VwGH vom 25.09.2012, 2011/17/0295
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der Mag. M und des Dr. J, beide in E und vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Bräuergasse 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-013185/7-2011-Mö, betreffend Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde T), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den beschwerdeführenden Parteien für ein näher genanntes Grundstück im Gemeindegebiet einen Aufschließungsbeitrag für die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage in der Höhe von EUR 824,17 vor.
Zusammen mit der dagegen erhobenen Berufung stellten die beschwerdeführenden Parteien einen Antrag im Sinne des § 27 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 114/1993 in der Fassung durch LGBl. Nr. 32/1999 (in der Folge: Oö ROG 1994), auf Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag.
Hinsichtlich des weiteren Verfahrens betreffend die Vorschreibung des Wasserversorgungs-Aufschließungsbeitrages kann auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0079, verwiesen werden. Mit diesem wurde die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet abgewiesen.
1.2. Nach Erhalt eines Mahnschreibens der mitbeteiligten Marktgemeinde stellten die beschwerdeführenden Parteien am einen Devolutionsantrag betreffend ihr Begehren auf Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag gemäß § 27 Oö ROG 1994.
Auf Grund dieses Devolutionsantrages wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit dem mit Datum ausgefertigten Bescheid den Antrag auf Erteilung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag betreffend die Wasserversorgung ab.
Begründend bejahte zunächst die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine inhaltliche Behandlung des infolge Devolution in ihre Zuständigkeit übergegangenen Antrages der beschwerdeführenden Parteien.
Der Gemeinderat sei - so die Begründung des Bescheides weiter - zu der Auffassung gelangt, den Antrag auf Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag für die Wasserversorgung abzuweisen, weil eine Ausnahme den Interessen einer geordneten Siedlungspolitik entgegen stehe und das Grundstück nach Ansicht der Gemeinde eine Baulücke bilde. Selbst wenn sich die Behörde der Argumentation der beschwerdeführenden Parteien anschließen würde, dass das Grundstück nicht als Baulücke anzusehen sei - diesbezüglich seien Ermittlungsverfahren nicht zu Ende geführt worden - stehe eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag den Interessen einer geordneten Siedlungspolitik entgegen, insbesondere solchen, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kämen, welches keine Ausnahmen vom Aufschließungsbeitrag vorsähe.
Die Gemeinde habe auf Grund der Vorgaben der örtlichen Raumordnung hinsichtlich der sparsamen Grundinanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen für die Bereitstellung von Grund zur Errichtung oder Erweiterung von Wohnsiedlungen und im Hinblick auf die Reduzierung des Baulandes im Verfahren zur Erstellung des örtlichen Entwicklungskonzepts und auch als Instrument einer aktiven Bodenpolitik eine Aufstellung jener Grundstücke erarbeitet, welche im Siedlungsgebiet lägen, entweder infrastrukturtechnisch erschlossen oder mit relativ geringem Aufwand erschließbar seien.
Das Hauptaugenmerk der von der Oberösterreichischen Landesregierung vorgegebenen Siedlungsentwicklung sei auf den Hauptort T. gerichtet; eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag würde den Interessen der geordneten Siedlungsentwicklung, welche auch im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kämen und in einem vom Ortsplaner der Gemeinde erstellten Gutachten vom bestätigt würden, eindeutig entgegen stehen.
In der Folge wird dieses Gutachten wörtlich wiedergegeben (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Das Grundstück … im Ausmaß von ca. 1.200 m2 liegt im Inneren des zentralen Siedlungsbereiches des Hauptortes T. Es ist laut dem für dieses Gebiet ausgearbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 8 'Ortsgebiet' vom Juli 1984 für eingeschossige offene Bauweise vorgesehen.
Die Erschließung durch Wasserleitung ist gegeben. Straße und Kanal ist mit relativ geringem Aufwand herstellbar. Derzeit besteht ein Torso in Form einer asphaltierten Stichstraße bis zu den unverbauten Grundstücken, die als Wiese genützt werden. Der derzeitige Zustand prägt das Ortsbild in negativem Sinne. Eine Bebauung ist daher wesentlich zur Erreichung eines geschlossenen Ortsbildes. Auch hier gilt der Aspekt einer sparsamen Grundinanspruchnahme für Siedlungszwecke."
