VwGH vom 20.03.2014, Ro 2014/08/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Revision der M Architekten Ziviltechniker GmbH in Wien, vertreten durch die Dr. Johannes Hock sen., Dr. Johannes Hock jun. Rechtsanwälte Ges.m.b.H. in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 334667/13, betreffend Beitragsrückforderung gemäß § 69 ASVG, (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Revision und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:
In den Jahren 2009 und 2010 fand bei der revisionswerbenden Gesellschaft eine gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) für die Jahre 2006, 2007 und 2008 statt. Infolge einer nicht rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung bezüglich arbeitsrechtlicher Ansprüche eines Auftragnehmers bzw. Dienstnehmers der revisionswerbenden Gesellschaft (Mag. B.) kam es zu einer weiteren GPLA für die Jahre 2009 und 2010 und schließlich zu einer Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen. In der Folge wurde die revisionswerbende Gesellschaft unter Berufung auf § 42 Abs. 1 ASVG von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse informiert, dass sie ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Beitragsgrundlagen des Mag. B. für den Zeitraum bis durchführe, und aufgefordert, sämtliche Unterlagen betreffend Herrn Mag. B. vorzulegen. Dem kam die revisionswerbende Gesellschaft - nach ihrem Vorbringen zur Vermeidung von Zwangsstrafen - nach. Schließlich wurden Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2008 nachverrechnet und am vorgeschrieben. Die revisionswerbende Gesellschaft bezahlte die Beiträge, stellte aber unmittelbar danach gemäß § 69 ASVG einen Antrag auf Rückerstattung der ungebührlich entrichteten Beiträge in Gesamthöhe von EUR 13.456,40.
Diesen Antrag wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom ab.
Im dagegen erhobenen Einspruch brachte die revisionswerbende Gesellschaft vor, dass für das Jahr 2008 bereits im Jahr 2010 eine GPLA stattgefunden habe und daher eine unzulässige Wiederholungsprüfung vorliege. Die arbeitsrechtliche Entscheidung stelle keine neue Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, die eine Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens rechtfertige. Außerdem seien eventuelle Beitragsansprüche aus dem Jahr 2008 gemäß § 68 ASVG bereits verjährt, weil eine Verlängerung der Verjährungsfrist von drei auf fünf Jahre im vorliegenden Fall nicht rechtmäßig erscheine.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass im Rahmen der für den Zeitraum Jänner 2009 bis Dezember 2010 durchgeführten GPLA festgestellt worden sei, dass Mag. B. auf Werkvertragsbasis beschäftigt gewesen sei, die Beschäftigung jedoch die Merkmale eines echten Dienstverhältnisses aufgewiesen habe. Die entsprechende Nachmeldung sei durchgeführt worden, gleichzeitig seien die Beiträge nachverrechnet worden. Im Zuge der Ermittlungen habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auch herausgefunden, dass mit Herrn Mag. B. bereits im Jahr 2008 ein Dienstverhältnis bestanden habe. Infolgedessen sei bei der revisionswerbenden Gesellschaft eine weitere GPLA für den Zeitraum Jänner 2008 bis Juni 2012 durchgeführt worden, und es seien für den Zeitraum bis die Beiträge für Mag. B. nachverrechnet worden.
Die belangte Behörde bejahte sodann - als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG - das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Im Gesamtbild der Tätigkeit lägen die Merkmale einer unselbständigen Beschäftigung in einem echten Dienstverhältnis zweifelsfrei vor, weil Mag. B. unter Weisungs- und Kontrollunterworfenheit bei gleichzeitiger Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsort persönlich zur Verrichtung von Dienstleistungen verpflichtet gewesen sei.
Was das Vorbringen bezüglich der Unzulässigkeit einer Wiederaufnahme betreffe, so werde angemerkt, dass der gegenständlich nachverrechnete Zeitraum nicht Gegenstand der "GPLA 1/09-12/10" gewesen sei. Zudem hätten unterschriebene Prüfprotokolle keinerlei Rechtskraftwirkung, etwa vergleichbar mit einem Bescheid. Es liege daher weder eine entschiedene Sache noch eine Wiederaufnahme im rechtlichen Sinn vor.
Der Dienstnehmer Mag. B. sei nicht gehörig bei der mitbeteiligten Gebietskrankenasse gemeldet worden, sodass von der gemäß § 68 Abs. 1 ASVG vorgesehenen Verjährungsfrist von fünf Jahren auszugehen sei, weil der revisionswerbenden Gesellschaft bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein hätte müssen, dass das gelebte Vertragsverhältnis keinesfalls einem Werk-, sondern einem Dienstvertrag entspreche.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Gemäß § 69 Abs. 1 erster Satz ASVG können zu Ungebühr entrichtete Beiträge zurückgefordert werden.
