VwGH vom 28.03.2011, 2011/17/0045

VwGH vom 28.03.2011, 2011/17/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde 1. der BG GmbH und 2. der BS GmbH, beide in W und beide vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/1/15, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 225/10, betreffend Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Erstbeschwerdeführerin als Lokalinhaberin und Aufstellerin und der Zweitbeschwerdeführerin als Eigentümerin von zwei Spielapparaten gemäß § 6 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes 2005 - VGSG, LGBl. für Wien Nr. 56/2005, für das Halten dieser Spielapparate in einem näher bezeichneten Lokal für den Monat Juni 2010 Vergnügungssteuer in der Höhe von EUR 2.800,-- vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde gemäß § 135 BAO wegen unterlassener Anmeldung der Spielapparate ein Verspätungszuschlag von EUR 280,-- festgesetzt. Gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO wurde wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Vergnügungssteuer ein Säumniszuschlag von EUR 56,-- auferlegt. Gemäß § 210 Abs. 1 BAO bzw. § 217a BAO wurde weiters die jeweilige Fälligkeit des Verspätungszuschlages bzw. Säumniszuschlages festgesetzt. Der vorgeschriebene Steuerbetrag samt Verspätungszuschlag und Säumniszuschlag wurde binnen eines Monats ab Zustellung des Bescheides zur Zahlung vorgeschrieben.

Auf Grund der Berufung der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin erging der angefochtene Bescheid, mit dem der Berufung insoweit Folge gegeben wurde, als die Festsetzung eines Verspätungszuschlages zu entfallen habe. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Begründend verwies die belangte Behörde insbesondere darauf, dass die Beschwerdeführerinnen den Sachverhalt nicht bestritten hätten und auch die Spielapparateeigenschaft der gegenständlichen Apparate nicht bezweifelten. Sie wendeten sich lediglich gegen die Kompetenz des Landes Wien, Vergnügungssteuer auf Spielapparate einzuheben. Sie brächten vor, dass es für eine derartige Vorschreibung weder im B-VG noch im F-VG 1948 oder im Finanzausgleichsgesetz 1948 eine (verfassungs)rechtliche Deckung gebe. Die gesetzliche Grundlage wäre auch nicht § 6 Abs. 1, sondern § 6 Abs. 2 des Vergnügungssteuergesetzes 2005. Dasselbe habe für die - akzessorische - Vorschreibung eines Säumniszuschlages zu gelten.

Nach Wiedergabe des Abgabentatbestandes gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VGSG und des Inhalts des § 6 Abs. 1 VGSG, demzufolge die Steuerpflicht unabhängig davon bestehe, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt werde, werden die einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen des VGSG referiert.

Im vorliegenden Verfahren sei lediglich zu beurteilen, ob von der Abgabenbehörde die Vergnügungssteuer zu Recht vorgeschrieben worden sei. Hiebei sei darauf abzustellen, ob der im Vergnügungssteuergesetz 2005 normierte Tatbestand, vorliegendenfalls § 1 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VGSG, verwirklicht worden sei. Dass dies der Fall sei, stehe auf Grund der Aktenlage außer Zweifel und werde auch von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten. Der Hinweis darauf, dass die gesetzliche Grundlage § 6 Abs. 2 VGSG sei, sei nicht nachvollziehbar, da es sich unbestritten um zwei Spielapparate handle, durch deren Betätigung ein Gewinn oder Geldeswert (so z.B. Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden könne, deren Besteuerung in § 6 Abs. 1 VGSG geregelt sei.

Zum Einwand der Verfassungswidrigkeit der Vergnügungssteuerpflicht von Spielapparaten wird festgehalten, dass die Abgabenbehörde nicht befugt sei, über die Verfassungskonformität von Normen abzusprechen. Sie sei vielmehr an gehörig kundgemachte und in Geltung stehende gesetzliche Bestimmungen gebunden. Im Übrigen habe sich der Verfassungsgerichtshof bereits eingehend mit der Verfassungsmäßigkeit des § 6 VGSG beschäftigt und es werde dazu auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1895/06, verwiesen.

Nach Erörterung der rechtlichen Stellung der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin wird festgehalten, dass die beiden Beschwerdeführerinnen im Sinne des § 13 Abs. 1 VGSG Gesamtschuldnerinnen der Vergnügungssteuer seien.

Abschließend wird die Vorschreibung des Verspätungszuschlages begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung im Recht auf Nichtvorschreibung von Abgaben bei Nichtvorliegen von Besteuerungsgründen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird klargestellt, dass sich die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerinnen nicht gegen die grundsätzliche Kompetenz des Landes Wien zur Vorschreibung von Vergnügungssteuer gerichtet hätten, sondern lediglich die Zulässigkeit einer Besteuerung in Fällen wie dem vorliegenden bestritten werde. Dem Land Wien komme keine Berechtigung zur Abgabenfestsetzung bei Ländergrenzen überschreitenden Sachverhalten zu. Es werde innerhalb der physischen Grenzen des Bundeslandes Wien kein Sachverhalt verwirklicht, "der der landesgesetzlichen Hoheit unterläge". Die Bedienungsvorrichtungen selbst enthielten keine CPU, also keinen Rechner, wodurch eine vom Gesetz geforderte "Entscheidung herbeigeführt" werden könne. Dieser Vorgang finde in einem anderen Bundesland, im Beschwerdefall konkret in der Steiermark, statt. Eine Kompetenz des Landes Wien könne somit schon begrifflich nicht gegeben sein.

