VwGH vom 26.05.2010, 2009/08/0249

VwGH vom 26.05.2010, 2009/08/0249

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 2624/09, betreffend Bescheidberichtigung (mitbeteiligte Partei: J Z in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt anerkannte mit Bescheid vom den Anspruch des Mitbeteiligten auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab ; die Pension betrage ab monatlich EUR 2.545,43. Erläuternd wurde dargelegt, die monatliche Leistung im April 2006 betrage EUR 2.545,43, abzüglich Krankenversicherungsbeitrag (EUR 126,--) und Lohnsteuer (EUR 623,51) ergebe sich ein Anweisungsbetrag von EUR 1.795,92.

Mit Bescheid vom nahm die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt das mit Bescheid vom abgeschlossene Verfahren über den Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer von Amts wegen wieder auf und lehnte diesen Antrag ab. Die in der Zeit vom bis zu Unrecht in Empfang genommenen Pensionsbeträge von EUR 65.513,47 wurden rückgefordert und mit der Nachzahlung von EUR 60.300,44 (aus der Anerkennung der Alterspension ab ) teilweise verrechnet; die verbleibende Überzahlung von EUR 5.213,03 werde ab in monatlichen Raten von EUR 500,-- von der laufenden Leistung in Abzug gebracht. Begründend wurde ausgeführt, der Pensionsversicherungsanstalt sei nach Bescheiderlassung bekannt geworden, dass der Mitbeteiligte am Stichtag () einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG unterlegen sei.

Mit weiterem Bescheid vom anerkannte die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Mitbeteiligten auf Alterspension ab ; die Pension betrage ab monatlich EUR 2.560,62, ab monatlich EUR 2.597,37. Erläuternd wurde ausgeführt, die gebührende Nachzahlung für die Zeit vom bis betrage EUR 66.906,87, abzüglich Krankenversicherungsbeitrag (EUR 3.346,98), Lohnsteuer (EUR 1.437,89) und des zur Verrechnung einbehaltenen Betrages (EUR 60.300,44) ergebe sich eine Nachzahlung von EUR 1.821,56. Dieser Betrag werde zur teilweisen Deckung des mit Bescheid vom festgestellten Überbezuges herangezogen. Der verbleibende Überbezug von EUR 5.213,03 werde in Raten von der monatlichen Leistung abgezogen. Weiters wurde festgehalten, die monatliche Leistung ab September 2008 betrage EUR 2.597,37, abzüglich Krankenversicherungsbeitrag (EUR 132,47) und Lohnsteuer (EUR 643,34) sowie des Ratenabzuges (EUR 500,--) ergebe sich ein Anweisungsbetrag von EUR 1.321,56.

Mit Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom wurde der Spruch des "Wiederaufnahmebescheides" vom dahin "richtig gestellt", dass die zu Unrecht in Empfang genommenen Pensionsbeträge von EUR 65.513,47 rückgefordert und mit der Nachzahlung von EUR 46.775,77 teilweise verrechnet würden; die verbleibende Überzahlung von EUR 18.737,70 werde ab in monatlichen Raten von EUR 500,-- von der laufenden Leistung in Abzug gebracht. Weiters wurde die Nachzahlung im "Zuerkennungsbescheid" vom dahin "richtig gestellt", die Nachzahlung für die Zeit vom bis betrage EUR 66.906,87, abzüglich Krankenversicherungsbeitrag (EUR 3.346,98), Lohnsteuer (EUR 14.959,50) und Gewerkschaftsbeitrag (EUR 3,06) ergebe sich ein zur Nachverrechnung einbehaltener Betrag von EUR 46.775,77, die Nachzahlung betrage EUR 1.821,56. Begründend führte die Pensionsversicherungsanstalt aus:

"Die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern oder diesen gleichzuhaltenden, offenbar auf einem Versehen oder ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhenden Unrichtigkeiten in Bescheiden kann jederzeit von Amts wegen vorgenommen werden.

Bei der Ausfertigung des Bescheides vom ist ein Rechenfehler unterlaufen, der hiermit ab richtig gestellt wird."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch Folge und behob den Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt sei nicht zu entnehmen, worin der Rechenfehler gelegen und warum dieser offenkundig sein solle. Es sei vielmehr unter dem Titel einer Berichtigung eine inhaltliche Abänderung des Bescheides vorgenommen worden. Darüber hinaus komme dem Informationsblatt zum Leistungsbescheid vom kein Bescheidcharakter zu, weshalb schon aus diesem Grund eine Berichtigung nicht möglich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 62 Abs. 4 AVG (diese Bestimmung ist gemäß § 357 Abs. 1 ASVG im Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen und in Verwaltungssachen anwendbar) kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

2. Gegenstand des berichtigenden Bescheides ist zunächst die verfahrensrechtliche Frage, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AVG vorliegen oder nicht, und erst im Falle der Bejahung dieser Frage die inhaltliche Berichtigung des Bescheides. In Sozialversicherungsangelegenheiten zählt die erste Frage immer zu den Verwaltungssachen nach § 355 ASVG und eröffnet insofern den Rechtszug an den Landeshauptmann; die zweite Frage stellt dann, wenn Gegenstand des berichtigten Bescheides eine Leistungssache war, ebenfalls eine solche dar (vgl. das Erkenntnis vom , VwSlg. 11.172/A; Oberndorfer/Muzak in Tomandl, Sozialversicherungssystem, 6.2.1.1.L; Fasching/Klicka in Tomandl, Sozialversicherungssystem, 6.4.1.3.1; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen (1995), 627 ff).

