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VwGH vom 27.09.2012, 2011/16/0224

VwGH vom 27.09.2012, 2011/16/0224

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/16/0225 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1011-W/08, betreffend Versagung von Ausgleichszahlungen für das Jahr 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsbürger und seit in Österreich gemeldet. Seine Ehefrau lebt mit den gemeinsamen Kindern, geboren in den Jahren 1994 und 1996, in Polen.

Am stellte der Beschwerdeführer beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg den Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung für das Kalenderjahr 2006. Die Gattin des Beschwerdeführers habe seit keine berufliche Tätigkeit ausgeübt und in dieser Zeit Familienleistungen von 86 Polnischen Zloti monatlich bezogen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung ab, weil - so die wesentliche Begründung - Anspruch auf Differenzzahlung nur für jene Zeiträume bestehe, in denen im Bundesgebiet Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit vorlägen. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei aufgrund des Gesamtbildes als nicht selbständige Tätigkeit eingestuft worden. Ohne Beschäftigungsbewilligung und ohne Beschäftigung bei einem Dienstgeber in Österreich lägen keine Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit vor. Mangels Rechtmäßigkeit der nicht selbständigen Beschäftigung bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) für die in Polen lebenden Kinder.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er u.a. vorbrachte, sehr wohl pflichtversichert zu sein. Die Unterscheidung der Behörde erster Instanz zwischen selbständiger und nicht selbständiger Beschäftigung sei nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht relevant. Ein allfälliger Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz sei dem Arbeitgeber vorzuwerfen, lasse jedoch Ansprüche des Beschwerdeführers unberührt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach einleitender Darstellung des Verfahrensganges erwog sie über die Berufung:

"Der Unabhängige Finanzsenat ist bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Der Bw ist polnischer Staatsbürger und seit in Österreich gemeldet. Seine Frau, mit der er in aufrechter Ehe lebt, lebt in Polen im Familienhaushalt mit den gemeinsamen beiden minderjährigen Kindern. Der Bw meldete am in Österreich das freie Gewerbe das Gewerbe 'Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten ausgenommen jener einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit' sowie als weiteres Gewerbe 'Montage von mobilen Trennwänden durch Verschrauben fertig bezogener Profilteile oder Systemwände mit Anschlusskabeln, die in einfacher Technik ohne statische Funktion Räume variabel unterteilen' bei der Gewerbebehörde an. Er ist seit dem bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.

Der Bw. erklärte für das Jahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von 3.756,50 Euro, wobei er Einnahmen in Höhe von 4.500,00 Euro und Aufwendungen in Höhe von 743,50 Euro erklärte. Die Aufwendungen setzen sich lediglich zusammen aus 60,00 Euro Grundumlage Wirtschaftskammer und 683,50 Euro Sozialversicherung.

Die Erhebungen des Finanzamtes (im Jahr 2006) bezüglich der Art der Tätigkeit des Bw brachten folgendes Ergebnis:

Der Bw hat keine Arbeits- oder Werkverträge. Die Wohnung, in der der Bw wohnt, gehört seiner Schwägerin. Er beteiligt sich an den Kosten. Der Bw. versteht die deutsche Sprache kaum und kann nicht lesen und schreiben. Die Beantwortung des Fragebogens erfolgte unter Mitwirkung (Übersetzung und Buchstabieren) von Herrn TK. Im Internet (Firmen ABC und im Firmenverzeichnis der Wirtschaftskammer) scheint beim Bw. nur die Adresse, jedoch keine Telefonnummer auf.