Gegenstand dieser Rückforderung ist die Differenz zwischen dem für einen konkreten Beitragszeitraum entrichteten und dem für diesen Beitragszeitraum geschuldeten Beitrag. Es ist daher zu prüfen, ob die von der revisionswerbenden Partei entrichteten Beiträge für den betreffenden Zeitraum auch geschuldet wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0041, mwN).
2. Die revisionswerbende Gesellschaft bringt vor, dass sie die Beiträge mangels Dienstnehmereigenschaft des Mag. B. nicht geschuldet habe. Er sei zum Zeitpunkt des Abschlusses seines Werkvertrages mit der revisionswerbenden Gesellschaft selbständig gewesen und habe es auch bleiben wollen. Er sei damals Ziviltechniker gewesen, sodass für ihn das gesetzliche Verbot der Aufnahme einer Anstellung und des Eingehens von dienstnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnissen gegolten habe. Jede Umdeutung seines Vertragsverhältnisses nicht nur gegen den erklärten Willen der Parteien, sondern auch gegen den Gesetzeswortlaut sei unzulässig.
Mit diesem Vorbringen bestreitet die Revision aber nicht, dass bei der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwogen haben. Angesichts dessen hat die belangte Behörde zu Recht die Pfichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG bejaht, sind doch für die Beantwortung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, auch die "wahren Verhältnisse" maßgeblich, d.h., ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen, wobei es dann, wenn die "wahren Verhältnisse" vom Vertrag abweichen, auf diese ankommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0188, mwN).
3. Die Revision rügt weiter, dass sich die belangte Behörde mit der Frage, ob eine gemäß § 41a Abs. 4 ASVG iVm § 148 BAO unzulässige Wiederholungsprüfung stattgefunden habe, nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Darauf ist es aber nicht angekommen, weil Beiträge nicht schon deshalb ungebührlich sind, weil sie auf Basis einer solchen unzulässigen Prüfung festgestellt worden sind (zur "Sanktionslosigkeit" der Verletzung des Verbotes einer Wiederholungsprüfung nach der BAO vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/14/0101, mwN). Eine rechtskräftige - bescheidmäßige - Feststellung, dass die revisionswerbende Gesellschaft die Beiträge nicht oder nicht in der bezahlten Höhe schulde, behauptet aber auch die Revision nicht.
4. Auch darauf, ob das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen schon verjährt war, ist es im vorliegenden Fall nicht angekommen, weil die Beitragsschuld trotz Eintritts der (Feststellungs- oder Einforderungs )Verjährung als Naturalobligation bestehen bleibt. Dies ergibt sich aus den die Verjährung betreffenden Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (vgl. § 1432 ABGB). Diese sind zwar im Bereich des öffentlichen Rechts grundsätzlich weder unmittelbar noch analog anzuwenden; sind aber in Vorschriften des öffentlichen Rechts - wie hier - Verjährungsbestimmungen ausdrücklich aufgenommen, so darf bei Bedachtnahme auf § 7 ABGB ergänzungsweise auch auf die Verjährungsvorschriften des ABGB gegriffen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1994/55, VwSlg. 4860 A, sowie vom , Zl. 2011/08/0214). Die - laut Vorbringen der revisionswerbenden Gesellschaft nicht zwangsweise eingebrachten, sondern aus eigenem bezahlten - Beiträge wären daher auch im Fall des Eintritts der Feststellungsverjährung nicht zu Ungebühr entrichtet worden.
5. Schließlich bringt die revisionswerbende Partei vor, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, wie hoch die von Mag. B. nach dem GSVG entrichteten Beiträge gewesen seien und ob die Voraussetzungen für eine Verrechnung nach § 69 Abs. 3 ASVG (richtig: § 41 Abs. 3 GSVG) vorgelegen seien. Ein Rückforderungsanspruch der revisionswerbenden Partei könnte sich daraus aber nur dann ergeben, wenn Beiträge tatsächlich an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse überwiesen worden wären und dies zu einer - bei der Vorschreibung noch nicht berücksichtigten - Reduktion der Beitragsschuld der revisionswerbenden Gesellschaft geführt hätte. Die bloße Möglichkeit eines Vorgehens nach § 69 Abs. 3 ASVG bzw. § 41 Abs. 3 GSVG - wie sie die revisionswerbende Gesellschaft in den Raum stellt, ohne dazulegen, dass die Voraussetzungen, insbesondere das Fehlen eines Rückforderungsanspruchs des Mag. B., tatsächlich vorliegen - reicht nicht aus (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0074, wonach eine Anrechnung auf die Beitragsschuld gemäß § 69 Abs. 3 ASVG nur in Betracht kommt, soweit der zuständige Versicherungsträger über die entsprechenden Beiträge bereits verfügt).
6. Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.
Wien, am