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VwGH vom 24.09.2014, Ra 2014/03/0001

VwGH vom 24.09.2014, Ra 2014/03/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , Zl Ü 025/01/2014.002/002, betreffend Übertretung des Burgenländischen Jagdgesetzes 2004 (mitbeteiligte Partei: L H in D), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

I. Sachverhalt

1. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesverwaltungsgericht gemäß § 31 Abs 1 VwGVG iVm § 50 VwGVG der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf (BH) vom Folge, behob dieses Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG ein (Spruchpunkt I.).

Ferner sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision am Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig sei (Spruchpunkt II.).

2. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, mit dem genannten Straferkenntnis der BH sei die mitbeteiligte Partei schuldig erkannt worden, dass sie am unter laufender Nr 76 der Abschussliste im Genossenschaftsgebiet De einen Hirsch der Altersklasse II erlegt habe, obwohl ein solcher weder auf Grund des Abschussplans noch der Anordnung der BH (Bescheid vom ) zum Abschuss frei gewesen sei. Über die mitbeteiligte Partei sei wegen Verletzung des § 87 Abs 1 iVm § 184 Abs 2 Z 17 erster Fall des Burgenländischen Jagdgesetzes 2004, LGBl Nr 11/2005 idF LGBl Nr 37/2008 (JG), nach § 184 Abs 2 Einleitungssatz JG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden) verhängt worden; ferner sei gemäß § 185 Abs 1 JG die Trophäe für verfallen erklärt worden.

Mit Beschluss des Ehrensenates des Burgenländischen Landesjagdverbandes (ES) vom sei gegen die mitbeteiligte Partei wegen Verstoßes gegen Abs 3 Z 2 des § 159 JG ("Verletzung des Ansehens der Jägerschaft") eine Geldbuße in der Höhe von EUR 700,-- verhängt worden. Dem sei als Sachverhalt zugrunde gelegen, dass die mitbeteiligte Partei am im Genossenschaftsjagd-Revier De einen Hirsch der Altersklasse II im Wissen erlegt habe, dass ein solcher Hirsch nicht mehr zum Abschuss frei gewesen sei. Dieser Beschluss sei rechtskräftig geworden.

In der gegen das Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Berufung sei vorgebracht worden, dass der Revisionswerber bereits durch das Erkenntnis des Ehrensenates bestraft worden sei.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht habe der Beschwerdeführer am im Genossenschaftsgebiet De einen Hirsch der Altersklasse II erlegt, obwohl ein solcher laut Abschussplan nicht mehr zum Abschuss frei gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht sei festzuhalten, dass gemäß § 30 Abs 1 VStG strafbare Handlungen unabhängig von einander zu verfolgen seien, wenn einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last gelegt würden, und zwar auch dann, wenn die strafbare Handlung durch ein und dieselbe Tat begangen worden seien. Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zu EMRK normiere aber das Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden. Diese "Sperrwirkung" betreffe eine Strafe iSd Art 6 EMRK. § 163 JG stelle die gesetzliche Grundlage für den ES dar, dort sei auch die Weisungsfreiheit der Mitglieder dieses Senates geregelt. In § 170 JG sei das Verfahren vor dem ES normiert, wobei eine öffentliche Verhandlung vorgesehen sei. Damit sei der ES als Gericht iSd Art 6 EMRK anzusehen, durch welchen eine rechtskräftige Strafe verhängt worden sei.

Zur Beurteilung der Frage, ob "dieselbe Sache" vorliege, habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Auffassung vertreten, dass allein auf die Fakten abzustellen sei und die rechtliche Qualifikation derselben außer Betracht zu bleiben habe (vgl EGMR (Große Kammer) vom , Appl 14939/03, Zolotukhin gegen Russland ; EGMR vom , Appl 13079/0325, Ruotsalainen gegen Finnland ; EGMR vom , Appl 55759/07, Maresti gegen Kroatien ; EGMR vom , Appl 2376/03, Tsonyo Tsonev gegen Bulgarien ); eine neuerliche Strafverfolgung sei dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen auf denselben Sachverhalt beziehe ().

Sowohl die BH als auch der ES würden bei der Bestrafung auf das Erlegen eines Hirsches der Altersklasse II am , welcher laut Abschussplan nicht mehr zum Abschuss frei gewesen sei, und somit auf denselben Sachverhalt abstellen. Damit liege hier "die selbe Sache" vor.