Der Bw gab zu den Fragen des Erhebungsdienstes am an:

'Der Bw übt seine Beschäftigung ab Juli 2005 in Österreich aus. Der Bw ist gelernter Elektromonteur. Der Standort des Gewerbes ist an der Wohnadresse des Bw. Einen eigenen Telefonanschluss am Standort gibt es nicht. Zu den Aufträgen kommt er durch Bekannte: seine Schwägerin (Reinigungsfirma) und Bazar. Die Arbeitsmittel (Werkzeug und Material) werden von dem jeweiligen Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Der jeweilige Auftraggeber bestimmt, wo, wie und wie lange der Bw seine Arbeit ausführen soll und kontrolliert auch die Arbeitszeit, den Arbeitsfortgang und die Arbeitsqualität. Krankheit oder Urlaub meldet der Bw dem Auftraggeber. Der Bw. muss sich bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende melden. Der Bw kann sich nicht vertreten lassen. Er hat auch keine Mitarbeiter. Sein Entgelt beträgt pro m2 4 Euro. Er wird nach Arbeitsende bar vom Auftraggeber bezahlt. Über dieses Entgelt legt der Bw. Rechnungen.

Neben diesen Einkünften bezieht der Bw keine weiteren Einkünfte.'

Der Bw legt Rechnungen, in denen er die Arbeitszeit für Verspachtelungen auf verschiedenen Baustellen pauschal abrechnet, ohne jedoch genau anzuführen, wieviele Stunden er an den einzelnen Tagen gearbeitet hat. Alle Rechnungen wurden von einer einzigen Person geschrieben, jedoch nicht vom Bw. selbst.

Der Erhebungsdienst stellte fest, dass keine betrieblichen Strukturen (wie Büros, Lager oder Ähnliches) vorhanden sind. Die ausgeführten Arbeiten beschränken sich auf einfache Bauhilfstätigkeiten. Der Bw. arbeitet zumeist durchgängig für einen Auftraggeber. Die Abrechnungen erfolgen in nahezu regelmäßigen Abständen. Die ausgestellten Rechnungen weisen keine Umsatzsteuer aus. Die Rechnungen sehen gleich aus und werden mit einer identen Handschrift ausgestellt, jedoch nicht vom Bw.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist insoweit nicht strittig."

Dieser Sachverhalt werde - so die weitere Begründung - rechtlich wie folgt gewürdigt:

"Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten (§ 3 Abs. 1 FLAG).

Der Bw hält sich seit dem Juni 2005 ständig in Österreich auf. Es ist daher der Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 3 Abs. 1 FLAG 1967 zu prüfen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung einer Tätigkeit nicht darauf an, in welches äußere Erscheinungsbild eine Tätigkeit gekleidet wurde, sondern darauf, wie diese Tätigkeit nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt einzustufen ist ...

Der Anspruch auf Familienbeihilfe muss demnach in einem ersten Schritt dahingehend überprüft werden, wie die Betätigung des Bw im Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2005 nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt einzustufen ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es jedoch bei der Beurteilung einer Tätigkeit nicht darauf an, in welches äußere Erscheinungsbild eine Tätigkeit gekleidet wurde, sondern darauf, wie diese Tätigkeit nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt einzustufen ist (vgl. ).

Der Anspruch auf Familienbeihilfe muss demnach in einem ersten Schritt dahingehend überprüft werden, wie die Betätigung des Bw im Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2005 nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt einzustufen ist.

Aus der Wortfolge 'Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit' ergibt sich, dass zur Prüfung der Qualifikation einer Tätigkeit

das Einkommensteuergesetz heranzuziehen ist ... Demzufolge ist bei

der Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen einer Beschäftigung bei einem Dienstgeber erfüllt ist, daran anzuknüpfen, ob ein Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 gegeben ist.

Nach Würdigung dieser Elemente der Betätigung des Bw ergibt sich daher, dass die Merkmale für ein Dienstverhältnis gegenüber den Merkmalen für eine Selbständigkeit überwiegen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bw nach dem wirtschaftlichen Gehalt des tatsächlichen Geschehens im Sinne des § 47 EStG 1988 iVm § 25 EStG 1988 nichtselbständig beschäftigt wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass keine fortlaufende Lohnzahlung durch einen einzigen Dienstgeber erfolgte, da es auf das Überwiegen ankommt. Insgesamt spricht das Ergebnis der Prüfung der einzelnen Merkmale zur Unterscheidung für eine nichtselbständige Tätigkeit, da der Bw gegenüber seinen Auftraggebern gegenüber weisungsgebunden war, keine Vertretungsbefugnis hatte, ihn kein Unternehmerwagnis traf und seine Entlohnung im Wesentlichen laufend und etwa gleich bleibend erfolgte.

