VwGH 10.10.2011, 2011/17/0071
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2001/17/0104, zur Bestimmung des § 10 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977 ausführte, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die dingliche Bescheidwirkung nicht anders verstanden werden, als dass der dem Rechtsvorgänger im Grundeigentum erteilte Abgabenbescheid ab dem Eigentumsübergang dem Erwerber gegenüber unmittelbar Rechtswirkung entfaltet, ohne dass es hiezu der Erlassung eines Haftungsbescheides bedarf. Bei der "dinglichen Wirkung" eines Bescheides handelt es sich hier um eine durch das Gesetz angeordnete, über die Bescheidadressaten hinausgehende Rechtswirkung eines Bescheides und nicht um einen Haftungstatbestand. Ab dem Eigentumsübergang hatten nach dem eben erwähnten Erkenntnis die an den Rechtsvorgänger im Grundeigentum ergangenen Abgabenbescheide betreffend Kanalgebühren unmittelbar Rechtswirkung für den Erwerber; diesem gegenüber ist insoweit weder die Sachhaftung noch die persönliche Haftung geltend zu machen. Die "dingliche Wirkung" erfasst nach der erwähnten Rechtsprechung sowohl "einmalige" Abgaben als auch "laufende" Abgaben, weil das Gesetz insofern nichts Unterschiedliches normiert (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/17/0054). Bei einer derartigen "dinglichen Wirkung" eines Abgabenbescheides muss sich aber auch der Rechtsnachfolger Unterbrechungshandlungen zurechnen lassen, die dem Rechtsvorgänger im Liegenschaftseigentum gegenüber gesetzt wurden, zumal Unterbrechungshandlungen dem Rechtsnachfolger gegenüber vor Erwerb der Liegenschaft nicht in Betracht kommen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des A L in P, vertreten durch Beck Krist Bubits & Partner, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Elisabethstraße 2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3170401/022-2010, betreffend Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 1998 und 1999 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Brunn am Gebirge, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in 2345 Brunn am Gebirge, Bahnstraße 43), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die belangte Behörde hat ihrer Vorstellungsentscheidung folgenden unbestrittenen Sachverhalt zugrunde gelegt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde einer näher genannten GmbH als Liegenschaftseigentümerin der streitgegenständlichen Liegenschaft mit Wirkung ab eine jährliche Kanalbenützungsgebühr im Ausmaß von S 37.641,53 vorgeschrieben; dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Über das Vermögen der erwähnten GmbH eröffnete das Landesgericht Wiener Neustadt am das Konkursverfahren. Dieser Konkurs wurde mit Beschluss vom (rechtskräftig am ) aufgehoben. Die mitbeteiligte Partei hat die streitgegenständlichen Kanalbenützungsgebühren, die der gemeinschuldnerischen GmbH mit Rückstandsausweis vom vorgeschrieben worden waren, im Konkursverfahren im Juni 1999 angemeldet.
Mit Kaufvertrag vom erwarb die A Unternehmensbeteiligungs GmbH die streitgegenständliche Liegenschaft aus der Konkursmasse, das Eigentumsrecht dieser Gesellschaft wurde im Jahre 2001 grundbücherlich einverleibt.
Nach dem ausdrücklichen Beschwerdevorbringen schrieb die Abgabenbehörde erster Instanz mit Rückstandsausweis vom der nunmehr grundbücherlichen Eigentümerin als Rechtsnachfolgerin im Sinne des § 10 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977 unter anderem die ausständigen Kanalbenützungsgebühren laut Rückstandsausweis vom vor.
Der Beschwerdeführer erwarb - so die belangte Behörde in ihren diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid weiter - die streitgegenständliche Liegenschaft mit Kaufvertrag vom und ist seit dem Jahre 2005 grundbücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaft.
Die Bürgermeisterin der mitbeteiligten Marktgemeinde führte auf Grund eines Rückstandsausweises vom (als Abgabenbehörde erster Instanz) gegen den Beschwerdeführer Exekution hinsichtlich der hier strittigen Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 1998 und 1999.
Gegen die Exekution erhob der Beschwerdeführer Einwendungen bei der Abgabenbehörde erster Instanz und begehrte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Rückstandsausweises vom mit der Feststellung, dass die Abgabenrückstände hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühren aus den Jahren 1998 und 1999 verjährt seien.
Mit Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Marktgemeinde als Abgabenbehörde erster Instanz vom wurden die Einwendungen abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom keine Folge.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im gesamten Verfahren und auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die Frage, ob die gegenständlichen Abgabenansprüche für die Jahre 1998 und 1999 gegen den Beschwerdeführer noch geltend gemacht werden können, oder ob dies infolge Verjährung nicht mehr möglich ist.
Gemäß § 185 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400-0, verjährte - ebenso wie nach § 238 Abs. 1 und 2 der nunmehr anzuwendenden BAO - das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist; keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe (Abs. 1). Die Verjährung fälliger Abgaben wird gemäß § 185 Abs. 2 leg. cit. durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach Außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen oder durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung, unterbrochen. Nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Davon ausgehend wäre die im Jahre 1998 fällig gewordene Kanalbenützungsgebühr mit Ablauf des Jahres 2003, die im Jahre 1999 fällig gewordene Gebühr mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt gewesen, sollte keine Unterbrechung der Verjährung erfolgt sein.
