VwGH vom 15.06.1977, 2481/76
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Rosenmayr, über die Beschwerde der AP in I, vertreten durch Dr. Franz Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria Theresien-Straße 42/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat, vom , Zl. 10.30-2/76, betreffend Einkommensteuer 1973 und 1974, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.619,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog in den Streitjahren neben anderen Einkünften eine ihr testamentarisch zugewandte Versorgungsrente, für die sie die Erbschaftsteuer auf Grund eines Antrages gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG jährlich im voraus vom Jahreswert der Rente entrichtet. Vor dem Verwaltungsgerichtshof ist einzig die Frage strittig, ob die jährliche Erbschaftsteuerzahlung als Sonderausgabe gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 abzugsfähig ist. Die belangte Behörde hat diese Rechtsfrage im angefochtenen Bescheid verneint. Sie begründete das damit, daß die Erbschaftsteuer als Personensteuer gemäß § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 nicht abzugsfähig sei, woran sich auch dadurch nichts ändere, daß die Erbschaftsteuer als Jahressteuer gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG entrichtet werde. Zudem müsse beachtet werden, daß für denjenigen, der die Erbschaftsteuer sofort entrichte, diese auch nicht abzugsfähig sei. Es wäre daher nicht einzusehen und sei wohl kaum in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, denjenigen, dem schon der Vorteil einer langfristigen Zahlung eingeräumt werde, noch zusätzlich durch die Abzugsfähigkeit der Erbschaftsteuerzahlungen zu begünstigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren - im wesentlichen ausgeführt wird, daß die bei der Ermittlung des Einkommens grundsätzlich nicht abzugsfähige Erbschaftsteuer bei einem unwiderruflichen Antrag im Sinne des § 29 Abs. 1 ErbStG ihren Charakter als nicht abzugsfähige Ausgabe verliere und zu einer als Sonderausgabe abzugsfähigen dauernden Last werde. Die aleatorischen Folgen einer Antragstellung nach § 29 Abs. 1 ErbStG wären es, die die Abzugsfähigkeit auslösten und den ursprünglichen Zahlungsgrund (nichtabzugsfähige Erbschaftsteuer) "zur Gänze unwichtig" machten. Dies sei auch umgekehrt bei ansonst einkommensteuerlich nicht relevanten privaten Veräußerungsvorgängen der Fall, welche durch "Kleidung" des Veräußerungsvorganges in die Rentenform einkommensteuerpflichtig würden. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift des § 29 Abs. 1 ErbStG eine Begünstigungs- oder eine Tarifvorschrift sei. Sicher sei, daß die an die Rentenlaufzeit gebundene dauernde Last unter Umständen wegen der Unabänderlichkeit der einmal getroffenen Wahl eine Begünstigung ausschließe. Im übrigen beruft sich die Beschwerde auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Im Hinblick auf Abschnitt 56 Abs. 4 der Einkommensteuerrichtlinien 1965, der die Abzugsfähigkeit der nach § 29 Abs. 1 ErbStG entrichteten Erbschaftsteuer anerkannt habe, sei ausschließlich wegen der einkommensteuerlichen Abzugsfähigkeit nach gründlicher Überlegung eine Antragstellung nach § 29 Abs. 1 ErbStG erfolgt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde bestreitet nicht, daß die gegenständlichen Erbschaftsteuerzahlungen grundsätzlich als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 in Betracht kommen; dies deswegen, weil es sich dabei um auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhende dauernde Lasten handelt und die übrigen in der genannten Gesetzesstelle aufgezählten Ausschließungs- oder Einschränkungsgründe nicht vorliegen. Die belangte Behörde bezieht sich aber auf § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 (durch Art. III Z. 2 Abgabenänderungsgesetz 1975, BGBl. Nr. 636, Z. 5). Danach dürfen die Steuern vom Einkommen und die sonstigen Personensteuern - zu welch letzteren unbestrittenermaßen die Erbschaftsteuer gehört - weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
Die Rechtsmeinung der belangten Behörde wirft die Frage auf nach dem Verhältnis des § 20 EStG 1972, der von den nichtabzugsfähigen Ausgaben handelt, zu § 18, in welchem die Sonderausgaben aufgezählt sind. Dazu ist festzustellen, daß Renten und dauernde Lasten im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 grundsätzlich nur solche Aufwendungen sein können, die der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, weil sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung dann nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können, wenn sie Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Da anderseits, wie dem § 20 EStG 1972 zu entnehmen ist, Aufwendungen für die Lebensführung - also sogenannte Privataufwendungen - einkommensteuerrechtlich nicht abzugsfähig sind, folgt daraus, daß die in § 18 leg. cit. eröffnete Abzugsmöglichkeit bestimmter, taxativ aufgezählter Aufwendungen eine Sonderregelung zu den allgemeinen Vorschriften des § 20 darstellt. Das geht übrigens aus einer Reihe anderer im Gesetz enthaltener Sonderausgaben ganz deutlich hervor. So kann es keinem Zweifel unterliegen, daß beispielsweise die in § 18 Abs. 1 Z. Z 2 und 3 EStG 1972 aufgezählten Versicherungsprämien und Aufwendungen für die Wohnraumbeschaffung ohne ihre ausdrückliche Normierung als Sonderausgaben nach der Generalregel des § 20 nicht einkommensmindernd behandelt werden könnten. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Anwendungsbereiches der §§ 18 und 20 EStG 1972 hat es möglicherweise noch im Bereich des EStG 1967 (dort § 10 und § 12) in bezug auf Unterhaltsrenten gegeben (vgl. dazu Zapletal-Hofstätter, Tz. 4.1 und 4.2 zu § 10); im Anwendungsbereich des Einkommensteuergesetzes 1972 bestehen auch diese nicht mehr, weil § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 (jetzt Z. 4) nunmehr für diesen Teilbereich eine ausdrückliche Regelung enthält (vgl. Hofstätter-Reichel, 3.1 zu § 18). NUR IN DIESEM Teilbereich überlagern die allgemeinen Vorschriften des § 20 die besonderen des § 18 EStG 1972. Hinsichtlich der Personensteuern enthält das Gesetz keine vergleichbare Anordnung, weshalb ihre Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe nach § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 nicht ausgeschlossen ist, wenn sie in einer Weise entrichtet werden, die ihre Subsumtion unter diese Gesetzesstelle erlaubt. Das trifft für die Erbschaftsteuer zu, die gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG jährlich vom Jahreswert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen entrichtet wird, solange die Renten oder Nutzungen zufließen.
Dieses Ergebnis entspricht auch - wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - dem einkommensteuerlichen Grundsatz, daß der Rentenform im außerbetrieblichen Bereich gegebenenfalls ausschlaggebende Bedeutung zukommt.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als begründet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975. Der Schriftsatzaufwand beträgt danach nicht - wie begehrt - S 2.500,--, sondern S 2.400,-- , womit auch die Umsatzsteuer abgegolten ist.
Wien, am