Die äußere Gestaltung in Form eines selbstständigen Gewerbebetriebes wurde nach dem tatsächlichen Geschehen nicht verwirklicht.

Die Voraussetzung einer nichtselbständigen Beschäftigung, wie dies § 3 Abs. 1 FLAG 1967 fordert, ist damit erfüllt.

Um einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen, darf diese Beschäftigung nicht gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstoßen (§ 3 Abs. 1 letzter Satz FLAG 1967).

Die Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im Bundesgebiet sind im AuslBG geregelt.

Dabei erhebt sich die Frage, ob die Bestimmungen des AuslBG auch für den Bw anzuwenden sind, denn nach § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG ist dieses Gesetz auf EWR-Bürger nicht anzuwenden. Polen ist als Mitglied der Europäischen Union Vertragspartner des Übereinkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Der Bw als polnischer Staatsbürger ist daher EWR-Bürger. Für Staatsangehörige der mit der Europäischen Union neu beigetretenen Staaten wird jedoch diesbezüglich in § 32a Abs. 1 AuslBG normiert, dass sie nicht unter die Ausnahme für EWR-Bürger nach § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG fallen.

Polnische Staatsangehörige unterliegen daher weiter dem AuslBG.

Es ist daher in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die Betätigung des Bw gegen Vorschriften des AuslBG verstößt.

Die Betätigung des Bw ist daher im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Regelung und in weiterer Folge im Hinblick auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetzes dahingehend zu prüfen, ob ein Unterordnungsverhältnis gegeben ist und es sich um damit eine bewilligungspflichtige Tätigkeit im Sinne des AuslBG handelt.

Im vorliegenden Fall hat der Bw unstrittig über Auftrag seines Auftraggebers auf den Baustellen die aufgetragenen Arbeiten ausgeführt. Er tat dies seiner äußeren Erscheinungsform (Auftrag, Rechnungslegung, Sozialversicherung für Selbstständige, Gewerbeanmeldung) nach in Erfüllung eines erteilten Auftrages als selbstständiger Unternehmer.

Er hat seinen eigenen Angaben zufolge ausschließlich mit Material gearbeitet, das vom jeweiligen Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurde. Da der jeweilige Auftraggeber bestimmt, wie und wo und wie lange der Bw seinen Auftrag ausführen soll, ist dies ein deutliches Indiz für ein Unterordnungsverhältnis, wie es üblicherweise für Arbeitnehmer gegeben ist. Indem die ausführende Firma auch den Arbeitsfortgang und die Arbeitsqualität kontrolliert, untersteht der Bw nach der tatsächlichen Gestaltung des Auftrages auch der Fachaufsicht des Auftraggebers. Der Bw hat daher sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in fachlicher Hinsicht die Vorgaben des Auftraggebers auszuführen gehabt und hatte keine eigenständige Gestaltungsfreiheit zur Ausführung seiner Aufträge.

Der Bw hat weiters angegeben, dass er Krankheit und Urlaub dem Auftraggeber melden muss und sich bei seinen Arbeiten nicht vertreten lassen kann. Er war somit verpflichtet, seine persönliche Arbeitskraft einzusetzen, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass er wie ein Dienstnehmer behandelt wurde.

Als Unternehmensstandort hat der Bw seine Wohnung angegeben, die er sich mit seiner Schwägerin in Wohngemeinschaft teilte. Der Bw verfügte damit weder über eine eigene Betriebstätte noch über wesentliche eigene Betriebsmittel.

Da der wahre wirtschaftliche Gehalt der Betätigung somit ein anderer war, als sich aus den äußeren Erscheinungsformen ergeben hätte, kann die Beurteilung der Betätigung des Bw nicht auf die nicht verwirklichten äußeren Erscheinungsformen gestützt werden. Nach dem Gesamtbild der verwirklichten Verhältnisse findet sich kein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit. Vielmehr ist aufgrund der Tätigkeit, wie sie tatsächlich ausgeführt wurde, davon auszugehen, dass sich der Bw den Anordnungen seines Auftraggebers unterordnen musste.

