VwGH vom 04.08.2015, Ro 2014/06/0022

VwGH vom 04.08.2015, Ro 2014/06/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der A S in G, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. Präs-048232/2013/0009, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei:

P GmbH Co KG, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom beantragte die Mitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung einer Baubewilligung für folgende Um- und Zubauten am Gebäude J-Straße 3-5:

1. Umbauten in allen Geschoßen für Wohn- und Büroräume (5 Büros, 18 Wohnungen),

2. Abbruch des straßenseitigen Daches und der Aufstockung von zwei- bis drei Geschoßen am straßenseitigen und am hofseitigen Gebäudeteil,


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3.
Abbruch des eingeschoßigen Hofgebäudes,
4.
Errichtung von 8 PKW-Stellplätzen im Erdgeschoß,
5.
geringfügige Zubauten im Erdgeschoß und Kellergeschoß für das Gebäude J-Straße 7,
6.
Bewilligung für Umbauten und des Zubaus eines zwei- bis dreigeschößigen Dachaufbaues
im Hofbereich auf den Grundstücken Nr. 212/1 und 212/2, KG GJ. Der Bauplatz ist im Flächenwidmungsplan als "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" überlagert durch "allgemeines Wohngebiet" im Sinn des § 23 Abs. 5 lit. b und lit. c Steiermärkisches Raumordnungsgesetz - ROG (ausgenommen Einkaufszentrum) und § 22 Abs. 4 Stmk. ROG iVm § 7 Abs. 1 Flächenwidmungsplanverordnung ausgewiesen. Das Bestandsgebäude steht nicht unmittelbar an der östlichen Grenze des Bauplatzes, sondern in einem Abstand von etwa 0,5 m bis 0,9 m davon (sogenannte "Reiche").
Die Revisionswerberin ist Eigentümerin des östlich unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 259/1 mit dem dahinter liegenden Grundstück Nr. 259/2. Zwischen dem Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück und dem Gebäude auf den Grundstücken der Revisionswerberin befindet sich die Reiche. Während der mündlichen Verhandlung wandte sich die Revisionswerberin gegen das beantragte Bauvorhaben und beanstandete die Abstands- und Höhenentwicklung an der Grenze zu ihren Grundstücken.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz der Bauwerberin mit Bescheid vom die beantragte Baubewilligung.
Die Revisionswerberin berief und rügte neuerlich die Verletzung der Abstandsvorschriften.
Mit Schriftsatz vom übermittelte die Bauwerberin eine Projektsänderung hinsichtlich des Dachaufbaus an der Ostseite des Bauvorhabens. Die östliche Brandwand soll auf einer Länge von 22 m um ca. 1,5 m abgesenkt und auf einer Länge von 3 m um 1,2 m erhöht werden, um ein gleichmäßiges Niveau für Aufbauten zu erreichen. Auf dieser Brandwand soll das Dach mit einer Neigung von 70 Grad aufgesetzt werden.
Die Revisionswerberin äußerte sich im Rahmen des Parteiengehörs negativ zu der Projektsänderung, rügte weiterhin mit Hinweis auf § 13 Abs. 4 und Abs. 5 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG eine Verletzung der Abstandsvorschriften und erstmals auch unzumutbare Lärmimmissionen von den Terrassen im ersten, zweiten und vierten Obergeschoß. Aufgrund der Projeksänderung sei eine Auskragung des Gebäudeteiles weggefallen, weshalb die Terrassen nunmehr zur Reiche hin offen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) wies die belangte Behörde die Berufung der Revisionswerberin gegen die mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom erteilte Baubewilligung in der Fassung der im Berufungsverfahren vorgelegten und mit diesem Bescheid genehmigten Projektsänderung vom (Pläne vom , Index E) als unbegründet ab. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Revisionswerberin erstmals in der Berufung (richtig: im Rahmen des Parteiengehörs nach Projektsänderung im Berufungsverfahren) eine Immissionsbelastung durch die Terrassennutzung vorgebracht habe. Die Terrasse im ersten Obergeschoß sei von der Projektsänderung im Berufungsverfahren nicht betroffen, weshalb die Revisionswerberin diesbezüglich präkludiert sei. Im zweiten Obergeschoß sei der Vorzug der Brandmauer nach Norden hin weggefallen, sodass die Terrasse nach Osten hin nicht mehr "abgeschirmt" sei. Diese Terrasse diene jedoch der Wohnnutzung. Die von einem Wohnhaus im Wohngebiet typischerweise ausgehenden Immissionen seien von Nachbarn hinzunehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens für derartige Immissionen sei - sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls vorlägen - nicht erforderlich. Da solche besonderen Umstände hier nicht vorlägen, seien die Rechte der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang durch die Projektsänderung keinesfalls anders oder gar negativ berührt. Gleiches gelte für die Terrasse im vierten Obergeschoß, wobei die Änderung nicht von Einfluss auf die eingetretene Präklusion sein könne, weil die Terrasse kaum merklich verändert worden sei und dies keinen Einfluss auf die Schallsituation haben könne.