Da für das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien aus den "genannten Gründen keine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag gewährt werden" könne, sei der Antrag um Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag abzuweisen gewesen.
1.3. In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung wandten sich die beschwerdeführenden Parteien zunächst gegen die Annahme des Bestehens einer Baulücke. Weiters führten sie aus, es sei ihnen nicht bekannt, welches konkrete örtliche Entwicklungskonzept der angefochtene Bescheid tatsächlich anspreche; sie gingen jedoch davon aus, dass es sich dabei um das örtliche Entwicklungskonzept im Flächenwidmungsplan Nr. 4 der Gemeinde, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , handle. Auf dieses nehme auch das Gutachten des Ortsplaners vom Bezug. Soweit dieser zu dem Schluss komme, dass der derzeitige Zustand das Ortsbild im negativen Sinne präge, werde dem aus näher dargelegten Gründen entgegen getreten.
Im Übrigen gehöre die mitbeteiligte Gemeinde nach dem Landesraumordnungsprogramm zum Raumtyp 3 als Gemeinde des ländlichen Raumes, sodass dem Raumordnungsziel und Grundsatz der sparsamen Grundinanspruchnahme bei Nutzungen jeder Art sowie der bestmöglichen Abstimmung der jeweiligen Widmungen durch die Ausweisung von Bauland und die Neuwidmung von Bauland nur vorrangig nach Ausnutzung der bestehenden Baulandreserven entsprochen werden solle. Da die Baulandreserven der mitbeteiligten Gemeinde nach dem Problem-, Ziel- und Maßnahmenkatalog des örtlichen Entwicklungskonzeptes von März 2001 von 55 ha das erforderliche Maß von maximal 15 ha um 30 ha also um mehr als das Zweifache überstiegen, ergebe sich zwangsläufig, dass das Interesse einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere einer solchen, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck komme, einer Ausnahme vom Ausschließungsbeitrag keinesfalls entgegenstehen könne. Daher habe das örtliche Entwicklungskonzept auch grundsätzlich die Möglichkeit offen gelassen, Ausnahmen von Aufschließungsbeiträgen zu gewähren, damit der dörfliche Charakter auch des Kerngebiets erhalten bliebe. Daher sei im Baulandführer der mitbeteiligten Gemeinde das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien auch nicht aufgeführt, insbesondere deshalb, weil amtsbekannt sei, dass "hier keine Hortung" vorliege. Das gegenständliche Grundstück gehe aus einem Acker hervor, der sich schon vor 1948 "im Besitz der Familie der Grundeigentümer" befunden habe. Die Rechtsvorgänger der beschwerdeführenden Parteien hätten diesen Acker zu Lebzeiten zwischen ihren Kindern bzw. Schwiegerkindern aufgeteilt, wobei sich die Übergeber das landwirtschaftliche Nutzungsrecht, das nach wie vor ausgeübt werde, ausbedungen hätten. Aus dem Grundbuchsauszug ergebe sich das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Eltern bzw. Schwiegereltern der beschwerdeführenden Parteien. Auch wenn der Meinung des Ortsplaners gefolgt würde, dass eine Bebauung wesentlich zur Erreichung eines geschlossenen Ortsbildes beitragen würde, dies auch unter dem Aspekt einer sparsamen Grundinanspruchnahme für Siedlungszwecke, so bestätige doch der Zeitablauf seit Antragstellung von mehr als acht Jahren, dass die Argumentation des mit Vorstellung bekämpften Bescheides nicht gelte. Es bestünde nämlich - wie näher ausgeführt wird - ohnedies keine Bauabsicht.
1.4. Die belangte Behörde wies mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet ab.
Begründend ging die Behörde dabei davon aus, dass die Vorstellungswerber Eigentümer eines unbebauten Grundstückes im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde seien, das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen sei. Das Grundstück sei durch eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage aufgeschlossen.
In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie des Parteivorbringens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften - davon aus, dass die Abgabenbehörde die Versagung der Ausnahme auf die Bestimmungen des § 27 Abs. 1 Z. 2 und 3 Oö ROG 1994 gestützt habe, wobei allerdings weder der Verfahrensakt noch die Begründung des Bescheides Sachverhaltsfeststellungen enthielten, die die Behauptung, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Grundstück um eine Baulücke handle, nachvollziehbar machten. Eine Baulücke im rechtlichen Sinn sei nur gegeben, wenn die unbebaute Grundfläche in geschlossen bebauten Gebieten zwischen bebauten Grundstücken liege und diese Grundfläche zur Sicherung der geordneten Bebauung des Gebietes bebaut werden solle.