Zu diesem Vorbringen ist Folgendes auszuführen:

Der Umstand, dass die Durchführung von Spielen, die unter das Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005 in der Fassung LGBl. Nr. 58/2009, fallen, derart erfolgt, dass Spielapparate im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 VGSG in Wien aufgestellt sind, die Rechenleistung, die das Spiel ermöglicht jedoch außerhalb des Landes Wien geleistet wird, führt nicht dazu, dass kein unter das Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005 fallender Tatbestand innerhalb der Wiener Landesgrenzen verwirklicht werde.

§ 6 Abs. 1 und 2 Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005 lauten:

"§ 6. (1) Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1 400 Euro. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.

(2) Für das Halten von Spielapparaten mit Bildschirmen, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) nicht erzielt werden kann, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 100 Euro."

Aus § 1 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VGSG ergibt sich, dass ein Spielapparat im Sinne dieser Regelungen nicht nur dann vorliegt, wenn das Spielergebnis durch den Apparat selbst herbeigeführt wird. Das Gesetz erfasst vielmehr auch Apparate, bei denen das Spielergebnis "zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise" herbeigeführt wird (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0158).

Der Beschwerdeeinwand, dass eine Besteuerung nur dann zulässig sei, wenn auch die Rechenleistung bei einer derartigen "zentralseitigen" Herbeiführung des Spielergebnisses innerhalb der Grenzen des Landes Wien erbracht werde, ist insoweit unzutreffend, als zwar auch der österreichischen Bundesverfassung bzw. dem Finanz-Verfassungsgesetz 1948 Beschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Erfassung von Tatbeständen für die Besteuerung durch die Länder zu Grunde liegen (vgl. Art. 9 B-VG über die Geltung der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts als Bestandteil des Bundesrechts, woraus sich auch eine Übernahme der völkerrechtlichen Schranken für die Gesetzgebung ergibt, sowie Klaus Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsnorm, 1963, 429f), damit aber die konkret vom Landesgesetzgeber vorgenommene Anknüpfung noch nicht als verfassungswidrig zu qualifizieren ist.

Eine Beschränkung der Besteuerungsrechte eines Staates ergibt sich (wie für die Zulässigkeit der Schaffung von Straftatbeständen) zwar aus dem Völkerrecht. Auch dieses steht jedoch einer Anknüpfung an Sachverhalte, die sich außerhalb des Staatsgebietes ereignen, nicht prinzipiell entgegen ( Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, 139 (und ebenso in den unveränderten Nachdrucken 1966 und 1993)). Es ist zwar keine unbeschränkte Befugnis der Staaten anzunehmen, Sachverhalte, die sich nicht innerhalb ihrer Grenzen ereignen, zu besteuern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht im Rahmen der vom Völkerrecht gezogenen Grenzen auch an außerhalb des Staatsgebietes sich verwirklichende Sachverhalte im Steuerrecht angeknüpft werden könnte (vgl. allgemein zum Territorialitätsprinzip und zur Zulässigkeit der Anknüpfung an im Ausland verwirklichte Sachverhalte Klaus Vogel, a.a.O., passim, insbesondere 22 ff - Übersicht über zu den verschiedenen Theorien der Zulässigkeit der Anknüpfung an im Ausland verwirklichte Sachverhalte bei ausreichendem Inlandsbezug -, sowie 100 ff und 142 ff - eine Anknüpfung an im Ausland verwirklichte Sachverhalte völkerrechtlich ist nicht jedenfalls unzulässig -, sowie Köhler / Schwarzer , Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, § 10 UVP-G, Rn 7; vgl. weiters unter dem Gesichtspunkt, ob eine Betriebsstätte im Ausland im Sinn des Art. 5 des OECD Musterabkommens entsteht, wenn ein Server ausgelagert wird - also in einem anderen Land als jenem, in dem die Besteuerung erfolgt, betrieben wird -, Thiele, Die internationale Besteuerung des Internet, ÖStZ 1999, 328). Staaten dürfen nur solche Tatbestände besteuern, zu denen sie eine hinreichend enge Beziehung aufweisen (vgl. die Nachweise im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 15.395/1998). Diese Grundsätze sind sowohl auf Bundes- als auch auf Landesgesetze anzuwenden, wobei für die Landesgesetzgebung nicht nur die Frage der Erfassung von Sachverhalten mit einem Bezug über das österreichische Staatsgebiet hinaus auftreten kann, sondern auch von Sachverhalten, die einen Bezug zu einem anderen Bundesland aufweisen. Auch hiefür sind nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die völkerrechtlichen Grundsätze hinsichtlich der Zulässigkeit der Anknüpfung anzuwenden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 15.395/1998).

Der Einsatz technischer Hilfsmittel, die die Durchführung von Spielen auf Apparaten, die als Spielapparat im Sinn des VGSG zu qualifizieren sind, derart ermöglicht, dass nicht sämtliche erforderlichen technischen Vorgänge an ein und demselben Ort erfolgen, bedeutet nicht, dass das Faktum des Betreibens eines Spielapparats im Sinne des Wiener Vergnügungssteuergesetzes nicht an dem Ort erfolge, an dem das jeweilige Endgerät steht (vgl. analog für den Fall der Anwendung des Glücksspielgesetzes des Bundes im Falle der Erbringung der Rechenleistung auf Malta das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0147). Der in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes geforderte ausreichende inhaltliche Bezug zum räumlichen Geltungsbereich der Abgabennorm ist im vorliegenden Fall durch die Spielmöglichkeit am Terminal im Bundesland Wien vorhanden.

Die kompetenzrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerinnen schlagen daher nicht durch.

Gegen die konkrete Berechnung der Steuer wird in der Beschwerde nichts vorgebracht; der in der Berufung erhobene Vorwurf, dass - für den Fall, dass die Abgabenpflicht zu bejahen sei - nicht § 6 Abs. 1 VGSG, sondern § 6 Abs. 2 VGSG eingreife, wird in der Beschwerde nicht aufrecht erhalten.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am