Auf Grund des Doppelbestrafungsverbotes des Art 4 7. ZPEMRK habe eine Bestrafung des Beschwerdeführers durch die BH zusätzlich zur Bestrafung durch den ES nicht erfolgen dürfen. Deshalb sei das Straferkenntnis als rechtswidrig aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

Die EMRK überlagere als höherrangige Norm auch § 159 Abs 2 JG.

Ferner sei die ordentliche Revision unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung. Weiters sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht auf uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage würden nicht vorliegen. II. Revisionsverfahren

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, diese zuzulassen und den angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

III. Rechtslage

1. Die vorliegend einschlägigen Bestimmungen des JG lauten (auszugsweise):

"XI. Hauptstück

Interessenvertretung der Jägerinnen und Jäger

1. Abschnitt

Burgenländischer Landesjagdverband und Organe

...

4. Abschnitt

Disziplinarrecht

§ 159

Ahndung der Vergehen gegen die Standespflichten

(1) Vergehen von Personen gegen die Standespflichten, die zum Zeitpunkt des Begehens Verbandsmitglieder waren, werden vom Ehrenrat mit Disziplinarstrafen geahndet, wenn die Vergehen nicht länger als fünf Jahre vom Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung (Ladung, Vernehmung usw.) zurückliegen.

(2) Der Verfolgung durch den Ehrenrat steht der Umstand, dass dieselbe Handlung oder Unterlassung auch von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde zu bestrafen ist, nicht entgegen.

(3) Die Standespflichten werden verletzt, wenn ein Verbandsmitglied

1. gegen die Weidgerechtigkeit verstoßen hat. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen bei Verletzung der §§ 137 bis 139 StGB sowie folgender Bestimmungen dieses Gesetzes: §§ 21, 63 Abs. 1 und 3, 70 Abs. 1, 82 bis 85, 87 Abs. 1 in Verbindung mit § 184 Abs. 1 Z 10, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 102, 103 und 109;

2. auf andere Weise das Ansehen der Jägerschaft gröblich verletzt hat.

§ 160

Disziplinarstrafen

Disziplinarstrafen sind die Ermahnung und die Geldbuße bis zu

3.600 Euro.

§ 161

Strafbemessung und Zusammentreffen von strafbaren Handlungen

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schwere der Verletzung der Standespflicht und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Die nach dem VStG 1991 für die Strafbemessung maßgebenden Gründe gelten sinngemäß.

(2) Hat das Verbandsmitglied durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Standespflichtverletzungen begangen und wird über diese Standespflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Standespflichtverletzung zu bemessen ist. Die weiteren Verletzungen der Standespflichten sind als Erschwerungsgründe zu werten.

...

XIV. Hauptstück

Übertretungen und Strafen

§ 184

Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 360 Euro bis 3.600 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von vier Tagen bis sechs Wochen zu bestrafen, wer

...

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 1.800 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu vier Wochen zu bestrafen, wer

...

17. die im Abschussplan (§ 87 Abs. 1) festgesetzte Abschusszahl überschreitet oder eine im Abschussplan nicht genehmigte Wildart erlegt;

18. den bewilligten oder verfügten Abschussplan ohne triftigen Grund in Zahl und Gliederung nicht einhält (§ 90 Abs. 1);

...

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis 1.100 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer

...

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Burgenländischen Landesjagdverband von jeder rechtskräftigen Bestrafung nach diesem Gesetz in Kenntnis zu setzen.

(6) Die Verfolgung wegen Übertretungen der §§ 54 Abs. 1, 82 bis 84, 85 Abs. 1 und 2, 87 Abs. 1, 90 Abs. 2 und 3 und 93 ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einem Jahr von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

§ 185

Verfall von Gegenständen

(1) Bei Übertretungen der §§ 82, 85, 87 Abs. 1, in Verbindung mit § 184 Abs. 2 Z 17, 99, 101 Z 1 bis 4, 6 und 9 und 103 ist im Straferkenntnis der Verfall des Wildes, des Wildbrets, der Trophäe, der Tierteile und dergleichen, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, auszusprechen.