Nach Würdigung aller einzelnen Elemente der Betätigung des Bw ergibt sich daher, dass der Bw nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des tatsächlichen Geschehens auf Grund der gegebenen Unterordnung im Sinne des AuslBG in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis beschäftigt wurde. Die äußere Gestaltung diente demnach nur der Verschleierung des Beschäftigungsverhältnisses und ist als Umgehungshandlung einzustufen.

Im Hinblick darauf, dass der Bw nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt auf Grund der gegebenen Unterordnung im Sinne des AuslBG in einem zumindest arbeitnehmerähnlichen Verhältnis beschäftigt wurde, die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis aber einer Genehmigung nach dem AuslBG bedurft hätte, eine solche Genehmigung aber nicht vorlag, hat die Beschäftigung des Bw zweifellos gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstoßen. Es kann damit aus der Bestimmung des § 3 Abs. 1 FLAG 1967 kein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe abgeleitet werden.

Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000 …

Wie bereits oben ausgeführt ist Polen Vertragspartner des Übereinkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Der Bw als polnischer Staatsbürger ist daher soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, im FLAG 1967 den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Es ist daher zu prüfen, was sich aus dem Übereinkommen betreffend den europäischen Wirtschaftsraum für Angehörige der Republik Polen und insbesondere ob sich eine Gleichstellung ergibt.

Gemeinschaftsrechtliche Regelung:

Durch diese Regelung gibt es in Bezug auf den freien Personenverkehr ein Übergangsarrangement, wonach jeder derzeitige Mitgliedstaat grundsätzlich die Möglichkeit hat, seine nationalen Regeln für die Zulassung von Arbeitskräften zum nationalen Arbeitsmarkt während einer Übergangsfrist von maximal sieben Jahren für die neuen EU-Bürger beizubehalten.

Nationale Regelung:

Mit dem EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 28/2004, hat die Republik Österreich von der in der Beitrittsakte 2003 eingeräumten Möglichkeit, den Zugang zum Arbeitsmarkt für die neuen EU-Bürger einzuschränken, Gebrauch gemacht und die Einschränkungen auf nationaler gesetzlicher Ebene umgesetzt.

Die neuen EU-Bürger sind daher nicht vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen und können daher nur nach dessen Regeln zu einer Beschäftigung zugelassen werden. Diese Einschränkung des freien Personenverkehrs für Angehörige der Republik Polen besteht bis zum .

Unter Hinweis auf die dargestellte gemeinschaftsrechtliche Regelung betreffend den Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union kann zusammenfassend festgestellt werden, dass sich auf Grund der angeführten Rechtsgrundlagen betreffend die Mitgliedschaft der Republik Polen in der Europäischen Union und der darin statuierten Aufnahmebedingungen, welche der österreichische Gesetzgeber auf bundesgesetzlicher Ebene durch das EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz umgesetzt hat, für Staatsangehörige der Republik Polen Folgendes ergibt:

Bis zum wurde den polnischen Staatsangehörigen Freiheit des Personenverkehrs und dabei insbesondere die Freizügigkeit von Arbeitnehmern nicht eingeräumt. Eine Gleichstellung von polnischen Staatsangehörigen mit österreichischen Staatsbürgern ist für den Übergangszeitraum damit nicht erfolgt.

Die Soziale Sicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Freizügigkeit des Personenverkehrs. Dass die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unter Punkt 2. des Anhanges II zur BeitrittsV 2003 im Rahmen der Freizügigkeit geregelt ist, macht deutlich, dass die Verordnung nur im Zusammenhang mit Freizügigkeit zur Anwendung gelangen kann.

Damit übereinstimmend in der für den Streitzeitraum geltenden konsolidierten Fassung führt die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in ihrer Präambel aus:

Wie sich damit auch aus der Präambel der Verordnung erschließt, gehören die Vorschriften der Verordnung zur Freizügigkeit der Personen. Die Verordnung selbst begründet diese Freizügigkeit nicht, sondern schafft damit nur Rahmenbedingungen, die die Inanspruchnahme des gewährten Rechtes auf Freizügigkeit, das eines der Fundamente der Gemeinschaft darstellt, erleichtern, ermöglichen und gewährleisten sollen.

