VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0087
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | B-VG Art133 Abs4 impl; StVO 1960 §97 Abs5; VStG §45 Abs1 idF 2013/I/033; VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033; VwGG §42 Abs2 Z1; VwGVG 2014 §38; VwRallg; |
RS 1 | Eine Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG liegt im Ermessen der Behörde ("kann") bzw. des VwG (vgl. § 38 VwGVG 2014), und hängt von einer auf den Einzelfall abzustellenden spezialpräventiven Prognose ab. Dahingehend liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur eine die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfrage vor. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Allerdings setzt diese Ermessensentscheidung voraus, dass die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände kumulativ vorliegen (vgl. E , Ra 2015/02/0167). |
Normen | B-VG Art133 Abs4; FSG 1997 §7 Abs4; StVO 1960 §5 Abs2 idF 2012/I/050; VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033; VwGG §42 Abs2 Z1; VwGVG 2014 §38; VwRallg; |
RS 2 | Der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO 1960 ist bereits mit der Weigerung, sich dem Alkotest zu entziehen, vollendet (vgl. E , 2006/02/0037). Rechtlich unerheblich ist, ob in der Folge (etwa durch eine entsprechende ärztliche Untersuchung in Form einer Blutprobe) das Nichtvorliegen einer Alkoholisierung festgestellt wurde (vgl. E , 2001/03/0115; E , 2007/02/0019; E , 2007/02/0250; E , 2008/02/0175). Dies gilt auch für den nachträglichen Nachweis einer Nichtalkoholisierung durch einen nach erfolgter Verweigerung durchgeführten Alkomattest. Die vom VwG herangezogene "Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG 1967", der Beschuldigte sei durch den nachträglichen Nachweis der Nichtalkoholisierung nicht als verkehrsunzuverlässig einzustufen gewesen, ist dabei - für das Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 legcit - ohne Belang; die Rechtsprechung zu Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung ist nicht einschlägig. Im Verfahren wegen Übertretung des § 5 Abs 2 StVO 1960 kommt es nämlich, anders als im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung, auf die Frage der Verkehrszuverlässigkeit nicht an; für die Strafbarkeit wegen Übertretung des § 5 Abs 2 legcit ist ausschließlich maßgeblich, ob im Sinne der Rechtsprechung der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO 1960 vollendet wurde (vgl E , 2000/03/0172). Von der Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestandes der Verweigerung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 durch den Beschuldigten ist das VwG im bekämpften Erkenntnis erkennbar ausgegangen. Da der nachträgliche Nachweis der Nichtalkoholisierung nach Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 5 Abs. 2 legcit an der Strafbarkeit der Verweigerung der Vornahme eines Alkotestes iSd § 5 Abs. 2 legcit nichts ändert, durfte das VwG auf dem Boden des von ihm festgestellten Sachverhaltes daher nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ausgehen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Mag. Dr. Köller, sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AM-13-0170, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Amstetten; mitbeteiligte Partei: Rr in H, vertreten durch die Riedl-Ludwig-Penzl Rechtsanwälte GmbH in 3350 Haag, Bahnhofstraße 44), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden,
1. er habe als Fahrzeuglenker am um 17.08 Uhr an einem näher genannten Ort dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels Rotlicht des Anhaltestabes deutlich sichtbar gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet, weil die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt worden sei, und
2. er habe sich als Fahrzeuglenker am um
17.13 Uhr an einem ebenfalls näher genannten Ort nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hierzu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das näher benannte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
2 Er habe dadurch zu 1. eine Übertretung des § 97 Abs. 5 StVO und zu 2. eine Übertretung des § 5 Abs. 2 und § 5 Abs. 4 leg.cit. begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe in näher genannter Höhe verhängt wurde und er zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren verpflichtet wurde.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte mit Schreiben vom Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS NÖ), in welcher er die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses beantragte.
4 Im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und der damit einhergehenden Einrichtung eines Landesverwaltungsgerichtes für Niederösterreich ging die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses mit Ablauf des beim UVS NÖ anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) über. Die anhängige Berufung des Mitbeteiligten galt ab dem genannten Zeitpunkt als Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
5 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom wurde dieser als Beschwerde zu behandelnden Berufung des Mitbeteiligten insoweit stattgegeben, als 1. anstelle der zu Spruchpunkt 1. von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten festgesetzten Geldstrafe eine Ermahnung ausgesprochen wurde und 2. das angefochtene Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt 2. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde. Als Rechtsgrundlage wurde § 45 Abs. 1 Z 4 VStG angeführt.