(2) Kann das Wildbret nicht mehr für verfallen erklärt werden, ist an seiner Stelle der dem Wildbret entsprechende Marktwert für verfallen zu erklären.

(3) Bei Übertretungen der §§ 97 Abs. 3 Z 4, 99 Abs. 1, 101 Z 1 bis 3 und 6, und 106 Abs. 2 ist auch auf den Verfall der widerrechtlich mitgeführten, gebrauchten oder verbotenen Waffen und Geräte zu erkennen."

2.1. Art 4 des Protokolls Nr 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (7. ZPEMRK, BGBl Nr 628/1988) erhielt durch das Protokoll Nr 11 (BGBl III Nr 30/1998) die Überschrift "Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden" und hat folgenden authentischen Wortlaut in englischer und französischer Sprache:

"ARTICLE 4

Right not to be tried or punished twice

1. No one shall be liable to be tried or punished again in criminal proceedings under the jurisdiction of the same State for an offence for which he has already been finally acquitted or convicted in accordance with the law and penal procedure of that State.

2. The provisions of the preceding paragraph shall not prevent the reopening of the case in accordance with the law and penal procedure of the State concerned, if there is evidence of new or newly discovered facts, or if there has been a fundamental defect in the previous proceedings, which could affect the outcome of the case.

3. No derogation from this Article shall be made under Article 15 of the Convention."

"ARTICLE 4

Droit a ne pas etre juge ou puni deux fois

1. Nul ne peut etre poursuivi ou puni penalement par les juridictions du meme Etat en raison d'une infraction pour laquelle il a deja ete acquitte ou condamne par un jugement definitif conformement a la loi et a la procedure penale de cet Etat.

2. Les dispositions du paragraphe precedent n'empechent pas la reouverture du proces, conformement a la loi et a la procedure penale de l'Etat concerne, si des faits nouveaux ou nouvellement reveles ou un vice fondamental dans la procedure precedente sont de nature a affecter le jugement intervenu.

3. Aucune derogation n'est autorisee au present article au titre de l'article 15 de la Convention."

2.2. Diese Bestimmung lautet in ihrer deutschen Übersetzung:

"Artikel 4

Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal

vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

2. Abs 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.

3. Dieser Artikel darf nicht nach Art 15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden."

2.3. Im "Explanatory Report" des Europarates (ETS No 117 (eingesehen unter

http://conventions.coe.int/Treaty/en/Reports/Html/117.htm am )) heißt es zu dieser Bestimmung auszugsweise wie folgt:

"Article 4

26. This article embodies the principle that a person may not be tried or punished again in criminal proceedings under the jurisdiction of the same State for an offence for which he has already been finally acquitted or convicted (non bis in idem).

...

32. Article 4, since it only applies to trial and conviction of a person in criminal proceedings, does not prevent him from being made subject, for the same act, to action of a different character (for example, disciplinary action in the case of an official) as well as to criminal proceedings.

..."

2.4. Den zu dieser Bestimmung von der Republik Österreich erklärten Vorbehalt, dass eine Verurteilung wegen derselben Tat in einem Disziplinarverfahren oder Verwaltungsstrafverfahren nicht ausgeschlossen sei, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom , Appl 33/1994/480/562, Gradinger gegen Österreich, als unwirksam erklärt und klargestellt, dass auch die von Verwaltungsbehörden zu ahndenden strafbaren Handlungen in den Anwendungsbereich der Konvention und der Bestimmung des Art 4 Z 1 7. ZP fallen; Ziel des Art 4 7. ZP ist es, die Wiederholung eines Strafverfahrens zu verbieten, das bereits durch eine endgültige Entscheidung abgeschlossen wurde.

Der Verfassungsgerichtshof schloss sich in seinem Erkenntnis vom , VfSlg 14.696, der Bewertung der Vorbehaltserklärung Österreichs zu Art 4 7. ZP durch den EGMR als unwirksam an (vgl in diesem Sinn auch (VwSlg 16.921 A/2006)).

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich die vorliegende Revision als zulässig, zumal - wie im Folgenden aufgezeigt - dieses die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend beachtet hat (vgl Art 133 Abs 4 erster Satz B-VG).