Ob ein Recht auf Freizügigkeit und in welchem Ausmaß dieses tatsächlich eingeräumt wird, bestimmen im Einzelfall die konkreten vertraglichen Vereinbarungen für das jeweilige Mitgliedsland in der jeweiligen Beitrittsakte. Die Verordnung hingegen gestaltet ein allenfalls eingeräumtes Recht auf Freizügigkeit aus, indem sie Personen, die von der vertraglich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch machen, sozial absichert.

Die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für den Anspruch auf Familienbeihilfe ist daher dahingehend zu beantworten, dass die Verordnung auf Grund des untrennbaren Zusammenhanges mit der Freizügigkeit nur dann zur Anwendung gelangt, wenn Freizügigkeit eingeräumt ist. Wird in den jeweiligen vertraglichen Grundlagen Freizügigkeit nicht oder nur eingeschränkt eingeräumt, so kommt die Verordnung nicht bzw. im Bereich der Einschränkung nicht zur Anwendung. Auf Grund der einschränkenden Bestimmungen zur Freizügigkeit mangelt es in der Folge auch an einer Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der Bw ist im Streitzeitraum in Österreich im Sinne des Gemeinschaftsrechts sowie im Sinne des AuslBG nach dem Gesamtbild des verwirklichten Geschehens als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen.

Mit der Beitrittsakte 2003 wurde den polnischen Staatsangehörigen Freizügigkeit nur hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs eingeräumt. Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und damit der Zugang zu Erwerbstätigkeiten des Arbeitsmarktes hat sich die Republik Österreich gegenüber polnischen Staatsangehörigen für die Übergangszeit von 7 Jahren vorbehalten.

Rechte aus dem Beitritt bzw. aus den in der Gemeinschaft gewährten Freiheiten können Angehörige der Republik Polen daher nur insoweit ziehen, als ihnen diese Rechte auch uneingeschränkt eingeräumt wurden. Für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer wurde keine Freizügigkeit eingeräumt.

Da die Verordnung nur im Zusammenhang mit der Gewährung von Freizügigkeit zur Anwendung gelangt, und der Bw aufgrund seiner arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung sich in einem der Freizügigkeit vorbehaltenen Bereich betätigte, fällt der Bw hinsichtlich des Anspruches auf Familienbeihilfe im Streitzeitraum mangels Freizügigkeit nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsangehörigen im Sinne des § 53 Abs. 1 FLAG 1967 idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000 ist damit auf Grund der Regelungen der BeitrittsV 2003 für den Bw nicht gegeben.

Zeitraum ab Jänner 2006:

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der seit geltenden Fassung nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 9 Abs. 1 NAG wird zur Dokumentation des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate auf Antrag eine "Anmeldebescheinigung" (§ 53 NAG) für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, ausgestellt.

Für EWR-Bürger, die bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen und nach dem Meldegesetz 1991 gemeldet sind, gilt gemäß der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 4 NAG ihre aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz 1991 als Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53 NAG und somit als Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthaltes des EWR-Bürgers.

Nachdem der Bw zum über eine aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz verfügte, gilt dies als Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53 NAG. Der Bw hält sich daher nach § 9 NAG rechtmäßig in Österreich auf. Er erfüllt daher die in § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 in der derzeit geltenden Fassung festgelegte Voraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe.

Nach der Bestimmung des § 3 Abs. 2 FLAG 1967 in der derzeit geltenden Fassung ist jedoch auch ein rechtmäßiger Aufenthalt des Anspruch vermittelnden Kindes in Österreich Voraussetzung für den Bezug von Familienbeihilfe. Da die Kinder des Bw sich nicht in Österreich aufhalten und in Österreich auch nicht gemeldet waren, besteht für sie kein Aufenthaltstitel nach dem NAG.

Nach den österreichischen Rechtsvorschriften ist ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Bw für seine Kinder in Polen somit zu verneinen.

Hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Frage der Gleichstellung der Staatsangehörigen der Republik Polen mit österreichischen Staatsangehörigen im Sinne des § 53 FLAG 1967 bzw. inwieweit den Staatsangehörigen der Republik Polen Freizügigkeit eingeräumt wurde, wird auch für den Zeitraum ab auf die diesbezüglichen Ausführungen für den Zeitraum ab 2005 (siehe oben) verwiesen.

Die Beurteilung, ob der Bw als Arbeitnehmer oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis in Österreich beschäftigt ist, hat nach den für den Zeitraum ab März 2005 dargestellten Grundsätzen zu erfolgen. Die Überprüfung hat jedoch auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 bzw. ab idF BGBl. I Nr. 78/2007 zu erfolgen. Diese Bestimmung hat in den geänderten Fassungen eine Änderung dahingehend erfahren, dass der § 2 Abs. 2 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 bzw. ab idF BGBl. I Nr. 78/2007 nunmehr lautet, dass als Beschäftigung die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (lit. b) gilt. Aus dieser Änderung ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung für den Zeitraum ab dem .

Da sich die Art der Betätigung des Bw ab nicht geändert hat und sich auch aus der geänderten Rechtslage keine andere rechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Bw ergibt, ist der Bw daher weiterhin als Arbeitnehmer einzustufen.

Die bereits oben zu § 53 FLAG 1967 ausgeführte fehlende Gleichstellung von Staatsangehörigen der Republik Polen mit österreichischen Staatsbürgern für den Zeitraum 2005 auf Grund der eingeschränkten Freizügigkeit in der Beitrittsakte 2003 ist daher aus den gleichen Gründen auch für den Zeitraum ab gegeben. Es kommt mangels Gleichstellung auch für den Zeitraum ab die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht zur Anwendung. Es kann somit auch aus den Bestimmungen der Verordnung kein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Bw hergeleitet werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer u.a. in seinem Recht auf Gewährung von Familienleistungen nach österreichischem Recht gemäß Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 verletzt; er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides u.a. darin, die in Rede stehende Verordnung sei auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern gleichermaßen anzuwenden. Es sei daher unerheblich, ob die Person, auf die sich das System der sozialen Sicherheit beziehe, Dienstnehmer oder Selbständiger im Sinne der genannten Verordnung sei. Wesentlich für die Anwendung sei einzig und allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer der Sozialversicherung unterliege. Gerade dies habe die belangte Behörde aber festgestellt.

Damit ist die Beschwerde im Recht.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer seit bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert sei. Aufwendungen aus seiner beruflichen Tätigkeit setzten sich u.a. aus den Beiträgen für Sozialversicherung zusammen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0236, auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ergibt sich die Einschränkung der Freizügigkeit polnischer Staatsbürger aus Art. 24 und Anhang XII der Beitrittsakte. Gemäß Anhang XII Nr. 1 der Beitrittsakte wird die Freizügigkeit durch die Übergangsbestimmungen des Anhangs XII Nr. 2 bis 14 eingeschränkt. Die in Anhang XII angeführten Maßnahmen erwähnen die Verordnung Nr. 1408/71 nicht, sondern lediglich die Verordnung Nr. 1612/68 des Rates sowie die Richtlinien 68/360/EWG des Rates und 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Bereits deshalb ist nach dem klaren Wortlaut dieser unionsrechtlichen Vorschriften, an deren Auslegung der Verwaltungsgerichtshof insoweit keinen Zweifel hegt, die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 durch die Beitrittsakte nicht eingeschränkt. Auch die (im damaligen Beschwerdefall von der belangten Behörde gesehene) Verletzung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vermag die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht zu verhindern.

Die belangte Behörde billigt dem Beschwerdeführer zu, die in § 3 Abs. 1 FLAG 1967 festgelegte Voraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe zu erfüllen. Sie geht weiters davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Österreich pflichtversichert sei. Da die belangte Behörde den dargelegten unionsrechtlichen Hintergrund unrichtig deutete, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am