Hinsichtlich der Abstandsvorschriften sei den Bedenken der Revisionswerberin durch die Projektsänderung im Berufungsverfahren Rechnung getragen worden. Dabei sei festzuhalten, dass die Bestandsgebäude nicht den Abstandsvorschriften entsprächen. Es dürften somit keine Baumaßnahmen gesetzt werden, die von Einfluss auf die Abstandsvorschriften seien. Daher dürfe kein abstandsrelevantes Geschoß geschaffen werden. Andere Baumaßnahmen, die die Abstandssituation nicht in rechtlich relevanter Weise berührten und sich nicht auf die Berechnung des Seitenabstandes auswirkten, seien zulässig (Hinweis etwa auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0171). Die von der Revisionswerberin angesprochene Einhaltung eines den gegenwärtigen Vorschriften entsprechenden Grenz- und Gebäudeabstandes könne daher nur den geplanten Dachaufbau betreffen, wenn dieser abstandsrelevante Geschoße enthalte. Dies sei nicht der Fall. Es werde die bestehende Brandwand in weiten Bereichen um ca. 1,5 m abgesenkt und nur auf einer Länge von 3 m um weniger als 1,25 m erhöht, sodass auf diesem gleichmäßigen Niveau das Dach mit einer Schräge von 70 % aufgesetzt werden könne. Damit werde eine Traufenseite geschaffen, sodass die Abstandsrelevanz des Dachgeschoßzubaus gemäß § 13 Abs. 5 erste Variante Stmk. BauG zu prüfen sei. Eine einem Kniestock (§ 4 Z 40 Stmk. BauG) vergleichbare Aufmauerung werde projektsgemäß nur im nordöstlichen Bereich auf einer Länge von 3 m geschaffen und liege unter 1,25 m. Somit werde eine Traufenseite geschaffen, deren Kniestockhöhe unter 1,25 m liege und die Dachneigung ebenfalls nicht mehr als 70 Grad betrage, weshalb von keinem abstandsrelevanten Zubau auszugehen sei. Dass der Dachgeschoßaufbau auf ein Flachdach aufgesetzt werde, könne nicht anders beurteilt werden als wenn der Altbestand tatsächlich eine Traufenseite aufweise. Projektsgemäß entstünden daher keine weiteren abstandsrelevanten Geschoße. Dem Einwand der Revisionswerberin, dass an der Traufenseite nur ein (einziges) Dachgeschoß nicht anrechenbar wäre, sei mit dem Wortlaut des § 13 Abs. 5 Stmk. BauG zu begegnen. Im Unterschied zur Regelung über die Giebelseite sei im Zusammenhang mit der Traufenseite explizit von "Dachgeschoßen" (Mehrzahl) die Rede, die bei Einhaltung der entsprechenden Voraussetzungen nicht als Geschoße anzurechnen seien. Ein Dachgeschoß, das im Sinn des § 13 Abs. 5 Stmk. BauG nicht anrechenbar sei, könne nicht gleichzeitig ein Gebäudeteil im Sinn des § 13 Abs. 6 leg. cit. ohne die übliche Geschoßeinteilung sein (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0165, mwN).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Bauwerberin beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Revision.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenständlich liegt ein Übergangsfall im Sinn des § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG vor, weil der angefochtene Bescheid am zugestellt wurde, nicht bis Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde und die Beschwerdefrist mit Ende des noch lief. Die Revisionswerberin konnte daher bis in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Für die Behandlung der Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG 1985 in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.
§§ 13 und 26 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, in der Fassung LGBl. Nr. 49/2010, lauten auszugsweise:
"§ 13
Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(4) Als Geschosse in der jeweiligen Gebäudefront sind jene anzurechnen,


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-
die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig sind und
-
deren Außenwandfläche zu mehr als 50 Prozent und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt.