B. Zur Begründetheit

1. Gegenstand des vom Landesverwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2007/09/0361, war ein Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich betreffend Bestrafung nach Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof bezüglich des Verhältnisses des dort maßgeblichen § 28 Abs 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (der eine Subsidiaritätsklausel aufweist) zu einem gerichtlichen Straftatbestand auf die im bekämpften Beschluss angesprochene Rechtsprechung des EGMR abgestellt (zum Verhältnis zwischen Verwaltungsstraftatbeständen in diesem Sinn vgl ; vgl auch ua).

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR und die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich bei Disziplinarverfahren nicht um Verfahren über eine strafrechtliche Anklage handelt (vgl , und (unter Hinweis auf EGMR vom , App 16137/04, Kurdov und Ivanov gegen Bulgarien )).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , B 1008/07 (VfSlg 18.927/2009), unter Hinweis auf die jüngere Rechtsprechung des EGMR herausgearbeitet, dass Disziplinarverfahren gegen Beamte nicht zu den Strafverfahren des Systems der EMRK zählen und daher nicht in den Anwendungsbereich des Art 4 7. ZPEMRK fallen; zudem verhindert Art 4 leg cit nach der oben wiedergegebenen und in diesem Erkenntnis herangezogenen Z 32 des Explanatory Report (der als Teil der "travaux preparatoires" für die Auslegung dieser Bestimmung auch nach der Judiaktur des EGMR einschlägig ist, vgl EGMR vom , App 2512/04, Nolan und K gegen Russland , Rz 110) nicht, dass eine Person für dieselbe Tat sowohl einem Strafverfahren als auch einer anderen Maßnahme (einem Disziplinarverfahren im Fall eines Beamten) unterworfen werden kann (vgl unter Hinweis auf diese Materialen auch (VfSlg 18.833/2009)). Art 4 des 7. ZPEMRK schließt nach dieser Judikatur eine Verfolgung jenseits des Strafrechts im Bereich des Disziplinarrechts nicht aus. In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass ein legitimes Interesse einer Standesgemeinschaft bestehe, sich im Fall gerichtlicher Verurteilungen, denen Verhaltensweisen eines Betroffenen zugrunde liegen, von denen eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht, in Wahrnehmung des sogenannten "disziplinären Überhanges" disziplinarrechtliche Reaktionen vorzubehalten, ohne dass dies gegen Art 4 7. ZPEMRK verstoße (vgl dazu etwa (VfSlg 15.543/1999); (VfSlg 17.763/2006); (VfSlg 18.762/2009); (VfSlg 18.974/2009); ).

Weiters hat der EGMR in seinem Urteil vom , Appl 16.137/04, im Fall Kurdov und Ivanov gegen Bulgarien , Rz 39 ff, die Auffassung vertreten, dass Disziplinarstrafen, die sich nur an Angehörige bestimmter Gruppen von Personen richten und nur geringe Schwere aufweisen, nicht unter Art 4 7. ZPEMRK fallen und damit einer späteren strafrechtlichen Verfolgung nicht entgegenstehen.

2.2. Die im Beschwerdefall maßgebliche disziplinarrechtliche Regelung fällt in den vom EGMR skizzierten Bereich außerhalb einer dem Doppelbestrafungsverbot unterliegenden strafrechtlichen Anklage.

Wie im eben genannten Urteil des EGMR vom festgehalten, beurteilt der EGMR den Begriff des strafrechtlichen Verfahrens in Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK im Lichte der allgemeinen Grundsätze, die er für die entsprechenden Begriffe "strafrechtlicher Anklage" als "Strafe" in den Art 6 und 7 EMRK entwickelt hat und zieht dazu die sogenannten "Engel-Kriterien" heran (vgl EGMR (Plenum) vom , Appl 5.100/71 ua, Engel ua gegen die Niederlande , Rz 78 ff, insbesondere Rz 82; vgl Z 36 ff im zitierten Urteil Kurdov und Ivanov ).