Die belangte Behörde hat sich in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 10 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes, LGBl. 8230-0 (Wiederverlautbarung), berufen. Diese Bestimmung ordnet unter der Überschrift "Dingliche Wirkung von Bescheiden" an, dass die nach diesem Gesetz an Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber erlassenen Bescheide auch gegen alle späteren Eigentümer wirken.
Es ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zutreffend unstrittig, dass der seinerzeit ergangene Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom eine in dieser eben zitierten Gesetzesstelle umschriebene dingliche Wirkung auslöste.
Übereinstimmung besteht zwischen den Streitteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch in der gleichfalls zutreffenden Ansicht, dass die Anmeldung der hier streitgegenständlichen Forderung im Konkurs der näher genannten GmbH jedenfalls der Gemeinschuldnerin gegenüber Unterbrechungswirkung entfaltete.
Uneinigkeit besteht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich darüber, ob sich der Beschwerdeführer diese Unterbrechungshandlung, ebenso wie die Unterbrechungswirkung des an die A Unternehmensbeteiligungs GmbH gerichteten Rückstandsausweises zurechnen lassen muss oder nicht.
Die belangte Behörde begründete ihre Ansicht im Wesentlichen damit, dass die von den Abgabenbehörden gegenüber dem Voreigentümer durchgeführten Unterbrechungshandlungen nicht bloß personenbezogen, sondern anspruchsbezogen wirkten und verwies diesbezüglich auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Bestimmungen der BAO seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zlen. 91/13/0037, 0038 (= VwSlg. 7038 F/1995).
Der Beschwerdeführer seinerseits brachte in diesem Zusammenhang entscheidungswesentlich vor, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegen jeden Abgabenschuldner eine "verselbständigt zu denkende Einhebungsverjährung" laufe.
Im hier zu entscheidenden Beschwerdefall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Eintritt einer allfälligen Verjährung nach der Niederösterreichischen Landesabgabenordnung zu beurteilen ist, die Bestimmungen der BAO daher insoweit noch nicht zur Anwendung kommen.
Vor allem aber ist die angesprochene Frage der unterschiedlichen Wirkung einer Unterbrechungshandlung für Gesamtschuldner oder Haftungspflichtige hier nicht zu beurteilen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2001/17/0104, zur Bestimmung des § 10 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977 ausführte, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die dingliche Bescheidwirkung nicht anders verstanden werden, als dass der dem Rechtsvorgänger im Grundeigentum erteilte Abgabenbescheid ab dem Eigentumsübergang dem Erwerber gegenüber unmittelbar Rechtswirkung entfaltet, ohne dass es hiezu der Erlassung eines Haftungsbescheides bedarf. Bei der "dinglichen Wirkung" eines Bescheides handelt es sich hier um eine durch das Gesetz angeordnete, über die Bescheidadressaten hinausgehende Rechtswirkung eines Bescheides und nicht um einen Haftungstatbestand. Ab dem Eigentumsübergang hatten nach dem eben erwähnten Erkenntnis die an den Rechtsvorgänger im Grundeigentum ergangenen Abgabenbescheide betreffend Kanalgebühren unmittelbar Rechtswirkung für den Erwerber; diesem gegenüber ist insoweit weder die Sachhaftung noch die persönliche Haftung geltend zu machen. Die "dingliche Wirkung" erfasst nach der erwähnten Rechtsprechung sowohl "einmalige" Abgaben als auch "laufende" Abgaben, weil das Gesetz insofern nichts Unterschiedliches normiert (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/17/0054).
Bei einer derartigen "dinglichen Wirkung" eines Abgabenbescheides muss sich aber auch der Rechtsnachfolger Unterbrechungshandlungen zurechnen lassen, die dem Rechtsvorgänger im Liegenschaftseigentum gegenüber gesetzt wurden, zumal Unterbrechungshandlungen dem Rechtsnachfolger gegenüber vor Erwerb der Liegenschaft nicht in Betracht kommen.
Davon ausgehend muss sich der Beschwerdeführer nicht nur die Anmeldung im Konkursverfahren der Bescheidadressatin sondern auch den nach dem Beschwerdevorbringen an die A Unternehmensbeteiligungs GmbH gerichteten und dieser zugegangenen Rückstandausweis vom als Unterbrechungshandlung zurechnen lassen, sodass der Rückstandsausweis an den Beschwerdeführer vom noch innerhalb der Verjährungsfrist erging.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ. Die Entscheidung der Rechtssache hing bei unbestrittenem und von der belangten Behörde ausreichend festgestelltem Sachverhalt allein von der Rechtsfrage ab, ob die streitgegenständliche Abgabenforderung verjährt war oder nicht. Auch Art. 6 Abs. 1 MRK stand dem im Fall der hier vorliegenden Abgabe nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2011170071.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-90589