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VwGH vom 23.10.2014, Ro 2014/08/0067

VwGH vom 23.10.2014, Ro 2014/08/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision des M S in P, vertreten durch MMag. Dr. Rudolf Jirovec, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Julius Raab-Promenade 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2013, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Revisionswerber in der Zeit vom 8. Juli bis gemäß § 49 AlVG keine Notstandshilfe erhalte, da er den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am nicht eingehalten und sich erst wieder am14. Oktober 2013 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.

Der Revisionswerber habe in seiner gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice St. Pölten (in der Folge: AMS) vom gerichteten Berufung im Wesentlichen eingewendet, er sei immer schon sehr lernschwach gewesen und habe ein etwas langsameres geistiges Auffassungsvermögen. Er sei seit volljährig und fühle sich in Dingen wie diesen einfach überfordert, da er nie damit zu tun gehabt habe. Er müsse auf einmal alles alleine machen, was vorher seine Eltern gemacht hätten. Sie erhielten auch keine Auskunft. Er werde mit Dingen konfrontiert, mit denen er sich nicht auskenne. Er habe gutgläubig gehandelt. Er sei auch nicht aufgeklärt worden, dass er, wenn er einen Termin beim AMS versäume, das laufende Geld verliere. Er habe sehr lange gewartet, weil er gedacht habe, der Anspruch sei abgelaufen. Er sei auf das Geld angewiesen. Auch beim Zahnarzt sei er nicht behandelt worden. Er werde in Zukunft seinen Eltern eine Vollmacht geben, damit sie sich in seinem Namen erkundigen könnten.

Laut Auszug aus dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherung vom sei der Revisionswerber - so die belangte Behörde weiter - vom 12. Mai bis als Lehrling bei W. beschäftigt gewesen. Seit sei er geringfügig bei der F. AG beschäftigt. Vom bis habe er Arbeitslosengeld bezogen. Seit beziehe er Notstandshilfe.

Am habe der Revisionswerber beim AMS niederschriftlich angegeben, dass er an der Maßnahme "Workout" bei E. mit Beginn am nicht teilgenommen habe, weil er darauf vergessen habe. Eine Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG sei nicht verhängt worden, weil er nur zum Informationstag und nicht zur Kursmaßnahme eingeladen gewesen sei. In dieser Niederschrift sei festgehalten worden, dass er am einen Kontrollmeldetermin habe und über die Rechtsfolgen des § 49 AlVG bei Nichteinhaltung des Termins informiert worden sei. Weiters sei ihm ein Schreiben über die Kontrollmeldung mit ausführlicher Rechtsmittelbelehrung ausgefolgt worden. Niederschriftlich habe er am beim AMS angegeben, dass er den Kontrollmeldetermin am einfach vergessen habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Revisionswerber habe seinen Kontrollmeldetermin am nicht eingehalten. Als Begründung gebe er an, dass er den Termin vergessen habe. Als triftige Gründe seien z.B. zu werten (sofern nachgewiesen): Erkrankung, Erledigung dringender unaufschiebbarer persönlicher Angelegenheiten, Vorladungen zu Behörden, usw. Der Revisionswerber habe keine diesbezüglichen Gründe vorgebracht.

Er habe in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem AMS am lediglich angegeben, dass er den Kontrollmeldetermin am vergessen habe. In seiner Berufung gäbe er eine Lernschwäche und seine erst vor Kurzem erlangte Volljährigkeit als Grund für die Versäumung des Kontrollmeldetermins an. Für den Revisionswerber sei kein Sachwalter bestellt. Aufgrund dieser Feststellungen sei davon ausgehen, dass er in der Lage sei, das Wesen eines Kontrollmeldetermins zu verstehen. Über die Rechtsfolgen des Kontrollmeldetermins sei er nachweislich belehrt worden. Aus all diesen Gründen liege kein triftiger Grund für die Versäumung des Kontrollmeldetermins am vor. Falls der Revisionswerber an Vergesslichkeit leide, wäre es ihm jedenfalls zumutbar gewesen, sich den Kontrollmeldetermin aufzuschreiben.

Da der Revisionswerber nach Versäumung des Kontrollmeldetermins erst am wieder persönlich beim AMS vorgesprochen habe, verliere er gemäß § 49 Abs. 2 AlVG seinen Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom bis .

