VwGH vom 16.11.2011, 2011/17/0226
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-301053/2/Gf/Mu, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: L GmbH in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom wurde zwecks Sicherung der Einziehung gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a des Glücksspielgesetzes - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 111/2010, die Beschlagnahme von zwei am von Organen der Finanzpolizei in einem Lokal in Gmunden vorläufig beschlagnahmten Glücksspielautomaten, die im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehen, behördlich angeordnet. Gleichzeitig wurde wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden über Berufung der mitbeteiligten Partei auf.
Begründend wurde ausgeführt, die Berufungswerberin habe vorgebracht, im gegenständlichen Fall liege nicht bloß eine Übertretung des GSpG, sondern vielmehr der gerichtlich strafbare Tatbestand des § 168 StGB vor, weil auf den Glücksspielautomaten kein Einzelspiel mit einem Einsatz von weniger als EUR 10,-- möglich sei. Somit sei sowohl die Beschlagnahme dieser Geräte durch die Finanzpolizei als auch der bescheidmäßige Beschlagnahmeausspruch durch eine unzuständige Behörde vorgenommen worden.
Die belangte Behörde führte weiters aus, mit der Novelle BGBl. I Nr. 73/2010 sei das Glücksspielwesen einem grundsätzlich neuen System unterstellt worden, und zwar derart, dass neben den dem Monopol des Bundes unterliegenden Ausspielungen in Form von Lotterien und Spielbanken nunmehr auch das für vergleichsweise geringere Einsätze und Gewinne konzipierte sogenannte "kleine Glücksspiel" mittels Automaten explizit einer Konzessionspflicht unterstellt und damit für zulässig erklärt worden sei, wobei die darauf bezüglichen Vorschriften vom Landesgesetzgeber zu erlassen seien; hinsichtlich derartiger "Landesausspielungen" bestehe sohin (mangels eines entsprechenden Kompetenztatbestandes in Art. 12 B-VG) eine ergänzende, inhaltlich allerdings auf jener des Bundes notwendig aufbauende Regelungszuständigkeit der Länder (die jedoch - im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetz gemäß Art. 12 B-VG - von Letzteren nicht in Anspruch genommen werden müsse, als auch ungenutzt bleiben könne).
Nach § 3 GSpG sei das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten, soweit das GSpG selbst - wie zum Beispiel § 4 Abs. 2 GSpG - hiervon keine Ausnahme vorsehe.
Gemäß § 2 Abs. 4 GSpG seien solche Ausspielungen verboten, für die einerseits eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt worden sei und die andererseits auch nicht im Sinne des § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen seien.
Nach § 4 Abs. 1 GSpG unterlägen Glücksspiele u.a. dann nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn sie einerseits nicht in Form einer Ausspielung sowie andererseits bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge durchgeführt würden.
Nach § 4 Abs. 2 GSpG unterlägen weiters auch Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten im Sinne des § 5 GSpG nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes. Würden hingegen im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über EUR 10,-- pro Spiel geleistet, so handle es sich gemäß § 52 Abs. 2 GSpG nicht mehr um "geringe Beträge" (iSd § 4 Abs. 1 GSpG), sodass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine solche gemäß § 168 StGB zurücktrete.
Nach § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG könne die Behörde u.a. dann die Beschlagnahme eines Glücksspielautomaten anordnen, wenn entweder dessen Verfall oder Einziehung vorgesehen sei und zudem der Verdacht bestehe, dass mit diesem fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen werde. Diese Befugnis bestehe nach § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG explizit selbst dann, wenn eine allenfalls gemäß § 52 Abs. 1 GSpG gegebene Strafbarkeit hinter eine solche nach § 168 StGB zurücktrete.
Nach § 115 Abs. 1 Z 1 StPO sei eine Beschlagnahme zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich seien. Über eine solche Beschlagnahme habe gemäß § 115 Abs. 2 StPO das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder einer von der Sicherstellung betroffenen Person unverzüglich zu entscheiden. Nach § 110 Abs. 3 Z 1 lit. c StPO sei die Kriminalpolizei - hierzu zähle nach § 18 StPO jedoch nicht die Finanzpolizei iSd § 12 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 9/2010, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 105/2010 (AVOG) - berechtigt, Gegenstände iSd § 109 Z 1 lit. a StPO von sich aus sicherzustellen, wenn sie am Tatort aufgefunden worden seien und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten; diese Sicherstellung ende nach § 113 Abs. 1 Z 3 StPO dann, wenn das Gericht die Beschlagnahme anordne.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG begehe u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und sei dafür mit einer Geldstrafe bis zu EUR 22.000,-- zu bestrafen, der verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 GSpG veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache. § 54 Abs. 1 GSpG ordne in Bezug auf Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen werde, zum Zweck der Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen deren Einziehung an und § 53 Abs. 2 GSpG ermögliche deren vorläufige bzw. § 53 Abs. 1 GSpG deren endgültige Beschlagnahme.