Es sei allerdings festzuhalten - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter -, dass für die Erteilung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag das Vorliegen aller in den Ziffern 1 bis 3 genannten Kriterien kumulativ vorgesehen sei. Es treffe daher zu, dass bei Fehlen einer der Voraussetzungen die Bewilligung nicht zu erteilen sei. Der Umstand, dass die Abgabenbehörde vom Vorliegen einer Baulücke ausgegangen sei, dies aber nicht näher begründet habe, sei daher für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides nicht von ausschlaggebender Bedeutung, sofern die Abgabenbehörde zutreffend vom Fehlen der Voraussetzungen nach § 27 Abs. 1 Z. 2 Oö ROG 1994 habe ausgehen können.
Diesbezüglich habe die Behörde ihre abweisende Entscheidung auf die einer Ausnahme entgegenstehenden Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung gestützt und zur Beurteilung auf das schon nach dem Wortlaut des Gesetzes heranzuziehende örtliche Entwicklungskonzept Nr. 1 der mitbeteiligten Marktgemeinde verwiesen.
Soweit die Abgabenbehörde zusammengefasst auf das Ziel des Entgegenwirkens der Zersiedelung und der negativen Siedlungsentwicklung hinweise und als Mittel zur Erreichung dieses Zwecks eine Konzentration der Wohnbautätigkeit, vor allem auf bereits gewidmeten Baulandgrundstücken im inneren Bereich des zentralen Siedlungsgebietes des Hauptortes der Marktgemeinde, anführe und daher für im örtlichen Entwicklungskonzept näher bezeichnete Grundstücke keine Ausnahme gewähre, brächten die beschwerdeführenden Parteien nur Argumente vor, die in deren subjektiven Sphäre gelegen wären.
Wenn die Abgabenbehörde unter Hinweis auf das örtliche Entwicklungskonzept Ausnahmen von den Aufschließungsbeiträgen und - verfahrensgegenständlich - für vor allem auf den Hauptort "gerichtete" Grundstücke verneine, bedeute dies sehr wohl eine Konkretisierung des Interesses der Gemeinde an der Bebauung von gewidmetem Bauland in diesem Bereich.
Es bestehe daher für diese Baulandgrundstücke ein konkretes Interesse der Gemeinde an der Bebauung in räumlicher Hinsicht. Dieses stehe auch mit den Intentionen des Gesetzgebers im Gleichklang. Die mitbeteiligte Gemeinde habe bereits bei der Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes alle als Bauland ausgewiesenen Grundstücke im Hinblick auf eine für die Gemeinde sinnvolle und anstrebenswerte Siedlungsentwicklung überprüft. Dies habe zu dem Ergebnis geführt, dass für einige näher bezeichnete Grundstücke keine Ausnahme von Aufschließungsbeiträgen vorgesehen worden sei. Da die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ex lege ein zehnjähriges Bauverbot auf dem Grundstück zur Folge habe, würden durch die Erteilung dieser Bewilligung die Interessen der Siedlungsentwicklung jedenfalls verletzt.
Bei der Beurteilung der Frage, ob das Interesse der geordneten Siedlungsentwicklung der Erteilung der Ausnahme entgegenstehe, sei es Aufgabe der Behörde, anhand der konkreten Vorgaben des örtlichen Entwicklungskonzeptes darzulegen, inwiefern auf Grund der festgeschriebenen Ziele im örtlichen Entwicklungskonzept eine Gefährdung einer geordneten Siedlungsentwicklung vorliege.
