VwGH vom 28.02.1978, 2666/77
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2751/77
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des EP in S, vertreten durch DDr. Hellwig Torggler, Rechtsanwalt in Wien I, Tegetthoffstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat 1, vom , Zl. B 212-2/77, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bis zum hatte der Beschwerdeführer eine Gastwirtschaft (Schutzhütte) als Pachtbetrieb geführt. In seiner Einkommensteuererklärung für 1975 stellte er den Antrag. auf Ermäßigung der Einkommensteuer, soweit sie auf einen von ihm mit S 57.454,26 errechneten Veräußerungsgewinn entfalle. Zu dieser Ziffer gelangte der Beschwerdeführer durch Addition einer von der Nachfolgepächterin an ihn gezahlten Ablöse von S 51.724,14 (für Motorschlitten, Brotschneidemaschine, Kaffemaschine, Bagatellgüter, Kohlen, Gas und Ansichtskarten) und einer durch ihn erfolgten Privatentnahme von Anlagegütern (Nähmaschine, Motorsäge, Jeep, PKW, Waschmaschine, Farbfernsehapparat) im Werte von S 43.800,--, wobei er von der Summe der beiden Beträge (S 95.524,14) die Buchwerte der erwähnten Gegenstände von S 33.269,88 und einen Bestand an Ansichtskarten im Werte von S 4.800,-- in Abzug brachte.
Das Finanzamt gewährte bei der Einkommen- und Gewerbesteuerveranlagung 1975 den beantragten ermäßigten Steuersatz nicht, weil es sich um keine Veräußerung im Sinne des § 24 EStG 1972, sondern lediglich um die Auflösung eines Pachtverhältnisses handle.
In seiner Berufung dagegen brachte der Beschwerdeführer vor, ein Pachtverhältnis könne die Grundlage einer selbständigen, nachhaltigen, mit Gewinnabsicht unternommenen Betätigung, mithin eines Betriebes, sein. Es sei ein Widerspruch in sich, wenn das Finanzamt zwar Einkünfte und Gewinn aus Gewerbebetrieb feststelle, wenn es ferner feststelle, dieser Betrieb sei aufgelassen worden, jedoch trotzdem davon ausgehe, daß dies keine Betriebsaufgabe wäre. § 23 Z. 3 EStG 1972 stelle ganz klar, daß Einkünfte im Sinne des § 24 EStG 1972 nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb sein könnten, die aus Anlaß von dessen Beendigung entstehen, oder - umgekehrt - daß Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die bei dessen Beendigung entstehen, eben Einkünfte gemäß § 24 EStG 1972 seien.
Die belangte Behörde wies diese Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab und begründete dies damit, eine Veräußerung des ganzen Betriebes liege dann vor, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des bisherigen Betriebes gebildet haben und an sich geeignet gewesen seien, dem Erwerber die wesentliche Grundlage für die Fortführung des übernommenen Betriebes zu bieten. Die Aufgabe des Betriebes setze auf jeden Fall einen einheitlichen Vorgang voraus, durch den zumindest die wesentlichen Grundlagen des Betriebes an dritte Personen oder in das Privatvermögen des Betriebsinhabers übergehen. Im vorliegenden Fall seien jedoch wesentliche Grundlagen des Betriebes - wie das Gebäude und die Einrichtung - nicht im Eigentum des Beschwerdeführers gestanden und der Beschwerdeführer sei daher gar nicht in der Lage gewesen, den "ganzen Betrieb" (§ 24 Abs. 1 EStG 1972) oder "die einzelnen dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe des Betriebes" zu veräußern oder ins Privatvermögen zu übernehmen (§ 24 Abs. 3 EStG 1972).
Über die gegen diesen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Veräußerungsgewinne sind nach § 24 Abs. 1 EStG 1972 Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Betriebes oder eines Teilbetriebes erzielt werden, wobei nach § 24 Abs. 3 leg. cit. als Veräußerung auch die Aufgabe des Betriebes gilt. Werden in diesem Fall die einzelnen dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe des Betriebes veräußert, so sind die Veräußerungserlöse anzusetzen; werden die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist der gemeine Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen.