Im gegenständlichen Fall sei die Kontrolle und die vorläufige Beschlagnahme der Glücksspielautomaten im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Gmunden von Organen der Abgabenbehörden iSd § 12 AVOG, nämlich von Beamten des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck, vorgenommen worden.
Im Zuge dessen habe die Finanzpolizei (als Hilfsorgan des Finanzamtes als Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 AVOG) - wie aus dem vorgelegten erstbehördlichen Akt und den darin befindlichen Beweisfotos hervorgehe (und von der Berufungswerberin auch nicht in Abrede gestellt werde) - auf dem im Akt als "Nr. 1" gekennzeichneten Glücksspielgerät ein virtuelles Walzenspiel mit der Bezeichnung "Hot Diamonds" mit einem Einsatz in Höhe von EUR 10,80 (und einem in Aussicht gestellten Höchstgewinn von EUR 1.200,--) und auf dem als "Nr. 2" gekennzeichneten Glücksspielgerät ein virtuelles Walzenspiel mit der Bezeichnung "Devil's Barbecue" mit einem Einsatz in Höhe von EUR 10,50 (und einem in Aussicht gestellten Höchstgewinn von EUR 10.500,--), durchgeführt.
Auf diese Weise sei zweifelsfrei der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 168 StGB festgestellt worden.
Wenngleich die Organe der Finanzpolizei nach § 18 StPO nicht zur Kriminalpolizei zählten, so sei deren Vorgangsweise aber dennoch deshalb zulässig gewesen, weil § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG im Wege einer Spezialbestimmung zur StPO anordne, dass die den Organen der öffentlichen Aufsicht - wozu nach § 50 Abs. 2 GSpG explizit auch die Organe der Abgabenbehörden zählten - überantworteten Sicherungsbefugnisse (nämlich:
Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung gemäß den §§ 53, 54 und 56a GSpG) auch dann zum Tragen kämen, wenn sich ergeben sollte, dass mit den Gegenständen nicht bloß eine Verwaltungsübertretung, sondern ein gerichtliches Delikt begangen worden sei.
Diese Sonderregelung sei jedoch nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf die Aufsichtsorgane und deren vorläufige Eingriffsbefugnis begrenzt; sie erstrecke sich demgegenüber nicht auch auf die Behörden selbst, die in der Folge über die Rechtmäßigkeit und Dauerhaftigkeit dieser einstweiligen Sicherungsmaßnahmen zu befinden hätten. Hinsichtlich letzterer bleibe somit die darauf, ob eine verwaltungsbehördlich oder gerichtlich strafbare Handlung vorliege, aufbauende und in der Folge strukturell maßgebliche Trennung zwischen behördlicher und gerichtlicher Zuständigkeit bestehen, wie dies auch dem Verfassungsprinzip des Art. 94 B-VG entspreche.
Wenn daher die Organe der Finanzpolizei als Hilfsorgane des Finanzamtes als Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 13 Abs. 1 Z 3 AVOG eine vorläufige Beschlagnahme nach § 53 Abs. 2 GSpG - wie hier - aus Anlass einer gerichtlich strafbaren Handlung vorgenommen hätten, dann habe über deren Rechtmäßigkeit und weitere Aufrechterhaltung nicht die für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 50 Abs. 1 GSpG zuständige Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeidirektion, sondern die nach der StPO hierfür kompetente Institution (idR die Staatsanwaltschaft gemäß § 110 Abs. 2 StPO bzw. das Gericht nach § 115 Abs. 2 StPO) zu entscheiden.
Aus all dem folge, dass der hier bekämpfte Bescheid von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Der vorliegenden Berufung sei daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, mit der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Gesellschaft - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0097, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, bereits ausgesprochen, dass die Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG auch dann zulässig ist, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen sollte. Es ist daher - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht -
nicht entscheidungswesentlich, ob im Beschwerdefall das Tatbild des § 168 StGB verwirklicht wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem weiteren Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0110, auf das ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, steht dem auch nicht das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltentrennung gemäß Art. 94 B-VG entgegen. Die Argumentation im angefochtenen Bescheid, es sei zwar das Vorgehen von Organen der Finanzpolizei aber nicht jenes der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeidirektion bei der Beschlagnahme nach dem GSpG vom Gesetz gedeckt, widerspricht dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. § 52 Abs. 2 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 111/2010 lautet nämlich:
"Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a bleiben davon unberührt."
Gemäß dem letzten Satz zweiter Satzteil der wiedergegebenen Bestimmung bleiben nämlich die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen u.a. nach § 53 GSpG (Beschlagnahme) ausdrücklich unberührt.
Eine Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 GSpG durch die Verwaltungsbehörden ist daher auch dann zulässig, wenn wegen der inkriminierten Handlungen neben dem Verwaltungsstrafverfahren gleichzeitig ein gerichtliches Strafverfahren geführt wird bzw. zu führen ist.
Soweit die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift behauptet, eine Dokumentation der Geräteüberprüfung habe nicht stattgefunden, wurde die Relevanz eines allfälligen derartigen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden.
Wien, am