Ein Ausspruch gemäß § 25a VwGG über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 133 Abs. 4 B-VG im Spruch dieses Erkenntnisses unterblieb.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Inhaltes des bekämpften Straferkenntnisses sowie des dagegen erhobenen Vorbringens des Mitbeteiligten zusammengefasst aus, betreffend den gegenständlichen Sachverhalt sei zu einer näher genannten Verfahrenszahl des UVS NÖ hinsichtlich Entziehung der Lenkberechtigung des Mitbeteiligten am eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgehalten worden. Mit Schreiben vom habe der Mitbeteiligte dem Verwaltungsgericht bekannt gegeben, dass für das hier gegenständliche Verfahren keine weitere mündliche Verhandlung beantragt werde und die Beweisergebnisse aus dem Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung dem gegenständlichen Strafverfahren zugrundegelegt werden könnten. Nach zusammengefasster Wiedergabe der Ergebnisse der im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung traf das Verwaltungsgericht sodann folgende Feststellungen:
Zweifelsfrei stehe fest, dass die eingeschrittenen Polizeibeamten berechtigt gewesen seien, den Mitbeteiligten zur Durchführung des Alkomattestes aufzufordern. Der Mitbeteiligte habe ein verdächtiges Verhalten gezeigt, weil er den unmissverständlichen Zeichen der Polizeibeamten keine Folge geleistet habe und in weiterer Folge in dem Gasthaus, in welches ihm die Polizisten nach Nicht-Befolgung des Anhaltezeichens gefolgt seien, ein eigenwilliges Verhalten gesetzt habe, indem er durch ständiges Herumgehen offensichtlich versucht habe, sich der Amtshandlung zu entziehen. Somit sei für die Beamten zweifellos der Verdacht vorgelegen, der Mitbeteiligte könnte sich beim Lenken des Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben. Hinsichtlich der Missachtung des Anhaltezeichens sei auszuführen, dass dieses klar und eindeutig als solches zu erkennen gewesen sei. Die Beamten seien entsprechend gekleidet und mit einem Signalstab ausgerüstet gewesen; eine Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug, welches angehalten hätte werden sollen, sei nicht gegeben gewesen. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung sei ersatzlos aufgehoben worden, weil die Verkehrszuverlässigkeit und die Nichtalkoholisierung des Mitbeteiligten eindeutig nachgewiesen worden sei.
7 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der zugrundegelegten Gesetzesbestimmungen, wenngleich im konkreten Fall der Verwaltungsstraftatbestand der Verweigerung (einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt) "zweifelsfrei" erfüllt gewesen sei, ergebe für den konkreten Fall "dennoch die Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG", dass eine Verkehrsunzuverlässigkeit nicht gegeben gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe unmittelbar nach Abschluss der Amtshandlung aus eigenem Antrieb Maßnahmen eingeleitet, um nachzuweisen, dass er zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen sei. Es sei "in einem durchaus zeitnahen Bereich zur Lenkung des Kraftfahrzeuges tatsächlich ein Alkomattest durchgeführt" worden, der 0,0 mg/l ergeben habe. Dem Mitbeteiligten sei damit der Nachweis gelungen, dass er sich zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges in keinem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand befunden habe. "Die Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG" ergebe daher, dass der Mitbeteiligte nicht als verkehrsunzuverlässig einzustufen gewesen sei. "Objektiv erfüllt" sei hingegen die Missachtung des Anhaltezeichens der Organe der Straßenaufsicht. Für den Mitbeteiligten habe erkennbar sein müssen, dass das Anhaltezeichen ihm gegolten habe. In der (im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung) durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung sei klargestellt worden, dass das Anhaltezeichen keinem anderen Verkehrsteilnehmer gegolten habe. Die Befolgung der Anhaltung wäre ohne Gefährdung von Personen und Sachen möglich gewesen. Der Mitbeteiligte habe angegeben, das Zeichen gesehen zu haben; auch bei Zweifeln, ob das Signal ihm gegolten habe, hätte er anzuhalten gehabt. Hinsichtlich des Verschuldens des Mitbeteiligten sei auszuführen, dass dieses im Kontext des festgestellten Sachverhaltes als gering zu qualifizieren sei, "wodurch durch Erteilung einer Ermahnung mit dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens das Auslangen gefunden" habe werden können. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen gewesen, da im Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, er im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zur Gänze aufzuheben. Der Mitbeteiligte erstattete durch seine rechtsfreundliche Vertretung eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Revision. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht brachte ebenfalls eine Revisionsbeantwortung ein, in der sie dem Vorbringen in der Amtsrevision vollinhaltlich zustimmt und den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften stellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 § 45 Abs. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:
"(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
die Strafverfolgung nicht möglich ist;
die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten."