3. Zweck des Rechtsinstitutes der Berichtigung iSd § 62 Abs. 4 AVG ist es, im Wortlaut des Bescheides (in Spruch oder Begründung) textliche Unstimmigkeiten zu beseitigen, die den wahren Inhalt des Bescheides nicht in Frage stellen können, weil sie aus dem inhaltlichen Zusammenhang als ein bloßes Versehen bei der Textgestaltung eindeutig erkennbar sind. Mithin sind insbesondere solche Unrichtigkeiten einer Berichtigung zugänglich, die darin bestehen, dass der tatsächliche Inhalt des Spruches des Bescheides von dem in klar erkennbarer Weise gewollten Inhalt abweicht und den von der Behörde ihrem Bescheid offensichtlich zugrunde gelegten Gedanken unrichtig wiedergibt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0205, mwN).

4. Die Berichtigung betrifft den zur Verrechnung einbehaltenen Betrag aus der Nachzahlung der Alterspension für den Zeitraum vom bis und hier den für die Lohnsteuer angesetzten Betrag. In der Begründung des Berichtigungsbescheides wurde ohne nähere Konkretisierung darauf verwiesen, es sei ein Rechenfehler unterlaufen, der richtig gestellt werde.

Ein Rechenfehler (im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG) liegt nur dann vor, wenn eine rechnerische Operation unrichtig vorgenommen wird. Rechenfehler können meist durch rechnerische Kontrollen festgestellt werden. Beruht der Fehler aber nicht auf der unrichtigen Vornahme einer im Bescheid offen gelegten Rechenoperation, sondern auf unrichtigen Grundannahmen, so liegt kein Rechenfehler in diesem Sinne vor (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2002/12/0140). Die in den Bescheiden offen gelegten Rechenoperationen wurden rechnerisch zutreffend vorgenommen. Das - wohl unrichtige - Ergebnis beruht auf dem unrichtig angesetzten Betrag für die Lohnsteuer. Ein Rechenfehler in diesem Sinne ist daher nicht ableitbar.

Aus der Begründung der Bescheide vom ist auch im Übrigen nicht ableitbar, dass die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt inhaltlich anders entscheiden wollte, als es dem Wortlaut der Bescheide entspricht. § 62 Abs. 4 AVG bietet aber keine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruches oder der Begründung eines Bescheides. Diese Bestimmung gestattet lediglich die Bereinigung textlicher Unstimmigkeiten, die den wahren Sinn des Bescheides nicht in Frage stellen dürfen, sondern den richtigen Gedanken der Behörde lediglich falsch ausdrücken (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ).

5. In der Beschwerde wird - an sich als unzulässige Neuerung -

vorgebracht, bei der maschinellen Berechnung der Nachzahlungssumme sei im Zusammenhang mit der Lohnsteuerberechnung die "Lohnsteuer-Fachmaske" nicht auf EUR 0,-- gestellt worden, sodass in der Folge der Lohnsteuerbetrag von EUR 13.521,61 zu Unrecht im Nachzahlungsbetrag von EUR 60.300,44 (ohne August-Leistung) enthalten sei. Auf diesen Umstand könnte aber eine Bescheidberichtigung nicht gestützt werden. Ein Berichtigungsfall aus "EDV-Gründen" läge nur dann vor, wenn der Wille der Behörde im Bescheid durch den mangelhaften Betrieb der Anlage verfälscht worden wäre, eine mangelhafte Bedienung ändert nichts an dem im Bescheid ausgedrückten Willen der Behörde (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 95/12/0269).

Es kann daher offen bleiben, ob die Berichtigung des Bescheides vom nicht auch deshalb unzulässig war, weil die "Nachzahlung ...von EUR 60.300,44" im Spruch jenes Bescheides gar nicht mit normativer Wirkung festgelegt worden ist, sondern an sie nur im Zusammenhang mit der (normativ wirkenden) Aufrechnungserklärung angeknüpft wurde, sodass jenem Bescheid in Wahrheit nur die Wiedergabe eines im Informationsblatt des Gewährungsbescheides falsch errechneten Nachzahlungsbetrages zugrundelag, der bei der Durchführung der Aufrechnung ohne Berichtigung des Bescheides korrigiert werden konnte.

6. Die Berichtigung der Bescheide vom war demnach nicht zulässig, sodass die belangte Behörde zu Recht den Berichtigungsbescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt mit dem angefochtenen Bescheid ersatzlos behoben hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am