Ein genereller Ausschluss der Erteilung von Ausnahmebewilligungen für das gesamte Bauland im Gemeindegebiet durch das örtliche Entwicklungskonzept stehe jedoch in einem Spannungsverhältnis mit § 27 Oö ROG 1994. Dass das örtliche Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Marktgemeinde alle unbebauten als Bauland gewidmeten Grundstücke generell von der Erteilung einer Ausnahme von den Aufschließungsbeiträgen ausgeschlossen habe, ergebe sich allerdings aus dem gesamten Akteninhalt nicht. Die Abgabenbehörde habe in der Begründung ihres Bescheides unter Hinweis auf die ergänzenden Feststellungen des Ortsplaners unter anderem festgestellt, dass auf Grund der Lage des Grundstückes im "Inneren des zentralen Siedlungsbereiches" eine Ausnahme ausgeschlossen sei. Die von der Gemeinde gesetzten Prioritäten seien erkennbar. Das in Rede stehende Grundstück liege innerhalb eines bestehenden und bereits überwiegend bebauten Gebietes und grenze an bereits bebaute Grundstücke an. Das Grundstück biete sich daher geradezu an, die vorhandene Bebauung im erwähnten Siedlungsgebiet zu vervollständigen.
Daran vermöge auch der Hinweis der beschwerdeführenden Parteien auf die noch vorhandenen Baulandreserven nichts zu ändern, gehe es doch bei den im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegten Entwicklungszielen in erster Linie darum, welche Baulandreserven vorrangig bebaut werden sollten. Die beschwerdeführenden Parteien könnten daher auch mit dem Argument, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück in dem von der Gemeinde herausgegebenen (undatierten) "Baulandführer" nicht aufscheine, nichts gewinnen; dieser "Baulandführer", der nach den Angaben der mitbeteiligten Marktgemeinde nur ein "Bürgerservice der Gemeinde" sei, um verkaufsinteressierten Grundeigentümern eine Plattform zur Präsentation ihrer Bauparzellen zu bieten, könne nicht als Beweis dafür dienen, dass "die von der Marktgemeinde angestrebte vorrangige Bebauung dieses Grundstücks" entgegen dem örtlichen Entwicklungskonzept nicht mehr bestehe.
Ob die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages im konkreten Fall tatsächlich dazu beitrage, eine Baulandmobilisierung zu bewirken oder ob die Grundeigentümer das Grundstück dennoch nicht bebauten oder zur Bebauung veräußern wollten, könne in einem nach rein objektiven Kriterien abzuwickelnden Verfahren keine Rolle spielen.
1.5. Die beschwerdeführenden Parteien bekämpfen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat auf die Ausführungen der belangten Behörde verwiesen und gleichfalls den Antrag gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 27 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994 regelte die Ausnahmen vom Aufschließungsbeitrag wie folgt (auszugsweise):
"(1) Die Gemeinde hat mit Bescheid eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag zu erteilen, wenn
1. dies der Grundstückseigentümer binnen vier Wochen nach Zustellung der Vorschreibung beantragt,
2. dem Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, nicht entgegenstehen und
3. das Grundstück keine Baulücke darstellt. Eine Baulücke ist eine in geschlossen bebauten Gebieten zwischen bebauten Grundstücken liegende unbebaute Grundfläche, die zur Sicherung der geordneten Bebauung des Gebiets bebaut werden sollte.
(1a) Die Einbringung des Antrags nach Abs. 1 Z 1 hat die Wirkung, dass die Einhebung des Aufschließungsbeitrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Ausnahme gehemmt wird.
(2) …"
2.2. Unbestritten und mit dem Akteninhalt im Einklang gingen alle Verfahrensbeteiligten davon aus, dass der Antrag auf Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag rechtzeitig im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 1 Oö ROG 1994 gestellt wurde.
Jedenfalls die belangte Behörde hat klargestellt, dass sie den angefochtenen Bescheid auch nicht auf das Vorhandensein einer Baulücke im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. stützte. Auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen ist daher nicht weiter einzugehen.
Entscheidungswesentlich ist sowohl nach dem Bescheid der Abgabenbehörde wie auch insbesondere nach dem angefochtenen Bescheid die Frage, ob der Erteilung der beantragten Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, entgegenstehen oder nicht (vgl. § 27 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.). Das Vorliegen und der Inhalt des örtlichen Entwicklungskonzeptes ist daher von ausschlaggebender Bedeutung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites.