(5) Nicht als Geschosse anzurechnen sind an der


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-
Traufenseite: Dachgeschosse bzw. für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachböden, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt;
-
Giebelseite: das unterste Dachgeschoß bzw. der unterste für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachboden, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt.

(6) ...

§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über


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1.
...
2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z 5)
4.
..."
Gemäß § 43 Abs. 2 Z 5 Stmk. BauG muss ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benützern oder von Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind.
Die Revisionswerberin bringt - wie bereits während des Verwaltungsverfahrens - vor, auch durch das geänderte Projekt werde ein abstandsrelevantes Geschoß verwirklicht. Die östliche Gebäudefront des Bestandsobjektes auf dem Bauplatz stelle zur Grundgrenze der Revisionswerberin in die Reiche hin die Giebelseite des Bestandsgebäudes dar; dies bleibe auch unter Berücksichtigung des geänderten Bauvorhabens gleich. Die Giebelseite sei in der Regel die Schmalseite eines Gebäudes; für die Giebelseite sei es unerheblich, ob der Giebel (also der oberste Bereich unter dem Dach) senkrecht oder geneigt, wie hier mit 70 Grad, ausgeführt werde. Die im Projekt vorgesehene Dachaufbaukonstruktion stelle jedenfalls einen Giebel dar, weil dadurch eine (wenn auch nach Westen geneigte) Giebelfläche zwischen zwei geneigten Dachflächen (und damit eine Front zwischen First und den beiden Traufen) entstehe, die am ehesten mit einem "Krüppelwalm/Trapezgiebel" vergleichbar sei. Auf der Giebelseite sei gemäß § 13 Abs. 4 Stmk. BauG nur das unterste Dachgeschoß nicht als Geschoß anzurechnen, wohl aber weitere. Im abgeänderten Projekt fänden sich nun giebelseitig zwei Dachgeschoße, wovon eines als Geschoß anzurechnen und somit abstandsrelevant sei. Die Unterscheidung der Anrechnung von Geschoßen an der Giebel- und der Traufenseite im Stmk. BauG hänge mit den Belichtungsverhältnissen zusammen (Hinweis auf die Ausführungen bei
Trippel/Schwarzbeck/Freiberger , Steiermärkisches Baurecht,
5.
Auflage, Anm. 21 zu § 13 Stmk. BauG). Bereits aus diesem Grund leide der angefochtene Bescheid unter inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet wird, von dieser einen bestimmten Mindestabstand (Grenzabstand) einhalten, der sich aus der Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2 m, ergibt. Als Geschoße sind gemäß § 13 Abs. 4 leg. cit. jene anzurechnen, die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig sind und deren Außenwandfläche zu mehr als 50 % und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt. Ausnahmen von dieser Anrechnungsregel enthält Abs. 5: demnach sind Dachgeschoße an der Traufenseite, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt, sowie das unterste Dachgeschoß an der Giebelseite, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt, nicht als Geschoß anzurechnen.
Die Aufmauerung eines Altbestandes in einem konsentierten, wenn auch zu geringen Seitenabstand ist unter dem Gesichtspunkt der Abstandsbestimmung zulässig, wenn die zählbare Kategorie an Geschoßen nicht verändert wird (vgl. die bei
Trippel/Schwarzbeck/Freiberger , Steiermärkisches Baurecht,
5.
Auflage, § 13 Stmk. BauG, Rz 20 zitierte hg. Judikatur).
Das Vorliegen eines Dachgeschoßes im Sinn des § 13 Abs. 5 Stmk. BauG ist in einem Fall, in dem eine innovative Dachform gewählt wurde, im Lichte einer am Zweck der Regelung (insbesondere im Hinblick auf die offensichtlich damit zu schützenden Nachbarrechte) orientierten und auch den Gleichheitssatz beachtenden Auslegung anhand eines fiktiv anzunehmenden, gemäß dieser Bestimmung, ausgehend von der Außenwand des Gebäudes, zulässigen Satteldaches mit einem Kniestock von 1,25 m und einer Dachneigung von 70 Grad zu prüfen (vgl.
Trippel/Schwarzbeck/Freiberger , a.a.O., § 13 Stmk. BauG, E 38 mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0220).
