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VwGH vom 28.02.2008, 2007/06/0228

VwGH vom 28.02.2008, 2007/06/0228

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der S H GmbH (zuvor H S BGD GmbH) in L, vertreten durch Dr. Werner Mecenovic, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B-12.10-Ö315/2007-2, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: M M in L, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch u.a. Rechtsanwälte in 8010 Graz, Reitschulgasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom wurde dem H. S. (Geschäftsführer der nunmehrigen Beschwerdeführerin) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Bürogebäudes mit Cafe, Hallenbereich und KFZ-Abstellflächen auf einem Grundstück im Gemeindegebiet erteilt. Dieses Grundstück grenzt unmittelbar an das Grundstück der mitbeteiligten Partei; festzuhalten ist, dass das bewilligte Gebäude einen Abstand vom Grundstück der Mitbeteiligten einhält (im ursprünglichen Vorhaben war noch in diesem Abstandsbereich eine weitere Halle bis zur Grundgrenze geplant, auf Grund einer Antragsmodifikation entfiel diese Halle und war zuletzt bei Bewilligung nicht mehr projektgegenständlich). Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Mit dem am eingebrachten Baugesuch vom (so die Datierung) kam die Beschwerdeführerin um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für eine "Erweiterung des Hallenbereiches", nämlich um den Zubau einer LKW-Halle beim bestehenden Hallenbereich ein. Dieses neue Gebäude (mit einer Länge von 16,69 m, einer Breite von 6,0955 m und einer Höhe von rund 6,0 m) soll im Bereich zwischen der bestehenden Halle und der Grenze, und zwar bis an die Grenze zum Grundstück der Mitbeteiligten errichtet werden. Die Außenwand an der Grundstücksgrenze soll als Brandwand hergestellt werden.

In der Bauverhandlung vom erhob die Mitbeteiligte die Einwendung, sie sei grundsätzlich nicht gegen das geplante Bauvorhaben, bestehe jedoch auf der Einhaltung eines Abstandes von 4,0 m von der Grundstücksgrenze.

Der Bürgermeister erteilte mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes durch den Zubau nicht zu erwarten sei (wurde näher ausgeführt). Weiters wird auf eine Stellungnahme des Sachverständigen unter Hinweis auf eine Rechtsauskunft der belangten Behörde vom (im vorangegangen Bauverfahren) verwiesen, wonach dieser Rechtsauskunft zu entnehmen sei, dass im gegenständlichen Fall die Bauführung an der Grundstücksgrenze zugelassen werden könne, wenn das Baugrundstück bislang unbebaut gewesen sei und eine solche Bauführung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht widerspreche. Das Baugrundstück sei bislang unbebaut gewesen und das angrenzende Grundstück der Mitbeteiligten sei als Freiland ausgewiesen und unbebaut, sodass eine Einschränkung der Baufreiheit der Mitbeteiligten nicht gegeben sei. Gemäß der Stellungnahme zum Orts- und Landschaftsbild entspreche die Baukörpergestaltung den bereits realisierten, bewilligten und geplanten Objekten, der für ein Industriegebiet gewünschten Formensprache und es sei keine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes durch den Zubau zu erwarten.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung, die mit Berufungsbescheid des Gemeinderates vom als unbegründet abgewiesen wurde; die Berufungsbehörde schloss sich der Beurteilung der Behörde erster Instanz an.

Dagegen erhob die nunmehr rechtsfreundlich vertretene Mitbeteiligte Vorstellung, in welcher sie unter anderem darauf verwies, dass sich die Stellungnahme der belangten Behörde vom auf zwei unbebaute Grundstücke bezogen habe, wobei dieser Sachverhalt nicht mehr zutreffe, weil sich das mit dem Bescheid vom bewilligte Bürogebäude bereits im Bau bzw. im Stadium der Fertigstellung befinde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen.

Zusammengefasst führte sie aus, im Beschwerdefall habe die Mitbeteiligte in der mündlichen Bauverhandlung fristgerecht eingewendet, dass sie die Einhaltung eines Abstandes von 4,0 m von iher Grundstücksgrenze fordere. Dabei handle es sich eindeutig um eine Einwendung im Sinne des § 13 Stmk. BauG. § 13 Abs. 1 Stmk.

BauG normiere zwei Alternativen: Entweder das Aneinanderbauen von Gebäuden oder das Errichten von Gebäuden in einem ausreichenden Abstand. Entscheidend, ob nun Gebäude an der Grundstücksgrenze errichtet werden dürften oder diese im gesetzlich geforderten Mindestabstand zu situieren seien, sei zunächst die Bebauungsweise, die in einem Bebauungsplan, in einer Bebauungsrichtlinie oder in einem Bebauungsgrundlagenbescheid gemäß § 18 leg. cit. festgelegt sei. Ein zur Bewilligung eingereichtes Projekt müsse diesen Festlegungen entsprechen. Sei, wie im Beschwerdefall, offensichtlich keine Bebauungsweise festgelegt, so sei grundsätzlich in Abhängigkeit einer bestehenden Bebauungsweise, das sei die Verteilung der bestehenden Baumassen auf dem Bauplatz in Bezug auf die Bauplatzgrenzen, zu bauen. Abgesehen davon könne sich weiters eine zu beachtende Bebauungsweise auch aus der Situierung bestehender Nachbargebäude oder aus § 43 Abs. 2 Z 7 Stmk. BauG (Straßen-, Orts- und Landschaftsbild) ergeben. Auch sei im Einzelfall zu prüfen, ob durch eine beabsichtigte Bebauungsweise Auswirkungen auf die Baufreiheit des Nachbarn gegeben seien.