§ 18 Oö ROG 1994 (in der hier anzuwendenden Fassung durch LGBl. Nr. 83/1997) regelt den Flächenwidmungsplan mit örtlichem Entwicklungskonzept wie folgt:
"(1) Jede Gemeinde hat in Durchführung der Aufgaben der örtlichen Raumordnung durch Verordnung den Flächenwidmungsplan mit dem örtlichen Entwicklungskonzept zu erlassen, weiterzuführen und regelmäßig zu überprüfen. Das örtliche Entwicklungskonzept ist auf einen Planungszeitraum von zehn Jahren, der Flächenwidmungsplan auf einen solchen von fünf Jahren auszulegen.
(2) Das örtliche Entwicklungskonzept hat als Grundlage der übrigen Flächenwidmungsplanung die längerfristigen Ziele und Festlegungen der örtlichen Raumordnung zu enthalten. Seiner Erlassung hat eine aus der Sicht der Gemeinde geeignete Einbeziehung der Bürger voranzugehen.
(3) Das örtliche Entwicklungskonzept besteht aus einem Textteil und ergänzenden zeichnerischen Darstellungen (Funktionsplan); es hat jedenfalls grundsätzliche Aussagen zu enthalten, über:
1. die natürlichen Voraussetzungen und Umweltbedingungen unter besonderer Berücksichtigung von ökologisch wertvollen Gebieten, Gebiete mit besonderer Eignung für die landwirtschaftliche Nutzung, Neuaufforstungsgebiete sowie Frei- und Erholungsflächen;
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2. | den künftigen Baulandbedarf; |
3. | die räumliche und funktionelle Gliederung des Baulandes im Hinblick auf die künftige Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung einschließlich der Festlegung von Vorrangflächen des Baulandes und des Grünlandes; |
4. | die geplanten Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinde im Bereich der örtlichen Verkehrserschließung, der Ver- und Entsorgung sowie soziale und kulturelle Einrichtungen; |
5. | die Sicherung eines wirksamen Landschafts- und Umweltschutzes. |
(4) Das örtliche Entwicklungskonzept darf den Raumordnungsprogrammen und Verordnungen gemäß § 11 Abs. 6 nicht widersprechen.
(5) In Übereinstimmung mit den Zielen und Festlegungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes ist im Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet auszuweisen, welche Flächen als Bauland (§ 21 bis § 23), als Verkehrsflächen (§ 29) oder als Grünland (§ 30) gewidmet werden. Die Gemeinde hat dabei auf Planungen benachbarter Gemeinden und anderer Körperschaften öffentlichen Rechtes sowie auf raumbedeutsame Maßnahmen anderer Planungsträger möglichst Bedacht zu nehmen.
(6) …"
Die Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung vom , mit der die Form und Gliederung des Flächenwidmungsplanes einschließlich des örtlichen Entwicklungskonzeptes, die Verwendung bestimmter Planzeichen und Materialien sowie der Maßstab der zeichnerischen Darstellung geregelt werden (Planzeichenverordnung für Flächenwidmungspläne), LGBl. Nr. 76/1994 in der Fassung LGBl. Nr. 57/1998, bestimmte in ihren §§ 1 und 2 unter anderem hinsichtlich des örtlichen Entwicklungskonzeptes näher wie folgt:
"§ 1
Form und Gliederung
(1) Der Flächenwidmungsplan gliedert sich in die zeichnerische Darstellung und - nach Maßgabe der Bestimmungen des § 7 - eine schriftliche Ergänzung zur zeichnerischen Darstellung, sowie das örtliche Entwicklungskonzept.
(2) Das örtliche Entwicklungskonzept als Teil des Flächenwidmungsplanes gliedert sich in einen Textteil und ergänzende zeichnerische Darstellungen (Funktionspläne), die zur Verdeutlichung des Textteiles dienen.