10 Die revisionswerbende Bundesministerin führt zur Frage der Zulässigkeit der vorliegenden Amtsrevision aus, das Verwaltungsgericht sei (betreffend Spruchpunkt 2. des bekämpften Erkenntnisses) von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es davon ausgegangen sei, dass bei der Bestrafung wegen Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung zu berücksichtigen sei, dass der Mitbeteiligte nicht alkoholisiert gewesen und daher der Maßstab des § 7 Abs. 4 FSG anzuwenden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes sei das Delikt der Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung bereits mit der Verweigerung vollendet und es komme auf eine tatsächliche Alkoholisierung nicht an. Mit der Ansicht, das in Rede stehende Delikt sei nicht gegeben gewesen, weil nachträglich die Nichtalkoholisierung habe erwiesen werden können, habe dasVerwaltungsgericht die Qualifikation der gegenständlichen Übertretung als Ungehorsamsdelikt in Abrede gestellt, was eine Abkehr von der herrschenden Rechtsprechung darstelle. Hinsichtlich der Frage (betreffend Spruchpunkt 1.), ob bei der Missachtung des Anhaltezeichens die Voraussetzungen für eine Ermahnung vorlägen, fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, bzw. widerspreche das Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 VStG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013.
11 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 12 Zu Spruchpunkt 1. (Ausspruch einer Ermahnung betreffend die angelastete Übertretung gemäß § 97 Abs. 5 StVO):
Den im bekämpften Erkenntnis getroffenen Feststellungen zufolge geht das Verwaltungsgericht in diesem Punkt offenbar von einer Verwirklichung des dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Tatbestandes aus, bejaht jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermahnung gemäß (der im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht geltenden Bestimmung des) § 45 Abs. 1 letzter Satz iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG.
Hierzu ist Folgendes auszuführen:
Eine Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG liegt im Ermessen der Behörde ("kann") bzw. des Verwaltungsgerichtes (vgl. § 38 VwGVG), und hängt von einer auf den Einzelfall abzustellenden spezialpräventiven Prognose ab. Dahingehend liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur eine die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfrage vor. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Allerdings setzt diese Ermessensentscheidung voraus, dass die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände kumulativ vorliegen (vgl. z.B. , mwN).
Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall das Verschulden des Mitbeteiligten "im Kontext des festgestellten Sachverhaltes" als gering eingestuft, eine nähere Begründung dafür jedoch unterlassen. Darüberhinaus ist dem bekämpften Erkenntnis eine sachverhaltsbezogene Erörterung der Bedeutung des durch die maßgebende Bestimmung (§ 97 Abs. 5 StVO) strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die in Rede stehende Tat nicht zu entnehmen. Damit lässt das Verwaltungsgericht in jedem einzelnen Punkt eine nähere Auseinandersetzung mit den die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG tragenden Umständen vermissen
(vgl. insoweit vergleichbar zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG z.B. ), und hat aus diesem Grund das bekämpfte Erkenntnis in seinem Spruchpunkt 1. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
13 Zu Spruchpunkt 2. (Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens betreffend die angelastete Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO):
§ 5 Abs. 2 StVO, BGBl. 159/1960 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 lautet:
"§ 5. Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol.
(...)
(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
(...)"