Im Beschwerdefall sei davon auszugehen, dass das betreffende Baugrundstück bereits in offener Bebauung, nämlich in der Form, dass allseits freistehende bauliche Anlagen errichtet seien, bebaut sei, sei doch mit dem Baubewilligungsbescheid vom ein Gebäude baubehördlich genehmigt worden, das einen entsprechenden Grenzabstand einhalte. Von dieser Baubewilligung sei auch bereits Gebrauch gemacht worden. Die Bebauungsweise des gegenständlichen Bauplatzes ergebe sich somit aus der bereits bestehenden Bebauung, wobei diese Bebauungsweise auch bei einer weiteren Bebauung des Bauplatzes zu berücksichtigen sei. Dieser Bebauungsweise widerspreche jedoch das gegenständliche Vorhaben, womit nunmehr ein "Grenzbau" entstehen solle. Der bekämpfte Berufungsbescheid erweise sich daher bereits aus diesem Grunde als rechtswidrig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die Mitbeteiligte, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003 anzuwenden.

§ 4 Stmk. BauG enthält Definitionen; dessen Z. 17 lautet:

"17. Bebauungsweise: Verteilung der Baumassen auf dem Bauplatz in bezug auf die Bauplatzgrenzen

a) offene Bebauungsweise:


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-
allseits freistehende bauliche Anlagen oder
-
einseitig an die Grenzen angebaute bauliche Anlagen;
b) gekuppelte Bebauungsweise: an einer Grenze aneinandergebaute bauliche Anlagen;
c) geschlossene Bebauungsweise: an mindestens zwei Grenzen aneinandergebaute bauliche Anlagen;"
Die §§ 13 und 18 leg. cit. lauten auszugsweise:
"§ 13
Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(4) ...

(10) Mit Zustimmung des Nachbarn können unabhängig von der Bebauungsweise Nebengebäude an der Grundgrenze zugelassen werden.

(11) Befindet sich auf dem angrenzenden Grundstück ein Nebengebäude, so ist bei der Ermittlung des Abstandes nur der Grenzabstand einzuhalten.

(12) ..."

"§ 18

Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Bauland für den Einzelfall

(1) Auf Antrag hat die Behörde, sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind oder Bebauungsrichtlinien nicht bestehen, mit Bescheid folgende Bebauungsgrundlagen festzulegen:


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1.
die Baugebietskategorien nach dem Flächenwidmungsplan,
2.
die Bebauungsweise, die Bebauungsdichte und den Bebauungsgrad,
3. die Straßenfluchtlinie und das Ausmaß der abzutretenden Grundfläche und
4. die zulässige Höhe der baulichen Anlagen.
Ferner kann die Behörde die Bauflucht- und Baugrenzlinien sowie Vorgaben über die Firstrichtung und Dachform unter Berücksichtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes festlegen.

(2) ...

(5) Die Erwirkung eines Festlegungsbescheides ist nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung.

(6) Die Festlegungen sind für das Bauverfahren - unabhängig von abweichenden Regelungen in Flächenwidmungsplänen, Bebauungsplänen oder Bebauungsrichtlinien - verbindlich."

Gemäß § 43 Abs. 2 Z 7 Stmk. BauG muss ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht wird. Hiebei ist auf Denkmäler und hervorragende Naturgebilde Rücksicht zu nehmen.

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass nach dem Konzept des Gesetzes (vgl. § 18 Stmk. BauG) die Bebauungsweise "festzulegen" ist, und zwar in einem Bebauungsplan, in Bebauungsrichtlinien (also in Verordnungen) oder aber durch Bescheid im Einzelfall (§ 18 Stmk. BauG); gibt es keine solche Festlegungen und wird auch kein Antrag gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. gestellt, so wird dieser Prüfungsvorgang (hier: hinsichtlich der Bebauungsweise) in das Projektgenehmigungsverfahren einbezogen (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/06/0086, und vom , Zl. 98/06/0179). Letzteres ist im Beschwerdefall geschehen. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass dabei auch die bestehende Bebauung (nämlich das im Zuge der Realisierung befindliche, auf Grund des Bescheides vom bewilligte Vorhaben) und die damit gegebene Bebauungsweise in die Überlegungen einzubeziehen waren. Allerdings ist den Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 nicht zu entnehmen, dass allein deshalb, weil von einem allseits freistehenden Gebäude auf dem Baugrundstück auszugehen ist, damit für dieses Grundstück eine derartige Bauweise auch für andere Bauvorhaben verbindlich festgelegt wäre oder als verbindlich zu gelten hätte, mit der Wirkung, dass das nunmehrige Vorhaben (Zubau bis an die Grenze) als damit im Widerspruch stehend unzulässig wäre, wie die belangte Behörde meinte, zumal gemäß § 4 Z. 17 lit. a Stmk. BauG in der "offenen Bebauungsweise" sowohl allseits freistehende bauliche Anlagen als auch einseitig an die Grenzen angebaute bauliche Anlagen zulässig sind. Eine derartige Einschränkung der Baufreiheit - hier der Beschwerdeführerin - ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (das von der Mitbeteiligten genannte hg. Erkenntnis vom . Zl. 2000/06/0114, erging nicht nur zu einem anders gelagerten Sachverhalt, sondern vor allem zu einer anderen, nämlich zu der früheren Rechtslage nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968, die mit ihrem Konzept der Widmungsbewilligung und der dann darauf aufbauenden Baubewilligung mit der hier maßgeblichen Rechtslage nicht vergleichbar ist).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am