassen der Ladung dieses Zeugen sei insoweit verfahrensrelevant, "als sich aus dessen Aussage ergeben hätte, dass keine der nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung notwendigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG gegeben sind". Eine neuerliche Befragung des Henryk N. hätte auch ergeben, dass er nicht den Freundschaftsdienst für die Beschwerdeführerin, sondern vielmehr für seinen Schwiegersohn Grzegorz M. erbracht habe. Arbeitgeber sei daher nicht die Beschwerdeführerin, sondern Grzegorz M. gewesen. Dieser wäre - wenn überhaupt - wegen der Übertretung des AuslBG zu belangen gewesen.

Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die Beschwerdeführerin hat nie bestritten, dass Henryk N. von den Organen der Finanzverwaltung arbeitend angetroffen worden ist und dass zwischen diesem und der Beschwerdeführerin keine spezifische Bindung bzw. kein Naheverhältnis bestanden hat. Die Beschwerde legt nicht dar, welcher rechtlich relevante Sachverhalt durch die Einvernahme des Henryk N. hätte erwiesen werden sollen. Das Beweisthema, dass Henryk N. einen Freundschaftsdienst für seinen Schwiegersohn Grzegorz M. erbracht hätte, ist aus den oben dargelegten Gründen unerheblich. Der Beschwerde gelingt es damit nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, unterlässt sie es doch darzutun, inwiefern die von ihr vermisste Vernehmung ein anderes, für den Beschwerdeführer günstiges Ergebnis zur Folge gehabt hätte.

Da auch die von der Beschwerde nicht bekämpfte Strafbemessung keinen Bedenken begegnet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am