"Aufgabe des Betriebes" im Sinne des zitierten § 24 Abs. 3 EStG 1972 aber liegt immer dann vor, wenn sich im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges in einem Zuge mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit der bisherige Betriebsinhaber aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens entweder begibt oder sie in sein Privatvermögen überführt. Ersteres muß und kann auch rechtlich in einer "Veräußerung" im zivilrechtlichen Sinne, also einem auf Eigentumsübertragung gerichteten Rechtsgeschäft, nur darin und nur soweit bestehen, als die aufzugebenden Wirtschaftsgüter bisher im Eigentum des Betriebsinhabers standen und ihm damit die Dispositionsfähigkeit über das Eigentum an diesen Wirtschaftsgütern zukam. Soweit dagegen Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen gehörten, deren Eigentümer der Betriebsinhaber nicht war, genügt, um auch in bezug auf sie die Voraussetzung für die Annahme einer "Aufgabe des Betriebes" herzustellen, daß sich der bisherige Betriebsinhaber seiner sonstigen (Miet-, Pacht-, Fruchtgenuß- und ähnlicher) Rechte begibt, die er im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit und der Zugehörigkeit der betreffenden Güter zum Betriebsvermögen an diesen Gütern hatte, wobei für die Aufgabe auch solcher Rechte an ihn bezahlte Entgelte zu dem im Zuge der Betriebsaufgabe erzielten Veräußerungserlös gehören. Wo für die Aufgabe derartiger Rechte Erlöse nach der darüber bestehenden Vereinbarung mit sonstigen an dem Gut Berechtigten (insbesondere deren Eigentümern) nicht erzielt werden können, was insbesondere bei Vorliegen von Miet- und Pachtverträgen ohne Bestimmungen über Berechtigungen des Bestandnehmers, einen Eintrittsberechtigten oder einen Rechtsnachfolger im Bestandverhältnis zu benennen, die Regel sein wird, muß es bei der bloßen Aufgabe der Rechte sein Bewenden haben, ohne daß die Tatsache, daß die Aufgabe der Rechte an einem oft entscheidenden Teil des Betriebsvermögens weder einen Veräußerungserlös noch eine Vermehrung des Privatvermögens des den Betrieb aufgebenden Steuerpflichtigen nach sich zieht, etwas daran zu ändern vermag, daß "Aufgabe des Betriebes" im Sinne des Gesetzes vorliegt.
Auf den Anlaßfall angewendet ergeben die eben entwickelten Grundsätze die Berechtigung der Beschwerde. Es ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer das gesamte ihm gehörende Betriebsvermögen entweder veräußert oder in sein Privatvermögen überführt hat. In einem Zuge damit hat er aber nicht nur die betriebliche Tätigkeit ganz eingestellt, sondern er hat auch alle Rechte aufgegeben, die er an den Wirtschaftsgütern hatte, die über das, was in seinem Eigentum stand, hinaus zum Betriebsvermögen gehörten. Dann aber war es nicht erheblich, ob diese letzterwähnte Gruppe von Gütern die wichtigere oder für den Betrieb entscheidendere war, wie dies die belangte Behörde von der Lokalität, in der die Gastwirtschaft betrieben wurde, und dem offensichtlich gleichfalls nur gepachtet gewesenen Großteil des Inventars mit Recht annehmen konnte. Mit der Auflösung des Pachtverhältnisses und der Verpachtung des Lokals durch den Eigentümer an einen neuen Pächter sind auch diese Wirtschaftsgüter so weit und so vollständig von dem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang der Aufgabe des Pachtbetriebes durch den Beschwerdeführer miterfaßt, wie es sowohl zivilrechtlich wie wirtschaftlich bei der gegebenen Sach- und Rechtslage überhaupt möglich gewesen ist.
Damit gelangt der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis zu der von Schubert-Pokorny-Schuch (Einkommensteuerhandbuch, Wien 1973, Anm. 12 C zu § 24 EStG 1972) vertretenen Rechtsauffassung, daß unter den oben ausführlicher dargestellten Umständen auch der Pächter eines Betriebes diesen Betrieb im Sinne des § 24 Abs. 3 EStG 1972 aufgeben kann. Weder die von der belangten Behörde zitierte Literatur (Zapletal-Hofstätter, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1967, TZ. 2 und 23 zu § 16) noch das von ihr in ihrer Gegenschrift zur Stützung der im angefochtenen Bescheid vertretenen Meinung zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 1. 1526/68, behandeln das hier zur Entscheidung stehende Rechtsproblem. An beiden Belegstellen wird nur die durchaus auch den Überlegungen dieses Erkenntnisses zugrunde gelegte Meinung vertreten, Betriebsaufgabe müsse ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang sein. Die in diesem Verfahren entscheidende Frage der Betriebsaufgabe eines gepachteten Betriebes (die nichts zu tun hat mit der im Erkenntnis Zl. 1526/68 erörterten Frage, ob Verpachtung der wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens Betriebsaufgabe sein kann) wird weder durch die genannten Autoren noch im angeführten Vorerkenntnis in einer die Rechtsauffassung der belangten Behörde stützenden Weise beantwortet.
Da die Rechtsauffassung der belangten Behörde dem Gesetz nicht entspricht, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden (§ 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.
Wien, am