Im gegenständlichen Fall verfügt das Bestandsgebäude über ein Flachdach. Dieses Flachdach soll abgetragen, die bestehende Brandmauer in weiten Bereichen gekürzt, in einem kleinen Bereich jedoch erhöht werden und darauf soll eine Dachkonstruktion aufgesetzt werden. Gemäß den von der belangten Behörde genehmigten Einreichplänen entstehen an der Ostfassade zwei, westseitig drei neue Geschoße unter einer innovativen Dachform. Diese Dachform hält an der Ostseite die in § 13 Abs. 5 Stmk. BauG genannten Kriterien, nämlich eine Kniestockhöhe von maximal 1,25 m und eine Dachneigung von maximal 70 Grad, ein. An der Westseite hat das Dach eine geringere Dachneigung. An den Nord- und Südfassaden des Bauvorhabens sollen im Dachaufbau keine schrägen Dachflächen zur Ausführung gelangen, sondern senkrechte Fassaden mit vorgelagerten Balkonen.
Strittig ist nunmehr, ob die Ausnahmebestimmung des § 13 Abs. 5 erster Spiegelstrich Stmk. BauG, wonach an der Traufenseite alle Dachgeschoße hinsichtlich der Abstandsberechnung nicht anzurechnen sind, anwendbar ist, oder ob nach der für die Giebelseite (zweiter Spiegelstrich) vorgesehene Bestimmung nur das untere Dachgeschoß von der Anrechnung ausgenommen ist.
Als Giebel bezeichnet man den senkrechten, meist dreieckigen Dachabschluss zwischen den geneigten Flächen des Daches. Das untere, waagrechte Ende einer geneigten Dachfläche ist die Traufenkante; das ist dort, wo normalerweise die Dachrinne hängt. Bei einem Satteldach stoßen zwei schräg gestellte Dachflächen am First zusammen; an den Unterseiten (Traufen) hängt die Dachrinne (vgl.
Dietmar Grütze , Bau-Lexikon, S 108, 269 und 225).
Überträgt man nun die Ausführungen im hg. Erkenntnis Zl. 97/06/0220 auf das gegenständliche Bauvorhaben und fingiert ein Satteldach, so liegen fallbezogen die geneigten Dachflächen ost- und westseitig, während nord- und südseitig senkrechte Hausfassaden zur Ausführung kommen sollen.
Vor diesem Hintergrund kann die Ansicht der belangten Behörde, fallbezogen sei die Ostfassade als Traufenseite zu beurteilen, weshalb beide Dachgeschoße nicht abstandsrelevant seien, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Revisionswerberin bringt weiter vor, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob insbesondere durch die nunmehr umgestalteten Terrassen zur Reiche hin unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen auf den Liegenschaften der Revisionswerberin zu erwarten seien. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid, bei flächenwidmungsplankonformer Nutzung könne eine konkrete Prüfung der Lärmimmissionen unterbleiben, sei unrichtig, weil auf Grund der massiven Unterschreitung der Gebäudeabstände des Bestandes - die offenen Balkone reichten bis auf 120 cm an die Gebäudefront der Revisionswerberin, an der konsentierte Fensteröffnungen vorhanden seien, heran - besonders prüfenswerte Umstände vorlägen, die eine Beiziehung von lärmtechnischen Sachverständigen erforderlich gemacht hätte.
Sofern die belangte Behörde diesbezüglich auf eine eingetretene Präklusion verweist, ist zunächst auszuführen, dass die Revisionswerberin nicht erstmals in der Berufung unzumutbare Lärmimmissionen rügte, sondern nach der Projektsänderung im Rahmen des Parteiengehörs, weil erst durch den im Rahmen der Änderungen geplanten Wegfall der Auskragung des Gebäudeteiles im dritten und vierten Obergeschoß die Terrassen "unmittelbar, ungeschützt und offen bis in die Reiche zwischen den beiden bestehenden Objekten führen". Eine Präklusion gemäß § 42 AVG kann jedoch nur hinsichtlich des Verhandlungsgegenstandes eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0235, mwN).
Dem Vorbringen der Revisionswerberin hielt die belangte Behörde entgegen, die Änderungen seien so geringfügig, dass sie keinen Einfluss auf die Schallsituation haben und daher nicht von Einfluss auf die eingetretene Präklusion sein könnten. Sie verneint das Vorliegen besonderer Umstände ohne jede Begründung und ohne sich mit dem Vorbringen der Revisionswerberin erkennbar auseinanderzusetzen.
Insofern blieb das Verfahren vor der belangten Behörde mangelhaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0129), sodass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbK-ÜG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 und § 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014). Wien, am