Nach den im bekämpften Erkenntnis getroffenen Feststellungen ging das Verwaltungsgericht betreffend die angelastete Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt durch den Mitbeteiligten von der Verwirklichung der Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO aus, erachtete jedoch die Voraussetzungen für die Einstellung des diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahrens als gegeben, weil ein nachträglich durchgeführter Alkotest die Nichtalkoholisierung des Mitbeteiligten ergeben habe. Die "Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG" habe ergeben, dass der Mitbeteiligte nicht als verkehrsunzuverlässig einzustufen gewesen sei.
Mit dieser rechtlichen Schlussfolgerung hinsichtlich der angelasteten Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO ist das Verwaltungsgericht, wie die Amtsrevision zutreffend ausführt, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen:
Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung, dass der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO bereits mit der Weigerung, sich dem Alkotest zu entziehen, vollendet ist (z.B. ). Rechtlich unerheblich ist, ob in der Folge (etwa durch eine entsprechende ärztliche Untersuchung in Form einer Blutprobe) das Nichtvorliegen einer Alkoholisierung festgestellt wurde (z.B. , vom , 2007/02/0019, vom , 2007/02/0250, oder auch vom , 2008/02/0175). Dies gilt auch, wie im vorliegenden Fall, für den nachträglichen Nachweis einer Nichtalkoholisierung durch einen nach erfolgter Verweigerung durchgeführten Alkomattest.
Die vom Verwaltungsgericht herangezogene "Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG", der Mitbeteiligte sei durch den nachträglichen Nachweis der Nichtalkoholisierung nicht als verkehrsunzuverlässig einzustufen gewesen, ist dabei - für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO - ohne Belang; die im angefochtenen Erkenntnis herangezogene Rechtsprechung, welche ausschließlich Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung betraf, ist nicht einschlägig. Im gegenständlichen Verfahren kommt es nämlich, anders als im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung, auf die Frage der Verkehrszuverlässigkeit nicht an; für die Strafbarkeit wegen Übertretung der in Rede stehenden Norm der StVO ist ausschließlich maßgeblich, ob im Sinne der genannten hg. Rechtsprechung der objektive Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO vollendet wurde (vgl. hierzu z.B. ). Von der Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestandes der Verweigerung gemäß § 5 Abs. 2 StVO durch den Mitbeteiligten ist das Verwaltungsgericht im bekämpften Erkenntnis erkennbar ausgegangen. Da der nachträgliche Nachweis der Nichtalkoholisierung nach Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 5Abs. 2 StVO an der Strafbarkeit der Verweigerung der Vornahme eines Alkotestes im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung nichts ändert, durfte das Verwaltungsgericht auf dem Boden des von ihm festgestellten Sachverhaltes daher nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ausgehen. Das bekämpfte Erkenntnis ist daher auch betreffend dessen Spruchpunkt 2. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
14 Der Vollständigkeit halber ist darüberhinaus auf Folgendes hinzuweisen:
Das Verwaltungsgericht hat keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, sondern sich bei seinen Feststellungen nach diesbezüglicher Mitteilung durch den Mitbeteiligten auf die Ergebnisse der vor dem UVS NÖ im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung gestützt. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Voraussetzungen für einen Entfall der im Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich durchzuführenden mündlichen Verhandlung (vgl. § 44 VwGVG) vorlagen, ist dabei unterblieben.
15 Hinsichtlich des im Spruch des Erkenntnisses unterbliebenen Ausspruches zur Zulässigkeit der Revision ist schließlich festzuhalten, dass im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob vom Vorliegen einer ordentlichen oder außerordentlichen Revision auszugehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber nämlich auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (z.B. , mwN). Diese Voraussetzung ist durch die vorliegende Amtsrevision erfüllt.
16 Da das angefochtene Erkenntnis daher in seiner Gesamtheit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | B-VG Art133 Abs4 impl; B-VG Art133 Abs4; FSG 1997 §7 Abs4; StVO 1960 §5 Abs2 idF 2012/I/050; StVO 1960 §97 Abs5; VStG §45 Abs1 idF 2013/I/033; VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033; VwGG §42 Abs2 Z1; VwGVG 2014 §38; VwRallg; |
Sammlungsnummer | VwSlg 19501 A/2016 |
Schlagworte | Ermessen VwRallg8 Besondere Rechtsgebiete Alkotest Verweigerung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014020087.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-90705