Zunächst stützt sich der in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erfasste jagdrechtliche Disziplinarbescheid des ES im Sinn des 1. "Engel-Kriteriums" (das freilich bloß einen Ausgangspunkt der Betrachtung darstellt) nicht auf eine strafrechtliche, sondern auf eine disziplinarrechtliche Regelung. Dafür, dass diese Regelung nicht die Grundlage für eine strafrechtliche Anklage oder Strafe im Sinn des autonomen Verständnisses des Vertragswerkes der EMRK abgibt, spricht - im Sinn des 2. "Engel-Kriteriums" - ferner, dass sich dieses Disziplinarrecht nicht an einen allgemeinen Adressatenkreis, sondern an die Mitglieder des Burgenländischen Landesjagdverbandes, das sind die dort zusammengeschlossenen Jägerinnen und Jäger, somit einen eingeschränkten Adressatenkreis richtet. Die Grundlage für die Verpflichtung der Einhaltung der Standespflichten ergibt sich für die Mitglieder aus ihrer Mitgliedschaft zum Jagdverband. Es geht um den Schutz von Standespflichten, die verletzt werden, wenn ein Verbandsmitglied gegen die Weidgerechtigkeit verstoßen oder in anderer Weise das Ansehen der Jägerschaft gröblich verletzt hat, und damit um einen Schutz von Rechtsgütern, deren Schutz typischerweise durch disziplinarrechtliche Normen gesichert ist, für den Kreis der Verbandsmitglieder damit typischerweise einen besonderen Schutz erfährt und insofern über durch strafrechtliche Normen allgemein gesicherte Sanktionierungen hinausgeht (vgl insbesondere Rz 41 im Urteil Kurdov und Ivanov ). Insofern dienen die Standespflichten und die disziplinarrechtliche Ahndung deren Verletzung nicht - wie strafrechtliche Normen - der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, sondern der Ordnung innerhalb des Landesjagdverbandes (und der darauf bezogenen Repräsentation und Prävention; vgl dazu etwa EGMR vom , Asadbeyli ua gegen Aserbaidschan , Appl 3.653/05 ua, Rz 153).

Schließlich handelt es sich bei den disziplinarrechtlichen Sanktionen (im Sinn des 3. "Engel-Kriteriums") ihrer Schwere nach nicht um Freiheitsstrafen, auch die Androhung von Ersatzfreiheitsstrafen für die Nichtbegleichung von Geldbußen ist (anders als bei den Verwaltungsstrafen für Übertretungen nach dem JG, vgl § 16 VStG) nicht vorgesehen (vgl insbesondere Rz 44 des Urteils Kurdov und Ivanov ). Damit erreichen die vorgesehenen Disziplinarstrafen (trotz des normierten Höchstwertes der Geldbuße) noch nicht den Charakter einer strafrechtlichen Anklage bzw Strafe im genannten Sinn.

Fehlt aber einer Disziplinarstrafe nach dem JG der Charakter der "strafrechtlichen Anklage" bzw einer "Strafe", dann vermag eine Disziplinarstrafe keine Sperrwirkung gegenüber einer strafrechtlichen Verfolgung iSd Art 4 7. ZPEMRK in dem Sinn auszulösen, dass für den Fall einer rechtskräftigen Disziplinarstrafe eine strafrechtliche Verfolgung einzustellen wäre (vgl EGMR vom , Appl 32.042/11, Muslija gegen Bosnien-Herzegowina, Rz 37).

Die Ahndung der Verletzung von Standespflichten, wenn gegen die Weidgerechtigkeit verstoßen wurde oder in anderer Weise das Ansehen der Jägerschaft gröblich verletzt wurde (vgl § 159 Abs 3 Z 1 und Z 2 JG), berechtigt auch dann zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen, wenn das pönalisierte Verhalten gleichzeitig verwaltungsbehördlich oder gerichtlich strafbar ist; der Unrechts- oder Schuldgehalt von Vergehen gegen die Standespflichten wird von einer allfälligen Bestrafung in solchen Strafverfahren auch nicht erschöpft, vielmehr rechtfertigt der disziplinäre Überhang ein weiteres Strafbedürfnis (ohne dass ein Verstoß gegen Art 4 7. ZPEMRK vorliegt) (vgl nochmals , und (VwSlg 16.991 A/2006)).

Schon deshalb erweist sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses, dass die EMRK als "höherrangige Norm" ... § 159 Abs 2 JG "überlager(e)", als nicht zutreffend.

3. Schließlich erweist sich vor diesem Hintergrund die Begründung des Verwaltungsgerichtes betreffend die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision als unzutreffend.

V. Ergebnis

Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG in einem nach § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl ).

Wien, am