§ 2
Gliederung und Darstellung des örtlichen Entwicklungskonzeptes
(1) Der Textteil hat den im § 18 Abs. 3 O.ö. ROG 1994 festgelegten Regelungsinhalt nach Maßgabe der Erfordernisse wie folgt näher zu konkretisieren:
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1. | Problemkatalog mit zugehörigem Ziel- und Maßnahmenkatalog; |
2. | Prioritätenreihung (zeitliche Reihung) und allenfalls Kostenangaben. |
(2) Im Sinne der Bestimmungen des § 18 Abs. 3 Z. 1 bis 5 O.ö. ROG 1994 hat der Textteil des Entwicklungskonzeptes den im Abs. 1 angeführten Regelungsinhalt hinsichtlich folgender grundsätzlicher Aufgaben zu konkretisieren:
1. Für Bebauung ungeeignete bzw. für unzulässig erklärte Gebiete;
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2. | Ausmaß des Baulandbedarfes für das gesamte Gemeindegebiet; |
3. | Vorrangflächen für Nutzungsansprüche im Bauland und im Grünland; |
4. | geplante Infrastrukturmaßnahmen und Einzugsbereich für die technische Infrastruktur einschließlich Bestimmungen über Aufschließungsbeiträge sowie allenfalls soziale und kulturelle Einrichtungen; |
5. | Maßnahmen eines wirksamen Landschafts- und Umweltschutzes, … |
(3) Die zur Verdeutlichung dienenden zeichnerischen Darstellungen sind als Funktionsplan auszuführen, der an keinen bestimmten Maßstab gebunden ist. …
(4) Die zeichnerische Darstellung wird auf Grund des generellen Aussageinhaltes nicht normiert, jedoch sind die verwendeten Signaturen in einer Legende zu verdeutlichen.
(5) Das örtliche Entwicklungskonzept hat in einem Deckblatt zu enthalten:
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1. | Die Bezeichnung der Gemeinde; |
2. | die Bezeichnung als örtliches Entwicklungskonzept mit der fortlaufenden Nummer; |
3. | das Datum des Gemeinderatsbeschlusses; |
4. | den Nachweis über die Einbeziehung der Bürger (§ 18 Abs. 2 O.ö. ROG 1994); |
5. | ein Verzeichnis der Beilagen (Funktionspläne). |
(6) Textteil einschließlich der zeichnerischen Darstellungen haben gefaltet ein Format A4 nach ÖNORM 1001 zu ergeben. Der Textteil (falls möglich mit den Funktionsplänen) ist in gebundener Form zu erstellen (keine lose Blattsammlung)."
2.3. Die beschwerdeführenden Parteien haben bereits in ihrer Vorstellung zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begründung des Bescheides der Abgabenbehörde nicht zu entnehmen ist, auf welches örtliche Entwicklungskonzept sich dieser Bescheid stützt.
Die belangte Behörde hat hiezu - insofern mit dem Akteninhalt nicht vollständig im Einklang - ausgeführt, dass die Abgabenbehörde "zur Beurteilung auf das schon nach dem Wortlaut des Gesetzes heranzuziehende örtliche Entwicklungskonzept Nr. 1 der Marktgemeinde … verwiesen" habe. Der Inhalt dieses örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 1 wurde aber weder von der Abgabenbehörde noch von der belangten Behörde näher wiedergegeben. Den vorgelegten Akten ist diesbezüglich nur ein "örtliches Entwicklungskonzept Nr. 1" zu entnehmen, das offenbar auf dem Gemeinderatsbeschluss vom "/" basiert und mit März 2001 datiert ist. Eine etwaige Kundmachung als Verordnung ist bei diesem "örtlichen Entwicklungskonzept" nicht ersichtlich. Darüber hinaus enthalten die allein neben dem Deckblatt vorgelegten Seiten 34 und 35 dieses örtlichen Entwicklungskonzeptes nur eine Aufzählung von Grundstücken, bei denen keine Ausnahmen von Aufschließungsbeiträgen gewährt werden sollen, darunter auch das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien.
Mangels ausreichender Feststellungen über den Inhalt des allenfalls heranzuziehenden örtlichen Entwicklungskonzepts in Bezug auf die die Liegenschaft der beschwerdeführenden Parteien sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher nicht in der Lage, die von § 27 Abs. 1 Z. 2 Oö ROG 1994 vorgegebene Interessenabwägung vorzunehmen bzw. nachzuvollziehen. Diese vom Gesetz für den Einzelfall vorgegebene Abwägung kann auch nicht durch eine pauschale Aufzählung von Grundstücken im örtlichen Entwicklungskonzept ersetzt werden. Der angefochtene Bescheid war somit angesichts des aufgezeigten, auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhenden Begründungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag enthalten ist und überdies kein Streitgenossenzuschlag gebührt (vgl. § 53 Abs. 1 erster Satz VwGG und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0254).
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-91220