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Revision nach Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesverwaltungsgericht in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Revision gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof begann im vorliegenden Fall im Hinblick auf dessen Zustellung an den beigegebenen Verfahrenshelfer am . Die am zur Post gegebene Revision wurde fristgerecht eingebracht. Auf diese Revision ist § 4 VwGbk-ÜG analog anzuwenden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/21/0018, und vom , Zl. Ro 2014/21/0046).

2. § 49 AlVG in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 lautet:

"Kontrollmeldungen

§ 49. (1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

3. Die Revision bringt vor, ein eingeschränkter Geisteszustand könne zur Entschuldigung einer Kontrollmeldeversäumnis führen. Die belangte Behörde wäre auf Grund des Berufungsvorbringens verpflichtet gewesen, amtswegig ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Sie könne ohne Gutachten nicht davon ausgehen, dass der Revisionswerber in der Lage gewesen sei, die Bedeutung der Vorschreibung der Kontrollmeldung zu erfassen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Sie habe das Berufungsvorbringen des Revisionswerbers schlicht negiert, keine weiteren Ermittlungen geführt und sich lediglich darauf gestützt, dass für ihn kein Sachwalter bestellt sei. Die belangte Behörde habe sich angesichts des behaupteten und jedenfalls nicht näher geklärten gesundheitlichen Zustandes des Revisionswerbers nicht einfach darauf stützen dürfen, dass er bei seiner Vorsprache am lediglich erklärt habe, den Kontrollmeldetermin am vergessen zu haben. Zur Würdigung der Angaben des Revisionswerbers in seiner Berufung wäre jedenfalls eine weitere Auseinandersetzung mit seinem psychischen Gesundheitszustand Voraussetzung gewesen. Eine konkrete gesundheitliche Beeinträchtigung des Revisionswerbers wird in der Revision nicht aufgezeigt.

4. Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber hatte in der Berufung die Versäumung des Kontrollmeldetermins am mit dem Umstand erklärt, dass er immer schon sehr lernschwach gewesen sei, ein etwas langsameres geistiges Auffassungsvermögen habe und sich in Dingen wie diesen einfach überfordert fühle, da er nie damit zu tun gehabt habe. Er müsse seit seiner Volljährigkeit () auf einmal alles alleine machen, was vorher die Eltern für ihn gemacht hätten, weil diese nicht mehr bevollmächtigt wären. Er habe sehr lange gewartet (sich wieder zu melden), weil er sich gedacht habe, der Anspruch sei abgelaufen. Erst als er seine Eltern dazu befragt habe, hätten diese sich "schlau gemacht" und eine Weiterzahlung der Notstandshilfe erwirkt. Er würde in Zukunft seinen Eltern eine Vollmacht geben, damit sich diese für ihn erkundigen könnten.

Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, der Revisionswerber habe damit zum Ausdruck bringen wollen, er sei aufgrund seiner geistigen oder psychischen Verfassung nicht fähig, Vorsorge dafür zu treffen, dass er den ihm vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin nicht vergisst. Der Revisionswerber bestreitet nicht, bereits zuvor am die Teilnahme an einem Informationstag zu einer Maßnahme "vergessen" zu haben. Er bringt nicht vor, dass er Maßnahmen ergriffen hätte, um ein "Vergessen" künftig zu verhindern bzw. dass ihm solche Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Es ist nicht ersichtlich, dass die behauptete Lernschwäche bzw. das "etwas langsamere geistiges Auffassungsvermögen" es dem Revisionswerber aus gesundheitlichen Gründen unmöglich machen könnten, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die die Einhaltung des Kontrollmeldetermins sicher stellen, zB die Eintragung in einen Kalender. Der Revisionswerber hat im Verwaltungsverfahren keine geistige oder psychische Beeinträchtigung von einem solchen Grad aufgezeigt, die bei der belangten Behörde Zweifel im Hinblick auf seine Fähigkeit, die Bedeutung der Vorschreibung der Kontrollmeldung zu erfassen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, hätte erwecken müssen. Die belangte Behörde hatte daher keine Veranlassung, amtswegig ein medizinisches Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand des Revisionswerbers und seine Fähigkeit, Kontrolltermine einzuhalten, einzuholen bzw. seine Eltern über sein "unterdurchschnittliches Auffassungsvermögen" zu vernehmen. Ihr kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Berufungsvorbringens des Revisionswerbers zur Auffassung gelangte, es läge kein triftiger Grund im Sinne des § 49 AlVG vor.


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5.
Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am